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SWR4 Abendgedanken

07MRZ2025
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„Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“ Eine Freundin von mir hat das neulich in einem Gespräch so gesagt. Ich weiß gar nicht, ob alle am Tisch mitbekommen haben, was für eine große Einsicht sie da so gelassen ausgesprochen hatte.

 „Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“ –  In der Bibel heißt es, dass wir nur Gast sind auf diesem schönen Planeten, weil wir alle einmal bei Gott ankommen sollen, im Himmel, wo wir zu Hause sind, in der Ewigkeit, in der himmlischen Heimat, im Paradies, in der Gegenwart Gottes, in der Liebe, die nie vergeht. Es gibt so viele Bilder für das Ziel, auf das unser Leben hinführt. Hier und jetzt kann ich immer nur ahnen, wie das sein wird. Es gibt nur Abbilder, einen Vorgeschmack. Erst wenn ich angekommen bin, weiß ich, dass ich das Ziel meiner Sehnsucht erreicht habe.

„Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“ –  Ich habe das weitergedacht: Nation, Volk, Staat, wegen mir auch „The Länd“ – das ist alles vorläufig. Das kann diese wirkliche Heimat gar nicht ersetzen!

Trotzdem versuchen es so viele. Warum verehren so viele Menschen ihr Herkunftsland so sehr? Warum müssen sie ihre „Heimat“ so hervorheben? Ja, das hat bestimmt etwas damit zu tun, dass gerade dieses Land einem so vertraut ist. Aber warum freut man sich dann nicht einfach daran? Warum soll „das Reine“ erhalten werden? Was hat es mit dem Nationalstolz auf sich? Ich erlebe das bei Menschen aus aller Welt: Ob Kameruner oder Deutscher, ob Albaner oder Schwabe – spätestens beim Fußball merkt man es deutlich. Warum soll die Heimat sogar gegen andere abgeschottet werden? Soll dieser vorläufige Ort, sollen Nation oder Volk dadurch etwas „Ewiges“ bekommen? Könnte es sein, dass darin etwas anderes, eine Sehnsucht steckt? - „Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“

Mein Heimweh vergeht nicht, wenn ich versuche, meinem vorläufigen Aufenthaltsort etwas Ewiges zu verleihen. „Es bleibt ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“ 

Also nehme ich es, wie es ist. Ich muss wohl den Schmerz aushalten, dass ich nicht nur fast überall Ausländer bin, sondern überall nur auf der Durchreise - bis ich in der wirklichen, meiner himmlischen Heimat angekommen bin.

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SWR4 Abendgedanken

06MRZ2025
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Ich kann jedes Mal nur staunen, wenn ich im März ins Wolfstal mit seiner Fülle von Märzenbechern komme. Staunen, das ist mir da im Tal einmal gekommen, Staunen ist eine Form von Gebet, ja, von Anbetung. Jetzt, um diese Zeit, ist es ganz besonders schön da bei Lauterach, wo die große Lauter von der Alb kommend in die Donau mündet. Das wildromantische, schluchtartige Tal voll von weißen Blüten. Und wer ein bisschen Ruhe und Ausdauer mitbringt, entdeckt zwischen den Märzenbechern auch den zinnoberroten Kelchbecherling. Das ist ein tatsächlich rot strahlender Pilz, der sich zeitgleich mit den hunderttausenden von hängenden Blüten zeigt.

Wenn es geht, komme ich schon früh am Morgen, wenn noch nicht so viele andere Menschen da sind. Vom Parkplatz aus schaue ich erst einmal, ob es im Sumpf schon gelb blüht. Die Märzenbecher sind ja weiß, aber da am Anfang, da steht Wasser auf der Wiese, da fließt ein kleiner Zufluss der Lauter, da strahlt es oft schon gelb hervor.

Und ich staune. Wie ein Kind suche ich und schaue, manchmal geradezu aufgeregt, manchmal verweile ich, gehe in die Hocke, schaue der Bewegung des Wassers zu und freue mich an den Spiegelungen der Farben.

Wenn ich weitergehe, sehe ich die ersten, noch vereinzelt stehenden Gruppen von Märzenbechern zwischen bemoosten Baumstämmen und dem Laub am Boden, bis ich dann mittendrin bin und wieder staunend beginnen will zu zählen…

Wie viele Blüten sind es wohl? Unzählige. Das ist die Antwort. Unfassbar viele, eine Blüte schöner als die andere, weiß, an diesen saftig-hellgrünen, aufrechten Stängeln hängen sie mit ihren gelbgrünen Spitzen.

Ein schmaler Weg führt durch das Tal, von Zeit zu Zeit kommen die Felsen ganz nah zusammen, Moose und Farne wachsen in den Spalten. Und ich kann einfach nicht aufhören zu staunen… Wie schön! Andächtig, das ist das beste Wort dafür, andächtig gehe ich durch dieses Tal, freue mich schon auf die Stelle, an der es sich noch einmal verengt und die Blumen bis weit hinauf am Hang stehen. Ich halte inne.

Das Staunen bringt mich ganz nah zu Gott. Ich bete: „Danke“, sage ich.

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SWR4 Abendgedanken

05MRZ2025
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Das Bedauern von eigenen Fehlern ist nicht gerade ein Modetrend. Dabei hat doch jede und jeder solche klaren Momente, in denen einem ganz deutlich wird: „Da habe ich Mist gebaut!“ Der Aschermittwoch, der Tag heute, steht genau für solche Augenblicke.

Nun weiß ich ja nicht, ob Sie heute in aller Frühe in einem Gottesdienst waren, um sich nach altem, kirchlichem Brauch ein Aschekreuz auf die Stirn zeichnen zu lassen. Dieses Aschekreuz ist ein Zeichen, dass man eigene Fehler bedauert. Für mich ist es auch so etwas wie ein Schlüssel, der die Herzen öffnen kann.

Zuerst ist es ein Schlüssel für mein eigenes Herz. Es hat etwas sehr Persönliches, etwas zwischen mir und Gott. Ich öffne ihm mein Herz und sage: „Es tut mir leid.“ Ich kann fast seine Stimme hören, wie er fragt: „Was tut dir denn leid…?“ – und dann kann ich ihm sagen, was da im Dunkeln meines Herzens verborgen ist. Es kommt ans Licht. „Weißt du, es tut mir so leid, dass ich mit Michael so grob war. Auch wenn ich im Recht war: Das hat er nicht verdient.“ Mein Herz öffnet sich.

Das Aschekreuz ist auch ein Schlüssel zum Herzen anderer. Es macht mich einfach ein bisschen - demütig. Ich bin gar nicht so perfekt, wie ich vor anderen gern dastehen will! Das hilft im Umgang mit meinen Mitmenschen sehr!

Wer weiß, vielleicht entschuldige ich mich ja sogar bei Michael? Ich weiß es noch nicht. Wichtig ist, dass ich ihm jetzt wieder anders begegnen kann.

Das Aschekreuz. Es ist ein Schlüssel zur Tür meines Herzens. Und vielleicht sogar zu den Herzen anderer. Tja, und wenn man es verpasst hat, heute Morgen? Dann muss es eben auch ohne dieses körperlich spürbare Zeichen gehen. Und das tut es auch.

In der Bibel wird empfohlen, einfach mit Gott zu sprechen und ihm zu sagen, was wir verbockt haben. Da steht: „Wenn wir Gott eingestehen, was wir falsch gemacht haben, dann ist er treu und gerecht: Er wird uns vergeben und uns von aller Schuld befreien.“

Ich mache das. Gar nicht mal so selten! Ich spreche mit Gott und sage: „Weißt du, es tut mir leid. Vergib mir.“ Und ähnlich wie beim Aschekreuz kann ich es manchmal richtig spüren, wie sich mein Herz öffnet. Es tut mir gut. Und ich gehe mit mir und anderen danach anders um.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

23NOV2024
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Ein Freund von mir ist vor mehr als eineinhalb Jahren gestorben. Er hat es gewusst und hat sich vorbereitet und er hat auch mich vorbereitet. Ich sollte die Trauerfeier halten. Und er gab mir mit auf den Weg: „Sag ihnen, sie sollen heute leben!“

Das habe ich gern getan und ich tue es heute, an dem Wochenende, an dem der Totensonntag liegt, der Ewigkeitssonntag, noch einmal und besonders gern. Denn das, was er mir mitgegeben hat, ist aus seinem Glauben gewachsen. Er wusste, dass in der Bibel steht:

„HERR, lehre mich, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss.“*

Ja, es gibt ein Leben nach dem Tod! Das war seine Überzeugung und bei aller Angst vor dem Sterben hatte er keine Angst vor dem Tod. Er war gespannt. Er hoffte, dass er ein paar Antworten auf seine vielen Fragen bekommen würde.

Und zugleich wusste er auch, dass in der Bibel steht: „Genieße froh jeden Tag, der dir gegeben ist!“** – Im Rückblick hatte er wohl den Eindruck, sich manches Mal zu viele Sorgen um Nebensächlichkeiten gemacht zu haben. Zu oft hatte er sich über Kleinigkeiten aufgeregt und manchmal hatte er sich verzettelt in viel zu vielen Aktivitäten, die er dann nicht genießen konnte. Sehr ernsthaft war deshalb seine Aufforderung bei der Trauerfeier zu hören: „Ihr sollt heute leben!“ – „Genießt froh jeden Tag, der euch gegeben ist!“

Er war Handwerker. Durch und durch. Und alles andere als ein mystischer Mensch. Sein Ding wäre es sicher nicht gewesen, immer „im Hier und Jetzt“ zu leben. Er hätte sich über meine Formulierung bei seiner Trauerfeier gefreut. „Es reicht natürlich nicht“ so habe ich gesagt: „das Leben nur im Hier und Jetzt zu suchen. Wenn Vergangenheit vergessen wird, wenn die Zukunft keine Bedeutung mehr hat und alles nur noch Gegenwart ist, dann ist die gängige Bezeichnung dafür nicht Leben, sondern Demenz.“ Nein, er konnte zurückblicken in die Vergangenheit, auf die Höhen und Tiefen. Und er konnte gespannt und ohne Angst in die Zukunft schauen. Und wahrscheinlich ist das der Grund, warum er schließlich im Frieden gehen konnte.

Jetzt, eineinhalb Jahre später, hat das, was er mir als Botschaft mitgegeben hat, nach wie vor eine große Bedeutung. Ich will heute leben. Ich will zurückschauen und dort sehen, wie wichtig solche Freunde für mich sind. Ich will nach vorne schauen und mich freuen, dass wir uns wiedersehen werden. Und dazwischen will ich leben. Heute. Jetzt. Den Tag genießen, den Gott mir gegeben hat.

*Psalm 39,5
**Prediger 11,8

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

22NOV2024
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Alles hört auf. Alles vergeht. Novembergedanken. Alles findet ein Ende. Irgendwann. Tröstlich können sie sein, solche Gedanken im November. Ich weiß nicht, ob Sie mir da gleich zustimmen können… Aber mir geht es so. Ich bin zwar nicht immer, aber doch manches Mal froh, wenn etwas, das mir „ewig“ erschien, am Ende dann doch endlich ist. „Das Gute am Gewitter ist, dass es irgendwann aufhört“, so habe ich einmal gelesen. Da ist was dran.

Die Krankheit von Martin, die Pflege, die seine Frau Gitte so lange ausgelaugt hat. Beides erschien „ewig“. Es schien, als würden sie jeden Tag zwar mit weniger Energie beginnen, aber ein Ende? Ein Ende war einfach nicht abzusehen. Ich hatte den Eindruck, dass das alles für immer so weitergehen würde. Dass beide immer weniger wurden, konnte man sehen. Und doch ging es Tag für Tag weiter…
Und dann sagt man schließlich, was wahr ist: Es war eine Erlösung. Für Martin. Und so auch für Gitte.

Der Gedanke ist nicht neu. Schon auf den ersten Seiten der Bibel bestimmt Gott, so wird da erzählt, die körperlichen Grenzen des Menschen. Mit maximal 120 Jahren soll Schluss sein*. Novembergedanken. Tröstlich. Kein weiteres Leiden mehr, kein „ewig“, jedenfalls nicht in diesem Körper.

Ewigkeitscharakter schien auch die eigentümliche Beziehung von Frank und Beate zu haben. Doch dann haben sie sich getrennt. Zwei Jahre ist das jetzt her. Ich wusste nicht so recht, ob ich mich freuen oder schreien soll. Alles hört auf. Alles vergeht. Ich leide daran und doch konnte ich sehen, dass sie einander nicht guttun, dass sie keinen Weg herausfinden aus der Spirale von Verachtung und Enttäuschung. Es schien, als würden sie ewig aufeinander einhacken. Jetzt nicht mehr. Sie haben ein Ende gesetzt. Novembergedanken. Es muss nicht schlecht sein. Sie haben gemerkt: Die Gefechte haben aufgehört. Die Liebe eigentlich nicht. Sie ist anders geworden. Die beiden sind Freunde geworden. Frank scherzt mit mir: „Du zitierst doch immer die Bibel, dass alles aufhört, nur Glaube, Hoffnung und Liebe nicht.“

Novembergedanken. Alles hat seine Zeit. Begrenzte Zeit. Solche Gedanken können auch tröstlich sein. „Das Gute am Gewitter ist, dass es irgendwann aufhört.“ Wenn man mittendrin ist, scheint es „ewig“. Das ist es nicht. Und das ist gut so.

*Genesis/1.Mose 6,3

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

21NOV2024
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Viele leben christliche Werte in ihrem Alltag, auch wenn sie nicht in Gottesdienste gehen und die Institution Kirche kritisch sehen. Vielleicht gehören Sie dazu.

Fragt man weiter nach, welches denn christliche Werte sind, dann kommen Werte wie Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft und: dass man nicht nur egoistisch auf den eigenen Vorteil sieht. Wie gut! Das ist so viel wert!

Ich wünschte mir, dass alle, die diese Ehrlichkeit leben, keine Falschmeldungen und Verleumdungen im Netz posten, dass nichts, was sie nicht auf Wahrheit überprüft haben, von ihnen per Whatsapp geteilt wird. Ich wünsche mir, dass sie in der Nachbarschaft den Gerüchten entgegentreten und nicht mitmachen, wenn über Menschen geurteilt wird, die man gar nicht kennt.

Ich wünschte mir, dass wir die Hilfsbereitschaft nicht nur im engen Kreis der Familie und in der nächsten Nachbarschaft leben, sondern einfach gegenüber denen, die Hilfe brauchen. Wir können so viel mehr Wärme und Herzlichkeit und selbstverständliche Unterstützung leben!

Ja, und ich wünsche mir von allen, die für sich als Wert in Anspruch nehmen, dass sie nicht egoistisch ihr eigenes Ding machen, dass sie das auch dann beherzigen, wenn es darum geht, Menschen aus anderen Ländern bei uns aufzunehmen und sie hineinzunehmen. Integration bedeutet nichts anderes als zu sagen: Hier ist noch Platz. Wir sind so eine große Menge von Menschen, die diese Werte leben! Wenn wir ein bisschen mehr zusammenrücken, wenn wir einander Anteil geben an unseren Werten, dann gelingt das.

Ein spezieller Wert des christlichen Glaubens fehlt mir persönlich ja in der Aufzählung:  Die Vergebung. Vergebung wird fast nie genannt, wenn die christlichen Werte aufgezählt werden. Sie macht aber den Unterschied zu fast allen anderen Wertesystemen. Ich kann das gar nicht – immer nach den christlichen Werten leben. Ich habe zum Beispiel manchmal einfach keine Lust, zu helfen! Ich weiß, dass das nicht gut ist und inkonsequent ist es auch noch. Und trotzdem…

Ich brauche Vergebung. Ohne Vergebung, ohne Gnade und Begnadigung, werden die christlichen Werte zum moralischen Zwang ohne Erlösung.

Das wollte ich Ihnen heute gern sagen. Es ist toll, wenn Sie die christlichen Werte leben. Auch außerhalb der Kirche. Und: Es gibt einen Wert, den brauchen wir alle: Vergebung. Den findet man in der Kirche häufiger als außerhalb.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20NOV2024
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Glauben Sie an einen persönlichen Gott? Ein Freund hat mir geschrieben, dass er das schon lange nicht mehr kann. Ein Gott, der das Weltgeschehen lenkt und die Welt sogar geschaffen hat, ist ihm immer fremder geworden. Schon allein, weil dieser Gott immer „der“ Gott ist. Männlich. Warum? Kann man an so einen Gott glauben?

Ja, man kann! Und ich bin versucht, ihm den halben Katechismus in eigenen Worten zu schreiben.

Aber das würde wohl nicht viel helfen. Denn da ist ein tiefer Zweifel entstanden an der Weltsicht der Kirche, in der er aufgewachsen ist. Und wenn ich nicht im Affekt antworte, sondern hinhöre, dann merke ich: Es geht ihm darum, dass es so viel Leid und Ungerechtigkeit in der Welt gibt. Wie kann „der Gott“ das zulassen?
Heute ist mein Freund viel näher am Buddhismus als am christlichen Glauben. Weil ich das ernst nehme, nehme ich ihn mit auf meine spirituelle Reise und erzähle ihm von meiner Erfahrung. Warum? Genau deshalb, weil ich an diesen persönlichen Gott glaube!

Gott zeigt sich, das ist meine Erfahrung. Nach Jahren, in denen ich alles, was ich an christlicher Lehre mitbekommen hatte, in Frage gestellt hatte, nach Jahren habe ich erlebt, dass Gott sich selbst zeigt. Er meldet sich zu Wort! In meiner größten Verlorenheit und Einsamkeit, hat er sich mir persönlich vorgestellt. Ausgerechnet mit all seiner mütterlichen, liebevollen, weichen, ins Leben bringenden Kraft ist er mir begegnet. Es war wie eine Neugeburt. „Die Gott“ hat sich gezeigt. In meinem Leben. Sehr persönlich.

Ja, das kann ich meinem Freund erzählen. Aber das ist nicht seine Erfahrung. Er wird, das ist meine Hoffnung, seine eigene Erfahrung machen. Ich weiß mich da in einer Linie mit Jesus. Der fragte einmal in die Runde der Menschen, die immer an seiner Seite waren, was die Leute so von ihm denken. „Ein faszinierender Lehrer“, sagt einer. „Manche sagen: ein Prophet.“, weiß ein anderer. Und Jesus fragt dann: „Was denkt ihr denn, wer ich bin?“ Und aus Petrus platzt es förmlich heraus: „Du bist der, den Gott geschickt hat, Gottes Sohn!“ – Wo hat er das her? Woher weiß Petrus das? Jesus sagt zu ihm: „Was für ein Glück für dich! Diese Einsicht hast nicht von einem anderen Menschen! Nein, Gott, mein Vater, der über allem thront, hat dir diese Einsicht geschenkt!“*

So geht Glaube an den persönlichen Gott. Gott zeigt sich selbst. Er wird einem nicht eingeredet. Wer ihn sucht, dem zeigt er sich, dieser persönliche Gott. Dann kann man wie ich, nicht nur an seine Existenz glauben, sondern ihm - persönlich - vertrauen.

*Matthäus 16,17

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19NOV2024
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Waren Sie in letzter Zeit auf einer Trauerfeier? Durch meinen Beruf bin ich bei vielen Beerdigungen und ich erlebe dabei etwas von dem, was die Bibel für das Zusammenleben von Menschen empfiehlt: „Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Trauernden!“*. Wie gut, dass es Verwandte, Freunde und Nachbarn, Kolleginnen und Wegbegleiterinnen gibt, die sich die Zeit nehmen, um den Verstorbenen noch einmal Respekt zu erweisen und die Angehörigen zu stärken.

Solche Nähe zu zeigen, oft ohne viele Worte, das ist etwas ganz und gar Wertvolles. Man kommt nicht als Zuschauer, sondern als Teilnehmer. Eigentlich sogar als An-teilnehmer. Und ich wünschte mir, dass viel mehr Menschen bei Trauerfeiern mit diesem Selbstbewusstsein dabei sind.

Eine Frau fällt mir ein, die mich in diesem Sinn sehr beeindruckt hat:
Sie kam zur Trauerfeier, da war die kleine Halle schon ziemlich voll. Einzelne standen schon hinten an der Wand. Aber vorn, direkt hinter der Familie war eine ganze Bankreihe leer! Niemand wollte sich dorthin setzen, obwohl deutlich war, dass da keine Plätze reserviert waren.
Die Frau ging nach vorn und setzte sich in diese zweite Reihe, direkt hinter die Witwe und den Sohn. Später sagte sie mir: „Wir waren doch alle da, um der Familie den Rücken zu stärken! Und genau in ihrem Rücken saß überhaupt niemand!“

Sie setzte sich also und sie begrüßte die Familie nicht, anders als andere, die die Witwe und den Sohn sofort überfallen hatten, mit all ihren eigenen Gedanken und ihrem Leid. Sie setzte sich und war einfach da. Teilnehmerin mit einem Ziel: Die Angehörigen sollten spüren, dass der Verstorbene wichtig ist und dass sie nicht allein sind.

Später, am Grab, fiel sie mir noch einmal auf. Das ist immer eine schwierige Situation für die, die nicht so nah dran sind. Was sagt man da? - Diese Frau hat ganz kurz etwas über den Verstorbenen gesagt.
Sie hat gesagt, dass sie mit ihm einige Jahre zusammengearbeitet hat. Er hat sie beeindruckt, weil er freundlich und hilfsbereit war. Blitzschnell im Kopfrechnen sei er außerdem gewesen. Und: Er hat so liebevoll von seiner Frau und seinem Sohn gesprochen. Deshalb sei sie heute gekommen, um ihnen das zu sagen.

Mit dem Selbstbewusstsein, nicht nur Zuschauerin, sondern Teilnehmerin und Anteilnehmerin zu sein, hat sie mehr getan, als Kraft zu wünschen. Sie hat Kraft gegeben.

*Römer 12,15

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18NOV2024
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Glaube und Zweifel sind keine Gegensätze. Der Zweifel gehört zum Glauben dazu. So untrennbar, dass Gott persönlich meine Fragen und meine Zweifel in ein Buch hineinschreibt. Sie sollen nicht vergessen sein. Das habe ich mir nicht ausgedacht. Das steht so in der Bibel*. Und seit ich das gelesen habe, ist es eins meiner liebsten Bilder dort.

Das Bild stammt aus dem kleinen Büchlein des Propheten Maleachi. Gott schreibt meine Zweifel auf! Und das macht er bei allen so, die eigentlich an Gott glauben und versuchen, so zu leben, wie Gott das will. Aber sie sehen, dass die, die auf Gerechtigkeit pfeifen, viel weiter zu kommen scheinen als sie. Und da kommt der Zweifel: Wie kann Gott das zulassen, dass jemand, der im großen Stil anderen hilft, den Staat zu betrügen, dennoch eine große Nummer in der Politik wird? Wie kann das sein, dass Despoten in so vielen Staaten der Welt das Sagen haben? Ganz zu schweigen von denen in der eigenen Firma… Sind es am Ende nicht immer die rücksichtslosen Egoisten, die gewinnen? Ist nicht der Ehrliche der Dumme, der, der sich an die Anleitung zum Leben hält, die Gott in den 10 Geboten gegeben hat?

Immer wieder spreche ich mit anderen über solche Zweifel. Und all das, was ich da rede, was meine Zweifel sind, was meine Gedanken sind, was mich umtreibt, das alles schreibt Gott in ein Buch. Warum? Weil ihm mein Zweifel wertvoll ist.

Eines Tages, so schreibt der Prophet Maleachi weiter, eines Tages wird Gott das Buch wieder hervorholen. Die Menschen, deren Worte Gott in sein Buch geschrieben hat, werden erfahren, warum es nicht dumm war, ehrlich zu sein.

Manchmal ahne ich etwas davon, wenn ich sehe, dass die rücksichtslosen Egoisten nicht glücklich, sondern einsam werden. Im Moment kenne ich die Antworten auf meine Fragen natürlich noch nicht. Aber ich fühle mich von dem Bild bestärkt: Gott schreibt das auf, was mich quält, er hält es für wertvoll.
Ist es so wertvoll, weil Gott es genauso sieht wie ich, aber mehr im Blick hat als ich es je haben kann? Ist es so wertvoll, weil Gott auf der Seite der Ehrlichen ist? Auf der Seite derer, die leiden, auf der Seite von denen, denen Gerechtigkeit wichtig ist? - Da könnte etwas dran sein.

Und so versuche ich weiter, mich an die guten Gebote Gottes zu halten und einfach Mitmensch zu sein – mit allen Zweifeln. Die sind wertvoll. Und letztlich kann nur Zweifel haben, wer glaubt. Glauben heißt darauf vertrauen, dass Gott sich mit seiner Güte durchsetzen wird. Wird er? Mein Zweifel ist ihm wertvoll.

* Maleachi 3,16

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SWR4 Abendgedanken

19APR2024
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Ich kann mich ja richtig ärgern, wenn wieder jemand von „Fake-News“ anfängt. Überall gibt es sie jetzt, diese „Fake-News“. In der Politik sowieso, am Stammtisch und im Verein und immer und immer wieder in den sogenannten sozialen Medien. Das Gegenteil davon ist ganz einfach Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Verlässlichkeit. Warum sagen wir also nicht auf Deutsch, was wir meinen? Wir meinen, dass jemand nicht ehrlich ist, sondern lügt. Wir meinen, dass jemand nicht wahrhaftig ist, sondern verschlagen. Wir meinen, dass jemand nicht verlässlich ist, sondern Gerüchte verbreitet und ein Schwätzer ist.

Wenn ich Menschen frage, was für ihre Eltern in der Erziehung das Wichtigste war, dann sagen fast alle: Ehrlichkeit. Das kommt an erster oder zweiter Stelle: die Ehrlichkeit. Es gibt so gut wie keine Ausnahmen. Ehrlichkeit steht ganz oben.

„Euer Ja soll ein Ja sein. Und euer Nein ein Nein“, das hat schon Jesus so gesagt und das ist ein in unserer Gesellschaft tief verwurzelter christlicher Wert: ehrlich, wahrhaftig, klar und verlässlich soll das sein, was wir sagen und – wegen mir – auch „posten“.

Warum machen wir es dann anders? Oder vielleicht frage ich besser erst einmal mich selbst? Mache ich es denn so, wie es mir die Elterngeneration beigebracht hat? Mache ich es so, wie mein Glaube es mich lehrt? Bevor ich rede und womöglich etwas weitererzähle, weiß ich, dass das auch der Wahrheit entspricht?

Ich weiß doch ganz genau, dass „das Internet“ eine Lügnerin sein kann, eine Schwatzbase, die Gerüchte verbreitet. Ich weiß doch, dass Facebook ein Verführer sein kann, der versucht, mich zu manipulieren mit halben Wahrheiten und gefälschten Bildern. Ich weiß doch, dass nicht alles, was mir per WhatsApp geschickt wird, real ist.

Ehrlichkeit soll für mich ein hoher Wert sein. Ganz weit oben. Ich will keine Lügen verbreiten. Ich will keine Unwahrheiten verbreiten, schon gar nicht über andere Menschen, ob sie meine Nachbarn sind, Politiker oder andere Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Egal. Es gibt niemanden, über den ich Gerüchte verbreiten will. Fake-News? Sind mir auch egal.

Mir geht es um Ehrlichkeit. „Euer Ja soll ein Ja sein. Und euer Nein ein Nein.“ – So habe ich das mal gelernt. So soll es sein.

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