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Ich bin kein abergläubiger Mensch. Ich glaube nicht, dass meine Schritte und Gedanken haarklein von einer höheren Macht gelenkt werden. Ich halte aber auch nichts vom Zufall; als ob alles, was geschieht, beliebig wäre, und ich ein Spielball höherer Mächte, die sich nicht für mich interessieren. Irgendwo dazwischen bewegt sich mein Glauben. Zwischen Zufall und Fügung.
Ich rufe eine Freundin an, weil ich direkt davor etwas im Radio gehört habe. Es hat mich an ihren verstorbenen Mann erinnert, den ich einst beerdigt habe. Und sie sagt, dass sie im Moment begonnen hatte, eine E-Mail an mich zu schreiben. Gedankenübertragung. So was passiert mir immer wieder. Als ob es eine innere Verbindung zwischen anderen und mir gäbe, so eine Art unsichtbare Schnur, deren Berührung etwas in mir auslöst und im anderen auch, sobald einer daran zieht.
Noch einmal: Für mich ist das keine Zauberei. Ich kann das auch nicht bewusst herbeiführen. Es passiert einfach hin und wieder. Dann aber löst es ein unheimlich schönes Gefühl aus, wenn ich spüre, dass ich mit einer Freundin, einem anderen Menschen verbunden bin. Es tut mir gut zu wissen, dass da etwas ist, dass mich eng mit Menschen verbindet, die mir wichtig sind. Und dass das hält, auch wenn wir uns lange nicht gesehen haben oder Hunderte von Kilometern voneinander entfernt leben.
Mir sind diese Verbindungen heilig. Weil sie über das hinausgehen, was wir in der Hand haben. Wir können nichts dafür oder dagegen tun. Es passiert einfach. Und ich glaube, dass ich dabei auch Gott nahe komme. Als ob er in dieser unsichtbaren Verbindung drin steckt. Nur bemerke ich das meistens nicht, weil Gott in dem Getue und Gemache meines Lebens allzu oft untergeht.
Ruhe hilft mir, diese zarten Verbindungen mit anderen überhaupt zu bemerken, Schweigen, Alleinsein; wenn es mir dann doch gelingt, es mit mir auszuhalten, mich nicht abzulenken. Ein Spaziergang hilft mir, am besten nachts, am Waldrand. Eine Tasse Tee im Sessel und die Gedanken schweifen lassen, Erinnerungen hervorholen, Bilder, Gesichter. Und manchmal, ohne dass ich damit rechne, spüre ich für ein paar Augenblicke jenes besonders starke Band zwischen einem anderen und mir. Das ist dann pures Glück.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41167Ich bin mit dem Bus auf dem Weg nach Hause. In meiner Nähe steht ein Rollstuhlfahrer. Ich frage ihn, wo er raus muss, damit ich ihm beim Aussteigen behilflich sein kann. Dann steigt ein junges Pärchen zu uns in den Bus, das sich angeregt unterhält. Als es so weit ist, bitte ich den jungen Mann, dass er dem Rollstuhlfahrer hilft, weil er eben näher dran ist. Er nickt und packt an, ohne zu zögern. Hilft beim Aussteigen und schiebt den Mann mit seinem Rollstuhl gleich noch ein bisschen weiter. Aber plötzlich geht die Tür zu und der Bus fährt los. Ohne den jungen Mann. Ich schaue etwas betreten zu seiner Partnerin und entschuldige mich. Aber sie winkt ab und sagt: „Das macht ihm nichts. Er ist immer so.“
Er ist immer so. Wie: So? So freundlich, so hilfsbereit, so selbstlos, so … christlich? Ich verbiete mir fürs erste, es irgendwie einzuordnen, was der Mann getan hat. Für den Moment bin ich einfach nur tief berührt, wie selbstverständlich er geholfen hat. Es wäre schon viel gewesen, wenn er nur beim Aussteigen geholfen hätte. Denn das hatte ich mir ja vorgenommen und dann doch delegiert. Aber er, er hilft noch viel weiter, spricht mit dem Mann im Rollstuhl und schiebt ihn wahrscheinlich bis zu dem Ort, wo er hinmuss. Wie großzügig das ist, wie selbstlos.
Und seine Freundin sagt: Er ist immer so. Ich finde das außergewöhnlich, alles andere als selbstverständlich. So etwas begegnet mir eher selten. Ich muss gut überlegen, wann ich zuletzt so spontan und so unbedingt hilfsbereit war.
Vermutlich hat der junge Mann nicht aus christlicher Motivation heraus gehandelt. Jedenfalls gab es dafür keine Anzeichen, und auch im Gespräch mit seiner Freundin anschließend hat das keine Rolle gespielt. Es spielt auch jetzt keine Rolle. Christlich war es trotzdem. Vorbildlich christlich. Wegen der Nächstenliebe, die zum Wichtigsten gehört, was Christen beherzigen sollten. Und weil Jesus einmal den folgenden Satz gesagt hat: Wenn einer dich bittet, eine Meile mit ihm zu gehen, dann gehe zwei mit ihm[1]. Es braucht hier kein Etikett: christlich! Jesus hat auch keins gebraucht. Wer im rechten Augenblick tut, was notwendig ist, der handelt so, wie Gott sich das wünscht.
[1] Matthäus 5,41
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41166Morgen ist der zweite Advent – noch zweieinhalb Wochen bis Weihnachten. Und? – Graut Ihnen vielleicht schon davor? Ich hoffe nicht! Aber sollte mit dem Fest doch etwas auf Sie zurollt, vor dem Ihnen graut - dann ist jetzt vielleicht noch Zeit. Jetzt können Sie daran vielleicht noch etwas ändern.
Vor ein paar Jahren hat mir ein 12-jähriges Mädchen erzählt, wovor ihr an Weihnachten gegraut hat – eine Schülerin aus meiner Reli-Klasse in der Schule. Ihre Eltern hatten sich ein Jahr zuvor getrennt, der Vater war ausgezogen. Und seither musste die Teenagerin als Puffer zwischen ihren Eltern herhalten. „An Weihnachten kommt mein Vater wieder zu Besuch.“, hat sie mir erzählt „Und ich muss dann mitspielen und aufpassen, dass sie nicht anfangen, sich zu streiten. Ich muss aufpassen, dass es so aussieht, als wäre alles in Ordnung…“
Tja: Ich hatte beim Rausgehen aus dem Klassenzimmer nur ein bisschen Smalltalk machen wollen - gefragt, was sie an Weihnachten so vorhat. Und bin stattdessen – zwischen Tür und Angel - auf echte Probleme gestoßen. Das war damals ganz kurz vor Heilig Abend. Klar habe ich sie auf dem Flur noch gefragt, ob ihr jemand helfen kann oder ob sie mit ihren Eltern nicht mal sprechen könnte… Aber selbst einmischen wollte ich mich – so kurz vor knapp – nicht mehr. Denn da muss man schon vorsichtig sein und gut überlegen, was wirklich sinnvoll ist. Bei so etwas muss man sich Zeit nehmen.
Jetzt, kurz vor dem zweiten Advent, ist zum Glück noch ein bisschen Zeit. Genug, um das in den Blick zu nehmen, wovor es einem an Weihnachten vielleicht selber graut. Warum mich nicht jetzt hinsetzten, einen Zettel nehmen und aufschreiben, was mir dazu einfällt? Schon jetzt telefonieren und den Eltern oder Geschwistern sagen, was mir Sorgen macht und beim Familienfest in Streit ausarten könnte? Oder etwas Schönes planen für die Tage nach Weihnachten– als Ausgleich sozusagen für das, was schlecht gelaufen ist?
Warum nicht jetzt schon dafür sorgen, dass ich an Weihnachten nicht einsam bin? Sich zu überwinden, sich wirklich aufzumachen zu einem offenen Treff an Heiligabend oder sich einladen zu lassen. Oder selbst jemanden einzuladen – das ist schwer. Zwei Wochen vorher schaffe ich es aber vielleicht. Jetzt ist noch Zeit…
Im Fall meiner 12-jährigen Schülerin damals, da haben die Eltern übrigens selbst noch rechtzeitig gemerkt, dass sie etwa verändern müssen. Weihnachten anders feiern. Wie genau, daran erinnere ich mich nicht mehr - nur, dass meine Schülerin das Fest und ihre Familie sehr genossen hat.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41158Ich habe ja vieles vergessen, was ich als Kind alles gemacht habe. Ich weiß zum Beispiel nicht mehr so genau, wie ich Geburtstag gefeiert habe. Aber an den Nikolaustag , an den erinnere ich mich genau. Morgens früh aufzustehen, war da gar kein Problem. Um zu gucken, was der Heilige Nikolaus in meinen Stiefel hineingetan hat. Und immer noch zaubert mir das Datum von heute ein Lächeln ins Gesicht: 6. Dezember – Nikolaus-Tag.
Fröhliche Kinder und lächelnde Menschen, die hätten dem „echten“ Nikolaus auch sehr gefallen. Nikolaus lebte vor ungefähr 1700 Jahren. Er war Bischof der Stadt Myra. Das ist ein Ort, der an der Küste der heutigen Türkei liegt. Eine Legende erzählt nun, dass in Myra ein Mann gelebt hat, der so arm gewesen ist, dass er seine Töchter in die Prostitution verkauft hat – weil er keinen anderen Weg sah, um zu überleben. Und damit seine Töchter überleben. Nikolaus hat davon gehört – und soll dann heimlich, nachts, goldene Kugeln durchs Fenster der armen Familie geworfen haben. So hat er die Kinder vor einem schrecklichen Schicksal bewahrt.
Als ich ein Kind war, da habe ich von dieser Geschichte nichts gewusst. Ich habe meinen Stiefel ausgeleert, habe mich über die Mandarine, ein paar Nüsse und eine Kleinigkeit fürs Schulmäppchen gefreut - und hätte mir im Leben nicht vorstellen können, dass Eltern so verzweifelt arm sein können, dass sie ihre Kinder verkaufen. Und – dass es das bis heute gibt.
Bis heute gibt es zum Glück aber auch Menschen, die es machen wie der heilige Nikolaus. Und das nicht nur am sechsten Dezember und mit mehr als ein paar kleinen Geschenken im Stiefel. Ich denke an alle, die sich in Kinderhilfswerken engagieren. An die Spendenaktionen, die es jetzt im Advent gibt. Und ich denke an alle, die hier bei uns hinsehen und die Not von Kindern nicht übersehen wollen: in Schulen oder Kindertagesstätten; oder an die, die sich um Familien in Flüchtlingsunterkünften kümmern oder die sich für obdachlose Kinder und Jugendliche engagieren, die auf der Straße leben. Wir alle waren einmal Kinder, und alle sind wir es wert, gesehen zu werden.
Der Heilige Nikolaus hat‘s vorgemacht, so viele Menschen machen es ihm jetzt schon nach, und hoffentlich werden es immer mehr: Menschen, die sich engagieren um kleinen und großen Kindern ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41156Ich wollte es erst nicht glauben, als ich davon gelesen habe. Aber es stimmt, ich habe es selbst ausprobiert und der Effekt ist auch nachweisbar: Wenn ich mich niedergeschlagen fühle, dann hilft es, den Kopf zu heben. Wirklich – hoch mit der Nase! Die Laune wird besser.
Darauf muss man erst mal kommen – und daran denken. Im Alltag gar nicht so einfach. Vor lauter „aufs Handy gucken“ rutscht mir das Kinn oft genug auf die Brust runter. Wenn mir draußen der nasskalte Wind ins Gesicht schlägt oder wenn ich’s eilig habe, und keine Zeit für ein Schwätzchen mit dem Nachbarn, der gerade auf der anderen Straßenseite aufgetaucht ist. Der redet eh immer das gleiche: „Sauwetter heute…“ - „Ja, ja…“ – „Wieder so schlecht Nachrichten, von der Wirtschaft, vom Krieg…“ – immer das gleiche, und selten was schönes dabei.
Kopf runter. Das Kinn runter bis auf die Brust. Eigentlich ist das eine Schutzhaltung – gegen Kälte zum Beispiel. Aber auch gegen alles, was man gerade nicht brauchen kann in der eigenen Geschäftigkeit. Kopf runter, Rollladen runter, Türe zu. Allerdings sieht man dann auch so aus, finde ich: in sich verkrochen und weggeduckt. Und irgendwann fühlt man sich dann auch so: klein, niedergeschlagen und allein.
Immer nur nach unten zu starren, zieht einen runter. So kann man den Stürmen des Lebens nicht trotzen. Also: Kopf hoch, Brust raus – auch wenn der Hals dreckig ist, wie meine Mutter zu sagen pflegte. Ich habe es ausprobiert, und glauben Sie mir: Es funktioniert wirklich! Gerade jetzt, weil mein Blick an den Lichtern der Weihnachtsbäume hängen bleibt, die im Advent in den Vorgärten stehen, auf den Marktplätzen oder auf dem Weihnachtsmarkt. Und da – an den Fressbuden und Glühweinständen – habe ich auch wieder Lust auf ein Schwätzchen mit dem Nachbarn oder den Kollegen. „Ob’s weiße Weihnachten gibt? Schau'n wir mal. Wäre ja toll für die Kinder…“ – „Haben Sie heute die Nachrichten gehört?“ „Ja, da war schon wieder so ein schwerer Unfall. Und die Regierung…“
Kopf hoch. Nach vorne schauen – in Richtung Weihnachten. Auch Weihnachten 2024 wird die Welt nicht heil machen und alle Stürme des Lebens zum Schweige bringen. Weihnachten wird wieder „nur“ Hoffnung bringen. Aber von wegen „nur“. Ich sage: Hoffnung ist eine göttliche Kraft. Dass es nicht aussichtslos ist und auch nicht immer dasselbe, bis in alle Ewigkeit. Gott herrscht in Ewigkeit. Das Gute herrscht in Ewigkeit. Darauf zu warten lohnt sich, davon erzählt der Advent. Und in den evangelischen Gottesdiensten und aus den Kirchen ist heute laut der Ruf zu hören: „Seht auf! Erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ (Lukas 21,28) Hoch mit dem Blick! Das Kinn hat auf der Brust nichts verloren! Eine Geburt steht bevor. Ein Neuanfang, und es wird sich alles verändern.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41157Der vierte Dezember ist mein Namenstag – Barbara-Tag. Und obwohl ich es noch nie geschafft habe, dass sie blühen, werde ich mir ein paar Barbara-Zweige schneiden – entweder von dem gelben Forsythien-Strauch bei meiner Mutter vor dem Schlafzimmerfenster oder Kirsche – auf dem Gartengrundstück meiner Nachbarin.
Barbara-Zweige. Man schneidet von einem Strauch oder Baum Anfang Dezember ein paar Äste ab und stellt sie in eine Vase – und ihre Kraft und ihr Lebenswille reichen, damit die kleinen Knospen an den Ästen dick und rund werden und dann an Weihnachten sogar blühen. An Weihnachten, wenn wir Christen feiern, dass Gott neu auf die Welt kommt, einen Neuanfang wagt, neue Hoffnung schenkt, neues blühendes Leben – und wenn es um uns herum noch so dunkel und trübe ist.
Wie gesagt – leider habe ich es noch nie geschafft, dass die Zweige in meiner Vase wirklich geblüht haben. Vielleicht war das Zimmer zu warm, in das ich sie letztes Mal gestellt habe? Oder waren die Zweige schlecht geschnitten, zu holzig oder viel zu dünn? Ich weiß es nicht. Und ich habe fast ein bisschen Angst, es noch einmal zu versuchen. Die Zweige sind immerhin ein Hoffnungszeichen – dass sie grün und lebendig werden und blühen - obwohl sie heute, am Barbara-Tag, so kahl und leblos aussehen. So kahl, leblos und hoffnungslos, wie ich mich manchmal fühle, wenn mir die schlechten Nachrichten über Kriege und Krisen zu viel werden. Wenn ich heimkomme von einer Beerdigung, weil ein lieber Mensch gestorben ist. Weil eine gute Freundin von mir dieses Jahr schwer krank geworden ist, und weil ich auch mit mir selbst zu kämpfen habe. Was, wenn dann nicht einmal mein Hoffnungszeichen blüht?
Aber genau das ist ja das Wesen von Hoffnung: Sie ist Hoffnung und nicht Gewissheit. Hoffnung und eben nicht garantierter Erfolg. Ich werde heute also gehen und mir ein paar Barbara-Zeige schneiden. Entweder Forsythie oder Kirsche, zur Not auch Apfel. Ich werde sie gut anschneiden und in eine Vase mit frischem Wasser stellen – nicht zu nah an der Heizung aber auch nicht zu kalt. Meine Barbara-Zweige werden mich in den drei Wochen begleiten, in denen die Nächte immer noch länger werden. Ihre Knospen sind zwar noch klein, aber sie sind da. Ihr Lebenswille ist da. Warum also sollte ich nicht hoffen, dass an Weihnachten neues Leben blühen wird?
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41155Manchmal lebe ich schon ein bisschen wie hinter dem Mond, merke ich. Irgendwelche Trends kriege ich nicht mit – selbst, wenn gerade die ganze Welt davon spricht.
Mein neuestes Beispiel: Dubai-Schokolade. Das Must-Have der letzten Wochen. Schokolade gefüllt mit Pistazien-Creme. Und ich liebe Pistazien! Hatte trotzdem keine Ahnung, dass es das gibt. Die Fotos, die ich dann endlich auf Facebook gesehen habe, fand ich ja nicht so appetitlich – den Preis für diese Schokolade erst recht nicht. Und als ich gelesen habe, wie lange manche Leute anstehen mussten, um irgendwo ein Stückchen zu ergattern… wirklich verrückt.
Aber – irgendwie hat’s mich auch gereizt. Also habe ich gegoogelt und bin tatsächlich fündig geworden: Ich hätte welche kriegen können – bei Aldi. Bei Lidl gibt es sie mittlerweile auch… Und da wollte ich plötzlich keine mehr.
Komisch eigentlich – aber meine Reaktion ist typisch, wie ich jetzt gelesen habe – in einer Zeitschrift über Psychologie. Egal, ob das nun Dubai-Schokolade ist oder etwas anderes – Solange die Sache selten ist, gilt: Ich habe es – die anderen um mich herum nicht – also bin ich etwas Besonderes! Ich gehöre zum Club der Eingeweihten. Oder zu den Cleveren, die da rangekommen sind. Aber sobald diese Sache auch im Discounter zu kriegen ist und sie sich auch „die Normalos“ leisten können –ist der Hype vorbei und die Sache uninteressant.
Ich habe mich ertappt gefühlt. Da ist sie wieder, meine Eitelkeit. Die Sehnsucht, etwas Besonderes zu sein. Der Artikel in der Zeitschrift hat mir aber auch gezeigt: Ein Stück weit ist da ganz normal! Wir Menschen zeigen gerne, was wir besonderes zu bieten haben oder anderen vielleicht sogar voraus haben. Die einen mehr, die anderen weniger. Aber gegen ein gesundes Maß an Eitelkeit ist eigentlich nichts einzuwenden – solange sie im Rahmen bleibt.
Ich habe meine zur Seite gelegt und bin dann doch zum Discounter aufgebrochen und wollte welche holen. War aber prompt ausverkauft. Und ich? Ich habe vor dem leeren Regal gestanden und habe lachen müssen: Ich war eben doch nicht clever genug, um an welche ranzukommen. Und gehöre bis heute nicht zum exquisiten Club der Eingeweihten.
Irgendwann werde ich Dubai-Schokolade sicher mal probieren – halt erst, wenn sie noch normaler geworden ist. Den nächsten Hype um irgendeinen Trend werde ich wahrscheinlich wieder verschlafen. Und werde auch immer wieder mal versuchen, etwas Besonderes zu sein oder zu haben. Ich bin halt ein bisschen eitel – ist doch normal.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41154Wann genau beginnt eigentlich die Weihnachtszeit? Eine glasklare Antwort auf diese Frage habe ich schon vor ein paar Wochen bekommen, und zwar, im Werbespot eines bekannten Schokoladenherstellers: Da sehe ich – vor leuchtenden Kinderaugen - einen Schokoladen-Weihnachtsmann aus seiner Gussform schweben – gleichsam wie neu geboren. Und höre eine sanfte Männerstimme, wie sie verkündet: „Und wenn er sein Glöckchen läutet – ja dann beginnt die Weihnachtszeit.“
Aber im Ernst: Ich will hier gar nicht auf den Kommerz schimpfen. Was mir zu schaffen macht, ist, dass die Weihnachtszeit so schleichend beginnt, schon seit Monaten. Ich merke, dass mir ein klarer Anfang wirklich guttun würde. Mir geht’s dabei weniger um ein offizielles Datum. Sondern ich sehne mich nach dem Gefühl: „Jetzt – ja jetzt ist es Advent, und die Weihnachtszeit beginnt. Ich sehne mich nach einem deutlich markierten Wechsel in meiner Stimmung – und in der Stimmung um mich herum. Dass Weihnachten in der Luft liegt, wie der Geruch nach Stollen und Weihnachtspunsch oder nach Krautschupfnudeln auf dem Weihnachtsmarkt. Dass die Welt ein wenig mehr glitzert als sonst in unseren trüben Zeiten und dass es anfängt, leise in der Seele zu klingen: „Fröhliche Weihnacht überall…“
Eigentlich so ähnlich wie in dem Werbespot für den Schoko-Weihnachtsmann. Alle meine Sehnsüchte spiegelt er gekonnt wider. Nur leider zu früh schon seit Anfang November - und da bin ich einfach noch nicht so weit und denke: „Bitte! – Nicht jetzt schon.“
Nicht gerade der positive Stimmungswechsel, nach dem ich mich so sehne – und wie viele andere wahrscheinlich auch. Nach dem Gefühl: „Ja, jetzt beginnt etwas Neues, Hoffnungsvolles.“ Danach, dass es zu glitzern beginnt und zu durften: nach Punsch und Lebkuchen.
Fast meine ich, ich hätte den Duft in der Nase. – Moment – ich habe ihn in der Nase! Seit gestern ist nämlich Advent, und vor ein paar Tagen hat der Weihnachtsmarkt aufgemacht. Da bin ich heute mit einer Freundin auf ein Glas heißen Punsch verabredet. Und wir wollen ihre Enkelin sehen, die mit ihrer Flötengruppe auf dem Marktplatz auftreten wird. Ich freu‘ mich drauf!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41153Im Lockdown der Coronazeit wurde alles heruntergefahren, das öffentliche Leben praktisch lahmgelegt. Geschäfte zu, Restaurants zu – und leider auch: Friseurläden zu. Woche um Woche, monatelang. Und so sahen wir dann auch aus. Irgendwann war der Lockdown vorbei und die Geschäfte machten wieder auf. Ich kann mich noch so gut erinnern, wir froh ich war, als ich nach etlichen Versuchen einen Friseurtermin bekommen habe. Endlich wieder ein Haarschnitt, eine ‚richtige‘ Frisur! Mir war vorher gar nicht bewusst, wie wichtig das sein kann und wie viel so ein Haarschnitt ausmacht, für meine Stimmung, für mein Selbstbewusstsein.
Friseure und Friseurinnen wissen das, sehr gut sogar. Sie erleben es ja jeden Tag an ihren Kunden. Und deshalb wissen sie auch, was Menschen fehlt, die kein Geld haben, um zum Friseur zu gehen. Einen Friseur aus Oberschwaben hat das umgetrieben, und dann hatte er eine Idee, so erzählt er: „Ich habe gedacht: Was kann ich denn tun, um zu helfen? Ich kann Menschen glücklich machen mit Kamm und Schere. Und das wollte ich auf der Straße für Bedürftige und obdachlose Menschen einbringen, weil durch diesen Haarschnitt schmelzen die Menschen wieder in die Gesellschaft zurück und werden nicht von vorneweg abgestempelt.“1
Claus Niedermaier hat seine Idee mit anderen geteilt, und so entstand eine Initiative, die sich Barber Angels nennt, auf Deutsch Friseur-Engel. Die Mitglieder, allesamt Friseure und Friseurinnen, schneiden in ihrer Freizeit umsonst Haare und Bärte.
Angels nennen sie sich, Engel. Und das sind sie auch. Nicht mit Flügeln und Rauschgoldhaaren, sondern mit schwarzer Lederweste, die sie ‚Kutte‘ nennen. Bodenständige, zupackende Männer und Frauen. Die einfach tun, was Herz und Verstand ihnen sagt. Einer von ihnen, der‘s als Kind nicht leicht hatte, sagt es so: „Das ist mein… Beitrag, auch das Dankeschön an die Leute, die früher… an mich geglaubt haben. Deswegen gebe ich von dem was zurück, was mir Gutes widerfahren ist.“2
Ja, das sind Engel, wirkliche Engel. Ob sie das selbst nun religiös verstehen oder weltlich, das ist nicht so wichtig. Viel wichtiger ist, dass sie tun, was Engel zu tun haben: den Menschen leben helfen. Zum Beispiel mit einem guten Haarschnitt.
1 Südwestpresse am 29.09.2024
2 Südwestpresse am 29.09.2024
Nach 20 kinderlosen Jahren werden Isaak und Rebekka Eltern von Zwillingssöhnen, Esau und Jakob. Die Brüder sind sehr unterschiedlich und stehen bis ins Erwachsenenalter in Konflikt miteinander. Rebekka bevorzugt den häuslichen Jakob, während Isaak eher mit Esau, dem wilden Jäger verbunden zu sein scheint. Rebekka und Jakob schmieden einen Plan, um Isaak zu täuschen und Jakob den väterlichen Segen zu geben, der eigentlich seinem erstgeborenen Sohn Esau zusteht.
Esau kommt von der Jagd zurück, ist vor Hunger schwach und tauscht leichtsinnig sein Erstgeburtsrecht gegen eine Schüssel Linseneintopf ein, die ihm von Jakob angeboten wird. Während Esau von seinen Impulsen beherrscht wird, ist Jakob eher nachdenklich und sich der Konsequenzen bewusst. Jakob hatte gelernt, dass Antworten auf Fragen nur langsam und durch harte Arbeit zu bekommen waren. Esau wollte sofortige und einfache Antworten. Der impulsive Sohn Esau verliert gegen den nachdenklichen Jakob.
Jakob handelt mit Blick auf die Zukunft und ist bereit, heute ein wenig aufzugeben, um morgen viel zu gewinnen. Jakob hat den Wert des Erstgeburtsrechts verstanden und die sich ihm bietende Gelegenheit ergriffen. Durch Jakob lernen wir die Tugend, seine Impulse zu beherrschen. Wie lesen wir in Pirke Awot, in den Sprüchen der Väter? Wer ist mächtig? Wer seine natürlichen Triebe beherrscht (Pirkei Awot 4:1).
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