SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Janus war ein Gott mit zwei Gesichtern. Eines blickte in die Vergangenheit, eines in die Zukunft. Nach diesem Gott ist der Januar benannt, und mir scheint, der 1. Januar, an der Schnittstelle zwischen altem und Neuem Jahr, bietet sich prominent zum Rückblick und zum Ausblick an. Noch ist die Erinnerung an das, was vergangen ist, ganz lebendig. Und genauso vital ist die neugierige, hoffnungsvolle, vielleicht auch ängstliche Erwartung an das, was kommt.

Der Rückblick bedeutet, realistisch wahrzunehmen, was in der Vergangenheit geschehen ist, in der ganzen Breite. Zum Rückblick gehört das Schlechte und auch das Gute. Es wird sich rächen, wenn man das Gute vergisst. Wer die Vergangenheit in Bausch und Bogen verdammt, wird von der Zukunft bitter enttäuscht werden. Aber auch das Schlechte ist in den Blick zu nehmen. Überstandene Schrecken haben manchmal die merkwürdige Eigenschaft, im Rückblick erträglicher zu erscheinen. Man weiß ja: dies ist geschafft, mit wieviel Wunden auch immer. Einerseits gut und ein Erfolgserlebnis, aber es wäre fatal, wenn man die Ursachen oder den Grund des Schreckens darüber vergisst. Deshalb: Es ist gut, beides wahrzunehmen - das Gelungene und das Misslungene, um von beidem würdig Abschied nehmen zu können. Sonst kann es geschehen, dass die Vergangenheit ihre Schatten in die Gegenwart wirft. Dann gilt es: Wage ich es, meine Vergangenheit zurückzulassen, das vergangene Jahr zu lassen, wie es ist? Mein Vorteil gegenüber Janus ist, dass ich nicht immer zugleich nach vorne und nach hinten schauen muss. Ich kann als Christin die Vergangenheit, wenn ich sie denn wahrgenommen habe, in Gottes Hände legen. Ich kann meinen Gott um Vergebung bitten. Und darum, dass er aus dem, was war, Gutes entstehen lassen möge, mit und trotz mir. Ich finde es ungemein entlastend, dass ich nicht wie Janus ständig auf meine Vergangenheit starren muss und das alte Jahr so an mir kleben bleibt wie ein Kaugummi an einer Schuhsohle.

Bevor sich nun aber der Blick in die Zukunft richten kann, gibt es eine Zwischenzeit. Da wir Menschen nicht Janus sind und auch nicht Gott, können wir nicht gleichzeitig zurück- und nach vorne blicken. Es gibt immer diesen Augenblick dazwischen. Ich finde, das ist eine besondere Chance! Der 1 Januar, als Feiertag, mag deshalb ein Tag der Ruhe sein, ein Zwischen-Tag und eine Zwischenzeit, eine Atempause. Eine Atempause nach dem, was das vergangene Jahr uns zugemutet und womit es uns beschenkt hat, und ein Atemholen vor dem, was das Neue Jahr für uns bereithalten wird. Eine Atempause im Zwischenland eines Ruhetages.

Außerdem: Wem im letzten Jahr Wunden geschlagen wurden, braucht ein bisschen Zeit, sie zu lecken und zu verbinden. Wenn das erledigt ist, kann es weitergehen.

Dann darf der Blick auf den Weg dieses neuen Jahres gehen.

Was kann mir auf diesem Weg Wegzehrung sein? Was kann und darf mich begleiten auf den Wegen, Um- und Abwegen dieses Jahres? Mein Vorteil gegenüber Janus ist: Ich kann mir ein Bibelwort mitgeben lassen, die Jahreslosung für dieses Jahr 2018. Ein sehr sinnliches Wort, aus dem Buch der Offenbarung, noch dazu mit der Verheißung, dass alles nicht von meiner Leistungsfähigkeit abhängt, sondern reines Geschenk ist. Auch das passt zu diesem Feiertag, dem 1. Januar: Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Ich wünsche Ihnen und mir, und unserem Land, dass wir in diesem Neuen Jahr 2018 zu guten Quellen finden, dass wir erfrischenden Menschen und Ideen begegnen, dass wir die Erkenntnis bewahren, dass man die wichtigsten Dinge im Leben eben nicht bezahlen kann, sondern umsonst geschenkt bekommt. Ich wünsche Ihnen und mir aber auch, dass wir durstig bleiben nach guten Quellen und nicht vorschnell satt werden oder uns abspeisen lassen. In diesem Jahr, das auch politisch Neuland betritt, kann man den Menschen, die in unserem Land politische Verantwortung tragen, auch nur wünschen, dass sie zwischen lebendigen Quellen und brackigem Wasser unterscheiden können. Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.

Auf dem Weg zu lebendigen Quellen und erfrischenden Menschen, in und mit all diesen Wünschen begleite und trage Sie der Segen Gottes.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25639
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