SWR4 Abendgedanken BW

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Weihnachten steht vor der Tür. Ein Fest für die ganze Familie. Friede, Freude, Festtagsbraten. Zumindest vermittelt die Werbung uns dieses Bild. Doch längst nicht alle feiern tatsächlich ein solches Familienfest: Kinder, deren Eltern geschieden sind, sind erst bei Mama, dann bei Papa. Andere wiederum haben sich mit den Eltern oder Geschwistern zerstritten. Viele werden die Weihnachtstage daher eher im Urlaub verbringen, vielleicht auch vor dem Fernseher oder mit Freunden. Ich kenne sogar Menschen, die lassen sich extra an Weihnachten für die Nachtschicht eintragen. An Weihnachten feiern wie die Geburt Jesu. War eigentlich damals alles so harmonisch? Die Vorgeschichte liest sich anders: Maria wurde überraschend schwanger. Joseph vermutet, dass Maria ihn betrogen hat. Erst nach einiger Zeit konnte er glauben, dass Maria den Sohn Gottes erwartet. Noch bevor der Evangelist Matthäus dann von der Geburt berichtet, schreibt er vom Stammbaum Jesu. In diesem Stammbaum nennt Matthäus 42 Namen. Viele stammen aus dem Alten Testament. Hier zeigt sich, dass auch der Stammbaum Jesu keine perfekte Familie beschreibt. Im AT wird nämlich berichtet, dass es  bei einigen seiner Vorfahren zu Ehebruch und heftigem Familienstreit gekommen ist. Die einen kamen aus fremden Ländern, die anderen hatten nicht-jüdische Wurzeln. So stellte man sich damals nicht die ideale Familie vor. In jeder Familiengeschichte finden sich schöne und gute Seiten, aber auch Brüche, Konflikte und Leid. Vielleicht haben auch Sie schon einmal gedacht: In anderen Familien scheint es weniger Probleme als in meiner eigenen zu geben. Was habe ich nur für eine Verwandtschaft! Der Stammbaum Jesu macht da keine Ausnahme. Weihnachten auf ein harmonisches Familienfest zu reduzieren, wäre daher zu wenig. Die Vorfahren Jesu hatten große Fehler und Schwächen. Und doch baut Gott auf sie. Er braucht auch sie für seine Geschichte mit den Menschen. Paul Claudel, ein französischer Dichter, hat dazu einmal gesagt: Gott kann auch auf krummen Zeilen gerade schreiben.
Wenn wir also an Weihnachten auf die Krippe sehen, begegnet uns dort keine Vorzeigefamilie. Eher eine Familie wie andere auch - mit Schwierigkeiten, offenen Fragen und einer bewegten Geschichte. Gottes Sohn wird mitten in unsere Welt geboren. Dafür muss in der Vergangenheit nicht alles perfekt gewesen sein. Keiner muss erst seine Familie wechseln, damit er Weihnachten feiern kann. Wie gesagt: Auch auf krummen Zeilen kann Gott seine gute Botschaft schreiben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12169
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