SWR4 Abendgedanken RP

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„Der Mensch ist nie so schön, als wenn er um Verzeihung bittet oder selbst verzeiht." Das hat Jean Paul gesagt, ein berühmter protestantischer Schriftsteller.
Verzeihen macht Menschen schön. Der Satz gefällt mir.
Ich erinnere mich an die Geschichte, die Arthur mit Johannes erlebt hat.
Arthur ist Hausmeister in der Schule. Er hat mir erzählt, wie er einmal morgens entdeckt hat, dass ein Einbrecher in der Nacht in der Schule gewesen sein muss. Es hat nichts gefehlt, aber der Schaum eines ganzen Feuerlöschers war im Treppenhaus der Schule versprüht - vom Eingang bis zum Lehrerzimmer.
Zum Glück war das am ersten Ferientag. An dem Tag sind keine Schüler mehr gekommen, und Arthur hatte Zeit, den Schaden in Ruhe zu beseitigen. Als er überlegt hat, wer das getan haben könnte, ist ihm Johannes eingefallen, hat der Hausmeister mir erzählt. „Der war ganz schön wütend über sein Zeugnis. Ich kenn das. Das ging mir früher auch immer so. Ich konnte mich noch so sehr anstrengen, eine oder zwei Fünfen waren immer dabei. Und dann hatte ich immer eine Mordswut im Bauch. Und ich wusste, dass es daheim erst mal Senge geben würde. Deswegen habe ich mich mit dem Zeugnis nie heimgetraut."
Deshalb hat Arthur besonnen reagiert.  „Na, begeistert war ich nicht von dem Schaum" hat er gesagt. „Aber irgendwie hat der Junge mir auch wieder Leid getan. Ich konnte mir ja denken: Daheim hat er noch viel mehr Ärger gekriegt mit seinem Zeugnis."
„Haben Sie den Johannes direkt darauf angesprochen?" will ich wissen, und Arthur schüttelt den Kopf.
„Ich hab doch gesehen, dass der Bub sich geschämt hat. Da habe ich irgendwann nur gesagt: Ich könnte jemand gebrauchen, der mir heute Nachmittag beim Stühle stellen in der Aula hilft."
Tatsächlich ist Johannes am Nachmittag gekommen und hat zusammen mit dem Hausmeister Stühle in die Aula geschleppt. „Und am Schluss," sagt Arthur „hat er zugegeben, dass er es gewesen ist, der den Feuerlöscherschaum versprüht hat. Da habe ich dann nicht mehr viele Worte gemacht."
„Der Mensch ist nie so schön, als wenn er um Verzeihung bittet oder selbst verzeiht."
Ich denke mir, dass Jean Paul das so gemeint hat: Dass der eine nicht nur den schwierigen Schüler und der andere nur den strengen Hausmeister sieht, sondern beide haben etwas sehr Schönes gesehen: Wie gut es tut, wenn man verzeiht.

 

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