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01NOV2023
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Alexander Foitzik spricht mit Prof. Stephan Goertz 

Alexander Foitzik:

Mit dem heutigen Fest „Allerheiligen“ gedenkt die katholische Kirche der Gemeinschaft der Heiligen, also all der Männer und Frauen, die  - oft auch unbequem und anstößig - Zeugnis von ihrem Glauben gegeben haben, in dem was sie  gesagt oder getan haben.

Über das Fest Allerheiligen, seine Botschaft spreche ich heute mit Stephan Goertz. Er ist Professor für Moraltheologie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Herr Professor Goertz, gemeinsam mit Ihrer Mitarbeiterin Stephanie Höllinger haben Sie gerade über den heiligen Sebastian ein Buch veröffentlicht. Eine wirklich spannende Geschichte, über die wir reden müssen. Zuerst aber, was bedeutet für Sie dieses Fest „Allerheiligen“ – ist das für sie eher eine schöne Tradition im Kirchenjahr? Oder hat dieses Fest Allerheiligen für Sie einen besonderen aktuellen Bezug, eine besondere Botschaft für uns heute?

Prof. Stephan Goertz:

Es ist zunächst in der Tat ein Fest mit vielen Erinnerungen an meine Kindheit. Im katholischen Ruhrgebiet, wo ich aufgewachsen bin, war es Familientradition, an diesem Tag die Gräber der verstorbenen Verwandten zu besuchen – da ging es (nach dem Gottesdienst) mit dem Auto von einem Friedhof zum anderen. Das war gewissermaßen Pflichtprogramm.

Gut katholisch, würde ich sagen: Traditionen werden gepflegt – ihr tieferer Sinn liegt verborgen.

Als Theologe denke ich heute: die Verstorbenen, an die wir an ihren Gräbern gedacht haben, und die Heiligen – das sind nicht zwei voneinander getrennte Gruppen. Menschen sind außergewöhnliche Lebewesen – und insofern Heilige. Christlich gesprochen: Gott betrachtet den Menschen als sein Ebenbild und achtet damit dessen Würde. Und so ist jeder Mensch als heilig zu betrachten und zu respektieren.

Alexander Foitzik:

„Sebastian: Märtyrer – Pestheiliger – queere Ikone“ – so lautet der vielsagende Titel Ihres Buches: Sebastian war/ist ein Märtyrer der frühen Kirche Roms. Streng genommen wissen wir historisch nicht allzu viel über ihn. Und doch verehrt ihn später ganz Europa als Seuchenheiligen. Danach gerät er wieder in die zweite Reihe des Heiligen-Kosmos. Herr Professor Goertz, Sie sprechen in Ihrem Buch vieldeutig vom „Überlebenskünstler“ Sebastian. Was zeigt sich in dieser Heiligen-Karriere Sebastians? Aus welchen Erwartungen, Hoffnungen, Bildern heraus schreiben sich solche Heiligen-Geschichten. Was sagt dies jeweils über die Rolle der Heiligen, zwischen Himmel und Erde?

Prof. Stephan Goertz:

Wir haben es im Buch so bezeichnet: aus dem Sebastian der Geschichte wird der Sebastian des Glaubens. Am Anfang steht ein historisches Ereignis, auch wenn dieses für uns kaum Konturen hat. Christen und Christinnen werden seit der Antike wegen ihres Glaubens verfolgt und getötet – man nennt sie Märtyrer. Über die Märtyrer heißt es in der Bibel, dass sie nicht gerichtet werden – sondern bereits bei Gott sind. Die Märtyrer sind Sieger, nicht Besiegte. So werden sie zu den Heiligen, denn heilig sein, das ist in der religiösen Vorstellungswelt eine Eigenschaft, die auf einer göttlichen Erwählung, einer besonderen Nähe zu Gott beruht. Sie sind bei Gott. Das ist der entscheidende Gedanke. Und wenn sie bei Gott sind, dann können sie dort Fürsprache halten – dann können sie unsere Anliegen vor Gott tragen. Sie sind also Mittlerfiguren; zwischen Gott und den Menschen, zwischen Himmel und Erde. Heilige sind hybride Wesen: tot und lebendig zugleich, im Himmel und auf Erden präsent.

Die Verehrung der Heiligen erzählt von den Hoffnungen der Menschen. Etwa von der Hoffnung, dass es jemanden gibt, der sich bei Gott für mich einsetzt, der wirksam um Hilfe bitten kann, der verlässlich an meiner Seite steht.

So ist es auch bei Sebastian. Sein Aufstieg zum populären Heiligen ist mit einer Szene seines Martyriums verbunden. Als ihn die Kaiser um das Jahr 300 zum Tode verurteilen, weil er sich als hoher Offizier heimlich für die Christen eingesetzt hat, soll er durch Bogenschützen hingerichtet werden. Aber Sebastian überlebt auf wundersame Weise die eigentlich tödlichen Pfeile. So erzählt es seine Legende. Jahrhunderte später erinnern sich Menschen an diese Geschichte.

Sie erinnern sich an ihn in Zeiten der Pest, die Europa im Mittelalter immer wieder heimsucht. Denn Pfeile stehen für die Seuche, die den Menschen trifft, die angeflogen kommt, die Leid und Tod bringt. Wer könnte also besser als Sebastian in der Not um Fürsprache angerufen werden? Er ist von Pfeilen getroffen, wie wir, aber es hat es überlebt! So ist seine Figur eine Figur der Hoffnung.

Alexander Foitzik:

Im 19. Jahrhundert wird schließlich Sebastian quasi zu neuem Leben erweckt: als Identifikationsfigur für Homosexuelle und andere Stigmatisierte, in Kirche und Gesellschaft. Eine für Sie überraschende Entwicklung?

Prof. Stephan Goertz:

Ja in der Tat. Aus dem Sebastian des Glaubens wird Sebastian die Ikone. Sie beginnt vor gut zweihundert Jahren und dauert bis heute an. Wieder spielen die Pfeile die entscheidende Rolle.

In Darstellungen des Martyriums treffen die Pfeile den nackten Körper Sebastians. In der Renaissance und im Barock wird Sebastian zudem immer jünger und schöner. Ihn treffen die Pfeile, aber er wird nicht besiegt; und Schönheit kann heilende Kräfte entfalten, so dachten manche. Dieser schöne, junge Sebastian, der in der Qual Anmut bewahrt, wird zur Identifikationsfigur für schwule Männer. Sie bewundern seine Schönheit und sie erkennen sich in Sebastian wieder: sie sind Opfer von Missachtung und Gewalt, sie werden bestraft für das, was sie sind. Als mit AIDS, wie es verächtlich heißt, eine Schwulen-Pest ausbricht, wird Sebastian zur Protestfigur, die die Stigmatisierung von Homosexuellen anklagt.

Alexander Foitzik:

Wie bleibt Sebastian eigentlich Sebastian, trotz dieses Wandels? Oder umgekehrt gefragt: Was ist so zeitlos attraktiv an dieser „Figur“, dass er so offen ist für zeitbedingte Auslegungen? Und womöglich ist seine Geschichte ja noch nicht auserzählt….

Prof. Stephan Goertz:

Es gibt eine Darstellung Sebastians von dem deutschen Künstler Stephan Balkenhol – seine Skulptur zeigt einen von Pfeilen getroffenen Jedermann in weißem Hemd und schwarzer Hose; Titel des Kunstwerkes: Märtyrer.

Balkenhol schreibt dazu: „Jeder könnte im Prinzip zum Märtyrer werden, wenn er sich angreifbar macht, indem er das Risiko eingeht, sich für seine Überzeugung einzusetzen – mit seiner ganzen Existenz.“ Es kann jede und jeden treffe. Diese menschliche Grunderfahrung verbindet den Sebastian der Antike mit uns heute. Wir Menschen sind sehr verletzliche Wesen – an Körper und Seele. So verwundert es nicht, dass Sebastian kein in der Geschichte verschwundener Heiliger ist. Sondern sehr lebendig. Seht, was Menschen widerfährt – Menschen, die doch in Frieden und Freiheit leben wollen, weil es ihrer Würde entspricht. Die christliche Antwort, die an Sebastian haftet, lautet: die ungerecht Verfolgten und Gemarterten werden von Gott gerettet werden. Der Kern von Hoffnung: Das letzte Wort der Geschichte wird nicht Zerstörung sein.

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SWR2 Zum Feiertag

26DEZ2022
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Heute feiert die katholische Kirche das Fest des Heiligen Stephanus. Er wird als der erste christliche Märtyrer verehrt. Warum wird dieses Fest ausgerechnet am ersten Tag nach Weihnachten gefeiert? Und welche Bedeutung kann dieser erste Märtyrer für uns heute  haben? Darüber spreche ich mit dem Freiburger Erzbischof, Stephan Burger.

 

  1. Herr Erzbischof, wir haben Sie heute Morgen um dieses Gespräch gebeten, weil wir vermuten, dass Sie zu ihrem Namenspatron „Stephan“ eine besondere Beziehung haben. Was fasziniert Sie an dieser Gestalt?

 

Es sind zwei Aspekte die mich da faszinieren: Zum einen: von Kindesbeinen an hörte ich ja immer am zweiten Weihnachtsfeiertag die Lesung aus der Apostelgeschichte. Dieser Stephanus, wie er da freimütig seinen Glauben bekennt und „den Himmel offen sieht“. „Den Himmel offen sehen - wie geht das?“, ist die Frage, die mich bis heute beschäftigt.

Und zum anderen war er aufgrund seiner Dienste in der Urgemeinde bei den Menschen ganz nah dran als Diakon. Diese zwei Aspekte sind für mich bis heute faszinierend.

 

  1. Die Apostelgeschichte ist das einzige biblische Buch, das uns etwas von Stephanus erzählt; besonders viel erfahren wir aber auch dort nicht. Offenbar war er sehr gebildet, wörtlich heißt es: „er war erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist“. Warum feiern wir sein Fest ausgerechnet nach Weihnachten?

 

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir ein klein wenig in die Geschichte eintauchen. Und ich denke, diese Verbindung von Weihnachten und dem Fest des Heiligen Stephanus geht zurück ins 4. Jahrhundert. Und da hat es eben die Kirche gerade geschafft, mit der Konstantinischen Wende Oberwasser zu gewinnen. Dieses Zeugnis war immer Blutzeugnis. Von daher hat Stephanus für seinen Glauben einzustehen, öffentlich einzustehen, dafür das Leben hinzugeben. Das hat viele Christen in der Urgemeinde, in der jungen Gemeinde, beschäftigt und umgetrieben. Man hat sich diese Märtyrer als Vorbild genommen, um dann zu sehen: da kommt dieser Jesus Christus in die Welt, das Wort Gottes nimmt Fleisch an. Und dafür leben diese Märtyrer selber und geben mit ihrem Leben Zeugnis ab, unter anderem eben dieser Stephanus.

 

  1. In der Jerusalemer Gemeinde kümmerte sich Stephanus um Menschen in sozial prekären Verhältnissen; später hat man ihn deshalb als den ersten „Diakon“ bezeichnet. Der Anlass wird gar nicht benannt, aber irgendwann eckt Stephanus an, bei anderen Gemeindemitgliedern, den religiösen Autoritäten und Schriftgelehrten. Am Ende wird Stephanus der Gotteslästerung angeklagt, er selbst wirft seinen jüdischen Glaubensgeschwistern vor, den Geist Gottes verraten zu haben.

Erzbischof Stephan, können Sie sich als Bischof in diesem Drama auch in die Rolle der religiösen Autoritäten einfühlen? Sie alle verteidigen doch nur ihren Glauben, ihre Tradition.

 

Und dies ist jetzt die Grundfrage: Geht es nur noch um den Glauben und die Tradition, oder ging es um mehr. Eine Frage, die sich auch heute für mich stellt - als einer, der Verantwortung trägt in dieser katholischen Kirche. Und ich denke, was Stephanus sicherlich ein Anliegen war: genauer hinzuschauen. Geht es wirklich nur um den Glauben an sich, oder geht es schon um Machtpositionierungen, um Dinge festzuhalten, Leute beeinflussen zu können, das eigene Machtverhältnis nicht aufgeben zu wollen. Ich denke, das sind Fragen, die sich damals die Mächtigen, die Verantwortlichen gestellt haben und sich heute genauso stellen.

Stephanus eckt da natürlich an mit seiner Botschaft. So wie er Jesus Christus verstanden hat, so wie er diese Botschaft leben wollte und damit auch bezeugt hat. Insofern bleibt dieser Stephanus für mich bis heute eine Gestalt, die es möglich macht, und die mich auch auffordert, meine eigene Situation zu hinterfragen: Wie stehe ich zum Glauben, zur Kirche und um was geht es mir? Geht es um Machterhalt, geht es um Positionsverteidigungen, oder geht es wirklich darum aus diesem Geist Jesu heraus zu leben? Und dies ist eine Konfrontation, der mussten sich damals die Verantwortlichen stellen, die religiösen Führer und natürlich auch wir heute in unserer Kirche.

Und ich denke, die damals Mächtigen haben versucht, ihre Position zu erhalten, zu bewahren. Aber damit haben sie auch den Tod in Kauf genommen, und das kann es nicht sein - auch für mich heute nicht. Da geht darum, aus dem Geist des Evangeliums heraus, aus diesem Geist Jesu, aus dieser Liebe Gottes, die Fleisch geworden ist, zu leben und sein Leben zu gestalten.

 

  1. Wenn ich heute die Geschichte von Stephanus und vielen anderen Märtyrern höre, bin ich von deren Glaubensstärke beeindruckt. Mich beschleicht aber auch eine leise Skepsis. Ist ein solches Martyrium wirklich nötig? Das wäre womöglich doch mit ein bisschen mehr diplomatischem Geschick vermeidbar. Ist der Märtyrer vielleicht auch zu wenig kompromissbereit.

 

Der Märtyrer, der als Fanatiker unterwegs ist, der ist nicht kompromissbereit - der Märtyrer, der meint, alles erzwingen zu können. Aber das ist für mich ein falsches Martyrium. Martyrium - da geht es für mich um das Zeugnisgeben von dieser Botschaft, von dieser Gemeinschaft. Und Stephanus hat auch dieses Martyrium nicht gesucht. Er wurde konfrontiert von den damals Mächtigen, und er hat Stellung bezogen. Und das hat den damals Mächtigen und Religionsführern nicht gepasst. Und dafür ist er nachher hingerichtet, umgebracht worden.

Das Martyrium zu suchen war noch nie Aufgabe von Christinnen und Christen. Aber das Martyrium zu erleiden, wenn es gefordert ist, das ist eine ganz andere Situation. Und das meint  Jesus auch mit seinen Worten: Wenn wir zu ihm stehen, mit ihm gehen, wenn wir von ihm Zeugnis ablegen, hat das irgendwann auch Konsequenzen. Und die können sehr unangenehm sein.

 

  1. Wie können und sollen wir heute auf Märtyrerinnen und Märtyrer schauen? Müssen wir einen wie Stephanus immer noch als den idealen Nachfolger Jesu betrachten? Im Sinne von: Wer Christus nachfolgt muss das Kreuz auf sich nehmen?

 

Rückfrage: Gibt es den Idealen Nachfolger? Den gibt es meines Erachtens nicht. Und das belegen ja auch zur Genüge die verschiedenen Heiligengeschichten, die wir kennen. Personen, die um Jesus gerungen haben, die sich auf ihn eingelassen haben - aber die waren alle nie perfekt. Aber sie sind ihren Weg gegangen, indem sie treu zur Botschaft Jesu gestanden sind, indem sie an das Wort seiner Botschaft, an seine Liebe geglaubt haben. Und sie haben auch versucht, soweit es ihren Möglichkeiten und Kräften stand, diese Liebe zu geben und umzusetzen - Zeugnis davon zu geben. Und das hat dann eben auch Konsequenzen.

 

 

  1. Herr Erzbischof, Sie sind innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz für die kirchlichen Hilfswerke Misereor und Caritas International zuständig. Durch diese Aufgabe kommen Sie viel in Länder, in denen es um die „Religionsfreiheit“ schlecht bestellt ist. Menschen werden um ihres Glaubens willen diskriminiert, verfolgt und auch getötet. Aus der einen Bluttat folgen oft viele andere. Auch im Christentum wurden aus den früher Verfolgten, die Verfolger von morgen. Stephanus soll im Augenblick seines Todes noch um Vergebung gebeten haben, für die, die ihn steinigen. Ist das womöglich die Botschaft des heutigen Tages?

 

Krippe und Kreuz gehören zusammen. Diese Mensch gewordene Liebe Gottes gibt sich am Kreuz für uns Menschen hin. Und Jesus selber hat am Kreuz auch für diejenigen gebetet, die ihn hingerichtet haben, bis hin zu diesem einen Verbrecher, dem er Schutz zusagt. Und ich denke, das Leben so zu gestalten, dass sich an uns das Böse austoben kann, dass wir das Böse nicht mehr vermehren - das wird durch die Lebenshingabe Jesu am Kreuz und auch im Fall dieses Stephanus eindeutig belegt.

Wir Christen haben die Aufgabe in dieser Welt, das Böse nicht zu vermehren, dem Bösen nicht Widerstand dadurch zu leisten, dass wir wiederum Böses tun. Sondern lernen, so hart das mitunter sein mag, auch das Böse auszuhalten, ins Leere laufen zu lassen. Das ist christliches Zeugnis, dazu ermutigt uns Stephanus mit seinem Beispiel. Und das ist auch jetzt das, was geboten ist, wenn wir in der Nachfolge Jesu stehen. Seine Liebe leben, Böses auszuhalten, dem Bösen Widerstand zu leisten durch die unendliche Macht seiner Liebe. Das ist schwer, das fordert uns immer wieder heraus. Und da scheitern wir auch jeden Tag - ich ebenso, wo ich einfach merke, dass mitunter mein Glaube, meine Liebe zu schwach ist, und sehr viele eigene Interessen auch mein Leben bestimmen. Aber sich daran erinnern lassen, dass es um das Größere geht, um diese gelebte Liebe, um die Überwindung des Bösen - das zeigt mir Weihnachten, das zeigt mir Stephanus.

 

Das war „SWR2 Zum 2. Weihnachtsfeiertag“ mit Alexander Foitzik und Erzbischof Stephan Burger aus Freiburg. Herzlichen Dank, Herr Erzbischof, dass Sie mit uns geteilt haben, was Sie an Ihrem Namenspatron Stephanus fasziniert. Allen, die heute Namenstag feiern: Herzlichen Glückwunsch!

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SWR2 Zum Feiertag

13MAI2021
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Alexander Foitzik: Zum Fest „Christi Himmelfahrt“ spreche ich heute mit Schwester Margareta Gruber.

Sie ist Professorin für Neutestamentliche Exegese und Biblische Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar und gehört zu der Kongregation der Franziskanerinnen des Klosters Sießen.

Frau Professorin Gruber, liebe Schwester Margareta. Heute feiern Christinnen und Christen die „Himmelfahrt Christi“. Wie kann oder soll man sie sich eigentlich vorstellen, diese Himmelfahrt?

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Unsere Vorstellung ist von Bildern bevölkert, die wir gesehen haben: Christus schreitet in den Himmel, aus dem ihm Gott seine Hand entgegenstreckt, oder er schwebt mit ausgestreckten Armen nach oben, oder er entschwindet in die Wolken und nur seine Füße streckt er noch heraus. Im Spätmittelalter wurde eine Figur opernhaft die Kirche hinaufgezogen und die Osterkerze gelöscht.

Das Neue Testament ist viel nüchterner. Dort heißt es einfach: er wurde vor ihren Augen emporgehoben. Das berichtet auch nur Lukas, und selbst er hat zwei Versionen: Im Evangelium findet das am Morgen des Montags nach Ostern statt; nur in der Apostelgeschichte schreibt er von den 40 Tagen.

Alexander Foitzik: Demnach hat Lukas also die „Himmelfahrt“ sozusagen erfunden?

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Nein. Er hat für seine Botschaft ein eingängiges und geniales Bild gefunden.

Was wir uns als Auffahrt in den Himmel bildlich vorstellen, wird biblisch auch Erhöhung, Entrückung oder Verherrlichung genannt. Erhöhung meint, dass jemand bei Gott ist und von dort her vollmächtig für das Heil der Welt wirkt. Das tut der auferstandene Christus. Für Paulus fällt die Erhöhung deshalb z.B. mit der Auferstehung zusammen. Auch im ältesten Credo in 1 Kor 15 wird die Erhöhung nicht genannt, sondern mit der Auferstehung vorausgesetzt. Dann kommt Lukas und macht daraus eine eindrückliche Szene. Die ältesten kirchlichen Glaubensbekenntnisse übernehmen das: „Auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel“.

Alexander Foitzik: Was bedeuten denn die „vierzig Tage“, von denen in der Apostelgeschichte die Rede ist? Befand sich Jesus vierzig Tag lang in einer Art „Zwischenzustand“, zwischen Auferstehung und Himmelfahrt?

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Das wird so nur in der Apostelgeschichte gesagt. 40 ist die Heilige Zahl der Vollendung. Was ist vollendet? Das Projekt Menschwerdung! Wenn Christus in den Himmel zurückgekehrt ist, hat sich der Kreis geschlossen, die Verbindung zwischen Himmel und Erde steht sozusagen – störungsfrei für alle Zeit. Christus ist mit seiner ganzen Existenz bei Gott und gleichzeitig gegenwärtig bei den Seinen. Was er aber in den „Himmel“, in den göttlichen Bereich, mitnimmt, sind seine Erfahrungen als Mensch. Unser aller Menschsein, das er ja in seiner Menschwerdung angekommen hat, ist damit in ihm bereits im Himmel, in Gott, angekommen.

Das Christentum feiert das Fest übrigens erst frühestens seit dem vierten Jahrhundert. Am Anfang hat man Tod, Auferstehung und Erhöhung Christ als Einheit und in einer Feier in der Osternacht begangen.

Alexander Foitzik: Den Weg von Karfreitag bis zu Ostern müssen die Jüngerinnen und Jüngern Jesu als ein kaum auszuhaltendes Drama erlebt haben: Gott ganz fern, dann wieder ganz nah! Den Jüngerinnen, die ans Grab geeilt waren, sagt ein Engel: „Er ist nicht hier!“. Dann begegnen sie doch selbst dem von Gott „Auferweckten“. Und die „Himmelfahrt“ Jesu – wieder auf und davon?

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Die Ostererzählungen gehören für mich zu den faszinierendsten Texten des Neuen Testaments. Sie scheinen so klar, aber je genauer man hinschaut desto geheimnisvoller werden sie. Warum erkennen die Jünger und Jüngerinnen ihn nicht? Warum kommt er, aber es wird nicht gesagt, dass er wieder geht? Was bedeutet es, dass es immer wieder um Brot geht? Warum darf Thomas die Wunde berühren? Und so weiter.

Ich glaube immer mehr, dass diese Erzählungen weniger berichten möchten, was konkrete Personen damals mit Jesus erlebt haben, sondern dass es um etwa ganz anders ging: Dieser Jesus, der Auferstandenen, war ja weiterhin gegenwärtig unter den ersten Christen, sie lebten mit ihm und erfuhren ihn, beteten zu ihm. Aber diese Gegenwart war von einer geheimnisvollen Art: Der Auferstandene gibt sich und entzieht sich, er ist „nicht mehr da“ und doch anwesend. Man darf ihn nicht festhalten, aber ihm nachfolgen. Man erkennt ihn am Brotbrechen, an den Wunden, und im Armen. Das hat viel zu tun mit dem, was auch Menschen heute erfahren. Gott ist gegenwärtig in der Verborgenheit. Er offenbart sich und er entzieht sich. Beides ist oft kaum zu unterscheiden. Ostern ist kein Happy end sondern der Beginn einer neuen Weise, wie Gott unter den Menschen gegenwärtig ist. 

Alexander Foitzik: Das biblische Buch „der Offenbarung des Johannes“ ist für Sie, Frau Professorin Gruber, ein Schwerpunkt ihrer Forschung und Lehre. In diesem Buch ist von dem Versprechen „eines neuen Himmels und einer neuen Erde“ die Rede. Was hat diese Verheißung mit Christi Himmelfahrt zu tun?  

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Ganz knapp so: Wenn die Himmelfahrt Christi bedeutet, dass unser ganzes armes Menschsein mit seinem auferstandenen Leben bereits bei Gott angekommen ist, dann ist der „Himmel“, das Leben mit oder in Gott, das Ziel von allem geschaffenen Leben. Der neue Himmel und die neue Erde kommen vom Himmel her auf die Erde – also hat das mit Verwandlung der Erde zu tun, nicht mit ihrer Zerstörung.

Alexander Foitzik: Schwester Margareta, Sie haben vier Jahre lang in Jerusalem ein ökumenisches Haus für Theologiestudierende geleitet. In dieser Stadt erinnert man an die „Himmelfahrt Jesu“, aber auch an die „Himmelsreise“ des Propheten Mohammed. Worin unterscheiden sich die beiden „Himmelfahrten“? Aber auch umgekehrt: Kann das nicht auch zum Gespräch miteinander inspirieren - wenn wir, Muslim*innen und Christ*innen, gemeinsam zum Himmel schauen?  

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Was der Prophet Mohammed erfahren hat ist keine Himmelfahrt, sondern eine Himmelsreise, also ein Zustand der Entrückung, wie ihn im Neuen Testament etwa Paulus von sich beschreibt. Mohammed befand sich in Mekka und wurde von dort im Traum „zur fernen Anbetungsstätte“ geführt. Gemeint ist Jerusalem und der Heilige Ort des Tempelberges. Die erste Gebetsrichtung der Muslime war ja nicht Mekka, sondern Jerusalem. Durch die Traumerfahrung des Gründers schreibt sich die junge muslimische Gemeinde in die biblische Heilsgeschichte ein. Erinnert wird an Mose, aber auch die anderen großen Propheten mit ihren Gotteserfahrungen auf dem Berg, damit auch an Jesus mit seiner Erfahrung der Verklärung auf dem Berg Tabor. Jerusalem ist auch für die Muslime der Ort des privilegierten Gebetes. Wenn man das nicht als Streitapfel versteht, wie es sich heute darstellt, sondern als ein gemeinsamer Auftrag von Gott für die Welt, dann sehe ich hier einen Anknüpfungspunkt für das Gespräch, vielleicht sogar mehr: Franziskus von Assisi war so kühn, sich einen Aufruf zum gemeinsamen Gebet vorzustellen. Der könnte aus Jerusalem kommen, aber auch aus jeder anderen Stadt.

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SWR2 Zum Feiertag

11JUN2020
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Foitzik: Heute feiert die katholische Kirche das Fest Fronleichnam. Darüber spreche ich mit dem Freiburger Theologen Karlheinz Ruhstorfer. Professor Ruhstorfer lehrt Dogmatik und Ökumenische Theologie an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Freiburg.

Das Fest Fronleichnam feiert die katholische Kirche öffentlich auf Straßen und Plätzen. Im Zentrum steht dabei der Glaube, dass Christus in den Zeichen Brot und Wein wirklich gegenwärtig ist, so wie es Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern beim letzten Abendmahl versprochen hat. Das Wort Fronleichnam lässt sich so übersetzen: der lebendige Leib des Herren.

Herr Professor Ruhstorfer, öffentliche Gottesdienste und Messfeiern waren in den letzten Wochen und Monaten gar nicht möglich – wegen all der Maßnahmen, die nötig waren, um die Covid 19-Pandemie einzudämmen. Was bedeutet es vor diesem Hintergrund heute Fronleichnam zu feiern, eben dieses Fest, bei dem der Glaube der Kirche öffentlich bekannt und bezeugt wird?

Ruhstorfer: In der Pfingstausgabe der Wochenzeitschrift DIE ZEIT vor zwei Wochen stand auf der Titelseite: „Frommes Schweigen“. Die Redakteurin Evelyn Finger stellt darin fest, dass die Kirchen in der Coronakrise die Menschen allein gelassen hätte. Sie hätten das Gefühl vermittelt, nicht systemrelevant zu sein. Was auch immer die Kirche in diesen Wochen im Verborgenen getan haben oder nicht getan haben. In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, die Kirchen seien nicht präsent. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung. Die Kirchen vermitteln ohnehin schon lange das Gefühl, auf dem Rückzug zu sein. Corona wirkte hier wie ein Brandbeschleuniger. Eben deshalb ist ein Fest wie Fronleichnam so wichtig. Die Kirche muss öffentlich sichtbar sein. In den Medien, aber eben auch auf den Straßen und Plätzen unserer Städte. Eine Fronleichnamsprozession könnte da schon die Botschaft vermitteln: Wir sind da. Wir bezeugen, dass es einen Gott gibt. Ein Gott, der mit uns durch die Straßen und Gassen geht, der uns auf allen Lebenswegen begleitet.

Foitzik: Der erzwungene Verzicht auf öffentliche Eucharistiefeiern ist sicherlich vielen in der Kirche sehr schwer gefallen, ist doch die Eucharistiefeier – wie es eben auch das Zweite Vatikanische Konzil formuliert hat – Quelle und Höhepunkt unseres Glaubens und Glaubensleben. Dabei haben sich aber auch manche gefragt, wie wichtig ihnen eigentlich diese Eucharistiefeier wirklich ist. Liegt so in dieser Art erzwungenem eucharistischen Fasten auch eine Chance?

Ruhstorfer: Die Chance liegt wohl darin, dass eine Unterbrechung zur Besinnung und zur Neuorientierung führen kann. Der Philosoph Jürgen Habermas, der selbst unverdächtig ist in Sachen radikalem Katholizismus, schrieb vor kurzem über die sakramentalen Handlungen der Kirche. Er meint, dass Sakramente und damit auch die Eucharistiefeier niemals nur „eine irdische, von der Kirche veranstaltete feierliche Kommunikation unter den Gemeindemitgliedern sein kann“. Das war jetzt Orgiginalton Habermas. Eucharistie ist eine rein menschliche und soziale Angelegenheit. Das wäre falsch. Es geht darin um die Realpräsenz Gottes. Die sakrale Dimension der Eucharistie verweist darauf, dass Gott selbst hier sinnlich gegenwärtig wird. Er verwandelt sich in irdische Wirklichkeit, um die irdische Wirklichkeit in göttliches Leben zu verwandeln. Diese sakrale Tiefendimension darf nach Habermas nie vergessen werden. Und diese eigentlich spirituelle, religiöse oder metaphysische Dimension der Eucharistie betrifft auch das gesellschaftliche Miteinander. Denn ohne diese Dimension droht - so Habermas - „das Versiegen der sakralen Quellen sozialer Integration“. D.h. es geht um gesellschaftlichen Zusammenhalt, um die Verwandlung der Welt in einen menschenwürdigen und damit gottgefälligen Ort. Habermas sagt, dass der Verlust dieser transformativen Kraft der Sakramente „einer menschheitsgeschichtlichen Zäsur gleichkäme“.

Foitzik: Von Habermas jetzt mal auf eine ganz andere Ebene. Herr Professor Ruhstorfer, sie sind Vater von drei Kindern und waren Religionslehrer bevor Sie an die Universität zurückkehrten. Das Fest Fronleichnam ist wohl das Fest im katholischen Kirchenjahr, mit dem sich heute die meisten Katholikinnen und Katholiken schwertun, erst recht, wenn sie als Eltern oder als Lehrerinnen beispielsweise Kindern und Jugendlichen erklären sollen, um was es da eigentlich geht. Wie kann man dieses Fest heute noch begehen, das doch einer ganz anderen Sakramenten-Theologie, einem ganz anderen Sakramentenverständnis entstammt?

Ruhstorfer: Sicher verändert sich das Sakramentenverständnis in der Zeit. Aber eines muss doch gleich bleiben. Die Sakramente sind die Schnittfläche von Gott und Schöpfung, Schöpfer und Geschöpf. Bei einer Fortentwicklung der Theologie muss es meines Erachtens darum gehen, zu einem tieferen und weiteren Verständnis der Sakramente zu kommen. In der Materie, im Fleisch, im Schmutz der Erde will Gott ankommen. Überall da, wo Krankheiten überwunden werden durch Ärztinnen und Ärzte, wo Trost gespendet wird durch Mitmenschen, wo Kindern von Lehrerinnen und Lehrern Welt und Zukunft erschlossen wird, wo Armut überwunden wird, wo gerechte Strukturen in der Welt geschaffen werden, überall da wird sakramentale Verwandlung der Welt sinnfällig und wirklich. In diesem Sinn sind Sakramente die bleibende Gegenwart Jesu, der ja selbst auch gesagt hat, dass das Reich Gottes nahe ist, dass es wie ein Sauerteig die gesamte Welt durchsäuert. Die konkreten Sakramente der Kirche (Taufe, Eucharistie, Buße usw.) sind doch nur besonders sichtbare Ausprägungen der Tatsache, dass das Gottesreich angebrochen ist und sich mehr und mehr durchsetzt – gegen allen Anschein, gegen alle Dunkelheit der Welt.

Foitzik: Herr Professor Ruhstorfer, Sie lehren Ökumenische Theologie an der Universität Freiburg: Fronleichnam gilt als das allerkatholischste Fest im Jahreskreis. Es war das Fest mit dem die katholische Kirche geradezu öffentlich demonstriert hat, was sie von den Protestanten unterscheidet, nämlich der Glaube an die Gegenwart Jesu in der als Leib Christi verehrten Hostie.

Umgekehrt war für Luther Fronleichnam das, ich zitiere, „allerschändlichste Fest“; an keinem anderen werde - so Luther - „Gott und sein Christus mehr gelästert, denn an diesem Tag und sonderlich mit der Prozession.“ Wie sehr trennt uns heute dieses Fronleichnamsfest noch von unseren evangelischen Schwestern und Brüdern?

Heute muss uns Fronleichnam in keiner Weise von unseren evangelischen Mitchristinnen und Mitchristen trennen. Es kommt nicht darauf an, ob Gott hier mehr durch die objektive Seite der Kirche, des Amtes und damit des Priesters wirkt, so wie esdie katholische Kirche denkt, oder über die subjektive Seite des gläubigen und freien Individuums, so wie es in der evangelischen Kirche Tradition ist. Es muss nur klar werden, dass Gott es ist, der mit den Menschen auf ihren verschlungenen Wegen unterwegs ist. Dass Gott uns Hoffnung gibt, dass Gott uns von unserenIrrwegen zurückholt und auch über Umwege findet. Vielleicht müssen wir Katholiken heute evangelischer werden und die evangelischen Gläubigen katholischer. Den Weg in die Zukunft können wir nur miteinander finden.

Foitzik: Herr Professor Ruhstorfer, ganz herzlichen Dank für diese so reichhaltigen Gedanken, die vielleicht dem einen oder anderen von uns ein einigermaßen schwieriges Fest ganz neu nahe gebracht hat, vielen Dank.

Ruhstorfer: Ich bedanke mich.

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SWR2 Wort zum Tag

In unzähligen Kirchen finden sich Statuen oder Darstellungen des heiligen Antonius - im braunen Gewand der „Minderbrüder“, wie sich die junge Ordensbewegung um Franz von Assisi selbst nannte; Antonius gehörte zur ersten Generation der franziskanischen Gemeinschaft.

In Darstellungen trägt Antonius oft das Jesuskind auf den Armen: darin drückt sich seine besonders innige Beziehung zum Evangelium aus, so sagen die einen. Mit dem Jesuskind auf dem Arm ist er seinen Mitbrüdern im Wunder erschienen, sagen die anderen.

Eine Menge Legenden ranken sich um Antonius - gerade auch um seine offenkundige Redekunst. Antonius war ein Predigttalent. So sollen ihm sogar Fische andächtig gelauscht haben. Zu Hunderten müssen ihm jedenfalls seine Zeitgenossen, oft unter freiem Himmel, gebannt zugehört haben. Seine Kenntnis der Bibel, seine theologische Bildung war legendär. Gerade aber für die Einfachen und Ungebildeten unter seinen Zuhörern fand Antonius offenbar die richtigen Worte.

Dass er so beliebt ist, verdankt der heilige Antonius seinem Image als helfendem „Schlamper-Toni“. So soll ein Stoßgebet zu Antonius helfen, wenn etwas unauffindbar  ist. Ursprünglich war allerdings bei dem, was verloren ist, weniger an Portemonnaie oder Schlüssel gedacht. Antonius hatte offenbar eine besondere Gabe: mit seiner ebenso klugen wie menschenfreundlichen Predigt diejenigen zu überzeugen, die ihren Glauben verloren hatten.

Ich verdanke meinen Zugang zum heiligen Antonius dem österreichischen Autor Michael Köhlmeier. Vor zwei Jahren hat er ein wunderschönes Buch geschrieben, eine Novelle, vielsagend betitelt: „Der Mann, der Verlorenes wiederfindet.“ Der renommierte Romanautor erzählt darin eine leise, einfühlsame Geschichte, keine jubelnde Heiligenlegende Antonius wird von Köhlmeier vor allem auch mit Widersprüchen gezeichnet: fromm und unabhängig im Denken. Antonius ist einer, der durchaus weiß, was er kann. Dennoch bemüht er sich, demütig zu sein. Der gefragte Prediger schien selbst  oft auch zu zweifeln in seinem Glauben.

Das macht für mich den heiligen Antonius zu einem ungemein sympathischen Heiligen, gerade für unsere Zeit.

 

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SWR2 Zum Feiertag

Alexander Foitzik: Am heutigen Karfreitag spreche ich mit dem katholischen Moraltheologen von der Universität Bonn, Jochen Sautermeister. Herr Professor Sautermeister, Sie sind promovierter katholischer Theologe und Psychologe. Sie haben einen Lehrstuhl für Moraltheologie, einen besonderen Schwerpunkt legen Sie dabei auf die Moralpsychologie.

Vielen von uns sind die Glaubensaussagen von Karfreitag eher fremd. Wir können kaum verstehen wie und von was Jesus uns erlöst haben könnte, in diesem grauenvollen Tod. Wie lässt sich heute die „erlösende Tat“ Jesu am Kreuz verständlich beschreiben? Oder sollen wir uns von den ganzen traditionellen Aussagen verabschieden?

Jochen Sautermeister:Die Rede von der Erlösung von Jesus am Kreuz kann ich eigentlich nur verstehen - und ich glaube lässt sich auch nur verstehen -  wenn wir uns fragen: Wovon brauchen wir eigentlich oder wünschen wir uns Erlösung? Was liegt uns schwer im Leben? Was belastet uns? Was steht so quer bei uns? Was setzt uns so unter Druck und ist so unversöhnt, unerlöst, dass wir uns Erlösung wünschen? Und ich glaube, da muss es ansetzen. Eigentlich bei der Erfahrung von unserer Unerlöstheit.

Wie kann man das heute sagen? Diese theologischen Bilder und theologischen Denkfiguren - Gott, der Genugtuung will oder Gott, der durch sein Blut versöhnt in Jesus, oder der sich am Kreuz opfert - ich glaube, die können wir nur verstehen, wenn wir heute fragen: Wo suchen wir Erlösung? Und ich glaube, das ist ganz vielfältig und sehr weit. Das eine ist, denke ich, zum einen, wenn wir nur hinausschauen was passiert. Hinaus nicht nur aus den eigenen vier Wänden, sondern auch in die eigenen vier Wände, ins eigene Leben. Gewalttaten, Kriege, Hunger, Menschenverachtung, Verletzung von Menschenrechten aber auch ganz konkret die Fragen für einen selber: Wo merke ich, bin ich unfrei? Bin ich unter Zwang? Sehe ich in mir Lebloses? Sehe ich in mir Seiten, die so unerlöst sind? Aber auch im Miteinander zwischen Menschen. Also für mich ist die Frage: Wo sind wir wirklich existenziell erlösungsbedürftig? Und ich glaube, da kommen wir nur hin, wenn wir wirklich sehen, wie radikal wir eigentlich in unserem Leben auch an unsere Grenzen stoßen.

Alexander Foitzik: Wenn wir auf die Frömmigkeitsgeschichte zurückblicken: Hatte der Karfreitag nicht immer auch eine problematische Bedeutung? Nämlich dass mit dem Leiden Jesu auch das Leid und das Leiden der Menschen sozusagen verherrlicht, verklärt und überhöht wurde?

Jochen Sautermeister: Ich glaube, die Gefahr besteht tatsächlich. Die Gefahr, dass durch die Verklärung vom Leiden Jesu auch noch viel Weiteres verfolgt wird, was wir eigentlich uns nicht wünschen, z. B. problematische Gottesbilder. Was für einen Gott stellen wir uns vor? Und an was für einen Gott glauben wir, dass er wirklich das Leiden will? Oder auch  problematische Vorstellungen von Erlösung, so als ob Gott es nötig hätte, seinen Sohn sozusagen als Lösegeld zu uns zu schicken. Das waren Denkfiguren, die vielleicht zu manchen Zeiten noch eher gepasst haben, aber ich halte sie für sehr problematisch. Schwierig wird es, wenn es um Leidensverherrlichung geht. Und ich glaube, dann spalten wir etwas ab. Dann spalten wir eigentlich die Seite ab, dass es im Glauben um Leben geht, um Lebendigkeit, um Versöhnung, um Leben-können mit Grenzen, um Perspektiven, die Grenzen überwinden und alle Spaltung überwinden. Und da ist eine Leidensverherrlichung - finde ich - sehr problematisch.

Alexander Foitzik: Der Karfreitag ist eingebettet in die so genannten Heiligen drei Tage. Wie wichtig ist es dann, den Karfreitag als eigenständigen Feiertag zu begehen, und nicht nur sozusagen als Vorspiel vor Ostern? Wir wissen ja wie die Geschichte ausgeht…

Jochen Sautermeister: Ich glaube, den Karfreitag als eigenständigen Feiertag zu feiern ist deshalb so wichtig, wenn man sich überlegt, worum es am Karfreitag geht. Das ist ja radikal, das ist ja eigentlich atemlos, das ist eigentlich schockierend: dass da Jesus am Kreuz stirbt. Wenn man sich versucht hineinzuversetzen, was es war - da war ja alles aus, abgebrochen, Entsetzen, und eigentlich müsste man an Karfreitag unter Schock sein. Und insofern ist es gut, Karfreitag auch als eigenen Feiertag zu feiern - und wirklich in der Abgründigkeit, was am Karfreitag passiert ist, auch sich daran zu erinnern und es sich zu vergegenwärtigen. Auch im Hinblick auf die Menschen, die diese Erfahrung vom Karfreitag heute machen, ohne die Hoffnung auf Ostern zu haben.

Alexander Foitzik: Herr Professor Sautermeister, Sie sind auch Psychologe und legen in Ihrer Forschung und Lehre einen Schwerpunkt auf die Moral-Psychologie, und Sie haben lange Jahre als ausgebildeter Berater in der Familien- und Lebensberatung gearbeitet.
Kann da Karfreitag auch etwas Tröstliches haben? Oder wie kann da der Karfreitag auch eine befreiende, auch eine therapeutische, heilsame Botschaft für uns Zeitgenossen haben?

Jochen Sautermeister: Die Erfahrung, dass Jesus am Kreuz sich von Gott verlassen fühlte, glaube ich, kann ganz besonders für Mensch tröstlich sein. Tröstlich in dem Sinn, dass da jemand ist, der wirklich bis zum Äußersten versteht mitzuleiden. Der weiß was es bedeutet, ganz verlassen zu sein. Und für solche Menschen, die in dieser Notlage sind, kann die Erfahrung - da ist jemand, der kennt mein Leiden, der kann mitfühlen - glaube ich eine ganz wichtige Erfahrung sein. Nicht im Sinne, dass es Trost ist, der zugesprochen wird, sondern dass es nicht mehr in Worte zu fassen ist, mit dabei sein und mit aushalten. Das scheint auch ohnehin etwas ganz Wichtiges auch von der Grunddimension der therapeutischen Botschaft des Glaubens zu sein. Nämlich dass wir gerade in den ganz tiefen existenziellen Erfahrungen von tiefster Verzweiflung, Depression, tiefster Angst, dass in dieser Erfahrung vielleicht Worte gar nicht weiterhelfen. Sondern, dass es darum geht, dass jemand dabei ist, der mitfühlt, der mit aushält, der nicht wegläuft. Und dass in diesem Dabeisein auch spürbar wird: kein Wort ist eigentlich hinreichend um zu sagen, worum es geht. Dass jeder einzelne Mensch, den es gibt und der da ist, dass es gut ist, auch wenn er in keiner Weise -  dieser Mensch - es spürt oder erlebt. Und hier glaube ich, kommen dann die nicht gesprochenen Worte, das Schweigen, das Dabeisein zu ihrer Bedeutung. Ich möchte es noch anders formulieren. Wenn jemand in der größten Not und Verzweiflung jemand hat, der ihn begleitet und wirklich mitgeht und mitfühlt und mit in die Tiefen hinabsteigt - bildlich gesprochen - dann ist auch implizit etwas dabei von Sinn: ich geh mit dir, oder die Erfahrung machen, jemand geht mit mir, kann tröstlich sein.

Alexander Foitzik: In geistlichen Schriften der Kirche hieß es früher oft: Wir Christen sollen mit Blick auf das Kreuz und den Gekreuzigten alles freudig und dankbar vor allem auch dankbar annehmen: das woran wir leiden, das, was uns schmerzt und im letzten auch, dass wir sterben müssen. Sind solche Ausforderungen nicht auch sehr ambivalent, womöglich sogar gefährlich? Oder kann eine solche Botschaft nicht auch sehr leicht missbraucht werden?

Jochen Sautermeister:Ja ich glaube, auch diese Botschaft ist ambivalent und ist in Gefahr, verzehrt zu werden bzw. missbraucht zu werden. Weil damit noch nicht gesagt wird, um welches Leid es geht. Und ich glaube, dass wir uns gerade in der gegenwärtigen Zeit ganz viel damit auseinandersetzen müssen: was bedeutet es, welche Seite ist unvermeidlich, mit welchen Leiden müssen wir leben, weil es zum Leben dazugehört. Aber welches Leid ist auch unnötig, darf nicht verklärt oder verherrlicht werden. Und das scheint mir ganz wichtig zu sein, hier zu unterscheiden. Und es gibt auch die Form der Lust im Leid, sozusagen sich selbst zu stilisieren. Weil man das Leid erträgt, sich doch nochmals erhoben oder besser zu fühlen. Also man könnte sagen: Leiden als eine Form der Selbstbestätigung in einer sadomasochistischen Weise. Und ich glaube das ist ein Thema, diese idealisierende Erhöhung, mit dem wir uns in der Kirche, in der Gegenwart viel auseinandersetzen müssen. Damit wir nicht in einer Leidverherrlichung oder Überhöhung und einer ungesunden Idealisierung - und auch meines Erachtens Idealsierungen, die wirklich nicht drauf vertrauen, das Leben anzunehmen – damit wir der nicht erliegen.

Alexander Foitzik: Und welche Konsequenzen hat das für die Verkündigung der Kirche, für die Kirche selbst, dafür, wie sie sich selbst, wie sie ihren Auftrag versteht?

Jochen Sautermeister:Ich glaube, zum einen bedeutet das ganz konkret, dass Kirche selber auch sich fragen muss, dass wir unsere Kirche fragen müssen: Wo haben wir Idealisierungen? Wo haben wir Abspaltungen? Wo blenden wir das aus, was uns in unserem Bild als Kirche durchkreuzt und im Wege steht? Uns unsere Ideale beschädigt und unseren realistischen Blick von uns auf Kirchen. Und das zweite ist - neben dieser Kritik an Abspaltung in Kirche - dass andere weniger moralisieren, mehr wahrnehmen was ist. Mehr wahrnehmen, wie das Leben in seiner Vielfalt ist. In seinen Gründen und in seinen Abgründen. Ich glaube das ist ein zweiter wichtiger Punkt. Und ich würde formulieren, ein dritter Punkt ist: Karfreitag lehrt eigentlich auch Demut. Was heißt, sich mit dem auseinandersetzen, was ist, was da ist, auch was schwer ist, was dunkel ist, wo man schuldig geworden ist. Auch das ist mit Blick auf Kirche in heutiger Zeit wichtig. Und das Thema Machtmissbrauch, diese Übergriffigkeit, auch das bedeutet heute Karfreitag, wirklich den Blick darauf zu lenken. Und ein letztes lässt mich immer wieder nachdenken: Gott lässt sich am Karfreitag nicht verwalten. Und dass wir uns auch kritisch fragen als Kirche: Wo verwalten wir mehr Gott statt Gott seinen Raum zu geben?

Alexander Foitzik: Herr Sautermeister, ich danke Ihnen sehr für Ihre offenen und menschenfreundlichen Aussagen zum heutigen Karfreitag.

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SWR2 Wort zum Tag

Der Titel dieses Buch springt sofort ins Auge, vermutlich nicht nur mir als Theologen: „Der Vogelgott“ heißt der Roman von Susanne Röckel, der im Herbst letzten Jahres erschienen ist.

Das Buch ist sicher kein theologisches Fachbuch. Aber umso mehr geht es um alles, was irgendwie unerklärlich ist, um Archaisches und Abgründiges, Wirklichkeit und Wahn. Und so hat es mich letztlich doch provoziert: Darüber nachzudenken, wie ich mir Gott eigentlich vorstelle.

Der „Vogelgott“, um den es hier geht, hat nichts mit dem liebenden und befreienden Gott der Bibel zu tun. Eher steht er für eine dunkle, dämonische Macht,  und die hat die Gestalt eines unheimlichen Greifvogels.

Vier Menschen begegnen diesem „Vogelgott“ und sie erfahren dabei etwas, das jenseits von alldem liegt, womit sie rechnen, was sie bisher gedacht und gefühlt haben.

Diese vier Menschen, sind ein Vater und seine drei Kinder. Der Vater ist ein Hobby-Vogelkundler, der fast schon besessen nach etwas Außergewöhnlichem für seine Sammlung ausgestopfter Vögel sucht. Der älteste Sohn ist ein rationaler, leicht zynischer Journalist. Die Tochter untersucht mit dem analytisch-distanzierten Blick der Kunstgeschichtlerin Mariendarstellungen aus der Barockzeit. Und der Jüngste ist ein verkrachter Medizinstudent, der sein Leben nicht so richtig auf die Reihe bringt.

Alle vier schauen in einen vermeintlich „leeren“, gott- und götterlosen Himmel. Plötzlich, unerwartet und unabhängig voneinander, werden alle vier mit dem „Vogelgott“ konfrontiert und diese verstörende Begegnung verändert ihr Leben:

Dem gescheiterten Medizinstudenten zeigt sich der „Vogelgott“ während eines Aufenthaltes in einem Missionscamp, irgendwo am Rand der zivilisierten Welt; der Volksstamm verehrt den „Vogelgott“ in blutrünstigen Ritualen.

Dem nüchternen Journalisten begegnet der „Vogelgott“ in einer scheinbar  besessenen Frau und einem modernen Alchimisten. Und der Vater, der Vogelkundler, stößt auf seinen ganz außergewöhnlichen Vogel. Den Versuch, ihn zu fangen, zu töten und zu besitzen, überlebt der Vater fast nicht.

„Der Vogelgott“ von Susanne Röckel ist ein skurriles, in manchem bizarres Buch. Und doch fand ich es faszinierend: Vier Menschen widerfährt, was völlig jenseits dessen liegt, womit sie rechnen.

Das erinnert mich dann doch wieder an manche biblische Geschichte: Gott eröffnet immer wieder einen völlig neuen Blick auf die Wirklichkeit.

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SWR2 Wort zum Tag

„Ist das gerecht?“ Diese Frage hat die ARD über ihre aktuelle Themenwoche geschrieben. In vielen Sendungen und unterschiedlichen Formaten widmen sich die ARD-Sender seit Montag dem Thema Gerechtigkeit. Was wir unter Gerechtigkeit verstehen, ist entscheidend dafür, wie wir zusammenleben. Nicht zuletzt hängt davon ab, was wir den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft nennen.

In dieser Woche erinnern aber auch unzählige Veranstaltungen an das Ende des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren. Viele haben gehofft, dass sich ein so katastrophaler Krieg nie mehr wiederholen würde;  aber zwanzig Jahre später war diese Hoffnung schon dahin.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich das Friedensengagement der christlichen Kirchen verändert. Bis dahin war es geprägt von der so genannten Theorie des „gerechten Krieges“. Grob gesagt ging es darum, wann und wie Kriege begonnen werden dürfen und wie sie zu führen sind  um als ethisch „gerechtfertigt“ gelten zu können. Gerecht meinte also gerechtfertigt, in einem eher rechtlichen Sinn

Im Jahr 2000 haben die katholischen Bischöfe in Deutschland ein Friedenswort mit dem Titel „Gerechter Friede“ veröffentlicht. Die Perspektive hat sich gedreht: Vom „gerechten Krieg“ zum „gerechten Friede“: Krieg soll nach Gottes willen nicht sein, jede Gewaltanwendung soll vermieden werden, denn jede Gewalt bleibt ein Übel. Oder wie es Papst Johannes Paul II formuliert hat: „Krieg ist immer eine Niederlage der Menschheit.“

Die unzähligen Konflikte und Kriege unserer Zeit zeigen es täglich: Sie verursachen weitaus größeres Leid als nur das, was mit Waffen angetan wird: Menschen hungern, sie werden verfolgt, vertrieben, vergewaltigt – und betroffen sind oft besonders die, die ohnehin schon arm, schutzlos, schwach sind.

Entsprechend meint die Rede vom „Gerechten Frieden“ weit mehr, als  dass es nur keine Gewalt mehr gibt: „Gerecht“ ist der Friede dort, wo Menschen in Würde leben und arbeiten können, wo ihre Rechte geschützt sind, ebenso das, von dem sie leben – das Land, seine Rohstoffe, das Wasser. Und das Leid der Opfer wird gesehen, anerkannt, womöglich Abhilfe geschaffen.

Das ist gerecht! Und nur so wird Friede möglich! Oder wie es schon beim Propheten Jesaja heißt: Das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein und der Ertrag der Gerechtigkeit Ruhe und Sicherheit“.

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SWR2 Wort zum Tag

Europa muss sich auf seine Wurzeln, seine Seele zurückbesinnen! Viele machen sich in diesen Tagen große Sorgen, wenn sie auf den Zustand unseres Kontinents schauen. Viel zu lange schon und viel zu selbstverständlich ist nur noch von der Krise Europas die Rede! Immer mehr europäische Staaten scheinen vor allem an sich selbst zu denken; nicht nur in der Flüchtlingspolitik.

Hat sich die Idee eines gemeinsamen Europas in unseren Tagen erledigt? Tragen die großen Hoffnungen nicht mehr, die einst die Gründungsväter und – mütter Europas bewegten? Und der christliche Glaube, der die europäische Kultur fraglos geprägt hat? In unseren Tagen muss dieser Glaube eher herhalten, um sich von anderen abzugrenzen, andere auszugrenzen.

Am 11. Juli jeden Jahres wird in der Katholischen Kirche besonders an den Heiligen Benedikt gedacht. Im Jahr 480 wird der „Gründer des abendländischen Mönchtums“ in dem kleinen Ort Nursia geboren, in der heutigen italienischen Region Umbrien . Mit 67 Jahren stirbt er auf dem Monte Cassino. Dort hat er mit einem Kreis von Freunden und Getreuen eine erste Gemeinschaft gegründet.

1964 erklärt Papst Paul VI. den Heiligen Benedikt zum bedeutendsten Patron Europas. Gerade auch die Frömmigkeit Benedikts hat Europa geprägt. Benedikt hat als erster eine umfassende Regel für das Leben in Ordensgemeinschaften entwickelt. Und viele Klöster und Gemeinschaften in Europa haben sie für sich übernommen, manchmal mit kleinen Veränderungen. Der Kerngedanke der benediktinischen Regel heißt „Ora et labora“, also „bete und arbeite“. Mit dieser ganzheitlichen Spiritualität wurden die Klöster zu bedeutenden Zentren, die für Bildung gesorgt haben, die das Handwerk und die Landwirtschaft gefördert und weiterentwickelt haben.

Gerade in der aktuellen Krise Europas kann der Heilige Benedikt, der Patron Europas, an eine große Hoffnung erinnern!

Die Hoffnung auf eine europäische Gemeinschaft, die von gemeinsamen Werten und Haltungen geprägt ist: Von Werten und Haltungen, die nicht zuletzt in der Bibel begründet sind: zum Beispiel in der  Vorstellung, dass jeder einzelne eine besondere Würde hat, unabhängig von seiner Leistung und seiner Herkunft! So hoffe ich auch auf eine Gemeinschaft, die versucht, Maß zu nehmen am biblischen Gleichnis vom barmherzigen Samariter: dem Gleichnis, wo ein Fremder einem verletzten Fremden hilft.

Dies ist der Geist, die Seele Europas. Und uns daran zu erinnern, dabei möge der Heilige Benedikt uns helfen!

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SWR2 Wort zum Tag

In unserer Gesellschaft ist eine ängstliche Stimmung weitverbreitet, die kaum zu fassen ist. Soziologen und Meinungsforscher beschreiben das immer wieder. Die einen sorgen sich, dass sich die Gesellschaft sozial immer weiter spalten wird. Andere befürchten, dass zu viel Fremdes, zu viel Fremde zu uns kommen. Und am Ende wissen wir gar nicht mehr, wer wir sind!

Viele treibt die tägliche Angst, den hohen und immer höheren Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Zu viel, was andere von mir erwarten, erst recht zu viel, was ich selbst von mir erwarte. Der renommierte Soziologe Heinz Bude spricht von einer „Gesellschaft der Angst“: Ängstlich zu sein, scheint zu einer modernen Gesellschaft wie der unsrigen einfach dazuzugehören.

In diesem Jahr erinnert ein Kreis von Anhängern, Schülerinnen und Schülern an den katholischen Theologen und Grenzgänger Eugen Biser. Im Januar wäre er 100 Jahre alt geworden. In ganz besonderer Weise hat Eugen Biser die Angst, die Lebensängste des modernen Menschen ins Zentrum seiner Theologie gestellt. Die allgegenwärtige und zunehmende Angst hielt er für das Hauptproblem der Gegenwart.

Für Eugen Biser ist das Christentum die „Religion gegen die Angst“, für ihn ist der christliche Glaube die alles entscheidende Heilkraft, für alle die ängstlich sind! Entschieden kritisierte er so jede kirchliche Verkündigung, die selbst Ängste weckt. Und umkehrt war Eugen Biser überzeugt: Der christliche Glaube und das Christentum werden in unserer Gesellschaft nur dann eine Zukunft haben, wenn wir uns auf unseren Ursprung zurückbesinnen:

Für Eugen Biser ist Jesus der „Angst-Therapeut“ schlechthin. Durch seinen menschgewordenen Sohn sucht Gott den Menschen zu heilen - von seinen alltäglichen Ängsten und der Angst, keinen Sinn im Leben zu finden, der Angst sterben zu müssen.

In dem, was Jesus verkündet hat, in dem was er gelebt und gelehrt hat und nicht zuletzt in seinem Sterben am Kreuz und in seiner Auferstehung steckt eine dreifache Botschaft gegen die Angst:

Der Gott, den Jesus – für seine Zeit unvorstellbar revolutionär - zärtlich mit Abba, also Papa, angesprochen hat, ist kein ehr- und kein rachsüchtiger Gott, vor dem wir uns ängstigen müssen.

Unsere Mitmenschen, die wir mit Jesus als „unsere Nächsten“ erkennen dürfen und die wir „als unsere Nächsten“ lieben dürfen wie uns selbst, ängstigen uns nicht mehr als Fremde und Feinde.

Und ebenso revolutionär war und ist die Botschaft Jesu an jeden Einzelnen: Eugen Biser spricht von der „einzigartigen Ermutigung des Menschen zu sich selbst“ – unmissverständlich beschrieben in den wundervollen Worten, dass wir Menschen Gottes „Freunde“ sind, dass wir Gottes „Kinder“ sind.

Wenn ein liebender und barmherziger Gott so groß von uns Menschen denkt, bräuchten wir eigentlich vor nichts und niemandem Angst haben.

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