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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

23MRZ2024
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„Alexa! Text vom Vaterunser!“. Ich war echt platt, als eine ältere Dame das mit einem breiten Grinsen im Gesicht rief. Bei der Dame war ich das allererste Mal zu Besuch. Ich habe eigentlich einen alten Menschen erwartet, dessen körperliche und vielleicht auch geistige Kräfte nachgelassen haben. Und wurde völlig von ihrem wachen Geist und der pfiffigen Ansage überrascht.

Kurz zuvor waren Tochter und Schwiegersohn nach Hause gekommen. „Sie haben Ihre Mutter gleich wieder für sich, wir wollen nur noch kurz zusammen das Vaterunser beten“, hab ich noch gesagt.  Und dann betete Alexa, die digitale Sprachassistentin, einwandfrei das Vaterunser-Gebet vor und sang sogar noch ein Kirchenlied dazu. Auch dafür hat die ältere Dame das Kommando gegeben. Wir haben alle herzhaft gelacht und zugleich hat mir die Dame unbewusst eine Lektion erteilt. Ausgerechnet mir, dem Mann von der Kirche.

Beten heißt nicht einfach, einen vorgegebenen Text herunterzuleiern. Beten soll uns bewusst machen, dass wir mit Gott und untereinander verbunden sind. Dazu braucht es eigentlich gar keinen vorgegebenen Text. Es braucht die Wachheit für das, worauf es ankommt. Die hat die ältere Dame gehabt. Und es scherzhaft mit ihrer Alexa zum Ausdruck gebracht.

Jetzt kann ich auch mit einem Lied von Alexa weiterziehen, hab ich mir gedacht: „Alexa, Narhallamarsch!“, hab ich noch gerufen und mich aus der heiteren Runde verabschiedet.

Ich bin froh, dass der Glaube so froh und frei machen kann, wie ich es bei der Dame gespürt habe. Und dass auch Gott anscheinend viel Humor hat.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

22MRZ2024
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Zu Beginn des letzten Schuljahres war ich im Dorf bei uns unterwegs. Es war um die Mittagszeit. Ein Junge stand mit dem Schulranzen auf dem Rücken am Straßenrand vor dem Zebrastreifen und schaute sich um. Weit und breit war kein Auto zu sehen.

Trotzdem blieb er blieb er da stehen und wartete. Bloß auf was?

Kurz darauf kam ein Auto die Dorfstraße entlanggefahren. Bevor es den Zebrastreifen erreichte, streckte der Junge die Hand aus. Das Auto stoppte und der Junge ging sichtlich vergnügt über den Zebrastreifen.

Ich musste schmunzeln. Sicher hatte der Junge gleich zu Beginn seiner Schulzeit Verkehrsunterricht. Er wollte ausprobieren, ob das, was er da gelernt hat auch tatsächlich funktioniert. Einfach die Hand ausstrecken und das Auto stoppt.  Und sicher hat er es auch genossen, dass ein Autofahrer ihm auf sein Handzeichen hingehorcht.

Kinder lernen gerade in ihren ersten Schuljahren unglaublich viel. Sie sind stolz, wenn sie etwas gelernt haben, das sie gleich anwenden können. Oft wollen sie ihr Wissen direkt anbringen und auch ihren Eltern oder Freunden sagen: „Du, ich hab was gelernt. Ich kann das jetzt!“. Das höre ich oft von Kindern in der Schule.

Die kleine Szene mit dem Erstklässler hat mir auch gezeigt: Ich kann selbst auch das Weltgeschehen im Kleinen mitbestimmen. Mit dem, was ich bin und mit dem, was ich gelernt habe. So wie der Junge, der mit einem Handzeichen das Auto gestoppt hat. Wenn ich zum Beispiel heute meinen Kollegen freundlich „Guten Morgen!“ sage, wird die Stimmung um mich herum schon anders.

Wie wäre es also, wenn ich selbst öfter mal darauf schaue, was ich alles kann? Und wie viel ich mit meinem Können bewegen könnte, wenn ich nur will. Auch heute wieder.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

21MRZ2024
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Das schöne Wetter lockt mich jetzt im Frühling hinaus in die Natur. Manchmal finde ich auch die Zeit für einen Ausflug und dann zieht es mich immer wieder mal zu den Klöstern in unserer Region. In den meisten dieser uralten Klöster sind schon lange keine Mönche mehr zu finden. Oft findet man nur noch die Ruinen vor. Und trotzdem ziehen mich diese Orte geheimnisvoll an. Sie strahlen eine besondere Ruhe und Kraft aus. „Bleib doch ein bisschen hier“, sagt mir eine innere Stimme manchmal an solchen Orten.

In vielen Fällen liegen sie auf einem Berg oder Hügel. Von da aus kann ich weit in die Ebene hinunterschauen. Bin ich auch irgendwie losgelöst, bin herausgehoben aus meinem Alltagstrott. Ich kann mit Abstand auf meine täglichen Probleme schauen und auf das, was mich sonst im Leben bewegt. Da oben komme ich zur Ruhe und kann durchatmen.

Der Mönch Benedikt muss gespürt haben, wie wohltuend so ein Rückzugsort auf einem Berg sein kann. Vielleicht hat er deswegen sein erstes Kloster auf dem Berg Montecassino bei Neapel gegründet. Vor beinahe 1500 Jahren war das. Benedikt hat die Klosterkultur nach Europa gebracht. Heute ist sein Todestag.

„Ora et labora - Bete und arbeite!“, so wird die Klosterregel von Benedikt erst lange nach seinem Tod zusammengefasst. Ich bin zwar kein Mönch, aber ich finde diese Regel ziemlich gut und gesund. Auch für meinen Alltag. Sie ist eine Erinnerung, immer mal wieder meine Arbeit zu unterbrechen und zur Ruhe zu kommen. Das muss nicht immer ein Ausflug zu einem alten Kloster auf dem Berg sein. Es genügt mir oft schon, für ein paar Minuten die Augen zu schließen. Durchatmen und zur Ruhe kommen. Auch das ist Gebet. Danach kann es weitergehen mit der Arbeit. Ora et labora. Bete und arbeite.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30DEZ2023
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Ich nutze diese letzten Tage vor Silvester immer, um zuhause Ordnung zu machen. Aufgeräumt ins neue Jahr starten finde ich toll! Ich schaue Schriften, Karten und Briefe durch. Und überhaupt alles, was sich sonst bei mir um den Schreibtisch herum und in den Schubladen angesammelt hat. Beim Wegwerfen von viel überflüssigem Papierkram lasse ich das vergangene Jahr noch einmal wie in einem Film an mir vorbeiziehen. Was hat dieses Jahr mir gebracht? Welche besonderen Ereignisse und Begegnungen sind mir im Gedächtnis? Von welchem lieben Menschen musste ich Abschied nehmen in diesem Jahr?

Manche Briefe und Ansichtskarten erinnern mich an liebe Freunde, die mir geschrieben haben. Die landen nicht in der Mülltonne! Und ich stelle manchmal traurig fest: Diesen oder jenen Freund wollte ich das ganze Jahr über besuchen und habe es nicht geschafft. Obwohl er mir mehrmals eine nette Ansichtskarte geschickt hat.  Dabei hätte ich nur zum Telefon greifen müssen. Einen Termin ausmachen und dann einen schönen Tag mit einem alten Freund verbringen.

„Nächstes Jahr wird das alles anders“, schwöre ich mir. Geistig bin ich schon dabei, eine Liste mit den Namen meiner Freunde zu erstellen. Und ich bin froh, einen ersten guten Vorsatz fürs neue Jahr zu haben. Aber schon, als ich den Vorsatz fasse, weiß ich: Das wird nichts. Nimm dir nicht zu viel vor, sonst wird am Ende alles nichts. Also: Lieber nur eine Sache und die direkt in die Tat umsetzen.

Wie wäre es also, wenn ich meinen alten Freund einfach direkt JETZT anrufe, nach dem Frühstück? Ohne Wenn und Aber? Ihm hier und jetzt sage: Du, wir haben uns schon ewig nicht gesehen. Hättest Du nicht Lust? Und dann vereinbaren wir direkt fürs neue Jahr, wann wir uns endlich mal wieder treffen.

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29DEZ2023
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„Der Jahreswechsel dürfte wieder laut werden“[1], hat die Tagesschau im November prophezeit. Von Januar bis September 2023 sind rund 24.000 Tonnen Feuerwerkskörper eingeführt worden. Eine unglaubliche Menge an Zündstoff und Schießpulver, wenn ich mir das mal auf einem Haufen vorstelle! Über 120 Millionen Euro haben die Bürger in Deutschland letztes Jahr dafür ausgegeben.

Und jetzt an diesem Punkt denken Sie vielleicht: „Ich weiß schon, was der da von der Kirche jetzt sagt. Der will das alles wieder madig machen. Und allen, die gerne böllern, ein schlechtes Gewissen machen. Wegen all der Not, die in armen Ländern oder auch vor unserer Haustür ist.“

Nein. Das will ich gar nicht. Zugegeben, ich zünde selbst keine Raketen. Aber ich genieße es trotzdem, wenn ich die herrlichen Feuerwerke um mich herum sehe und freue mich über die gute Stimmung in meiner Nachbarschaft, gern auch zusammen bei einem Glas Sekt.

Ich finde es gut, wenn Menschen das neue Jahr auf diese Weise begrüßen. Sie feiern einen Neuanfang. In bunten Farben am Himmel. Und überall lautstark zu hören.

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sagt der Dichter Hermann Hesse. Für mich drückt sich dieser Zauber auch in den Feuerwerken aus. Eine schöne und befreiende Botschaft zugleich: Ich darf neu anfangen. Nicht nur in der Silvesternacht. Auch an jedem Tag. Ich nehme mir vor, im neuen Jahr öfter mal daran zu denken - jeder neue Tag trägt den Zauber eines neuen Anfangs in sich.

Und das Feuerwerk, das kann ich mir ja dazu denken.

 

[1]https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/feuerwerk-importe-100.html.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28DEZ2023
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Endlich ist der ganze Weihnachtsstress rum! Mehrere Tage zu feiern kann ganz schön anstrengend sein. Mir jedenfalls geht es so.

Weihnachten ist aber ein so besonderes Ereignis, dass es wie eine Hochzeit im Orient über mehrere Tage gefeiert wird. In den täglichen Gottesdiensten feiere ich Weihnachten sogar eine ganze Woche lang. Und jeder Tag dieser Festwoche  hat ein spezielles Thema.

Heute, am 4. Tag, wird das Fest der „unschuldigen Kinder“ gefeiert. Das Fest geht auf eine Legende zurück, die in der Bibel steht: König Herodes hatte von der Geburt Jesu erfahren. Er hatte über Jesus gehört, dass der ein König sei. Herodes bekommt Angst, dieser Jesus könnte ihm einmal den Rang streitig machen und ihn vom Thron stürzen. Deshalb befiehlt er, dass alle neugeborenen Kinder unter zwei Jahren in und um Bethlehem getötet werden sollen. Viele unschuldige Kinder sollen durch den grausamen Befehl von Herodes angeblich brutal umgebracht worden sein. Josef war da schon mit Maria und Jesus nach Ägypten geflohen. Deshalb entkam Jesus diesem grausamen Morden. Soweit die Legende.

Bis vor ein paar Jahren konnte ich wenig mit dem Fest anfangen. Wer weiß, ob das alles jemals genauso stattgefunden hat? Heute hat das Fest für mich eine aktuelle und traurige Bedeutung. Seit Bekanntwerden der Mißbrauchsfälle in der Kirche verbinde ich das Fest damit. Mit dem Leid, das Kinder durch Geistliche der Kirche erfahren haben. Das tut mir weh. Und es ist eine Mahnung an mich: Mach alles, damit es Kindern gut geht und sie sicher sind und sich auch so fühlen. Damit sich nie wieder solches Leid wiederholt. Vor allem nicht in der Kirche.

Ich meine, das „Fest der unschuldigen Kinder“ kann ein Aufruf an uns alle sein, wachsam zu sein für die Kinder in unserer Umgebung und entschlossen zu handeln, wenn wir Gefahren bemerken. Kinder sind unendlich wertvoll, sagt Jesus und stellt sie ganz bewusst in die Mitte, denn „Menschen wie ihnen gehört Gottes neue Welt“ (Mk 10,14).

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20SEP2023
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"Wenn Sie zur Tür rausgehen, weiß ich nicht mehr, dass Sie da waren", sagt ein älterer Herr zu mir und weint. Ich habe ihn an meiner neuen Stelle das erste Mal zuhause besucht, wie ich es regelmäßig bei den Alten und Kranken der Gemeinde mache.

Ich habe gespürt, dass der Mann an einem entscheidenden Wendepunkt steht. Die Demenz war da und sie wurde anscheinend von Tag zu Tag größer. Der alte Mann hat das in diesem Moment bewusst wahrgenommen. Er hat darum gewusst, dass er immer mehr in diesen Strudel des Vergessens geraten wird. Und gerade deshalb hat er so bitterlich geweint.

Ich war zuerst sehr betroffen und wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll. Ich hätte am liebsten mit ihm geweint. Dann habe ich einfach weitergeredet. Ganz normal mit dem Mann gesprochen. Habe mit ihm gebetet und auch alte Geschichten von der Kirche erzählt. Mir ist aufgefallen, dass der Mann in diesem Moment geistig voll dabei war. Er hat alles verstanden, was ich ihm gesagt habe. Konnte mir auch Antwort geben, wenn ich ihn etwas fragte. An seinen Augen ließ sich ablesen, dass er ganz bei der Sache war.

Dann habe ich zu ihm gesagt: "Auch, wenn Sie bald vergessen haben, dass ich da war, so sind Sie doch jetzt da! Jetzt, in diesem Moment, können wir zusammen beten, sprechen und uns freuen!". Da hat der Mann das erste Mal gelächelt.

Das Treffen mit dem dementen Mann und sein Satz über das Vergessen begleitet mich noch heute. Denn oft ist es ja auch bei mir so, dass ich mich an Menschen, Gespräche und Begegnungen nicht mehr erinnern kann. Ich vergesse sie einfach. Vielleicht auch, weil vieles zu flüchtig und zu schnell geht oder ich nicht bei der Sache bin.

Die Begegnung mit diesem Mann hat mir gezeigt, wie wichtig der konkrete Moment ist. Wenn ich ganz bei meinem Gegenüber bin, ist der Augenblick, das Hier und Jetzt, unglaublich wertvoll. Dann zählt nicht das, was gewesen ist oder das, was noch kommt. Dann ist der Moment entscheidend.

Ich glaube, dass Gott ganz nah ist, wenn wir uns ganz aufeinander einlassen. Dasein im Hier und Jetzt. Das ist entscheidend. Auch heute an diesem neuen Tag, der JETZT vor mir liegt.

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19SEP2023
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„Worüber freuen Sie sich? Was macht Ihnen Freude?“. Darüber komme ich mit Gottesdienstbesuchern ins Gespräch. Gerade haben wir einen Text aus der Bibel gehört. Mit Nachdruck heißt es da: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ (Phil 4,4). Zugegeben, Freude ist so ein Wort, das mir manchmal schwer über die Lippen kommt. Erst die Coronakrise, jetzt die reale Gegenwart vom Krieg in der Ukraine, steigende Preise und unsichere Zukunft.

„Ich freue mich über mein neugeborenes Enkelkind“, sagt plötzlich eine ältere Dame. „Ich freue mich, wenn ich was in der Schule geschafft habe“, meint ein Jugendlicher.  „Und ich, wenn ich meinem kleinen Bruder helfen konnte“, ergänzt ein Mädchen.

Auf einmal ist die Stimmung bei mir eine andere als vorher. Ich merke, ich kann mich mitfreuen an dem, was die Leute sage, sehe die ältere Dame in Gedanken mit ihrem neugeborenen Enkelkind. Ich bin stolz auf den Jugendlichen, der erfolgreich in der Schule ist. Ich freue mich daran, dass es den anderen gut geht. Gerade so, als hätte ich selbst dieses Erlebnis, von dem sie berichten.

Mir kommt das Sprichwort in den Sinn „Geteilte Freude ist doppelte Freude“. Das kann ich in diesem Augenblick konkret spüren. Denn auch in dieser Zeit gibt es ja genug Dinge, über die ich mich freuen kann. Trotz allem. Einfach mal die Perspektive zu wechseln tut manchmal gut.

Und ich verstehe auch besser was es bedeutet, sich im Herrn zu freuen. Ich bin sicher, dass Gott möchte, dass wir froh werden. Vielleicht ja dadurch, dass wir uns viel öfter davon erzählen, was uns froh macht und uns so untereinander verbinden.

Das habe ich im Gespräch mit den Menschen in der Kirche begriffen. Ein gutes Gefühl! Und, was macht Ihnen Freude?

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

18SEP2023
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Es ist früh am Morgen. Der Tag liegt vor mir. Ich sitze am Frühstückstisch und lese nebenbei in der Zeitung. In Gedanken gehe ich schon die Termine durch, die mich den Tag über erwarten. Ich versuche, mir den Ablauf von Gesprächen vorzustellen. Wie werde ich reagieren, wenn mein Gesprächspartner dieses oder jenes Argument bringt?

Gedanklich bin ich gar nicht mehr beim Frühstück. Ich bin schon längst bei allem, was der Tag noch bringt. Dabei habe ich gar nicht bemerkt, wie gut das frische Brot schmeckt und die selbstgemachte Marmelade, die ich geschenkt bekommen habe. Wie herrlich der Kaffee duftet. All das ist unbemerkt an mir vorbeigezogen, und ich habe es nicht genießen können. Im Gegenteil: Jetzt bin ich innerlich unruhig und angespannt. Ich stehe unter Spannung wegen der bevorstehenden Termine.

Im Nachhinein erst fällt mir eine Geschichte ein. Vielleicht kennen Sie sie. Ein alter Mönch wurde von seinen Schülern gefragt, warum er immer so ruhig und gelassen ist trotz seiner vielen Aufgaben. Er antwortete: „Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich sitze, dann sitze ich, wenn ich esse, dann esse ich“. „Das tun wir doch auch“, antworteten seine Schüler, „aber was machst Du darüber hinaus?”, fragten Sie erneut. Der alte Mönch erwiderte: „Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich…“. Wieder sagten seine Schüler: „Aber das tun wir doch auch!”. „Nein“, antwortete er mit Nachdruck, „wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon, wenn ihr steht, dann lauft ihr schon, wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel.”

Genauso geht es mir oft leider auch. Wenn ich gedanklich schon beim nächsten Schritt bin, kann ich nicht präsent sein. Für die Dinge und die Menschen, die mir jetzt, in diesem Augenblick, begegnen. Nur wenn ich wach bin für den Augenblick, dann kann ich auch dem begegnen, der in Allem immer auch da ist. Der immer präsent ist. Dann kann ich Gott im Alltag begegnen. Das kann schon morgens beim Frühstück beginnen. Wenn ich den belebenden Kaffeeduft spüre und das frische Marmeladenbrot bewusst genieße.

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Anstöße sonn- und feiertags

17SEP2023
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Einmal im Jahr ist es bei mir zuhause dran: Das Ausmisten. Unnötiger Krempel, den ich angesammelt habe, wird in Säcke und Kisten gepackt und auf den Wertstoffhof gefahren. Das ist für mich immer unangenehm gewesen. Lange Autoschlangen vor der Einfahrt der Deponie und oft mürrische Mitarbeiter, die scheinbar ungern ihren Job machen. Horror für mich!

An meinem neuen Wohnort war es nach dem Umzug mal wieder soweit. Ausmisten und dann der lästige Weg auf den Wertstoffhof. Mit all den negativen Erfahrungen im Kopf. Aber alles war ganz anders. Es gab keine Autoschlange. Die Mitarbeiter haben mir sehr freundlich erklärt, in welchen Container was reinkommt. Einer kam zu meinem Auto, half mir beim Ausladen und sortierte sogar meinen Müll, den er gleich entsorgte.

Etwas abseits baute ein anderer Mitarbeiter für seinen Kollegen und sich einen Sitzplatz auf. Einen Tisch, zwei Gartenstühle mit Polstern und einen großen Sonnenschirm darüber. Eine gemütliche Sitzecke mitten auf dem Wertstoffhof!

Die Bediensteten dort müssen nicht nur funktionieren. Sie dürfen auch Mensch sein. Das habe ich auch gemerkt an der Weise, wie sie mit mir umgegangen sind. Sie waren hilfsbereit, gut drauf – einfach menschlich eben.

Ich bin dankbar für diese Erfahrung, die mir auch für meinen Job etwas gezeigt hat: Du darfst vor allem erstmal Mensch sein, dich einbringen mit allem, was zu dir gehört. Dann kann jeder Job Spaß machen. Auch auf dem Wertstoffhof.

Ich bin kurz danach noch einmal dorthin zu den Männern gefahren. „Ich habe Glas und Flüssigkeiten zu entsorgen“, habe ich gesagt. Der Mitarbeiter hat mich fragend angeschaut. Und dann hat er hat gelacht und mir freundlich auf die Schulter geklopft, als ich den Kofferraum aufgemacht habe. Zufrieden lächelnd sind er und sein Mitarbeiter dann mit dem Kasten Bier weggegangen.

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