SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Man lernt im Leben nicht aus. Das habe ich neulich mal wieder gemerkt und das kam so: Anfang Juni beginnt bei uns in der Kirche die Hochzeitssaison. 15, 16 Trauungen haben wir jedes Jahr. Einige davon sind meine Aufgabe. Manche Paare sind Anfang zwanzig, andere Mitte vierzig. Wieder andere möchten einen Dankgottesdienst zur Silberhochzeit. Oder sogar zur Goldenen.

Wenn ich die Paare vergleiche, dann merke ich immer: Je jünger das Paar, desto akribischer wird die Hochzeit geplant. Warum sie einen Gottesdienst wollen – um ihre Dankbarkeit auszudrücken für ihr gemeinsames Glück oder weil sie Gott um Segen und Beistand bitten wollen: das spielt anscheinend nur eine kleine Rolle. Hauptsache, der Tag wird der schönste Tag des Lebens. Dachte ich jedenfalls. Ein Paar zum Beispiel, das ich vor einiger Zeit getroffen habe: Die Braut und der Bräutigam sind zu mir ins Pfarrhaus gekommen; zum Traugespräch. Die Braut hat dann nach der Begrüßung aus einer großen Tasche einen dicken Ordner geholt. Er war voller Klebezettel für die verschiedenen Themen: Kleid, Location, Gästeliste, Musik, Gottesdienst, Fotoshooting.

Die Braut hat eine Reihe von Fragen gestellt: von wo aus darf der Fotograf Bilder machen? Wann kann die Hochzeitssängerin singen? Können die Gäste zuerst die Kirche verlassen, um uns dann mit Seifenblasen vor der Kirche zu begrüßen? Haben Sie einen Vorschlag für einen Trauspruch, in dem Gott nicht vorkommt?

Ich mag es, wenn die Leute fragen! Wirklich! Ich bin der Meinung, dass ein Gottesdienst zur Hochzeit zu dem Paar passen soll. Denn letztlich ist es ja ihr Tag. Ich schmunzle nur ab und zu, weil ich denke: Irgendwie wäre doch Gott ganz passend, wenn das Paar sich einen Gottesdienst wünscht.

Oder kommt es den Brautpaaren am Ende doch nur auf die Show an? Um all die Aaahs und Ooohs? Manchmal frage ich mich das. Aber sehen Sie – genau da hab‘ ich gemerkt, dass man im Leben nicht auslernt. Diesen Sommer haben sich die meisten Paare als Lesung aus der Bibel einen Text von Paulus gewünscht. Der geht so:

Die Liebe sei ohne Falsch. Hasst das Böse, hängt dem Guten an. Respektiert einander. Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in Trübsal und beharrlich im Gebet!

Ich frage dann immer: Was gefällt Ihnen denn daran? Und alle Paare, die sich diesen Text aussuchen, sagen: Er beschreibt so lebensecht, wie man miteinander umgehen soll! Darauf kommt es doch an! Auf das Gute, auf Respekt, Hoffnung und Geduld!
Ach, habe ich da gedacht: Haben sie sich doch mehr Gedanken gemacht, als ich erwartet habe. Sie haben klare Vorstellungen davon, worauf es ankommt. Und mir hat der liebe Gott jemanden geschickt, der mich daran erinnert.

Anscheinend mögen die Brautpaare an diesem Text, dass er klar macht:  Auch Gott hat ein großes Interesse daran, dass die Menschen wissen, worauf es ankommt. Wie sie miteinander umgehen sollten, damit ihr Leben gelingt.

Deshalb schickt Gott uns Anregungen, wie unser Leben gut werden kann. Zum Beispiel solche Bibelworte, wie sie das Brautpaar ausgesucht hat. Aber Gottes Anregungen fallen nicht einfach so vom Himmel. Er braucht Menschen, die sie vermitteln. Den Pfarrer zum Beispiel, der so ein Bibelwort ins Gespräch bringt. Oder ein junges Paar, dass dem Pfarrer die Augen öffnet, dass er zwei Menschen unterschätzt hat.

Ich sehe das so: Ich bin Pfarrer von Beruf, Sie sind vielleicht Bäcker oder Lehrerin, oder Hausfrau. Jede und jeder ist in seinem Beruf gut eingeübt. Und was man häufig wiederholt, klappt immer besser. Man bekommt Erfahrung und Übung. Die Wahrscheinlichkeit, dass beim gleichen Handgriff etwas schiefgeht, wird ganz gering. Wer sich noch mehr Erfahrung und Möglichkeiten wünscht, macht eine Weiterbildung. Das regt an im Beruf und bringt einen weiter.

Das gilt genauso für Hobbys. Wer gerne grillt, kann heute an jeder Ecke Grillseminare besuchen. Wer gerne strickt, geht zum Strickabend. Wer gärtnert, hat sich vielleicht ein Gartenmagazin abonniert. Der Mensch kommt, so denke ich, immer gerne voran. Man lässt sich anregen und findet neue Ideen und Möglichkeiten.

Und das gilt auch fürs Menschsein: Für das Brautpaar war der Abschnitt aus der Bibel so eine Anregung und Erinnerung. Und ich habe gleich zweierlei gelernt: Ich dachte ja, es käme dem Paar nur auf die Show an. Dabei war das ganz falsch! Sie haben mich schließlich daran erinnert, worauf es ankommt im Zusammenleben.

Halten Sie doch mal diese Woche Augen und Ohren offen. Nehmen Sie eine Prüffrage mit: Gibt es Menschen, die mich quasi in Gottes Auftrag anregen? Nicht in jedem Satz wird Gott drinstecken. Keine Frage. Nicht jeden Menschen schickt der Himmel. Auch keine Frage. Aber es ist gut möglich, dass Sie etwas hören oder sehen, worauf es ankommt. Da ist Gott dann dabei.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen gesegnete und anregende Woche.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24612
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