SWR4 Sonntagsgedanken RP

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Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben. Ich mag diesen Satz von Herrmann Hesse und habe ihn schon öfters erlebt. Den Zauber des Anfangs. Der erste Tag auf der Schulbank, die erste Predigt auf einer sehr hohen Kanzel, die Geburt meines ersten Kindes. Das war sehr aufregend und hat auch Angst gemacht. Aber im Nachhinein kann ich sagen: da war immer auch ein Schutz und eine Hilfe.
Heute ist der erste Sonntag im neuen Jahr. So viele Möglichkeiten und Chancen liegen vor uns. Welche Wege werden wir gehen?
Die Heiligen Drei Könige, an die heutige der 6. Januar erinnert, haben auf den Schutz und die Hilfe Gottes vertraut. Und sind den richtigen Weg gegangen.
Eigentlich waren die drei Männer keine Könige, sondern Gelehrte, genauer gesagt: Astrologen. Sie haben die Sterne beobachtet um daraus die Zukunft vorherzusagen.
Bei uns läuft ja Sterndeuterei eher unter Esoterik und Aberglaube. Aber in Asien sind Sterndeuter noch heute wichtig. In Thailand z. B. heiratet kein Paar, ohne vorher einen Astrologen befragt zu haben, ob die Ehe gut geht. Dazu untersucht der Astrologe nach einer Jahrtausende alten Tradition die Konstellation der Sterne zu der Zeit, als die beiden geboren worden sind. Passt sie zusammen, gibt er grünes Licht für die Ehe. Und daran halten sich die Leute.
Die drei Weisen aus dem Morgenland waren auch solche Männer, deren Wort etwas gegolten hat.
Und die sehen zum ersten Mal einen hellen Stern. Dass heißt, eigentlich sind es zwei Sterne, die sich übereinander geschoben haben. Sie befragen ihre Tradition und finden darin einen Hinweis darauf, dass irgendwo der König der Juden geboren sein muss. Und so folgen sie dem Stern und der Stimme ihres Herzens.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben. Nie werde ich vergessen, wie ich zum ersten Mal ein Brautpaar getraut habe. Die beiden waren 15 Jahre älter als ich. Sowohl ihre Single- Freunde wie ihre Eltern wollten nicht, dass sie heiraten. Deshalb hatten sie auch Angst vor diesem Schritt. Als Pfarrerin wollte ich ihnen Hilfe und Gottes Segen mitgeben. Aber ich war völlig unerfahren und so aufgeregt, dass ich beinahe in Ohnmacht gefallen wäre. Schließlich kam der Moment, in dem sie niedergekniet sind und ich ihnen die Hand auflegen sollte. Und da war es auf einmal ganz einfach. Ich musste gar nichts tun, nur da sein. Gottes Kraft lag wie ein Zauber über uns und hat uns alle drei beschützt und gestärkt. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben. So ist das, wenn man losgeht und auf Gottes Kraft hofft.
Und so muss das auch den drei Weisen aus dem Morgenland gegangen sein.
Die haben den Zauber des Anfangs erlebt. Sie haben der Tradition vertraut und der Stimme ihres Herzens. Und sie haben erlebt: Gott ist da mit seinem Schutz und seiner Hilfe. Daran erinnert der heutige 6. Januar, der Dreikönigstag.
Ein Bekannter hat sein ganzes Berufsleben Bilanzen und Tabellen geschrieben. Dann kam die Pensionierung. Und er hat gespürt: Jetzt würde er gern was mit Menschen machen.
Also hat er eine Ausbildung bei der Telefonseelsorge angefangen. Ein Jahr lang hat er gelernt, wie man mit Menschen redet, die verzweifelt und ratlos sind. Jetzt ist er Telefonseelsorger, sitzt immer wieder eine Nacht lang am Telefon und hat ein offenes Ohr, einen guten Rat oder schlicht eine Adresse für jemanden, der meint am Ende zu sein. Nach solchen Nächten sinkt er oft erschöpft, aber doch beglückt ins Bett. Weil er erleben durfte, wie sein Neuanfang vielen Leuten und ihm selber zum Segen geworden ist.
Die drei Weisen aus dem Morgenland sind auch mutig aufgebrochen. Gewiss, da war ein leuchtend heller Stern am Himmel, der hatte etwas zu bedeuten. Und da war der Hinweis der Schriftgelehrten, dass unter diesem Stern ein Kind geboren würde. Ein königliches Kind. Aber schon in der Hauptstadt Jerusalem erleben sie einen merkwürdig aufgeregten König Herodes. Der gibt sich zwar interessiert an dem Kind, und warum ist er dabei so aufgeregt, als er sie bittet, auf dem Rückweg ihm von dem Kind zu erzählen?
Welche Macht muss das Kind haben, wenn sogar ein König sich bedroht fühlt?
Und warum finden sie dieses Kind nicht in einem Palast, sondern in einer ärmlichen Hütte, einem Stall? Warum liegt dieses Kind in einer Krippe?
Die drei Weisen sind losgezogen, um das angekündigte Königskind, den Retter Israels zu finden. Und sie finden heraus: in diesem Kind ist Gottes Macht ganz nah gekommen. Und diese Macht braucht nicht den Glanz irdischer Macht. Es ist eine Macht, die tief in die Verzweiflung hinein leuchtet und die es darin hell macht. Sodass Menschen trotz schwieriger, äußerer Verhältnisse heiter und aufrecht im Leben stehen können. Gott ist bei denen, die im Dunkel sind. Ihnen schickt er sein Licht. Ihnen schickt er Schutz und Hilfe.
Nachdem die drei Weisen dem Kind königliche Geschenke überreichen, werden sie auf dem Rückweg den Palast des Königs nicht mehr betreten. Heidnische Sterndeuter retten das Jesuskind vor einem mörderischen König, weil sie auf die Stimme Gottes im Traum, weil sie der Stimme ihres Herzens vertrauen.
Deshalb hat die Tradition aus den drei heidnischen Astrologen später Könige gemacht. Männer, die mutig und voller Gottvertrauen neue Schritte gewagt und sich vom schönen Schein irdischer Macht nicht haben verführen lassen.
Und das wünsche ich uns und den Politikern, die sich heute zum traditionellen Dreikönigstreffen versammeln. Dass wir uns vom schönen Schein irdischer Macht nicht verführen lassen, sondern den Zauber des Anfangs erleben: Gottes Schutz und Hilfe auf dem Weg, der vor uns liegt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14378
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