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13FEB2025
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Begegnungen können einen verändern. Und ich denke, Jesus ging es auch so. Ich habe dazu eine Geschichte im Markusevangelium gelesen: Jesus ist gerade in einem Haus in Tyrus. Ganz wohl fühlt er sich im Nachbarland seiner Heimat nicht, mit der so ganz anderen Religion und Kultur.

Eine Einheimische hat mitbekommen, dass Jesus da ist. Sie hofft auf Hilfe für ihre kranke Tochter. Sie kommt ins Haus, fällt vor Jesus auf die Füße und fleht ihn an: „Bitte mach meine Tochter gesund.“

Wie er ihr jetzt antwortet, muss der Frau weh getan haben, und es schockt mich auch:
„Lasst zuerst die Kinder satt werden; denn es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen.“

Die Frau gibt nicht klein bei, sie hat nichts zu verlieren und antwortet: „Meister! Aber auch die kleinen Hunde unter dem Tisch essen von den Brotkrumen der Kinder.“

Jesus kommt ins Nachdenken und antwortet: Weil du das gesagt hast, sage ich dir: „Geh nach Hause, deiner Tochter geht’s gut“. Und so war es wirklich. Als sie heimkam, lag die Tochter gesund in ihrem Bett.

Die Begegnung hat Jesus verändert. Gekommen war er mit dem Entschluss: „Ich kümmere mich nur um meine eigenen Leute“. Die Leute aus diesem Land beuten uns aus. Sie machen einen Reibach mit unserem Getreide. Warum soll ich auch nur den Finger für sie krumm machen.

Aber diese fremde Frau ist mutig. Sie lässt nicht locker, selbst als Jesus sie übel beleidigt und sie mit Hunden vergleicht.

Und ihre Haltung verändert Jesus. Sie knackt seinen Panzer und er findet wieder zu seinen göttlichen heilenden Kräften.

Durch die Begegnung ist sein Herz weicher geworden und sein Horizont weiter. Was für ein Segen, wenn Menschen einander zuhören. Wie gut, wenn Menschen nicht nur übereinander sprechen, sondern miteinander; wenn Vertrauen entsteht und Leute ihre Deckung fallen lassen.

Wie gut, dass die Frau drangeblieben ist. Wie gut, dass Jesus sie nicht unterbrochen und sie nicht weggeschickt hat. Er hat sich von ihr in Frage stellen lassen. Das braucht es, damit Gesellschaften nicht auseinanderdriften. Wir brauchen keine Ewiggestrigen, für die Vielfalt ein Graus ist, sondern Menschen, die sich auf echte Begegnungen einlassen und dazulernen.

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12FEB2025
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Ich lausche einem Vertragstext. Ein Notar liest ihn in rasender Geschwindigkeit vor. Auf einmal stoppt er: „Bei der Bankverbindung fehlt eine Zahl“. Tatsächlich: auf meinem Briefkopf hat die IBAN eine Stelle zu wenig. Wahnsinn, dass er das mit einem Blick gesehen hat. Zum Glück hat er genau hingeschaut.

Es braucht Menschen, die genau hinsehen und den Dingen auf den Grund gehen. Bei Verträgen braucht es einen guten Notar. Und im Leben ist es auch gut, genau hinzuschauen und die Dinge zu prüfen. Prüfen klingt nach Prüfung und weckt manchmal unangenehme Gefühle. Doch eigentlich ist es eine sinnvolle und gute Sache. Schon der Apostel Paulus sah es positiv. Er schreibt an eine junge, griechische Gemeinde: Prüft alles und behaltet das Gute.

Dabei hat er sicher keine Schriftstücke gemeint, sondern unterschiedliche Lebensarten, und Traditionen.

Für Paulus beginnt Prüfen erst mal mit Augen offenhalten und sich inspirieren lassen. Er denkt an bekannte Redner und Autoren, an die Waren der Kaufleute, an Musik und Kultur in dieser wachsenden bunten Hafenstadt Thessaloniki. Und er weiß um die Einflüsse, von denen sich seine Mitchristen fernhalten sollen, wie zum Beispiel dem Kaiserkult.

„Schaut euch alles an. Was gut ist und euch im Miteinander hilft, das behaltet.“ schreibt Paulus der Gemeinde.

Mir gefällt, dass er keine Angst schürt, so nach dem Motto: „seid vorsichtig, schottet euch ab, macht alles wie immer“. Ich finde, bei allem, was so los ist, brauche es immer wieder eine Pausentaste zum Prüfen:
Bin ich noch auf der richtigen Spur? Wie laufen meine Lebensprojekte? Ist eine Idee noch gut, oder hat sich mit der Zeit ein Fehler eingeschlichen? Es ist keine Schande nachzubessern oder auch mal etwas zu stoppen.

Für Paulus ging es bei all dem um das Gute. Er empfiehlt die Frage: „Wofür bin ich dankbar?" Aus so einer, Haltung herausfällt es leichter, auch einmal einzugestehen, was nicht gut ist.

Heute ist ein guter Tag zum Prüfen, um dann das Gute und Richtige zu behalten.

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11FEB2025
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Der Tag beginnt gewöhnlich. Ich wecke unseren 6-jährigen Sohn. Anziehen. Rucksack auf und los geht's zur Schule. Ein alltäglicher Weg – und doch ist heute alles anders. Schon von der Haustür aus sehen wir Krankenwagen und Polizei. Was ist da los in meiner Straße? Besorgt gehen wir unseren Weg.

Meine Gedanken kommen nicht zur Ruhe. Ich kenne die Familie vom Sehen. Man begegnet und grüßt sich. Mehr weiß ich nicht. Es ist wie bei den meisten Nachbarn. Wir haben oberflächlichen Kontakt. Ein freundlicher Gruß. Das war's. Was hinter den Haustüren geschieht? Keine Ahnung. Das geht mich auch nicht alles etwas an. Trotzdem ist es etwas ernüchternd, wie wenig ich über die Menschen in meiner Straße weiß.

Meine Gedanken wandern weiter zu anderen Menschen in meinem Umfeld:
In meiner eigenen Familie bekomme ich natürlich eine Menge mit. Aber weiß ich wirklich, wie es meiner Frau und meinen Kindern geht? Interessiert mich das überhaupt? Oder bin ich zu beschäftigt?

Wie sieht es bei meinen Freunden, Verwandten, Laufpartnerinnen und -partnern aus? Ich muss nicht von allen alles wissen. Dennoch bewegt mich die Frage: Hat mein Gegenüber jemanden zum Reden?

In der Bibel schreibt der Apostel Paulus: „Helft einander eure Lasten zu tragen.“

Das heißt im Umkehrschluss für mich: Alleine ist das Leben zu schwer. Wir sind nicht als Einzelkämpfer gemacht. Sondern für eine Gemeinschaft, die füreinander da ist. Besonders dann, wenn die Last zu schwer wird. Ich kenne das selber gut. Leider neige ich dazu, die Dinge dann doch mit mir selbst ausmachen zu wollen.

Am Nachmittag gehe ich den gleichen Weg wie am Morgen. Unmittelbar vor mir kommt eine Frau aus einer Seitenstraße. Eine Nachbarin. Ich kenne sie - wie sollte es anders sein - vom Sehen. Wir haben noch nie ein Wort gewechselt. Irgendwie spüre ich aber, dass sie reden will. Also wage ich mich: „Hallo, ich bin Manuel.“ „Hallo, ich bin Christiane.“ „Wie geht's Dir heute?“ Und schon reden wir. Über das, was heute in der Straße passiert ist. Ein bisschen zusammen Lasten tragen.

Später stehe ich sehr nervös und unsicher vor der Haustür des betroffenen Haushalts. Ich nehme allen Mut zusammen und drücke auf die Klingel. Der Vater öffnet die Tür. Zuerst schaut er mich etwas verwundert an. „Hallo, ich bin Manuel. Ich wohne ein paar Häuser weiter. Wie geht es Euch?“ In seine Verwunderung mischt sich Erleichterung.

Seitdem sprechen wir immer mal wieder miteinander. Und die Straße, in der ich wohne, fühlt sich schon etwas mehr nach „unserer Straße“ an. Weil wir nun etwas mehr miteinander teilen als den gleichen Straßennamen in der Anschrift.

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10FEB2025
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Ich sitze im Bus. Automatisch zücke ich mein Smartphone und scrolle durch die neusten Beiträge bei Instagram. Alex feiert seinen sensationellen Burger. Tina sitzt am Schreibtisch und sucht Montags-Motivation. Russland greift erneut die Infrastruktur der Ukraine an. Mein Vater hat aus Versehen ein lustiges Katzenbild gepostet. Danach die neueste Prognose für die Bundestagswahl. Und ein erschöpfter Feuerwehrmann vor einem völlig zerstörten Gebäude.

Immer wieder diese Einschläge zwischen Lustigem und Alltäglichem. An manchen Tagen fühlt es sich so an, als würde ich die Last der ganzen Welt in meiner Hosentasche tragen.

Da sind so viele negative Nachrichten. Alles andere trübt sich ein. Vor allem die Zukunft. Wie wird es nach der Bundestagswahl? Geht es mit den Kriegen und Konflikten einfach immer so weiter? Und was ist mit mir und meinen Freunden? Was kommt auf uns zu?

An solchen Tagen kämpfe ich um Hoffnung. Warum weitermachen? Warum noch ein Apfelbäumchen pflanzen, wie Luther gesagt haben soll?

Mal mehr, mal weniger zweifelnd halte ich an meinem Glauben fest. An meinem Glauben, dass damals mit Jesus etwas großes Gutes begonnen hat.

Was mich an Jesus immer wieder fasziniert: Er umgibt sich nicht mit den Reichen und Mächtigen. Ganz im Gegenteil: Jesus zieht es gerade zu denen, die es schwer haben in dieser Welt.

Wie schön wäre es, wenn das gar nicht nötig wäre. Wenn Menschen nicht leiden müssten. Hej, Gott, geht das nicht irgendwie anders!?

Und doch tröstet es mich zu wissen: Gott ist das Schicksal unserer Welt nicht egal. Ihn lässt das nicht kalt. Er leidet mit und solidarisiert sich mit denen, die diskriminiert werden.

Mich motiviert das, diejenigen anzusehen, die nicht so stark im Blick sind. Ich wende mich Kindern zu und gehe dabei bewusst in die Knie, um ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Ich spreche mit Jugendlichen und will wissen, was sie bewegt. Und ich feiere eine Frau aus unserer Gemeinde, die in ihrem Stadtteil Menschen besucht, die durchs Raster gefallen sind. Manchmal begleite ich sie dabei.

Ich scrolle weiter durch die Beiträge bei Instagram und lande bei einem Bibelvers:
„Gott wird jede Träne abwischen von ihren Augen. Es wird keinen Tod und keine Trauer mehr geben, kein Klagegeschrei und keinen Schmerz. Denn was früher war, ist vergangen. […] Ich mache alles neu.“

Zu schön, um wahr zu sein? Nein, das ist die Hoffnung, die mich am Leben hält. Und meine Motivation, schon jetzt an die Seite derer zu treten, die es schwer haben im Leben.

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Als Frau Schmitt Montag morgens ins Pfarrbüro kommt, blinkt der Anrufbeantworter energisch. Oje, das fängt ja gut an, denkt die Sekretärin der Kirchengemeinde. Die Stimme der Anruferin ist ihr nicht bekannt, die Nachricht ist von Samstagabend. Die Stimme sagt:

„Ich bin so traurig. Ich bin ganz allein. Mein Mann ist vor einem Jahr verstorben und meine Kinder sind weit weg. Ich habe auch kaum Bekannte. Ich bin ganz allein.“

Man hört, dass die Stimme weint, dann fängt sie sich wieder.

„Ich brauche jemanden, mit dem ich reden kann. Aber es ist Samstagabend, alle sind mit ihren Familien und Freunden zusammen, da kann ich niemanden stören.

In der Kirche war heute Licht, da dachte ich: hier erreiche ich jemanden.“

Die Stimme bricht wieder kurz.

„Was mache ich bloß? Gibt es niemanden, mit dem ich reden könnte? Und der lange Sonntag kommt erst noch.“

Frau Schmitt ist voller Mitgefühl.

Aber sie hat keine Ahnung, wer das sein könnte.

Da hilft die Technik weiter: die Stimme hat keine Rufnummernunterdrückung und die Gemeindereferentin, der Pastor oder sie selbst,  könnten die Stimme zurückrufen.

Die beiden anderen haben schon Termine für den Vormittag, also ruft Frau Schmitt selbst die Stimme an. Die meldet sich nur zögerlich mit „Ja?“ und Frau Schmitt stellt sich vor und erklärt, woher sie die Nummer hat. Da wacht die Stimme auf und freut sich. Das Telefon hatte schon sehr lange nicht mehr geläutet und sie ist es nicht mehr gewöhnt, zu telefonieren.

Aber jetzt erzählt sie, wie sie den langen Sonntag rumgebracht hat.

Ein Buch, eine Runde bügeln, ein Spaziergang, ein interessanter Film im Fernsehen.

Zum Abschied gibt Frau Schmitt ihr noch einen Tipp:

wenn es wieder ganz still ist, einfach die Telefonseelsorge anrufen. 0800 1110111

Da ist immer jemand zum Reden.

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Auf einer kleinen Wanderung in Kirchwald begegnete mir Max mit seiner Familie.

Er ist vier und wir freuten uns, uns zu treffen. Ich trage mehr Schmuck als seine Mama, das interessiert ihn. Am Finger meiner linken Hand glitzerte es türkis. Er gab mir zu verstehen, dass er das schön findet, also zeigte ich ihm auch an der anderen Hand einen Ring mit einem leuchtenden Stein.

Woher er weiß, dass manche Frauen Ohrringe tragen, keine Ahnung. Aber er prüfte meine Ohren und fand da auch Glitzerdinger, die ihm gefielen. Ein kleiner Fachmann.

Es war sonnig, aber kalt, und er trug Stulpen, aus denen die Fingerspitzen rausschauten. Die Finger seien kalt, er brauche richtige Handschuhe, meinte er. Ich zeigte ihm, dass ich mit der Faust in meine Stulpen reinpasse und dass so die Finger warm bleiben auch ohne Handschuhe. Er probierte es aus und war erfolgreich.

Die Mutter verfolgte leicht amüsiert unsere Fachgespräche. Das muss ja eine große Freude sein, wenn der kleine Wicht, den man gefühlt noch gestern auf dem Arm herumgetragen hat, jetzt ernsthafte Gespräche mit Erwachsenen führt.

Ein guter Trick von Gott, der es so eingerichtet hat, dass Menschen, Tiere und Pflanzen klein anfangen. Und dass speziell wir Menschen vielleicht ein besonderes Gen oder sowas in uns haben, das uns das Kleine lieben lässt.

Ein kleines Blümchen, einen Welpen, ein kleines Kind, da lächeln wir und empfinden Sympathie – jedenfalls die meisten.

Ich finde, Gott war ziemlich pfiffig, als er die Welt ins Rollen brachte.

Er kam ja auch selber als Baby in die Welt – und die Weisen aus dem Morgenland gingen nicht zum mächtigen König Herodes, sondern zu diesem kleinen Kind.

Ich glaube, wir tun gut daran, nicht auf das Große oder die Großen zu starren, sondern das Kleine zu schützen und zu lieben.

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01FEB2025
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1. Februar. Sind Sie schon voll drin oder ist das Jahr 2025 immer noch neu für Sie?

Für viele sind Weihnachten und Silvester die wichtigsten Einschnitte des Jahres. Macht ja auch irgendwie Sinn. Für andere sind es eher besondere Ereignisse. Geburtstage, Ferien, Urlaube.

Wieder andere denken und planen von Tag zu Tag oder von Wochenende zu Wochenende. Wie wir unsere Zeit einteilen und wie wir Zeitabschnitte wahrnehmen, das hängt von vielem ab: von der Lebenssituation, vom Zeitempfinden usw.

Für mich ist der Februar noch der Anfang des Jahres. Ich denke tatsächlich stark in Jahreszyklen, unterbrochen von Geburtstagen meiner Lieben, Urlauben und dem Kirchenjahr.

Das Kirchenjahr beginnt immer am ersten Advent – ist also schon einen Monat älter.  Der Februar ist innerhalb des Kirchenjahres eine Übergangszeit von den Festtagen und Festzeiten rund um die Geburt Jesu hin zur Passion, der Zeit, in der wir uns an den Leidensweg Jesu und dann mit Karfreitag und Ostern an die  Kreuzigung und Auferstehung Jesu erinnern.

Andere rechnen eher in Karnevalsphasen – jetzt sind wir in der närrischen Zeit – und das schon seit dem 11. November und bald, am Aschermittwoch, ist alles vorbei.

Worauf ich hinaus will: Zeit ist relativ. Ich finde diesen Gedanken immer wieder hilfreich. Nicht nur, aber auch, wenn ich an den Tod denke. Dieser Gedanke ist für mich verbunden mit der großen Ewigkeit Gottes. Der Satz: „1000 Jahre sind vor Gott wie ein Tag“, ist dann eine weitere Perspektive auf die Zeit und ja - mir gibt es Hoffnung. Dass alles, was ist, und auch, was mit unserer Zeit vergeht – in Gottes Ewigkeit – in seiner Zeit geborgen ist.

Meine Vergänglichkeit und die kurze Zeit, die ich mit meinen Lieben hier auf Erden leben darf, schmerzt mich.  Aber das ist nicht alles.

Da gibt es eben noch die Zeit Gottes. Die Zeit, in der wir mit Gott sein werden, zusammen und in Ewigkeit. Nicht als Floskel, als vertröstende Ausrede, um unsere begrenzte Zeit nicht wahrhaben zu wollen, sondern als tief empfundener Glaube an die Ewigkeit. In Gemeinschaft. Mit Gott und den Menschen.

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31JAN2025
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In unserem biblischen Wochenabschnitt aus dem zweiten Mosebuch, Schemot, erreicht die Geschichte vom Auszug aus Ägypten ihren Höhepunkt. Die Kinder Israels haben ihre Sachen gepackt und sind bereit zum Auszug. Da spricht G-tt zu Moses: „Dieser Monat soll für euch der Anfang der Monate sein. Er soll für euch der erste Monat des Jahres sein.“ (2.B.M. 12:2)

Warum ist von all‘ den 613 Geboten, die unserem jüdischen Volk gegeben wurden, ausgerechnet das erste Gebot, einen Kalender festzulegen? Sozusagen eine Zeitrechnung, die mit der Befreiung von der Sklaverei und dem Auszug aus Ägypten beginnt?

Vor 500 Jahren lebt im heutigen Italien Rabbiner Obadja Ben Jacob Sforno. Er weist darauf hin, dass im hebräischen Originaltext das Wort „lachem“ steht, zu Deutsch „für euch“. Die Worte „Dieser Monat soll für euch der Anfang der Monate sein“ sagen, dass die Kinder Israels in der Freiheit einen anderen Begriff und ein anderes Verständnis von Zeit haben werden. Rabbiner Sforno schreibt: „Von nun an werden die Monate euch gehören…. Im Gegensatz zu den Tagen der Sklaverei, als eure Tage nicht euch gehörten, sondern dem Dienst und dem Willen anderer unterworfen waren. Deshalb ist dies für euch der erste der Monate des Jahres. Denn mit ihm beginnt eure freie Existenz.“ Rabbiner Sforno bemerkt, dass für einen Sklaven Zeit keine Bedeutung hat. Denn die Bedeutung von Zeit liegt nicht darin, dass sie einfach so vergeht, sondern eben darin, was wir tun, während sie vergeht. Nur wenn wir die Freiheit der Wahl haben, hat Zeit für uns eine Bedeutung.

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30JAN2025
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Ideen lassen sich nicht töten. So wie die Gedanken frei sind, so lassen sich Ideen nicht einfach töten, einsperren oder vergessen machen! Zum Glück.

Heute vor 76 Jahre wurde Mahatma Gandhi getötet. Der Mensch, der sein Leben lang für Gewaltfreiheit eingetreten war.

Sieht es zunächst wie ein Sieg der gnadenlosen, sinnlosen Gewalt aus - der Verfechter der Gewaltfreiheit wird durch brachiale Gewalt getötet – wird doch schließlich klar: Es war kein endgültiger Sieg. An jedem Tag, in jeder Stunde nehmen sich Menschen auf der ganzen Welt Gandhi als Vorbild. Sie orientieren sich an ihm, folgen seinem Weg der Gewaltlosigkeit, anstatt in der Gewaltspirale zu versinken.

Gandhi wurde erschossen, aber seine Einstellung, sein Leben inspirierte viele Menschen – bis heute.

Schon viel früher als Ghandi predigte und lebte Jesus die Feindesliebe und den Ausstieg aus der Gewaltspirale. Seine Aufforderung seinem Gegenüber auch die linke Backe hinzuhalten, wenn man auf die rechte Backe geschlagen wurde, hat viele Menschen inspiriert und – durchaus verständlich -auch irritiert. Aber diese Tradition der Gewaltlosigkeit, des Durchbrechens der klassischen Eskalationsspiralen, lebt an vielen Orten dieser Welt weiter. In Klöstern und Kommunitäten, auf anderen Kontinenten und in anderen Kulturen und ist bis heute eine Idee, die nicht stirbt. Es ist eine Idee, die man nicht einsperren kann, die nicht tot zu kriegen ist.

Solange es Menschen gibt, die Gewaltlosigkeit zu ihrer Grundhaltung machen, die sie leben und dafür auch massive Konsequenzen in Kauf nehmen – solange lebt die Idee, bietet sie eine Alternative im Denken und Handeln an. Die Idee eröffnet neue Verhaltensspielräume und Möglichkeiten. Nicht alle von uns können dies so konsequent leben wie Jesus oder Ghandi, aber immer mal wieder anders zu handeln als erwartet, auszusteigen aus der Eskalation und der Eskalationsspirale – nicht Aug um Auge, Zahn um Zahn, sondern gnädig sein und Neuanfänge ermöglichen. Das können wir alle. Ich kann meinem Gegenüber nochmal eine Chance geben, ihr also die andere Backe hinhalten und dadurch den Konflikt überraschend unterbrechen.

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29JAN2025
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„Im Westen nichts Neues“ – heute vor 96 Jahren kam das Buch über die Schrecken des Ersten Weltkriegs auf den Markt und die erste Auflage war schon durch Vorbestellungen verkauft.

Ein Erfolg – der sich mir nicht wirklich erschließt. Verstehen Sie mich nicht falsch, mich hat das Buch beeindruckt, es war bei uns Schullektüre. Es hat mich beeindruckt und erschüttert. Aber wenn ich mir vorstelle, dass ein Buch wie dieses kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs veröffentlicht und innerhalb von 11 Wochen 450.000-mal verkauft wird. Dann irritiert mich das zunächst.

Heute wird der Buchtitel manchmal als Ausdruck für Ereignislosigkeit genutzt. „Na, wie läuft’s?“ „Im Westen nichts Neues“ 

Wenn ich das höre, versetzt mir das jedes Mal einen Stich. Denn mit dieser Floskel verdampft das Schicksal so vieler Menschen, das in diesem Buch thematisiert wird, zu einer Banalität:  „Im Westen nichts Neues“.

Betrachtet man nicht den Einzelfall, und geht man in der Perspektive eine Etage höher, dann kennt man die Geburtszahlen und Sterbezahlen der Städte, Bundesländer und Länder. Als Teil einer Statistik ist es ereignislos, wenn die Zahlen keine statistisch auffälligen Ausrutscher haben. Ist man aber persönlich direkt betroffen, erlebt man vielleicht gerade ein Wunder. Oder einen tragischen Abschied.

Ich glaube genau dieses Gefühl, den Blick auf das einzelne Schicksal und gleichzeitig die Auswirkung auf die ganze Welt hat das Buch „Im Westen nichts Neues“ unfassbar gut eingefangen.

In diesem Spiel mit den Perspektiven spiegelt sich vieles, was Menschen über Gott denken und auch an ihm zweifeln lassen.

Das biblische Versprechen, dass Gott die Menschen liebt, gibt er auf beiden Ebenen: Er gibt es am Anfang der Bibel als Generalversprechen für die Menschen und seine ganze Schöpfung und er gibt es jedem einzelnen Menschen, im Versprechen bei ihm zu sein und jeden anzusehen und zu begleiten.

Diese Liebe verbindet das Große und das Kleine. Das gibt mir Hoffnung, denn Gott freut sich mit mir an den Wundern des Lebens, und trauert mit beim Abschied. Begleitet in den Tod und darüber hinaus. Und so kann ich auch die Hauptperson in dem Buch – Paul Bäumer – bei Gott geborgen wissen – auch wenn der Heeresbericht am Tag seines Todes im Krieg sich auf den Satz beschränkte, „im Westen nichts Neues zu melden“.

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