Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Im Dämmerlicht an einem frühen Samstagmorgen wäre ich um ein Haar einem Trickbetrüger auf den Leim gegangen. Auf dem Wochenmarkt bat mich ein unauffälliger  und gut gekleideter Herr mit leichtem Akzent um ein paar Münzen für die Parkuhr. Als ich in meinem Geldbeutel kramte, merkte ich, dass mir der Gauner – fröhlich plaudernd – immer näher kam, um mit flinken Fingerchen ein paar Geldscheine aus meinem Portemonnaie zu angeln. Schnell entzog ich ihm das Objekt seiner Begierde, da war die Gestalt auch schon im Dunkel verschwunden. 

Immer wieder fallen vor allem ältere und einsame Menschen auf ähnliche Trickbetrüger herein, öffnen vertrauensselig vermeintlichen Monteuren, Kontrolleuren oder Brandschutz-Fachleuten die Wohnungstür und wundern sich dann, wo die Barschaft und das Familiensilber abgeblieben sind. Am widerlichsten ist der „Enkeltrick“, wenn auf der Mitleids-Tour oft gewaltige Summen abgegriffen werden. 

Klar, vor solchen Zeitgenossen, die „Mein“ und „Dein“ nicht unterscheiden wollen, muss man auf der Hut sein. Die Frage ist nur: Bin ich darüberhinaus nicht auch der Hüter meines Bruders und meiner Schwester? Ja, sagt die Bibel, wir tragen Verantwortung füreinander. 

Gute Nachbarschaft – gerade mit älteren Menschen – schafft Nähe und Vertrauen. Das ist die optimale Diebstahlversicherung. Auch draußen im Gedränge von Einkaufsmeilen und Bahnhöfen ist es ratsam, nicht nur die eigene Brieftasche fest im Griff zu behalten, sondern ein wachsames  Auge auf die Umgebung zu werfen. 

Mir tun die so ausgetricksten und betrogenen Menschen leid. Es ist ja nicht nur der materielle Verlust, den sie beklagen müssen. Mehr noch plagt sie die Scham über die eigene Dummheit und Arglosigkeit, die seelische Verwundung, die Schmach, die sie erlitten haben. Auch ich hätte mich maßlos über mich selber geärgert, wenn mich der Langfinger abgefischt hätte. 

Die Betrogenen zu belächeln oder gar für ihren Leichtsinn zu tadeln, das tut ihnen nur weh! Wie Balsam aber wirken gute Worte und das Eingeständnis, dass einem selber sowas auch passieren könnte.

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