SWR4 Sonntagsgedanken

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„Bunt sind schon die Wälder, gelb die Stoppelfelder, und der Herbst beginnt.“ Ab heute passt dieses schöne alte Lied wieder. Nun beginnt der Herbst offiziell. Nach einem schier endlosen Sommer. Braun waren die Wälder ja schon Ende August, weil es so trocken war. Und nicht nur die Stoppelfelder waren gelb, sondern ganze Flächen neben den Straßen. Vor fünfzehn Jahren hat man so etwas noch einen „Jahrhundertsommer“ genannt und sich über das schöne Wetter gefreut. Diesmal ist es doch vielen unheimlich geworden.

Statt von „Jahrhundertsommer“ ist von „Dürre“ die Rede. Bei diesem Wort denke ich an Nachrichten aus Afrika.
Oder an die Bibel. Auch in biblischen Zeiten gab es Dürreperioden. Und damals hielten die Menschen so eine Trockenheit für eine Strafe des Himmels. Zur Zeit des Königs Ahab zum Beispiel. Ahabs Regierungsstil wird in der Bibel knapp so zusammengefasst: „Er erzürnte den HERRN, den Gott Israels, mehr als alle Könige Israels vor ihm.“

Da schickt Gott den Propheten Elia zum König mit einer Warnung. Es wird Folgen haben, was ihr tut: „So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, in dessen Dienst ich stehe: in diesen Jahren sollen weder Tau noch Regen fallen, es sei denn auf mein Wort hin.“

Ein Machtkampf zwischen König und Prophet beginnt und zieht sich über Jahre. Mich erinnert das schon ein wenig an die Situation heute: Trotz internationaler Abkommen schaffen es die Regierungen der Welt seit Jahren nicht, die Zerstörung unserer Umwelt und unseres Klimas in den Griff zu bekommen. Und auf der anderen Seite gibt es Propheten, die immer lauter warnen: Wir haben bloß die eine Erde! Und wir haben nicht mehr viel Zeit, umzusteuern, ehe es unwiderruflich zu spät ist!

Ich selbst stehe in diesem Streit irgendwo dazwischen. Ich höre die Propheten. Und ich gebe ihnen recht. Ich mache mir Sorgen. Und denke dann wieder: Was kann ich denn tun? Müsste es da nicht erst einmal andere Gesetze und Vorschriften geben? Aber fängt es nicht doch bei mir und meinem Lebensstil an? Ich habe kein besonders großes Auto. Aber ich fahre viel. Anders käme ich in meiner ländlichen Region gar nicht vom Fleck. Was soll ich tun, wenn es keinen öffentlichen Nahverkehr gibt? Ich brauche auch keine Fernreisen. Aber ich gönne sie denen, die dafür gearbeitet haben und sich darüber freuen. Ich esse nur wenig Fleisch. Aber manchmal schmeckt es mir einfach!

Und nun diese Dürre. Da frage ich mich: Was habe ich falsch gemacht? Könnte ich denn anders leben, ohne dafür gleich in eine Höhle im Wald zu ziehen? Soll ich denn leben wie in der Steinzeit? Könnten wir alle anders leben – so dass es wirklich die Natur schont und die Erde sich nicht weiter erwärmt? Wie kann ich als Einzelner Einfluss ausüben?

In der Bibel kündigt der Prophet Elia dem König Ahab die Dürre als Auswirkung seines selbstsüchtigen und gottlosen Verhaltens an. Ich finde an diesen alten Geschichten immer wieder beeindruckend, wie realistisch sie sind. Da missbraucht ein Einzelner seine Macht – und alle müssen darunter leiden. Die Auswirkungen treffen nicht nur den Einen oder die Wenigen, die etwas Schlechtes getan haben. Sie treffen unterschiedslos alle. Es gibt Folgen des verkehrten Verhaltens.

Ich glaube, diesen Realismus der Bibel brauchen wir. Er hilft uns, dass wir uns nicht etwas in die Tasche lügen. Und noch etwas zweites beeindruckt mich immer wieder: Die Bibel erzählt nichts von gleichgültigem Schulterzucken. Damals gab es kein: Du wirst schon sehen, was du davon hast! Aber auch kein: Ja, dann ist es eben so.

In der Bibel stiehlt Gott sich nicht aus der Affäre. Er schickt Menschen, die etwas sagen, die etwas tun. Das können Sie auch, das kann ich! Sagen: Mir ist das nicht egal! Ich möchte, dass es anders geht! Es kann anders gehen – wenn wir das alle gemeinsam wollen!

Die Frage ist also nicht: Was habe ich falsch gemacht? Sondern: Was können wir alle anders machen? Natürlich fängt es bei jedem einzelnen Menschen an. Aber es reicht nicht, wenn ich alleine auf Fleisch verzichte, ein Elektroauto fahre und fairen Kaffee trinke. Und dann feststelle, dass sich dadurch noch nichts geändert hat – und schlimmstenfalls denke: Ach, dann ist es auch egal!

Es ist nicht egal. Das ist die wichtigste Botschaft, die mir die Geschichte von Elia und Ahab gibt. Es ist nicht egal, was wir tun – oder was wir lassen. Und der andere Mensch ist nicht egal. Wir teilen uns diese Welt.

Mir macht die Geschichte von Elia Mut. Mut, wo ich mich zurückziehen und die Dinge einfach laufen lassen möchte. Stattdessen möchte ich lieber gemeinsam mit anderen Menschen darüber nachdenken, mit welchen kleinen Schritten wir Einfluss nehmen können. Und mit anderen gemeinsam politische Maßnahmen einfordern. Einen schnelleren Ausstieg aus allen Verbrennungstechniken etwa. Oder höhere Steuern auf umweltschädlichen Verbrauch.

Und wenn wieder einer sagt: Das stimmt doch alles gar nicht! Oder: Ich kann ja doch nichts tun! – Dann möchte ich ruhig mit ihm darüber reden, welche Gefahren für die Zukunft es wirklich gibt. Und ihn davon überzeugen, mit mir zusammen zu überlegen, was wir gemeinsam tun können. Dann sind wir ja schon mindestens zwei! Und mit Gott zusammen sogar drei.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27229
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