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Jeder will den besten Platz. Das war schon bei den Jüngern Jesu nicht anders. So bitten Jakobus und Johannes, Jünger der ersten Stunde, Jesus um einen besonders guten Platz im Himmel. Sie wollen direkt rechts und links neben ihm sitzen. Also wenn man so will in der Königsloge. Diese Bitte der beiden nutzt Jesus, um mal was Grundsätzliches loszuwerden. Originalton Jesus: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. (Mk 10,42-44). Das hat gesessen. Ich stelle mir vor, dass sich nach dieser Antwort Jesu Jakobus und Johannes ganz kleinlaut in eine Ecke verkrümelt haben. Und das hat nicht nur damals gesessen, das sitzt auch heute noch. Als Anspruch an uns, die wir heute Kirche sein wollen. Ich habe den Eindruck, wir sind da heute nicht viel weiter als Jakobus und Johannes damals. Jeder will den besten Platz, da geht es in der Kirche nicht viel anders zu als sonst in der Welt. Und so gibt es auch in der Kirche Machtkämpfe, Eifersüchteleien, Falschheit, Eitelkeit, Betrug und Verleumdung.
Ich ärgere mich darüber, dass wir dem Anspruch Jesu immer hinterherhinken. Aber – wenn ich ganz ehrlich bin – auch ich sitze gerne in der ersten Reihe. Es ist leicht sich über den anderen zu erheben, aber das „Bei Euch soll es nicht so sein“, gilt immer auch mir selbst. Die Kirche ist kein Club der Superheiligen, sondern eine Gemeinschaft von ganz normalen Menschen mit Fehlern und Schwächen. Auf der einen Seite bedauere ich das, aber auf der anderen Seite bin ich auch ein bisschen froh darüber, denn dann kann auch ich – so wie ich bin - bei Kirche mitmachen.
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„Fürchte Gott, tue recht und scheue niemand“. Bei einer Fahrradtour durch Franken habe ich diesen Spruch auf der Wand eines alten Fachwerkhauses gelesen. Darunter die Jahreszahl 1624.
„Fürchte Gott“, ich gebe zu mit diesem Satz habe ich lange Zeit große Schwierigkeiten gehabt. Vor Gott muss ich mich doch nicht fürchten. Er ist doch – wie Jesus ihn beschreibt - der gute Vater im Himmel. Ja, fürchten im Sinne von Angst haben, das muss nicht sein. Aber Fürchten im Sinne von Ehrfurcht haben und Achtung entgegenbringen, das ist sehr wohl angebracht. Wenn ich Gott achte und ehre, dann erkenne ich an, dass es da jemanden gibt, der größer ist als ich. Das schützt mich vor Größenwahn und Selbstverliebtheit.
Aus dieser Gottesfurcht folgt wie von selbst die zweite Aufforderung des Hausspruches: „Tue recht!“ Zumindest wenn ich mich an dem Gottesbild Jesu Christi orientiere. Denn hier sind Gottes- und Nächstenliebe untrennbar miteinander verbunden. Und zwar tätige Nächstenliebe, konkret heißt das: Tue recht, sorge dafür, dass die Güter dieser Erde so geteilt werden, dass alle satt werden.
Die dritte Aussage „scheue niemand“ ergibt sich auch aus „fürchte Gott“. Denn wer Gott fürchtet, wer Gott als die oberste Autorität anerkennt, der braucht sich keinem Menschen zu unterwerfen.
„Fürchte Gott, tue recht und scheue niemand.“ Die Sätze klingen vielleicht etwas altertümlich, aber sie sind einfach und geben Orientierung. Vor 400 Jahren, als der Dreißigjährige Krieg in Deutschland tobte, genauso wie heute.
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„Schaut nicht hinauf, der Herr ist hier bei uns.“ So heißt ein Kirchenlied, das ich als Jugendlicher häufig und auch gerne gesungen habe. Der Text bezieht sich auf das morgige Fest Christi Himmelfahrt. Die Geschichte dazu: Es ist nach Ostern. Jesus ist als der, der auferstanden ist, bei seinen Jüngern. Er verspricht ihnen, den Heiligen Geist zu schicken. Und dann passiert es: Eine Wolke umhüllt ihn – so heißt es wörtlich – und entzieht ihn den Blicken der Jünger. Die schauen hinterher Richtung Himmel und gucken dabei wohl ein bisschen dumm aus der Wäsche. Zwei Männer in weißen Gewändern, also vielleicht so was wie Engel, treten auf und sagen zu den Jüngern: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von Euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.“
„Schaut nicht hinauf, der Herr ist hier bei uns.“ Haben wir als Jugendliche daraus gemacht. Nicht in den Himmel klotzen und Jesus hinterher weinen, sondern hier auf der Erde anpacken und die Ideen Jesu umsetzen. Im Prinzip sehe ich das heute als älterer Christ immer noch so. Mit dem Kopf im Himmel, aber mit beiden Beinen auf der Erde, so sollten wir als Christen leben. Im Kopf und auch im Herzen die Ideen Jesu und mit den Händen und den Füßen daran arbeiten, dass sie Wirklichkeit werden. Nur weiß ich heute, dass das leider oft nicht gelingt. Nicht nur den andern nicht, sondern auch mir selbst nicht. Meine Bilanz diesbezüglich finde ich eher bescheiden. Und deshalb bin ich da heute vorsichtiger mit der Aussage: „Der Herr ist hier bei uns, der Kirche.“ Vielleicht ist er ja wo ganz anders, da wo ich ihn am wenigsten vermute. Aber egal, wo er ist. Auf alle Fälle gilt: Nur zum Himmel raufklotzen und fromm dastehen, das genügt nicht.
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Die Kirche ist keine Partei. Politiker und auch Politikerinnen betonen diesen Satz immer dann, wenn die Kirche mal wieder eine Stellungnahme abgibt, die ihnen nicht passt.
„Die Kirche ist keine Partei“, das stimmt, aber sie ist parteiisch. Immer wenn es um Gerechtigkeit, Frieden und die gute Schöpfung Gottes geht, hat die Kirche auf der Seite der Opfer zu stehen, ohne Wenn und Aber. Denn das steht – um in der Sprache der Parteien zu sprechen – in ihrem Grundsatzprogramm, der Bibel. Und das nicht erst seit einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten, sondern seit Jahrtausenden. Schon die Propheten des Alten Testamentes hauen ganz schön auf den Putz, wenn im Lande die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Und Jesus stellt sich da ganz in die Reihe dieser Propheten. Wenn es um die Ungerechtigkeit geht, dass die einen hungern und die andern in Saus und Braus leben, versteht er keinen Spaß. Und das gilt auch wenn diese Hungernden Flüchtlinge sind. Für ihn sind auch sie Geschöpfe Gottes so wie jeder deutsche Wohlstandsbürger auch. Ich weiß, mit dieser Haltung kann man in Deutschland zurzeit keine Wahlen mehr gewinnen. Aber die Kirche ist – Gott sei Dank – keine politische Partei. Sie lebt nicht davon, Wahlen zu gewinnen.
Kein Wunder, werden sie vielleicht denken, dass der Kirche die Leute weglaufen. Mit dieser altmodischen Botschaft, dass Geben seliger ist als Nehmen, dass Teilen wichtiger ist als sich die eigenen Taschen vollzustopfen, ist eben kein Blumentopf mehr zu gewinnen.
Für Deutschland und die so genannte westliche Welt scheint das zu stimmen, weltweit aber ist diese Botschaft weiterhin attraktiv und kann Menschen begeistern. In Deutschland wird die Kirche immer kleiner - schade. Aber weltweit ist sie immer noch am Wachsen – gut so.
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„Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen.“ Ein berühmter Satz, Bismarck soll ihn gesagt haben und auch Helmut Schmidt wird er zugesprochen. Dabei ist die Bergpredigt wohl die berühmteste Rede Jesu. „Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig, die keine Gewalt anwenden, sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden.“ Die Welt, in der wir leben, tickt ganz anders. Wer dreist lügt, gewinnt Wahlen. Wer Panzer rollen lässt, ist ein Held. Wer nationale Gefühle befriedigt, darf die Demokratie abschaffen. Das ist vielerorts die politische Realität.
Aber diese Realität macht mich zornig und wütend. Ich kann und will mich nicht mit ihr abfinden. Und ich ärgere mich darüber, wenn mich andere deshalb einen naiven Gutmenschen nennen. Denn was bitteschön sind die Alternativen? Mitmachen? So gut es geht auf Wahrheit und Gerechtigkeit pfeifen und nur den eigenen Profit, den eigenen Vorteil suchen?
„Politik ist die Kunst des Möglichen“, das soll der alte Bismarck auch einmal gesagt haben. Für mich bedeutet das, sich nicht einfach mit dem abzufinden, was ist. Sondern zu versuchen, die Welt zu verändern. Alle Kunst darauf anzuwenden, so viel Gerechtigkeit und Frieden wie möglich zu verwirklichen. Und für dieses Ziel ist es gut, einen Text wie die Bergpredigt in der Hand zu haben. In einer Zeit, in der schamlos auf Kosten der Armen Politik gemacht wird, brauchen wir Sätze wie: Selig, diehungern und dürsten nach Gerechtigkeit. In einer Zeit, in der die Hassparolen auf den Straßen immer lauter und die Hetze im Internet immer unverschämter werden, brauchen wir Sätze wie: Selig, die Frieden stiften. In einer Zeit, in der die Wirtschaftlichkeit über der Menschlichkeit steht, brauchen wir einen Satz wie: Selig, die Barmherzigen. Ich bin froh um jeden Politiker, der sein Tun und auch sein Lassen an den Sätzen der Bergpredigt ausrichtet.
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„Ich bin vergnügt, erlöst, befreit, Gott nahm in seine Hände meine Zeit …
Was macht, dass ich so furchtlos bin an vielen dunklen Tagen?
Es kommt ein Geist in meinen Sinn, will mich durchs Leben tragen“*
Ich liebe diese Zeilen, sprechen sie doch von einem großen Gottvertrauen. Sie stammen von Hanns Dieter Hüsch, dem Poeten unter den Kabarettisten.
„Ich bin vergnügt, erlöst, befreit, Gott nahm in seine Hände meine Zeit.“ Auch wenn ich diesen Satz liebe, so muss ich doch zugeben, dass ich ihn nicht immer und zu jeder Zeit voll unterschreiben kann. Oft plagen mich Zweifel, ob er denn wirklich „meine Zeit in seinen Händen hält“. Dann wird aus freudiger Zuversicht eher ein banges Hoffen, von dem am Ende manchmal nur eine große Sehnsucht übrigbleibt. Aber die gebe ich nicht auf.
Der Satz stammt aus einem Gedicht von Hüsch, dem er den Titel „Psalm“ gegeben hat. Die Psalmen sind eine Sammlung von Gebeten, die die Menschen zu ganz unterschiedlichen geschichtlichen und persönlichen Situationen gebetet haben. Es gibt Psalmen der Zuversicht und der Nähe zu Gott. „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. “ (Ps 23) Auch jubiliert und gelobt wird in den Psalmen: „Lobe den Herrn meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen.“ (Ps 103). Aber auch der Zweifel und die Gottesferne kommen vor: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Ps 22)
Die Psalmen sagen mir, dass es ein Auf und Ab im Glauben gibt. Und meine Erfahrung lehrt mich: Aus meiner Sehnsucht kann auch wieder Hoffnung und Zuversicht werden. Und das lässt mich dann mit Hüsch sagen:
„Ich bin vergnügt, erlöst, befreit, Gott nahm in seine Hände meine Zeit …
Was macht, dass ich so furchtlos bin an vielen dunklen Tagen?
Es kommt ein Geist in meinen Sinn, will mich durchs Leben tragen“*
* Psalm. in: Hanns Dieter Hüsch. Das Schwere leicht gesagt. Herder 1994, S.45
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„Es ist dem Menschen beigegeben ein kleines Stück von einem großen Leben, ob Bettler oder hohes Tier, von einer Handvoll Erde sind wir alle hier.“ Mit diesen Versen beginnt Hanns Dieter Hüsch, der Poet unter den deutschen Kabarettisten, eines seiner Gedichte. Der Mensch ist ein Teil von etwas ganz Großem. Hüsch bezieht sich hier auf die Erzählung von der Erschaffung des Menschen in der Bibel.
Da gibt es ja zwei Geschichten. Zum einen die, in der Gott die Welt in sieben Tagen erschafft. Das ist natürlich nur ein Bild, eine Erzählung. Sie macht deutlich, dass die Erde sich entwickelt hat und der Mensch relativ spät in dieser Entwicklung entstanden ist. Und die zweite Geschichte, auf die sich Hüsch hier bezieht, ist die, in der Gott den Menschen aus einem Klumpen Erde formt wie ein Künstler eine Figur schafft. Und zum Schluss haucht Gott diese Figur an, und damit wird der Mensch lebendig. Natürlich ist dies auch wieder nur ein Bild, ein Bild dafür, dass in jedem Menschen der Atem, der Geist Gottes steckt. „Es ist dem Menschen beigegeben ein kleines Stück von einem großen Leben.“ Ich gebe zu, bei einigen Mitmenschen fällt es mir schwer, diesen Funken Göttlichkeit in ihnen zu entdecken. Aber ich weiß, auch bei mir ist dieser Funke oft nicht spürbar. Im nächsten Vers zieht Hüsch eine wichtige Konsequenz aus diesem Schöpfungsglauben: „Ob Bettler oder hohes Tier, von einer Handvoll Erde sind wir alle hier.“ Eindrücklicher kann man den Satz: „Alle Menschen sind gleich, alle haben die gleichen Rechte und Pflichten“ nicht ins Bild setzen. Keiner darf sich über den anderen erheben, auch kein Volk darf sich über ein anderes erheben.
Bald sind Wahlen, der Kampf um unsere Stimmen hat ja bereits begonnen. Ich habe mir vorgenommen dies zu meinem Wahlprüfstein zu machen: Wer sich über den andern erhebt, den andern herabwürdigt und beleidigt, wird meine Stimme nicht bekommen.
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„Gesegnete Weihnachten und ein gutes neues Jahr“, das war auf so einigen Weihnachtskarten der vergangenen Wochen zu lesen. Bei Weihnachten, einem immer noch irgendwie christlichen Fest, da bedient man sich schon mal des frommen Wortes „gesegnet“. Bei dem profanen Ereignis des Jahreswechsels bleibt man lieber etwas nüchterner und wünscht sich ganz einfach nur ein „gutes“ neues Jahr. Dabei liegen segnen und Gutes wünschen ganz nahe beieinander. Das lateinische Wort für gesegnet -„benedictus“ - bedeutet übersetzt nichts anderes als „dem wird Gutes zugesagt“.
Aber trotzdem ist ein Segen mehr als nur ein guter Wunsch. Denn segnen bleibt nicht im zwischenmenschlichen Bereich, sondern segnen bringt Gott mit ins Spiel.
Wenn ich segne, stelle ich eine Beziehung her zwischen dem, was ich segne, und Gott. Segne ich ein Brot, so ist es für mich nicht nur ein Nahrungsmittel, sondern eine von Gott geschenkte Gabe. Segne ich ein Tier, so sehe ich darin einen Teil der guten Schöpfung Gottes. Und segne ich ein Kind, sage ich ihm, du bist ein von Gott geliebter Mensch. Segnen lässt mich das, was mich umgibt mit Respekt und Ehrfurcht betrachten. Segnen heiligt den Alltag. Und so möchte ich uns mit einem Segenswort von Hanns Dieter Hüsch, dessen 100. Geburtstag wir dieses Jahr feiern werden, ein gesegnetes Jahr 2025 wünschen. Das hat ja auch gerade erst begonnen.
Gott der Herr möge unser Glück und unser Leid
Unsere Trauer und unsere Freude
Mit seiner grenzenlosen Güte begleiten…
Uns ein großes Gefühl dafür geben
Dass einer des anderen Last mittrage
Und nachsichtig möge er mit uns sein
Wenn alles nicht von heute auf morgen geschehen kann
Weil
Wir sind seine Kinder von ganzem Herzen
Aber oft noch von halbem Verstand*
* Michael Blum und Hanns Dieter Hüsch: Das kleine Buch vom Segen. Düsseldorf. 4. Auflage 2000, S. 28
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Armutsflüchtling mit fünf Buchstaben: Jakob. Ja genau der, der in der Bibel so eine große Rolle spielt. Erzvater Jakob. Als junger Mann hat er sicherlich nicht gedacht, im Alter einmal Hunger erleiden zu müssen, denn seine Familie war durchaus vermögend. Gut situiert war der Jakob, aber auch streitbar. Er hat sich mit allen angelegt, am liebsten mit den eigenen Verwandten. Seinen Zwillingsbruder Esau hat er mit Hilfe seiner Mutter Rebekka um dessen Erbe betrogen. Auch er selbst wurde betrogen, von seinem Schwiegervater Laban. Und zwischen all seinen Fehden hatte er auch noch Zeit, sich immer wieder mit Gott anzulegen. Er hat mit Gott gerungen bis der ihn segnete. Er träumte von einer Himmelsleiter zwischen ihm und Gott. Fromm war er schon dieser Jakob, aber auch ein Schlitzohr. Zwölf Söhne hatte er. Und ausgerechnet Josef, der Sohn von seiner Lieblingsfrau Rachel, ist irgendwann unter mysteriösen Umständen verschwunden. Was er nicht wusste: Die anderen Söhne hatten ihn als Sklaven nach Ägypten verkauft. Einfach weil sie es nicht mehr aushalten konnten, wie der Vater den Josef bevorzugte.
Und am Ende seines wahrlich aufreibenden Lebens, als alter Mann, musste er sich noch mal auf den Weg machen. In seinem Land war eine Hungersnot ausgebrochen. Und so ist er mit seiner großen Familie nach Ägypten gezogen. Denn Ägypten war reich, da gab es genug zu essen und zu trinken. Für ihn gab es dort auch noch ein besonderes Happy End: Sein tot geglaubter Sohn Josef lebte und hatte in Ägypten Karriere gemacht. Und mit Josef als Fürsprecher konnten er und seine Familie dann in Ägypten bleiben. Sie haben Land bekommen und hatten ihr Auskommen.
Eine alte Geschichte. Sie macht mir deutlich: Menschen, die hungern, gehen schon immer dorthin, wo es was zu essen gibt. Das ist normal und auch verständlich. Dagegen helfen keine Zäune. Das Einzige, was hilft: Dafür sorgen, dass die Menschen in ihrer Heimat genug zu essen haben.
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Es ist heiß, es stinkt und die Ampel ist rot. Ich stehe mit meinem Fahrrad in einer Schlange und muss warten. Es ist einer dieser heißen Tage Anfang September. Die Sonne brennt mir auf meinen Fahrradhelm. Der unangenehme Geruch kommt von einem Teerkocher, denn es gibt mal wieder eine Baustelle, daher auch die lange Rotphase. Und ausgerechnet ich stehe mit meinem Fahrrad in diesen Rauchschwaden vom frisch gekochten Teer. Kann in der Schlange nicht vorwärts und nicht rückwärts, muss das einfach aushalten.
Die Baustelle ist nicht besonders groß, es wird ein neuer Fahrradweg angelegt, von daher kommen keine riesigen Maschinen zum Einsatz, sondern ganz altmodisch ein Teerkocher und Schubkarren. Insgesamt fünf Leute sind da am Arbeiten. Einer steht am Teerkocher und befüllt die Schubkarren. Die vier anderen schieben diese mit heißem Teer gefüllten Schubkarren etwa 20 Meter leicht den Berg hinauf. Denn der neue Fahrradweg liegt an einer Brückenabfahrt. Ganz schön schwere Arbeit und das in brüllender Hitze und dichten Rauchschwaden. Stundenlang müssen die Männer das machen, ich stehe nur drei Minuten in der Schlange und kann dann wieder los radeln und den frischen Fahrtwind genießen. In den drei Minuten beobachte ich die Männer und höre die kurzen Sätze, mit denen sie sich verständigen. Verstehen kann ich diese Sätze nicht. Denn sie sprechen kein Deutsch, auch kein Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch, das würde ich erkennen.
Klar, es sind Menschen mit Migrationshintergrund, wie das immer so schön heißt. Ob sie schon länger hier sind oder erst sehr kurz, weiß ich nicht. Ob sie gar die deutsche Staatsbürgerschaft haben oder nur geduldet sind, weiß ich auch nicht. Was ich aber weiß, ohne sie würde der neue Radweg nie fertig. Auch sonst würde nicht mehr viel gebaut in Deutschland. Und was für die Bauwirtschaft gilt, gilt genauso für das die Altenpflege und das Gesundheitswesen, die Gastronomie, den öffentlichen Nahverkehr und vieles andere mehr. Auf gut Deutsch: Wir würden ganz schön blöd dastehen ohne unsere Migranten.
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