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SWR1 Begegnungen

22OKT2023
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Ralf Knoblauch Foto: Johanna Vering

… und mit Ralf Knoblauch. Der aus einem Hobby ein besonderes Lebensprojekt aufgebaut hat: er haut aus alten Eichenholzblöcken Königsfiguren. Die sehen nicht aus wie die Royals, mit schicken Klamotten und Juwelen. Es sind schlichte, freundliche Königinnen und Könige aus Holz.
Warum eigentlich Könige?

Dieses Motiv des Königs oder der Königin hat mich immer schon angesprochen. Ich hab im Urlaub mal vor vielen Jahren ein schweres Stück Treibholz gefunden in Kroatien und da war für mich ein König drin. Ich hab mir gesagt, den holst du jetzt in drei Wochen einfach da raus.

Ralf Knoblauch geht’s um das Thema Würde! Er arbeitet als Diakon in einem sozialen Brennpunkt in Bonn und erlebt dort tagtäglich, wie die Würde von Menschen mit Füßen getreten wird. Er trifft immer viele Leute, die auf der Straße leben. Wie kann jetzt so ein Holzkönig Menschen zeigen, dass es um ihre eigene Würde geht?

Ganz konkret, indem ich diesen Menschen den König oder die Königin einfach in die Hand drücke und gucke, was passiert. Und in dieser Berührung allein schon und in diesem offen herzlichen Gesichtsausdruck entsteht relativ schnell bei den vielen Menschen eine Kommunikation. Ja, letztlich spiegeln sie dann in diesem Augenblick: du bist auch ein König oder eine Königin wie ich, wie jeder.
Das verändert natürlich nicht seine Lebenssituation von jetzt auf gleich, aber es lässt sich Rausbrechen für einen Augenblick in eine andere Wahrnehmung. Und da setze ich dann natürlich auch in meiner Rolle als Seelsorger an. Zu gucken, was kann ich dir tun oder wo möchtest du vielleicht, dass ich dir helfe.

Und dann kann Ralf Knoblauch was tun. Er ist von der Kirche ganz konkret da und hilft: er hört zu, macht Kontakte oder geht mit auf Wohnungssuche. Die Königsfiguren sind dafür oft Gesprächsöffner. Auch weil sie nicht aussehen, wie ich mir eine Königin so klassisch vorstelle.

Die Könige von mir, die haben keine Macht, die wollen auch nicht im Mittelpunkt stehen, die wollen nicht regieren, die sind alle zurückgenommen, ein gerades Rückgrat. Sie sind sehr stark bei sich selber, in sich gekehrt.
Die Gesichtsmimik ist eigentlich das entscheidende: Auge, Nase, Mund. Deswegen immer dieses leichte Grinsen, Schmunzeln im Gesicht. Aus einer Begegnung mit einem König muss man immer positiv gestimmt herausgehen.
Ja, und dann spiele ich halt mit der Symbolik der Krone. Die muss nicht immer auf dem Haupt sein, die kann auch schon mal danebenliegen, zu groß sein, zu klein sein. Die Königinnen und die Könige tragen immer ein weißes Hemd und eine schwarze Hose. Das ist meinerseits eine Anspielung auf die Taufwürde. Dem Täufling, der Priesterin, der Königin, wird in der Tradition das weiße Kleid übergezogen.

Mit den Figuren ist eine richtige Bewegung entstanden. Viele nehmen sie mit an besondere Orte – schöne und schreckliche.

Es kann natürlich so sein, dass mit dem König gewandert wird. Dass der König bei kranken Menschen in Hospizen am Sterbebett steht, dass der König bei Exerzitien, bei geistlichen Tagen mit unterwegs ist, dass der König nach Santiago pilgert.

Ein großes Projekt waren die Königinnen und Könige am Frankfurter Flughafen. Überall waren sie ausgestellt und haben auf die Menschenwürde aufmerksam gemacht. Tolle Idee an diesem Ort, wo es um Abschied, um Wiedersehen, aber auch um Flucht, Vertreibung und Abschiebung geht.
Die Könige sind auch im Krieg: kurz nachdem der Ukrainekrieg ausgebrochen ist, waren Könige in Kiew und auch nach dem Erdbeben in Syrien waren schnell welche dort. Irgendwer meldet sich immer und nimmt eine Figur mit.
Manche Figuren kann Ralf Knoblauch übrigens auch nicht aus den Händen geben. Er ist zu stark mit ihnen verbunden. Ralf Knoblauch hat eine feste Routine, wie die Könige entstehen…

…von montags bis freitags in einer Zeit von 5 bis 06:00 Uhr, wo ich mich eine Stunde dem Thema aussetze. Um 06:00 Uhr lasse ich alles stehen und liegen und mein Berufs- und mein Familienalltag beginnt. Und am darauffolgenden Morgen setze ich letztlich genau da an, wo ich aufgehört habe. So dass das ein kontinuierlicher Prozess ist, der im Grunde nie unterbrochen wird.
Diese Stunde ist für mich auch im weitesten Sinne eine Form des Gebetes.

Die Königsfiguren sind politisch. Er drückt mit ihnen sehr klar aus, worum es ihm geht: alle Menschen sind gleichwertig! Das ist gerade in meiner katholischen Kirche ein Riesenthema, wenn es zum Beispiel um Frauen oder queere Menschen geht.

Letztlich sind alle aus dem gleichen Holz geschnitzt.
Ich weiß, dass viele, viele Kollegen, Kolleginnen aus solchen Königen und Königinnen viel Kraft schöpfen, um überhaupt noch in dieser Kirche arbeiten zu können.
Innerkirchlich habe ich mich auch mit diesen Königen sehr klar positioniert. Also sie sind sehr stark mit der Maria 2.0 Bewegung unterwegs. Sie sind
auch bei vielen Menschen von out in church dabei. Also das ist mir einfach wichtig, die Gleichwürdigkeit aller Menschen.

Menschenwürdig leben: dafür schnitzt und arbeitet Ralf Knoblauch jeden Tag. Das geht für ihn nicht ohne seinen Glauben. Gott begegnet ihm in jedem Menschen - davon ist er überzeugt. Dazu passt auch seine persönliche frohe Botschaft zum Schluss.

Meine Botschaft ist, die den Menschen zu spiegeln -da meine ich jetzt auch wirklich jeden Menschen: du hast Würde. Du hast Würde, die dir keiner nehmen kann. Wie gut und schlecht es dir auch immer geht im Moment. Werd dir dessen immer wieder neu bewusst!

 Weitere Infos unter www.ralfknoblauch.de

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38629
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SWR3 Worte

30SEP2023
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Ich mag die Bibel so, weil sie für jede Situation was zu bieten hat. Hier ein Genuss-Zitat zum Wochenende aus Alten Testament:

„Iss freudig dein Brot und trink vergnügt deinen Wein; denn das, was du tust, hat Gott längst so festgelegt, wie es ihm gefiel.
Trag jederzeit frische Kleider und nie fehle duftendes Öl auf deinem Haupt! Mit einem Menschen, den du liebst, genieß das Leben alle Tage deines Lebens, die Gott dir unter der Sonne geschenkt hat. Denn das ist dein Anteil am Leben und an dem Besitz, für den du dich unter der Sonne anstrengst. Alles, was deine Hand, solange du Kraft hast, zu tun vorfindet, das tu!“

 

Aus: Die Bibel, Einheitsübersetzung 2016, Kohelet 9,7-12

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SWR3 Worte

28SEP2023
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Der Mensch ist ein zerbrechliches Wesen. Und das ist es, was uns stark macht, findet der Journalist Nils Minkmar. Er sagt:

„Deine heimliche Superkraft ist, keine zu haben.
Dass wir verwundbar sind, verbindet uns mit jedem anderen Menschen, lässt uns erkunden und spielen und steht am Anfang auch unserer eigenen Geschichte. Der Mensch startet nun mal als Säugling. Und jeder Säugling ist zerbrechlich. Das wandelt sich, aber es verlässt uns nie, und das zählt zu unseren guten Seiten.“

 

Aus: Süddeutsche Zeitung Magazin Nummer 33, 18. August 2023, Artikel: Vorsicht, zerbrechlich.

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SWR3 Worte

27SEP2023
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Mit dem Begriff „Sünde“, konnte die Schauspielerin Sophie Rois lange nichts anfangen. Aber irgendwann hat sie sich an ihren Beichtunterricht erinnert und ist im Nachhinein froh darüber. Sie sagt:

„Die ersten Beichten sind völlig uninteressant. Was hat man da schon zu beichten? Dass man frech zu seiner Mutter war? Inzwischen hätte ich eine Beichte nötig - damals, mit sieben, natürlich nicht.
Ich habe einen Begriff von Sünde. Und ich habe was zu bereuen. Man kann sich versündigen, das weiß ich jetzt, das habe ich inzwischen erfahren. Es gibt falsches Handeln, das man bereut, das etwas Schlechtes in die Welt setzt.“

 

Aus: Süddeutsche Zeitung, 02.06.2023, Feuilleton, Artikel 2/11,

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SWR3 Worte

26SEP2023
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Wenn man sich ohnmächtig fühlt, ist man noch lange nicht hilflos, sagt die Theologin Melanie Wolfers. Und weiter:

„Sich ohnmächtig zu fühlen, heißt noch lange nicht, tatsächlich ohnmächtig zu sein. Meine Erfahrung ist: Die Menschen fühlen sich oft schwächer, als sie sind. Ich bin da ganz klar: Glaub nicht alles, was du fühlst, schalte deinen Verstand ein und schaue auf das Gefühl von Ohnmacht. Mach den Realitätscheck: Bist du wirklich hilflos? Oder hast Du Handlungsspielraum?

Wichtig ist, etwas zu tun, denn Handeln weckt Hoffnung. Ganz konkret am Beispiel des Ukrainekriegs: Viele haben gespürt: dass ich was tue, bewirkt was Gutes für andere. Dass ich da bin, macht einen Unterschied! Die Ohnmacht wird eingedämmt. Es bleibt: Ich kann was tun.“

 

Aus: junia - Frau und Mutter hat jetzt einen Namen, Juli/August 2023, kfd (Hrsg.)

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SWR3 Worte

25SEP2023
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Vermutlich sage ich manchmal rassistische Dinge, ohne dass es mir bewusst ist. Darauf macht die Antirassismustrainerin Tupoka Ogette aufmerksam. Sie sagt:

„Wir sind alle rassistisch sozialisiert. Wir alle können nichts für die Welt, in die wir hineingeboren wurden. Aber jede und jeder kann Verantwortung übernehmen und diese Welt mitgestalten.“

 

Aus: Süddeutsche Zeitung Magazin Nummer 22, 2. Juni 2023, Sagen Sie jetzt nichts

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SWR3 Worte

24SEP2023
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Die Kirche hat Stärken. Auch wenn -berechtigterweise- viel von den Schwächen geredet wird. Marketingchefin Bernadette Spinnen erzählt in einem Podcast, wo Kirche stark ist und wie sie das nutzen kann. Sie sagt:

„Da war die Beerdigung eines guten Freundes. Und es war ganz egal, wie kirchlich jemand war. Uns alle hat die Trauer um diesen Menschen verbunden.
Die Stärke von Kirche ist, dass da gesprochen wird, dass da versucht wird, eine Sprache zu finden, die die Menschen erreicht.
Wenn keiner mehr weiß, was man eigentlich sagen soll, einem wirklich die Worte fehlen und alles klingt peinlich und nicht groß genug, unangemessen, dann ist das immer die Kirche, die noch in der Lage ist, dafür eine Sprache zu finden. Das Potential hat die Kirche.“

 

Aus: kannste glauben - der Podcast aus dem Bistum Münster, Nr. 50, „Kirche ist mehr“.
Kannste Glauben - der Podcast aus dem Bistum Münster.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38479
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SWR2 Wort zum Tag

13SEP2023
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Ich bin ein echtes Landei. Umso erstaunter war ich bei meinem letzten Besuch in Münster, als ich neue Varianten der „Ampelmännchen“ gesehen habe. Wenn es an der Ampel grün wird, zeigen mir diverse grün leuchtende Liebespaare an, dass ich losgehen kann. Mal zwei Frauen, mal Frau und Mann, mal Mann und Mann - immer durch die Hände und ein Herzchen miteinander verbunden. Ich bin begeistert von den queeren Ampelfiguren.

Ich bin vermutlich die Letzte, die es mitbekommen hat: die Ampelpaare gibt es natürlich schon länger in deutschen und europäischen Städten. Ich finde sie aber auch jetzt toll. Mit den Ampelfiguren zeigen die Städte, dass es ihnen wichtig ist, vielfältig zu sein. Dass das Leben in ihnen bunt ist, und sie offen sind. Und dass ihnen jede Lebens- und Liebesform recht ist.

Es ist schon bemerkenswert, dass solche Zeichen überhaupt nötig sind. Dass Menschen darüber sprechen oder diskutieren müssen. Denn klar, als die ersten queeren Ampelpärchen aufgetaucht sind, gab es heftige Reaktionen in jede Richtung. Leute, die die Aktion klasse fanden, und Leute, die sich sehr darüber aufgeregt haben.

Für mich sind die Ampelpaare kein Symbol. Sie sind schlicht und ergreifend Realität. So sind wir Menschen. Unterschiedlich, bunt und vielfältig, so wie wir leben und lieben.
Ich bin überzeugt davon, dass wir Menschen von Gott so gedacht sind. Wir sind seine Geschöpfe. Die Bibel findet dafür klare Worte. Im Buch der Weisheit steht: „Gott, du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Herr, du Freund des Lebens.“ (Weish 11,24-26)

Ich wünsche mir noch viel mehr, dass wir solche Symbole nicht mehr brauchen, die mit großem Tamtam eingeführt werden, sondern völlig wertfrei und selbstverständlich abbilden, was menschliches Leben ausmacht: zusammen durchs Leben zu gehen. Mit den Menschen um mich herum, die mir etwas bedeuten.



https://www.kirche-im-swr.de/?m=38290
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SWR2 Wort zum Tag

12SEP2023
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Der erste Kuss mit 41. So war es bei Zoe Cross. Heute ist sie 46 und küsst öfter. Sie hat jemanden an ihrer Seite, mit dem sie sehr glücklich ist.
Das sah für sie lange nicht so aus, denn Zoe Cross sieht anders aus. Sie ist mit einer Gesichtslähmung auf die Welt gekommen. Ihr Gesicht wirkt verschoben und sie kann die Lippen zum Beispiel nicht schließen. Dass sie so aussieht, prägt ihr ganzes Leben. Schon als Kind haben andere blöde, verletzende Sprüche über sie gemacht, sie ausgeschlossen. Manche hatten sogar Angst vor ihr.

Das hat sie natürlich eingeschüchtert, und bis heute muss sie sich immer wieder drastische Bemerkungen gefallen lassen. Wobei die Formulierung nicht ganz richtig ist, denn sie lässt es sich eben nicht mehr gefallen. Zoe ist eine starke Frau, eine Kämpferin. Sie hat aus ihrem Leben mit der Gesichtslähmung Konsequenzen gezogen und arbeitet jetzt als Persönlichkeitstrainerin. Schwerpunktmäßig mit Menschen, die ihr Aussehen schwierig finden, deshalb nicht gut mit sich selbst im Kontakt sind und so auch nicht mit anderen in Kontakt kommen können. Und deswegen häufig niemanden an ihrer Seite haben. Um Liebesbeziehungen geht es nicht nur, aber es ist eben auch ein großes Thema in ihren Begleitungen. Sie arbeitet dabei ganz unterschiedlich. Vom „klassischen Ansatz“, die eigenen Stärken herauszuarbeiten bis zur praktischen Übung mitten im Leben. Da geht sie in ein Café mit Menschen, die sich schon ewig nicht mehr getraut haben, unter Leute zu gehen. Es geht dann darum, mit den Blicken und vielleicht sogar mit Kommentaren so umzugehen, dass die Menschen nicht zusammenbrechen. Zoe möchte erreichen, dass Menschen sich ihrer selbst bewusst sind und deshalb genauso durchs Leben und auf andere zugehen können: selbstbewusst. 

Zoe Cross macht Menschen stark. Und das finde ich stark. Die Thematik ist mir nicht ganz fremd. Ich trage Kleider in großen Größen, und ich musste erst älter werden, um mich wirklich körperlich frei zu fühlen. Bis ich zum Beispiel genau so offen zurückstarren konnte, wie mich die Leute im Schwimmbad manchmal anstarren.

Deshalb finde ich es gut, was Zoe macht. Sie sagt: „Ich will Menschen das Gefühl geben, dass sie in Ordnung sind, so wie sie sind, dass sie wertvoll sind. Jede Person ist es wert, geliebt zu werden.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38289
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SWR2 Wort zum Tag

11SEP2023
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Supermarktkassen stressen mich. Ich habe immer das Gefühl, ich bin nicht schnell genug. Nicht beim Einpacken und nicht beim Geldbeutel rauskramen. Ich habe noch nicht ganz bezahlt, da wird schon der erste Artikel der nächsten Kundin gescannt. Wenn überhaupt Zeit ist, ein kurzes „Hallo“ und „Tschüss“ und dann bloß weg hier.

Ganz anders läuft es an sogenannten „Plauderkassen“. Die Menschen, die an solchen besonderen Supermarktkassen arbeiten, tragen einen Anstecker auf dem steht: „Plaudern Sie mit mir.“ Der ältere Herr, der gerade dran ist, erzählt z.B. von seinem neuen Nachbarn und von seiner Tochter, die so weit weg ist. Die nächste Kundin spricht nur kurz über das Wetter, dann geht es weiter. Und eine junge Dame hat gerade erfahren, dass sie schwanger ist und muss das gleich erzählen. Sie strahlt.
So eine Plauderei kann schon mal fünf Minuten dauern. Aber Stress oder Druck spürt man an der Plauderkasse nie. Die Mitarbeitenden kennen viele Kundinnen und Kunden. Mit einigen sprechen sie schon seit Jahren. Sie lieben ihre Plauderkasse und können sich nicht mehr vorstellen, in Märkten zu arbeiten, wo alles schnell gehen muss.

Die Idee zu den besonderen Kassen kommt aus den Niederlanden, einige gibt es in der Schweiz, in Japan und inzwischen auch in Deutschland.

Ich finde die Idee der Plauderkassen richtig gut! Dass wir miteinander sprechen, ein freundliches Wort für andere haben, ist für mich das Allerwichtigste. Und so eine Kasse hat eine wichtige soziale Funktion. Menschen, die im Alltag wenig Kontakte haben, können hier sprechen. Oder Leute, die z.B. neu an einen Ort ziehen und niemanden kennen.

Es ist ja eigentlich seltsam, dass es diese Kassen überhaupt geben muss. Als ich klein war, war es völlig normal, ein Wort miteinander zu wechseln, und dann ging es weiter. Dann musste alles schneller werden, ich bin ermahnt worden, wenn ich meine Sachen nicht schnell genug im Wagen hatte, jetzt immer mehr Selbstscan-Kassen und auch das direkte Gegenteil: entschleunigte Plauderkassen. Verrückt. Ich wünsche mir Kassen, an denen beides geht: Einfach in Ruhe einkaufen und wenn es sich ergibt, kurz über den Tag quatschen, das ist aber kein Muss- und dann ohne Hektik raus aus dem Markt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38288
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