Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
„Alexa! Text vom Vaterunser!“. Ich war echt platt, als eine ältere Dame das mit einem breiten Grinsen im Gesicht rief. Bei der Dame war ich das allererste Mal zu Besuch. Ich habe eigentlich einen alten Menschen erwartet, dessen körperliche und vielleicht auch geistige Kräfte nachgelassen haben. Und wurde völlig von ihrem wachen Geist und der pfiffigen Ansage überrascht.
Kurz zuvor waren Tochter und Schwiegersohn nach Hause gekommen. „Sie haben Ihre Mutter gleich wieder für sich, wir wollen nur noch kurz zusammen das Vaterunser beten“, hab ich noch gesagt. Und dann betete Alexa, die digitale Sprachassistentin, einwandfrei das Vaterunser-Gebet vor und sang sogar noch ein Kirchenlied dazu. Auch dafür hat die ältere Dame das Kommando gegeben. Wir haben alle herzhaft gelacht und zugleich hat mir die Dame unbewusst eine Lektion erteilt. Ausgerechnet mir, dem Mann von der Kirche.
Beten heißt nicht einfach, einen vorgegebenen Text herunterzuleiern. Beten soll uns bewusst machen, dass wir mit Gott und untereinander verbunden sind. Dazu braucht es eigentlich gar keinen vorgegebenen Text. Es braucht die Wachheit für das, worauf es ankommt. Die hat die ältere Dame gehabt. Und es scherzhaft mit ihrer Alexa zum Ausdruck gebracht.
Jetzt kann ich auch mit einem Lied von Alexa weiterziehen, hab ich mir gedacht: „Alexa, Narhallamarsch!“, hab ich noch gerufen und mich aus der heiteren Runde verabschiedet.
Ich bin froh, dass der Glaube so froh und frei machen kann, wie ich es bei der Dame gespürt habe. Und dass auch Gott anscheinend viel Humor hat.
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