Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

     

SWR2 / SWR Kultur

    

SWR3

  

SWR4

      

Autor*in

 

Archiv

20JUN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Marc Aurel ist zwar schon über 1.700 Jahre tot, aber in Trier kann man ihn jetzt dennoch kennenlernen: Eine große Landesausstellung beschäftigt sich mit diesem römischen Kaiser Marc Aurel. Das römische Reich ist längst untergegangen und welcher Kaiser wann gegen wen gesiegt oder verloren hat, ist Geschichte.

Kaiser Marc Aurel war aber gleichzeitig ein Philosoph. Und er hat aufgeschrieben, was für ihn wichtig war. Dabei ging es ihm um Haltung. Wie verhalte ich mich richtig, nicht nur von Fall zu Fall, sondern grundsätzlich? Natürlich sind das zunächst nur Worte. Aber Marc Aurel bemühte sich, sie mit Leben zu füllen und sie in die Tat umzusetzen. Solange er lebte, hat er immer wieder über seine Lebensführung nachgedacht. Er war keiner, der einfach in den Tag hinein lebte. Er war ein reflektierter Mensch. Und auch wenn kein Tag wie der andere ist, wollte er doch jeden Tag mit dem gleichen Grundgerüst beginnen. Da geht es immer und immer wieder nicht um die Theorie oder bloße Worte, sondern um das ganz konkrete Tun. Da nahm er auch sich selbst als Kaiser nicht aus:

„Es kommt nicht darauf an, über die notwendigen Eigenschaften für einen guten Menschen zu sprechen – es kommt darauf an, einer zu sein. Kann mir jemand überzeugend darlegen, dass ich nicht richtig urteile oder verfahre, so will ich’s mit Freuden anders machen. Denn derjenige nimmt Schaden, der an seinem Irrtum festhält.“

Stark, was Marc Aurel sich und uns da ins Stammbuch schreibt. Ob das immer so einfach war, zu hören, was man falsch macht? Ob das immer geklappt hat, sich einzugestehen, dass man nicht vollkommen ist?

Er hat sich selbst Mut zugesprochen für jeden neuen Tag und jeden neuen Anfang: „Lass deinen Eifer und Mut nicht sinken, wenn dir etwas nicht gelingt, sondern fange, wenn dir etwas misslungen ist, von neuem an.“

In Trier kann man Goldmünzen und Standbilder von Marc Aurel bestaunen. Da ist alles herrlich und toll und majestätisch. Seine Worte finde ich noch herrlicher, denn aus ihnen kann ich lernen: Auch ein Kaiser ist nur ein Mensch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42386
weiterlesen...
18JUN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Im archäologischen Museum in Frankfurt wird neuerdings ein ganz besonderer Fund ausgestellt: Ein kleines, völlig unscheinbares Amulett. Es stammt aus einem römischen Grab in Frankfurt und ist fast 1.800 Jahre alt. So ein Amulett trug man an einer Kette oder einem Band um den Hals. Es ist ein Anhänger, in den man etwas hineintun kann und das, was man hineintut, soll die Trägerin oder den Träger beschützen. In diesem Amulett aus Frankfurt steckt ein Stück zusammengerollte Silberfolie. Auf der Silberfolie stehen Buchstaben. Alles brüchig und sehr, sehr empfindlich. Alles würde zerbröseln, wenn man versuchen würde, es aufzurollen.

Beim Anschauen des Amuletts frage ich mich: Was ist mir so wichtig, dass ich es ständig bei mir tragen möchte? Was wäre für mich so bedeutsam, dass es mich auch ins Grab begleiten soll? Es wäre wohl etwas, das ganz untrennbar zu mir gehört. Etwas, bei dem es nicht nur darum geht, dass es zu Lebzeiten irgendwie nützlich ist.

Bei dem Frankfurter Amulett ist es jetzt gelungen, den Text auf der Silberfolie teilweise zu entziffern, dem Computertomografen sei Dank. Auf der Folie hätte alles Mögliche stehen können, zum Beispiel „Rette mich, Jupiter!“. Götter gab es in der Antike ja mehr als genug. Oder auf dem Silberzettelchen hätte jemand ein magisches Zeichen verewigen können. – Stattdessen ist auf der Silberfolie eingeritzt: „Im Namen von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“.

Ich staune: Das ist der älteste Fund nördlich der Alpen mit einem Hinweis auf Jesus. Tatsächlich scheint der Träger des Amuletts ein Christ gewesen zu sein. Der Name Jesu in seinem Amulett begleitet diesen Menschen auch noch im Tod. Das ergreift mich, wenn ich mir vorstelle, dass es nicht nur darum geht, im Leben geschützt zu sein. Selbst das Ende des Lebens kann sie nicht trennen. Eine Verbindung über den Tod hinaus. Da muss ich schlucken. Das Frankfurter Silberamulett mit dem Namen Jesu: So eine große Hoffnung. Ein Zettel Trost bis zuletzt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42385
weiterlesen...
17JUN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Alles Schwindel!“, ruft Gustav Mesmer. Wir schreiben das Jahr 1929, er ist 26 Jahre alt, als er den Konfirmationsgottesdienst in seinem Heimatdorf Altshausen stört. Was fängt man mit einem Menschen an, der einen Gottesdienst stört? Er wird wegen dieses Vorfalls in eine „Heilanstalt“ eingewiesen. Er leidet schrecklich unter den Umständen und der Unfreiheit in der Psychiatrie. Doch nach drei Jahren hat er für sich einen Weg gefunden zu überleben: Er beginnt zu zeichnen. Nicht irgendetwas, sondern selbst erdachte Flugmaschinen. Es dauert volle 35 Jahre, bis er aus der Psychiatrie wieder entlassen wird. Dann aber legt er erst richtig los: Mit einem umgebauten Damenfahrrad startet er Flugversuche. Immer wieder sonntags rast er damit steile Wege hinunter. Er lebt im Lautertal auf der Schwäbischen Alb und wird der „Ikarus vom Lautertal“ genannt. Seine Zeichnungen und selbst gebauten Flugmaschinen erregen Aufmerksamkeit. Es gibt erste Kunstausstellungen.

Ich glaube, die Bibel würde zum Leben von Gustav Mesmer sagen: „Wir sind schon Gottes Kinder. Aber was wir einmal werden, ist noch nicht sichtbar.“ Die Leute sehen in dem jungen Gustav einen ungebildeten Störer und doch ist er Gottes Kind. Gott sieht den Menschen. Seine Kreativität, seine Ideen, seine Kraft, um etwas zu schaffen. Wie gut, dass es einen gibt, der dich in seiner Familie haben will – als Sohn, als Tochter. Es spielt keine Rolle, wie alt du bist, was du bisher in deinem Leben gemacht hat. Da geht noch was. Du sollst du werden. Im Fall von Gustav Mesmer heißt das: Seine Bestimmung ist „Flugradbauer“.

Aber ist Gustav Mesmer denn einmal geflogen mit einer seiner Maschinen? Darauf hat er geantwortet, dass es ihn einmal fast 50 Meter weit ins Tal getragen hat. Nur leider, leider ist keiner dabei gewesen. - Wir sind schon Gottes Kinder. Aber was wir einmal werden, ist noch nicht sichtbar.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42384
weiterlesen...
16JUN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Die ersten Christinnen und Christen vor zweitausend Jahren in Jerusalem waren verrückt. Total durchgeknallt. Heute erklären uns alle, dass wir uns bitteschön um unsere Altersvorsorge kümmern müssen. Und, wo immer es geht, noch zusätzlich etwas zurücklegen, damit es im Alter reicht. Nach der Devise: Es muss halt jeder auch selbst schauen, wo er bleibt. In der ersten Christengemeinde war das komplett anders. Die Bibel erzählt: Alle waren damals „ein Herz und eine Seele“. Da passte kein Blatt Papier dazwischen. Und das meinten sie nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch: Ihr gesamtes Hab und Gut soll allen zusammen gehören. „Liebeskommunismus“ wird das genannt, weil aus Liebe der Besitz vollständig geteilt wird.

Ehrlich gesagt, das bekomme ich nicht hin. Aber gleichzeitig geht mir dieses alternative Wirtschaftssystem nicht aus dem Sinn. Denn diese Liebe hat Folgen: Keiner muss hungern, keiner steht ohne Dach über dem Kopf da oder trägt kaputte Kleidung. Das Vermögen der einen gleicht den Mangel der anderen aus. Statt an sich und an ihre Zukunft zu denken, machen die Reichen ihren Grundbesitz oder ihre Immobilien bedenkenlos zu Geld, das sie der Gemeinde zur Verfügung stellen. Mit den Verkaufserlösen finanziert die Gemeinde dann die Unterstützung der Armen. Wie gesagt, völlig verrückt – kein Bewusstsein, dass man auch an sich denken muss. Stattdessen bekommt jeder zugeteilt, was er nötig hat.

Und dann ist da noch das Beispiel eines Mannes namens Josef: Er hat einen Acker, den er verkauft zum Besten der Gemeinde. Und weil danach kein Besitz mehr da ist, um den er sich kümmern muss, wird er stattdessen Missionar. Barnabas wird er deshalb genannt, Sohn des Trostes. Denn es ist tröstlich, wenn ein Mensch an die anderen denkt.

Zur Wahrheit über die ersten Christen gehört aber auch: Schon damals wollen nicht alle mitmachen. Miteinander teilen ist eine Kunst und bleibt ein Projekt, das man immer wieder üben muss.  Ja, bis alle wirklich das Nötige haben, heißt es: Üben, üben, üben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42383
weiterlesen...
14JUN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Fast zwanzig Jahre haben sie zusammengelebt und sich geliebt. Sie haben gute Zeiten gehabt und schwierige. Ihr Plan war, miteinander alt zu werden. Von einem Tag auf den anderen war alles anders. Vincent hat sich in eine andere Frau verliebt. Die Trennung von seiner langjährigen Partnerin war unvermeidlich. Marie war plötzlich damit konfrontiert, ihr Leben erst einmal alleine weiter leben zu müssen. Schockiert, enttäuscht und tief verletzt. Manchmal war es nur ein einziger Gedanke, der sie am Leben gehalten hat. Dieser Gedanke war wie ein seidener Faden, der schon bald nach der Trennung in ihr aufgetaucht ist. Als hätte er sich direkt vom Himmel in ihr Herz ausgespannt. So hat sie es selbst formuliert und gesagt: „Plötzlich wusste ich: Es ist mein Leben um das es geht. Ich habe nur dieses eine. Es ist mir geschenkt. Ich werde es nicht dem Schmerz und der Trauer opfern.“

Marie war oft traurig, auch wütend und voller Schmerz. Und es hat Jahre gedauert, bis sie diese Trennung verdaut hat. Aber dieser Gedanke, ihr Leben leben zu wollen, hat ihr geholfen, sich nicht zu vergraben, nicht zu verbittern oder in Vorwürfen stecken zu bleiben.

Menschen, die gekränkt sind, gehen ganz unterschiedliche Wege, um damit zurecht zu kommen. Ich denke an den jungen Mann, der in seiner Schulzeit gemobbt worden ist. Oder an die Frau, die seit einer Kündigung nicht mehr auf die Beine kommt. Manche Menschen können nicht anders als innerlich zu versteinern, weil sie fürchten, den Schmerz sonst gar nicht auszuhalten. Andere horten den Schmerz wie einen dunklen Schatz, der sie langsam aber sicher vergiftet und lähmt. Viele entdecken in schmerzhaften Zeiten aber auch, was ihnen dabei hilft, ihre Erfahrungen zu bewältigen. Für die einen sind es Gespräche mit Freunden, andere hören tröstliche Musik. Sport kann auch eine Bewältigungsstrategie sein. Oder die Suche nach hilfreichen Begleitern, die sich auskennen mit seelischen Verletzungen. Dass es die Seelsorge als wichtige Aufgabe in den Kirchen gibt, macht sichtbar, woran Christen glauben: Gott will Heilung und ein heiles Leben für alle Menschen. Marie hat sich in ihrer Not eine Seelsorgerin gesucht und mitten in ihrem Schmerz spüren können: Gott stärkt mich, damit ich gut weiterleben kann. Ich habe nur dieses eine Leben. Es ist mir geschenkt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42312
weiterlesen...
13JUN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Massa, Sidra und Malak sind die Namen von drei Schülerinnen. Ich bin seit diesem Schuljahr ihre Französisch Lehrerin. Es hat gedauert, bis ich mir ihre Namen merken konnte. Zumal in der Klasse mehr als die Hälfte der Schüler Namen haben, die ich noch nie gehört habe. Die Eltern von Massa, Sidra und Malak sind vor zehn Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen. Die drei Mädchen waren damals alle ungefähr zwei Jahre alt. Seit dem Sturz von Assad hoffen ihre Familien, dass sie zurück nach Hause können. Sidra war im Mai für mehrere Wochen zum ersten Mal seit der Flucht in ihrem Heimatland. Ihre Familie hat großes Heimweh. Am liebsten wollen sie so schnell wie möglich zurück nach Syrien.

Ich bin froh, dass ich Massa, Sidra und Malak kenne. Ihre Gesichter und ihre Geschichten schützen mich davor, von Flüchtlingen oder Geflüchteten im Allgemeinen zu sprechen. Malak ist eine Powerfrau. Sidra eine echte Frohnatur. Sie lacht gerne und traut sich viel zu. Massa ist eher leise und zart. Alle drei wollen lernen und sind ehrgeizig. Es fällt ihnen leicht, Französisch zu sprechen. Dass sie schon früh Deutsch lernen mussten, hilft ihnen wahrscheinlich auch bei dieser Fremdsprache. Sie freuen sich, wenn ich ihnen sage, wie toll sie das machen. Wenn wir uns jetzt im Schulhaus begegnen, grüßen wir uns. Sie merken, dass ich mich für sie interessiere. Das gefällt ihnen. Es sind junge Frauen, die ihr Leben vor sich haben. Die von einer guten Zukunft träumen und die keinerlei Verantwortung dafür haben, dass sie in Deutschland gelandet sind.

Ich bin froh, dass ich Massa, Sidra und Malak kenne. Das schützt mich davor, von ihnen zu sprechen, als seien sie wie ein Paket. Das man einfach wieder zurückschicken kann. Ich käme nie auf die Idee vor ihnen darüber zu streiten, wie man sie am besten wieder loswird. Oder ihnen womöglich vorzuwerfen, dass deutsche Steuergelder ihren Lebensunterhalt sichern. Ich wünsche den dreien und ihren Familien von Herzen, dass sie irgendwann in ihre Heimat zurückkehren können. Und ich wünsche mir auch, dass sie Deutschland in guter Erinnerung behalten – weil wir sie aufgenommen haben, als sie in Not waren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42311
weiterlesen...
12JUN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich erinnere mich an jede Einzelheit dieser Situation. Dabei ist das fast 20 Jahre her. Manchmal brennen sich ganz alltägliche Augenblicke ja deshalb so ein, weil jemand etwas Bestimmtes sagt oder fragt. Ich habe Bekannte in der Nähe von Bremen besucht. Die Sonne war schon warm, das Ehepaar hat mir gezeigt, wo in ihrem Garten Radieschen und Karotten wachsen. Herr Wolff hat mich damals, eher beiläufig, gefragt, warum ich Grundschullehrerin geworden bin. Geantwortet habe ich ihm: Weil ich als achtjährige eine Klassenlehrerin hatte, die mich ernst genommen hat. So wie niemand vorher. Deshalb weiß ich auch wie wichtig Grundschullehrer sein können. Kinder brauchen gute Vorbilder. Die ihnen zeigen, dass sie wertvoll und einzigartig sind. Dass sie etwas bewirken können. Herr Wolff hat mich ungläubig angeschaut. In seinen Augen war ich hoffnungslos optimistisch. Er war überzeugt, dass die Welt nicht zu retten ist und ohnehin alles seinen Lauf nimmt.

Das Gespräch von damals fällt mir manchmal ein. Die Situation auf der Welt ist seitdem nicht hoffnungsvoller geworden. Vielleicht hat Herr Wolff recht mit dem, was er damals gesagt hat - denke ich jetzt manchmal. Aber auch heute bin ich nicht seiner Meinung. Ich bin vielleicht etwas leiser geworden, aber nicht müde. Ich sehe, was möglich ist, wenn ich die Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit nicht aufgebe. Zum Beispiel in unserem Klassenzimmer. Auch Kinder können schon so miteinander streiten, dass erst mal keine Lösung in Sicht ist. Und Erwachsenen fällt dann oft nichts Besseres ein als zu sagen: „Jetzt hört endlich auf zu streiten und vertragt euch wieder“. Aber mit dieser Aufforderung allein kommen sie zu keiner friedlichen Lösung. Was den Kindern hilft ist: Wenn wir uns viel Zeit nehmen, um ihren Kleinkrieg zu verstehen; wenn wir herausfinden, wer wen gekränkt hat und warum; wenn die Kinder lernen, sich in den anderen hineinzuversetzen. Um Entschuldigung zu bitten, sich für eine bestimmte Zeit in Ruhe zu lassen. Und vor allem: wenn sie erleben, dass wir ernst nehmen, was sie sich so sehr wünschen. Sie wollen nämlich wirklich Lösungen finden. Ich erlebe mit ihnen fast jeden Tag, dass wir es schaffen, Schwierigkeiten zu klären. Es nimmt eben nicht alles automatisch seinen Lauf. Da, wo ich bin, habe ich immer die Chance, das Leben mitzugestalten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42310
weiterlesen...
11JUN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Mein ganzes Leben lang bin ich schon Katholikin. Der christliche Glaube ist in meiner Familie das Fundament. Die katholische Kirchengemeinde St. Antonius in Vaihingen/Enz war viele Jahre eine Gemeinschaft, in der ich zuhause war. Ich war zwar nie mit allem einverstanden, was die katholische Kirche vertreten hat. Aber wie Jesus mit Menschen umgegangen ist, hat mich immer fasziniert. Mit dem Papst und der Kurie hatte ich nichts am Hut. Die pompösen Auftritte der Kardinäle in Rom waren mir unangenehm, eigentlich sogar peinlich. Bis Franziskus Papst wurde. Er hat Rituale und Kleidung vereinfacht und wieder erkennbar gemacht, was Jesus für die Menschen in der Welt wollte. Für eine kleine, aber doch wichtige Veränderung, bin ich Papst Franziskus besonders dankbar: Anders als seine Vorgänger hat er den Segen Urbi et Orbi an Ostern und an Weihnachten dafür genutzt für alle Menschen zu beten, die im Krieg leben. Diese Krisenherde und die verfeindeten Völker hat er einzeln benannt. Mir ist da erst bewusst geworden, dass ich von vielen bewaffneten Konflikten auf der Welt keine Ahnung habe. Papst Franziskus hat es geschafft, dass ich mir für einen Moment innerlich die Weltkarte vorgestellt habe, um mir das klarzumachen; er hat es geschafft, dass ich mich verbunden gefühlt habe mit denen, die das aushalten müssen; mit allen, die sterben mussten, die Angst haben oder die um tote Angehörige trauern. Das hat keinen der kriegerischen Konflikte verändert. Aber es ist ein Unterschied, ob ich auf der Seite der Gleichgültigen oder Mächtigen stehe oder auf der Seite der Menschen, die mitfühlen und Frieden wollen. Papst Franziskus wird für mich immer der Papst bleiben, mit dem ich erlebt habe, dass Jesus eindeutig auf der Seite der Benachteiligten einer Gesellschaft stand. Er hat seine Macht genutzt, zu zeigen, wie die Botschaft Jesu wirkt. Und jetzt empfinde ich es als ein Geschenk des Himmels, dass Leo der XIV zu seinem Nachfolger gewählt wurde. Es war der 08. Mai. Genau 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs. „Friede sei mit euch!“ Mit diesem Satz hat Leo XIV seinen Dienst begonnen. Ich hatte Gänsehaut.

Und ich habe seitdem so viel Hoffnung, dass der neue Papst sich genau dafür einsetzt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42309
weiterlesen...
10JUN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Manche Worte wirken wie aus einer anderen Welt. „Heiliger Geist“ – das klingt für viele nach Kirche, Weihrauch und alten Texten. Ich glaube, dieser Geist ist etwas, das uns heute noch ganz real begegnet. In der Bibel wird er als Kraft beschrieben. Nicht als Gespenst oder Zauberwesen, sondern als etwas, das Menschen miteinander verbindet, tröstet, inspiriert. Wenn ich ihn beschreiben soll, dann würde ich sagen: Der Heilige Geist ist wie der Atem Gottes. Unsichtbar, aber wirksam. Wie Wind, der Bäume bewegt, obwohl ich ihn selbst nicht sehen kann. Mir ist der Heilige Geist zu einem vertrauten Freund und Begleiter geworden, der mich immer wieder überrascht. Wie zum Beispiel bei einem Konzert während der Salzburger Festspiele. Ich habe nichts Besonderes erwartet. Es war ein experimentelles Konzert. Drei Männer haben miteinander musiziert, auf einem Klavier, einem Vibraphon und einer Flöte. Schon nach wenigen Minuten war in der voll besetzten Kirche tiefer Friede spürbar. An mir selbst habe ich gemerkt: ich habe auf einmal tief und langsam geatmet, mein Herzschlag ist ganz ruhig geworden. Der ganze Raum war erfüllt von einer versöhnlichen und liebevollen Stimmung.

Erfahren kann ich diesen Geist überall. Nicht nur in Kirchen. Erst vor kurzem bin ich mit meinen Walking Stöcken über die Felder gelaufen. Da wo ich wohne. Unterwegs habe ich eine alte Dame getroffen. Wir sind eher zufällig ins Gespräch gekommen. Aber schon nach wenigen Minuten hatte ich das Gefühl, wir würden uns ewig kennen. Sie war unerwartet nah und vertraut. Hinterher hab ich gedacht: Es ist erstaunlich, dass es Menschen gibt, die ich zwar nicht kenne, aber mit denen ich mich trotzdem so tief verbunden fühle.

Der Heilige Geist weht, wo er will. Er wirkt nicht nur in Gebeten oder Predigten. Sondern auch in überraschenden Begegnungen, in Musik, in Momenten der Klarheit. In einem plötzlichen Gedanken, der uns weiterbringt. In einer Liebe, die wir uns selbst nicht erklären können. Er ist überall da, wo Versöhnung möglich wird. Manchmal ganz leise und manchmal mit Wucht.

Für mich ist das die Botschaft: Ich bin nicht auf mich alleine gestellt. Es gibt eine Kraft, die mich begleitet. Die verbindet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42308
weiterlesen...
07JUN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Es gibt so Themen, die rufen eigentlich bei allen nur noch Kopfschütteln hervor. Das Kopfschütteln bedeutet: Ich hab’s aufgegeben, das zu verstehen oder darüber zu diskutieren.

Gender-Fragen sind so ein Beispiel: Die Freunde meiner Kinder schütteln den Kopf darüber, warum es denn so schwer ist zu akzeptieren, dass manche Menschen spüren: Ich habe ein anderes Geschlecht als das, mit dem ich geboren bin. Leute, mit denen ich beim Dorffest spreche, sind dagegen genervt, weil sie finden, das Thema betrifft doch nur wenige. Warum ist das jetzt plötzlich so wichtig, fragen sie kopfschüttelnd.

Ähnlich sieht es aus, wenn es um Migration geht oder um den Nahostkonflikt. Über das, was die einen dazu denken, schütteln die anderen nur den Kopf. Und so redet man oft gar nicht mehr miteinander. Manchmal nicht einmal in der eigenen Familie. Oder, noch schlimmer, man fängt an, sich in den sozialen Netzwerken gegenseitig zu beschimpfen. Oder bei Demos aufeinander loszugehen.

Morgen ist Pfingsten. An diesem christlichen Fest geht es genau darum: Menschen verstehen einander nicht. Aber dann wird Verständigung plötzlich möglich.

Die Pfingstgeschichte aus der Bibel erzählt, dass sich die Menschen, die Jesus gefolgt waren, nach seinem Tod ängstlich zurückgezogen hatten. Am Pfingsttag aber ist eine Art Sturm oder Feuer durch ihr Haus gegangen. Gottes Geist, nennt es die Bibel. Jedenfalls waren sie plötzlich voller Mut und Begeisterung – und sie sind rausgegangen, um zu erzählen, was sie mit Jesus erlebt hatten.

Das Besondere war: An diesem Pfingsttag konnten alle Menschen plötzlich verstehen, was die Freunde von Jesus zu sagen hatten. Selbst Leute, die eine andere Sprache gesprochen haben. Gottes Geist macht Verständigung möglich – auch da, wo es eigentlich unmöglich scheint. Das ist die Botschaft von Pfingsten.

Manche Kirchengemeinden habe in letzter Zeit „Verständigungsorte“ eingerichtet, um den Pfingstgeist wirken zu lassen. Sie organisieren Veranstaltungen, wo Leute zusammenkommen, die sich sonst im Leben nicht begegnen, und miteinander reden. In echt, nicht nur im Chat. Über Themen, die sie aufregen. Im April haben zum Beispiel 200 Leute in der Kirche in Ludwigsburg über „Ludwigsburg und seine Flüchtlinge“ diskutiert. Teilweise hart – aber immerhin miteinander.

Ich finde das eine gute Idee. Noch besser wäre es aber, wenn jedes Familientreffen, jeder Gartenzaun und jede Stammkneipe zu so einem Verständigungsort werden würde. Vielleicht können wir es an Pfingsten ja schon mal probieren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42295
weiterlesen...