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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10JUL2024
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„Herr Pfarrer, entschuldigen Sie bitte. Auch wenn Sie immer die richtigen Worte zum Abschied gefunden haben, möchte ich doch mit meinen Worten Tschüss sagen“.

Als ich den Umschlag mit diesen Zeilen öffnete, war ich baff. Der Mann, der diese Zeilen geschrieben hat, war ein paar Monate zuvor bei uns im Pfarrbüro. Er gab einen Umschlag zur Verwahrung ab. Nach seinem Tod erst sollte er geöffnet werden.  Und darin war seine Trauerrede, die er selbst geschrieben hat.

Von der Familie des Mannes habe ich erfahren, dass er ein Jahr zuvor eine schlimme Diagnose bekommen hat. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Und in dieser Zeit hat er an seiner eigenen Beerdigungsrede geschrieben. Hat immer wieder daran gefeilt, viele Monate lang. Und das anscheinend mit Freude, denn er schreibt: „Es ist erstaunlich, welch wunderbare Augenblicke einem in den Sinn kommen, wenn man über sein Leben nachdenkt. Eigentlich ist es schade, dass man wartet, bis die Lebenszeit zu Ende geht“.

Als ich seine Rede in der Trauerhalle vorgetragen habe, war er durch seine Worte ganz präsent. Er hat sich bei allen seinen Weggefährten bedankt, die er in seinem Leben kennengelernt hat. Stolz war er auf seine Kinder: „Das Ergebnis ist großartig. Das hätte ich schon viel früher und viel öfter sagen müssen. Sorry dafür.“

Die Ansprache des Mannes begleitet mich seit einigen Monaten. Immer wieder fallen mir Sätze daraus ein. Die erste Zeile hat mich am meisten beeindruckt: „Ich gehe als zufriedener Mensch […]. Ich kann gehen, ohne das Gefühl zu haben, ich hätte irgendetwas verpasst“. Ich frage mich deshalb seit einiger Zeit auch ganz bewusst: Was kann ich heute tun, dass ich am Ende dieses Tages „als zufriedener Mensch“ ins Bett gehen kann?

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

09JUL2024
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Vor ein paar Wochen ist ein junger Kollege verstorben. Einfach so aus dem Leben gerissen durch einen Herzstillstand. Er war erst 37 Jahre alt und hatte gerade eine Gemeinde als Seelsorger übernommen. Ich dachte an seine Eltern, die bei ihm waren. Er war ihr einziges Kind. Eine schreckliche Situation. Ich war durch den plötzlichen Tod des jungen Kollegen erschüttert – und wie gelähmt. In diesem Moment konnte ich nicht mehr zu Gott beten. Kümmert es Gott nicht, wenn durch so einen viel zu frühen Tod Menschen an ihm zweifeln? Gleichzeitig dachte ich an die vielen Menschen, die Tag für Tag unschuldig sterben müssen. Nicht nur in den Kriegsgebieten, sondern auch durch Krankheiten oder Unfälle. Was denkt sich Gott dabei?

Ein paar Tage später haben wir im Gottesdienst die Geschichte vom Seesturm gelesen. Jesus und seine Jünger sind mit dem Boot unterwegs, als plötzlich ein Sturm losbricht. Die Wellen schlagen ins Boot. Es geht schon fast unter. Und Jesus? Liegt da und schläft – unglaublich! Die Jünger reißen ihn aus dem Schlaf: „Kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?“ (Evangelium nach Markus, Kapitel 4, Vers 38). Erst da steht Jesus auf und befiehlt dem Wind, still zu sein. Und dann liegt der See ganz ruhig da.

Der Verfasser der Bibelstelle sagt mir da im Bild, dass mein Leben manchmal hin – und hergerissen wird. Dass Wellen hineinschlagen in mein Lebensboot. Durch Schicksalsschläge und Krisen. So wie durch den Tod des jungen Kollegen. Dann meine ich manchmal, Gott ist nicht da, Gott schläft. Aber er ist bei mir, ist mit im Boot. Ich kann ihn anschreien, so wie die Jünger von Jesus, als das Boot zu sinken droht. Ich darf mit ihm hadern, ihm sogar Vorwürfe machen.

Fragen habe ich zwar immer noch und Zweifel. Der plötzliche Tod meines Kollegen bleibt für mich sinnlos. Aber ich kann mein Unverständnis und meine Wut zu Gott schreien. Auch wenn er im Moment schweigt. Meine Hoffnung ist, dass Gott eine Antwort hat und dass ich sie irgendwann einmal erkenne.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08JUL2024
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Bei uns in Rheinland-Pfalz beginnt heute die letzte Schulwoche vor den großen Ferien. Nächste Woche ist es in Baden-Württemberg so weit. Den Kindern in meiner dritten Klasse ist die Freude und Ferienlaune richtig anzusehen. Endlich mal keine Schule! Ausschlafen, mit Freunden ins Schwimmbad, einfach coole Sachen machen. Und vielleicht sogar mit der Familie in ein fremdes Land reisen.

Vor den Ferien machen wir eine Erzählrunde in der Klasse. Die Kinder erzählen begeistert von dem, was sie alles in den Ferien vorhaben. Gerade will ich eine schöne Überleitung zu einer Erzählung von Jesus machen, da fragt ein Mädchen: „Hat Jesus eigentlich Ferien gemacht?“. Im ersten Moment habe ich keine Antwort parat. Jesus ist doch immer umhergezogen und hat gepredigt und Menschen geholfen. Da war doch keine Zeit zu verreisen. Zumal es damals ja fast ein Ding der Unmöglichkeit war, groß auf Reisen zu gehen. Erst im Nachhinein kommt mir eine Bibelstelle in den Sinn, in der Jesus sagt: „Kommt mit an einen einsamen Ort und ruht ein wenig aus“ (Markusevangelium, Kapitel 6, Vers 31). Das sagt er zu seinen Jüngern, nachdem sie einiges geleistet haben und ziemlich ausgepowert sind.

Mich hat die Bibelstelle getroffen. Weil es genau die Sehnsucht ist, die ich mit einem Urlaub verbinde. Ich möchte an einen ruhigen Ort, der weit weg ist vom Alltagsstress. Wo ich durchatmen kann, wo ich ausruhe und Kraft tanke. Eigentlich muss ich dazu nicht einmal wegfahren in ein fernes Land. Ich kann mir einfach ein ruhiges Plätzchen in meiner Umgebung suchen. Den Baggersee am Ortsrand oder den kühlen Wald mit den rauschenden Bäumen. Oder einfach nur meinen kleinen Balkon, auf dem ich gemütlich mit meinem Gläschen Weißwein sitze und die Vögel zwitschern höre. Urlaub kann auch mitten im Alltag sein. So verstehe ich die Einladung von Jesus an mich.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

07JUL2024
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Wenn ich in meinen Heimatort komme, ist es oft wie eine Zeitreise. Ich sehe die Orte, wo ich als Kind gespielt habe. Wo ich in den Kindergarten und in die Grundschule gegangen bin. Manchmal treffe ich ältere Leute, die mich schon seit meiner Kindheit kennen. Im Ort haben sie mich als Kind immer gefragt: „Zu wem gehörst denn Du?“.

Inzwischen habe ich studiert, bin in einer anderen Gemeinde als Seelsorger und predige kluge Dinge von Jesus und was das mit unserem Leben zu tun hat.

Die Menschen dort akzeptieren das. In meiner Heimatgemeinde würde ich mich schwertun, den „Alten“ eine Predigt zu halten. Und umgekehrt wäre es sicher auch für sie schwierig, dass der Junge von damals sich anmaßt, ihnen jetzt kluge Predigten zu halten. Ähnlich hat es Jesus selbst erlebt. Er wollte seinen Verwandten und Freunden Wichtiges sagen und ihnen auch Gutes tun. Aber sie wollten nichts davon wissen. Sie haben ihn nur gesehen als einen, den sie schon als kleinen Knirps gekannt haben. Einer, der ihnen deswegen auch nichts Neues zu bieten hat:

„Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie“ (Mk 6,4), sagt Jesus.

Wenn ich Menschen schon lange kenne, vielleicht seit ihrer Geburt schon, dann ordne ich sie in bestimmte Schubladen ein. Schaue sie gedanklich mit einer bestimmten Brille an. Mir selbst geht es oft genauso. Zum Beispiel, wenn ich an meinen Klassenkameraden denke, der jetzt für eine Zeitschrift kluge Dinge schreibt. Dabei kenne ich ihn noch als den größten Klassenclown!

Die Beobachtung von Jesus ist jedenfalls eine Einladung an mich, meine eigene Brille mit Vorurteilen mal abzulegen. Um besser zu sehen, was meine Mitmenschen mir wirklich sagen können. Ganz unvoreingenommen. Vielleicht erlebe ich dann sogar eine positive Überraschung!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

23MRZ2024
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„Alexa! Text vom Vaterunser!“. Ich war echt platt, als eine ältere Dame das mit einem breiten Grinsen im Gesicht rief. Bei der Dame war ich das allererste Mal zu Besuch. Ich habe eigentlich einen alten Menschen erwartet, dessen körperliche und vielleicht auch geistige Kräfte nachgelassen haben. Und wurde völlig von ihrem wachen Geist und der pfiffigen Ansage überrascht.

Kurz zuvor waren Tochter und Schwiegersohn nach Hause gekommen. „Sie haben Ihre Mutter gleich wieder für sich, wir wollen nur noch kurz zusammen das Vaterunser beten“, hab ich noch gesagt.  Und dann betete Alexa, die digitale Sprachassistentin, einwandfrei das Vaterunser-Gebet vor und sang sogar noch ein Kirchenlied dazu. Auch dafür hat die ältere Dame das Kommando gegeben. Wir haben alle herzhaft gelacht und zugleich hat mir die Dame unbewusst eine Lektion erteilt. Ausgerechnet mir, dem Mann von der Kirche.

Beten heißt nicht einfach, einen vorgegebenen Text herunterzuleiern. Beten soll uns bewusst machen, dass wir mit Gott und untereinander verbunden sind. Dazu braucht es eigentlich gar keinen vorgegebenen Text. Es braucht die Wachheit für das, worauf es ankommt. Die hat die ältere Dame gehabt. Und es scherzhaft mit ihrer Alexa zum Ausdruck gebracht.

Jetzt kann ich auch mit einem Lied von Alexa weiterziehen, hab ich mir gedacht: „Alexa, Narhallamarsch!“, hab ich noch gerufen und mich aus der heiteren Runde verabschiedet.

Ich bin froh, dass der Glaube so froh und frei machen kann, wie ich es bei der Dame gespürt habe. Und dass auch Gott anscheinend viel Humor hat.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

22MRZ2024
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Zu Beginn des letzten Schuljahres war ich im Dorf bei uns unterwegs. Es war um die Mittagszeit. Ein Junge stand mit dem Schulranzen auf dem Rücken am Straßenrand vor dem Zebrastreifen und schaute sich um. Weit und breit war kein Auto zu sehen.

Trotzdem blieb er blieb er da stehen und wartete. Bloß auf was?

Kurz darauf kam ein Auto die Dorfstraße entlanggefahren. Bevor es den Zebrastreifen erreichte, streckte der Junge die Hand aus. Das Auto stoppte und der Junge ging sichtlich vergnügt über den Zebrastreifen.

Ich musste schmunzeln. Sicher hatte der Junge gleich zu Beginn seiner Schulzeit Verkehrsunterricht. Er wollte ausprobieren, ob das, was er da gelernt hat auch tatsächlich funktioniert. Einfach die Hand ausstrecken und das Auto stoppt.  Und sicher hat er es auch genossen, dass ein Autofahrer ihm auf sein Handzeichen hingehorcht.

Kinder lernen gerade in ihren ersten Schuljahren unglaublich viel. Sie sind stolz, wenn sie etwas gelernt haben, das sie gleich anwenden können. Oft wollen sie ihr Wissen direkt anbringen und auch ihren Eltern oder Freunden sagen: „Du, ich hab was gelernt. Ich kann das jetzt!“. Das höre ich oft von Kindern in der Schule.

Die kleine Szene mit dem Erstklässler hat mir auch gezeigt: Ich kann selbst auch das Weltgeschehen im Kleinen mitbestimmen. Mit dem, was ich bin und mit dem, was ich gelernt habe. So wie der Junge, der mit einem Handzeichen das Auto gestoppt hat. Wenn ich zum Beispiel heute meinen Kollegen freundlich „Guten Morgen!“ sage, wird die Stimmung um mich herum schon anders.

Wie wäre es also, wenn ich selbst öfter mal darauf schaue, was ich alles kann? Und wie viel ich mit meinem Können bewegen könnte, wenn ich nur will. Auch heute wieder.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

21MRZ2024
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Das schöne Wetter lockt mich jetzt im Frühling hinaus in die Natur. Manchmal finde ich auch die Zeit für einen Ausflug und dann zieht es mich immer wieder mal zu den Klöstern in unserer Region. In den meisten dieser uralten Klöster sind schon lange keine Mönche mehr zu finden. Oft findet man nur noch die Ruinen vor. Und trotzdem ziehen mich diese Orte geheimnisvoll an. Sie strahlen eine besondere Ruhe und Kraft aus. „Bleib doch ein bisschen hier“, sagt mir eine innere Stimme manchmal an solchen Orten.

In vielen Fällen liegen sie auf einem Berg oder Hügel. Von da aus kann ich weit in die Ebene hinunterschauen. Bin ich auch irgendwie losgelöst, bin herausgehoben aus meinem Alltagstrott. Ich kann mit Abstand auf meine täglichen Probleme schauen und auf das, was mich sonst im Leben bewegt. Da oben komme ich zur Ruhe und kann durchatmen.

Der Mönch Benedikt muss gespürt haben, wie wohltuend so ein Rückzugsort auf einem Berg sein kann. Vielleicht hat er deswegen sein erstes Kloster auf dem Berg Montecassino bei Neapel gegründet. Vor beinahe 1500 Jahren war das. Benedikt hat die Klosterkultur nach Europa gebracht. Heute ist sein Todestag.

„Ora et labora - Bete und arbeite!“, so wird die Klosterregel von Benedikt erst lange nach seinem Tod zusammengefasst. Ich bin zwar kein Mönch, aber ich finde diese Regel ziemlich gut und gesund. Auch für meinen Alltag. Sie ist eine Erinnerung, immer mal wieder meine Arbeit zu unterbrechen und zur Ruhe zu kommen. Das muss nicht immer ein Ausflug zu einem alten Kloster auf dem Berg sein. Es genügt mir oft schon, für ein paar Minuten die Augen zu schließen. Durchatmen und zur Ruhe kommen. Auch das ist Gebet. Danach kann es weitergehen mit der Arbeit. Ora et labora. Bete und arbeite.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30DEZ2023
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Ich nutze diese letzten Tage vor Silvester immer, um zuhause Ordnung zu machen. Aufgeräumt ins neue Jahr starten finde ich toll! Ich schaue Schriften, Karten und Briefe durch. Und überhaupt alles, was sich sonst bei mir um den Schreibtisch herum und in den Schubladen angesammelt hat. Beim Wegwerfen von viel überflüssigem Papierkram lasse ich das vergangene Jahr noch einmal wie in einem Film an mir vorbeiziehen. Was hat dieses Jahr mir gebracht? Welche besonderen Ereignisse und Begegnungen sind mir im Gedächtnis? Von welchem lieben Menschen musste ich Abschied nehmen in diesem Jahr?

Manche Briefe und Ansichtskarten erinnern mich an liebe Freunde, die mir geschrieben haben. Die landen nicht in der Mülltonne! Und ich stelle manchmal traurig fest: Diesen oder jenen Freund wollte ich das ganze Jahr über besuchen und habe es nicht geschafft. Obwohl er mir mehrmals eine nette Ansichtskarte geschickt hat.  Dabei hätte ich nur zum Telefon greifen müssen. Einen Termin ausmachen und dann einen schönen Tag mit einem alten Freund verbringen.

„Nächstes Jahr wird das alles anders“, schwöre ich mir. Geistig bin ich schon dabei, eine Liste mit den Namen meiner Freunde zu erstellen. Und ich bin froh, einen ersten guten Vorsatz fürs neue Jahr zu haben. Aber schon, als ich den Vorsatz fasse, weiß ich: Das wird nichts. Nimm dir nicht zu viel vor, sonst wird am Ende alles nichts. Also: Lieber nur eine Sache und die direkt in die Tat umsetzen.

Wie wäre es also, wenn ich meinen alten Freund einfach direkt JETZT anrufe, nach dem Frühstück? Ohne Wenn und Aber? Ihm hier und jetzt sage: Du, wir haben uns schon ewig nicht gesehen. Hättest Du nicht Lust? Und dann vereinbaren wir direkt fürs neue Jahr, wann wir uns endlich mal wieder treffen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29DEZ2023
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„Der Jahreswechsel dürfte wieder laut werden“[1], hat die Tagesschau im November prophezeit. Von Januar bis September 2023 sind rund 24.000 Tonnen Feuerwerkskörper eingeführt worden. Eine unglaubliche Menge an Zündstoff und Schießpulver, wenn ich mir das mal auf einem Haufen vorstelle! Über 120 Millionen Euro haben die Bürger in Deutschland letztes Jahr dafür ausgegeben.

Und jetzt an diesem Punkt denken Sie vielleicht: „Ich weiß schon, was der da von der Kirche jetzt sagt. Der will das alles wieder madig machen. Und allen, die gerne böllern, ein schlechtes Gewissen machen. Wegen all der Not, die in armen Ländern oder auch vor unserer Haustür ist.“

Nein. Das will ich gar nicht. Zugegeben, ich zünde selbst keine Raketen. Aber ich genieße es trotzdem, wenn ich die herrlichen Feuerwerke um mich herum sehe und freue mich über die gute Stimmung in meiner Nachbarschaft, gern auch zusammen bei einem Glas Sekt.

Ich finde es gut, wenn Menschen das neue Jahr auf diese Weise begrüßen. Sie feiern einen Neuanfang. In bunten Farben am Himmel. Und überall lautstark zu hören.

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sagt der Dichter Hermann Hesse. Für mich drückt sich dieser Zauber auch in den Feuerwerken aus. Eine schöne und befreiende Botschaft zugleich: Ich darf neu anfangen. Nicht nur in der Silvesternacht. Auch an jedem Tag. Ich nehme mir vor, im neuen Jahr öfter mal daran zu denken - jeder neue Tag trägt den Zauber eines neuen Anfangs in sich.

Und das Feuerwerk, das kann ich mir ja dazu denken.

 

[1]https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/feuerwerk-importe-100.html.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28DEZ2023
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Endlich ist der ganze Weihnachtsstress rum! Mehrere Tage zu feiern kann ganz schön anstrengend sein. Mir jedenfalls geht es so.

Weihnachten ist aber ein so besonderes Ereignis, dass es wie eine Hochzeit im Orient über mehrere Tage gefeiert wird. In den täglichen Gottesdiensten feiere ich Weihnachten sogar eine ganze Woche lang. Und jeder Tag dieser Festwoche  hat ein spezielles Thema.

Heute, am 4. Tag, wird das Fest der „unschuldigen Kinder“ gefeiert. Das Fest geht auf eine Legende zurück, die in der Bibel steht: König Herodes hatte von der Geburt Jesu erfahren. Er hatte über Jesus gehört, dass der ein König sei. Herodes bekommt Angst, dieser Jesus könnte ihm einmal den Rang streitig machen und ihn vom Thron stürzen. Deshalb befiehlt er, dass alle neugeborenen Kinder unter zwei Jahren in und um Bethlehem getötet werden sollen. Viele unschuldige Kinder sollen durch den grausamen Befehl von Herodes angeblich brutal umgebracht worden sein. Josef war da schon mit Maria und Jesus nach Ägypten geflohen. Deshalb entkam Jesus diesem grausamen Morden. Soweit die Legende.

Bis vor ein paar Jahren konnte ich wenig mit dem Fest anfangen. Wer weiß, ob das alles jemals genauso stattgefunden hat? Heute hat das Fest für mich eine aktuelle und traurige Bedeutung. Seit Bekanntwerden der Mißbrauchsfälle in der Kirche verbinde ich das Fest damit. Mit dem Leid, das Kinder durch Geistliche der Kirche erfahren haben. Das tut mir weh. Und es ist eine Mahnung an mich: Mach alles, damit es Kindern gut geht und sie sicher sind und sich auch so fühlen. Damit sich nie wieder solches Leid wiederholt. Vor allem nicht in der Kirche.

Ich meine, das „Fest der unschuldigen Kinder“ kann ein Aufruf an uns alle sein, wachsam zu sein für die Kinder in unserer Umgebung und entschlossen zu handeln, wenn wir Gefahren bemerken. Kinder sind unendlich wertvoll, sagt Jesus und stellt sie ganz bewusst in die Mitte, denn „Menschen wie ihnen gehört Gottes neue Welt“ (Mk 10,14).

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