Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Heute vor 111 Jahren wurde Astrid Lindgren geboren, die wohl bekannteste Kinderbuchautorin der Welt. Sie hat sich zum Beispiel Pippi Langstrumpf ausgedacht, Karlsson vom Dach oder die Brüder Löwenherz. Das alles lese ich heute noch gerne. Und immer wieder merke ich dann, wie tief manche dieser Geschichten mich geprägt haben und berühren. Als ob mein Leben darin Platz hat.

Wie kommt das? Vielleicht hat es mit Astrid Lindgrens eigenem Leben zu tun. In dem kommen nämlich ganz verschiedene tiefe Erfahrungen zusammen. Ihre Kindheit hat sie sehr unbeschwert erlebt, voller Geborgenheit und Freiheit. Mit achtzehn Jahren ist sie schwanger geworden, hat ihr Kind heimlich zur Welt gebracht und musste es zunächst einer Pflegefamilie überlassen.

Schon als junge Frau hat Astrid Lindgren also ganz verschiedene Lebenserfahrungen gemacht. Längst nicht alles gleicht sich da gegenseitig aus. Vieles liegt einfach unsortiert nebeneinander.

… und genau das spürt man auch den Hauptfiguren in Astrid Lindgrens Geschichten ab, finde ich. Die sind häufig fröhlich und begeisterungsfähig. Und oft wissen sie zugleich ganz selbstverständlich, dass das Leben auch durch Dunkelheiten führt. Pippi Langstrumpf zum Beispiel hat keine Eltern mehr, sie ist ganz auf sich gestellt. Die Eltern von Karlssons Freund Lillebror haben wenig Zeit, seine älteren Geschwister gehen schon eigene Wege. Und die Brüder Löwenherz müssen mehrmals Abschied nehmen und neu aufbrechen. Da liegt das Leben in seiner vollen Tiefe da. Und Kinder wie Erwachsene merken dann schnell: Darin hat auch mein eigenes Leben Platz.

Mir geht es mit Astrid Lindgrens Büchern oft ganz ähnlich wie mit den Geschichten in der Bibel. Die von Sara und Abraham zum Beispiel, von Josef oder von den Brüdern Jakob und Esau. Auch da wird unzensiert geschildert, wie das Leben eben so läuft. Licht und Schatten liegen ganz eng beieinander. „[Gott] offenbart, was tief und verborgen ist; er weiß, was in der Finsternis liegt, und nur bei ihm ist das Licht.“ [Daniel 2,22]. So heißt es mal in der Bibel. Und gerade die Hauptpersonen der biblischen Geschichten machen oft auch Schweres durch. Sara und Abraham bekommen lange keine Kinder. Josef wird von seinen Geschwistern in die Sklaverei verkauft. Und die Brüder Jakob und Esau verkrachen und versöhnen sich. Weil das Leben eben Spuren hinterlässt. Weil es nicht ohne Verletzungen geht, wenn man sich auf die Welt und die Menschen einlässt.

Die Bibel und Astrid Lindgren – inzwischen lese ich daraus auch unseren Kindern vor. Und ich hoffe, dass auch sie das prägt und berührt. Damit sie bereit sind fürs Leben – für seine hellen und für seine dunklen Seiten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27561
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