Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

    

SWR2

 

SWR3

 

SWR4

      

Autor*in

 

Archiv

SWR1 3vor8

18OKT2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Kleider machen Leute. Ich finde, das stimmt. Manchmal erlebe ich das, wenn ich einen neuen Pulli kaufe oder womöglich sogar einen neuen Mantel. Wenn die Farbe meinen Teint belebt, wenn der Schnitt die Stärken meiner Figur hervorhebt und die Schwächen verdeckt, wenn der Stoff sich angenehm trägt und ich mich richtig wohl fühle in dem neuen Teil: dann fühle ich mich irgendwie anders, schöner, harmonischer, zufriedener. Selbstbewusster. Ganz anders als in den alten Klamotten vorher. Beinahe wie ein neuer Mensch. Kleider machen Leute.

Der christliche Glaube verspricht so ein neues Kleid, in dem man sich wie ein neuer Mensch fühlen kann. Nicht nur äußerlich, sondern innen. Heute wird das in den evangelischen Gottesdiensten vorgelesen und in der Predigt ist davon die Rede (Eph 4, 22-32). Ihr könnt den alten Menschen ablegen, wird im Epheserbrief versprochen. „Lasst euch stattdessen dadurch erneuern, dass Gottes Geist in eurem Verstand wirkt. Und zieht den neuen Menschen an wie ein neues Kleid“

Zum Zeichen dafür haben die Menschen damals, wenn sie als Erwachsene getauft wurden, ein weißes Gewand angezogen. Heute gibt es das manchmal noch, wenn Babys getauft werden. Ein weißes Taufkleid. Was vorher war, ist vorbei. Ein getaufter Christ kann als ein neuer Mensch leben. Sich aufrichten und energisch und selbstbewusst neu anfangen – wie mit neuen Kleidern.

Wer sich für Gott öffnet und für seinen Geist, der verändert sich. Der wird ein neuer Mensch. Der kann wie ein neuer Mensch leben. Das ist die Idee. Das schafft man nicht aus eigener Kraft. Es ist nicht so einfach, sich zu ändern. Aber Gottes Geist, um den kann man jeden Tag neu bitten. Der kann in meinem Verstand wirken und mich verändern.

Wie das aussehen könnte? Vielleicht so: Ein Ehepaar muss sich nicht mehr anschreien, sondern kann miteinander nach Lösungen suchen, wenn es Probleme gibt. Am Arbeitsplatz höre ich auf zu meckern und versuche mit konstruktiven Beiträgen etwas zu verbessern. Ich lasse meinen Frust nicht an den anderen raus, weil ich ja irgendwohin muss damit, sondern ich suche nach dem, was Hoffnung macht und nach Energie, neu anzufangen. Ich schimpfe nicht mit nachtragendem Ärger, sondern versuche es mit nachgetragener Liebe.

So könnte es sein, wenn ich als neuer Mensch lebe. Ich muss nicht bleiben, wie ich in meinen alten Klamotten war: bitter und nachtragend und ein bisschen muffig. Gottes Geist macht einen neuen Menschen aus mir – wirksamer als jedes neue Kleid. Und das nicht nur einmal. Ich kann immer wieder neu anfangen als neuer Mensch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31882
weiterlesen...

SWR4 Feiertagsgedanken

03OKT2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

30 Jahre deutsche Einheit wird heute gefeiert. Zentral in Potsdam und sicher auch anderswo. Die Menschen schauen zurück auf diese dreißig Jahre. Die Freude am Anfang, als die Mauer aufging. Die Freude derer, die endlich reisen konnten und sagen, was sie sagen wollten. Die Fehler, die gemacht wurden: die Treuhandanstalt. Die Abwicklung so vieler Betriebe in der ehemaligen DDR. Die Abwanderung der Menschen von dort, der Arbeit im Westen hinterher. Die wachsende Unzufriedenheit hier wie dort. Es war zu wenig, was man für uns getan hat, sagen die einen. Die Einheit kostet viel Geld und trotzdem sind die Menschen unzufrieden, sagen die anderen. „Jammer-Ossis“ und „Besser-Wessis“ waren und sind pauschale Schimpfworte. Immer noch.

30 Jahre deutsche Einheit. Sicher wird auch wieder zurückgeschaut darauf, wie das damals gekommen ist: Die Friedensgebete in Leipzig, Halle und anderswo haben maßgeblich dazu beigetragen. Zuerst haben Tausende in den Kirchen um Frieden gebetet und um Freiheit. Dann haben sie Mut gefasst und auf den Straßen für Freiheit und Demokratie demonstriert. Und viele haben sich angeschlossen. Im November 1989 waren es allein in Leipzig 150.000, die gerufen haben „Wir sind das Volk“ und dann auch „Wir sind ein Volk“.

Viele haben sich rausgetraut und Verbesserungen gefordert. Mich erinnert das an eine Geschichte, die von Jesus erzählt wurde. Da waren es nicht Tausende, aber immerhin zehn Männer, die ihn gebeten haben: „Hilf uns doch“. Die Männer waren schwer und ansteckend krank, mussten in Quarantäne leben, weit weg von den Gesunden. Weit weg von ihren Familien. Sie bitten Jesus und der ermutigt sie: „Geht zu den Hohepriestern“.  Also: „Zeigt euch. Versteckt euch nicht länger mir Eurem Leiden. Zeigt, was ihr braucht und was ihr wollt.“ Da gehen die 10 kranken Männer los. Sie trauen sich. Gehen auf die Straße, wo sie sich sonst nicht sehen lassen durften. Jetzt können alle sie sehen. Können wahrnehmen, wie es ihnen geht. Und noch während sie unterwegs sind, werden die Männer gesund!

Ein Wunder war das, erzählt die Bibel. Aber könnte man nicht auch sagen: Wenn man sich traut, wenn man sich zeigt mit seinem Leiden und seinen Bedürfnissen, dann findet man Hilfe? Wahrscheinlich nicht immer. Viele beten und bitten und nichts geschieht. Und Demonstrierende werden manchmal auch verhaftet und eingesperrt oder aus dem Land geschafft.

Damals aber, bei den 10 kranken Männern wurde es gut. Und für die Demonstrierenden in Leipzig und in den anderen Städten auch Das DDR-System war am Ende. Die Mauer zwischen Ost und West wurde niedergerissen. Und heute feiern wir 30 Jahre deutsche Einheit.

 

Und jetzt? 30 Jahre danach? Müssten die Beter und die Demonstrierenden von damals heute nicht singen: „Nun danket alle Gott!“ und statt Friedensgebete abzuhalten, Dankgottesdienste feiern? Auf die Idee allerdings kommt kaum jemand. Nicht im Osten und nicht im Westen. Die meisten würden sich wohl dagegen verwahren, die deutsche Einheit irgendwie mit Gott in Verbindung zu bringen.

Gewiss, der Glaube ist nicht dazu da, die Verhältnisse im Land heilig zu sprechen. Aber dass es den Menschen gut geht, dass sie frei und befreit leben können, dafür will Gott sorgen. „Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch eure Last abnehmen.“ Das hat Jesus versprochen. Dazu muss man sagen, was nicht in Ordnung ist. Den Menschen geht es immer nur dann gut, wenn es dem ganzen Land gut geht. Deshalb beten Christen um Frieden und Gerechtigkeit – heute wie damals.

Die Bibel erzählt, wie Jesus zu seiner Zeit zehn kranken Männern geholfen hat. Aber nur einer kam zurück und hat sich bedankt. Und die anderen? Wahrscheinlich haben die versucht nachzuholen, wozu sie vorher keine Gelegenheit hatten. Vielleicht waren sie sauer, weil sie soviel im Leben verpasst haben? Warum hatte Gott ihnen das zugemutet, diese vielen Jahre. Und steht ihnen jetzt nicht ein Ausgleich zu – müsste jetzt nicht viel mehr für sie getan werden? Die neun gesund gewordenen haben offensichtlich keinen Grund gesehen, sich zu bedanken.

Nur der eine, der Zehnte, der bedankt sich. Ist glücklich über das, was er bekommen hat. Freiheit. Neue Lebensmöglichkeiten. Er fühlt sich beschenkt. Gesegnet vielleicht. Und Jesus sagt zu ihm: „Dein Glaube hat dir geholfen!“.

Was das heißen soll? Vielleicht: Wer dankbar ist, muss auch erst einmal zurechtkommen mit dem, was sich verändert hat. Das ist nicht einfach. Aber wer dankbar ist, der ist nicht unzufrieden. Unzufriedenheit lähmt.

Natürlich kann und muss man sagen, was nicht gut läuft und was besser werden könnte. Aber wer dankbar ist, nörgelt nicht herum. Der sagt nicht: Ich wusste es ja, das ganze Leben ist ungerecht. Und ich kann sowieso nichts machen. Wo Menschen dankbar sind, da ist die Stimmung besser. Da sieht man, was geschafft ist und besser geworden. Da sieht man, dass es besser werden kann. Dass man etwas tun kann. Vielleicht auch, dass Gott helfen kann, wenn man ihn bittet. Dankbarkeit motiviert zum Leben. Ich finde, wir haben allen Grund, dankbar zu sein für unser Land.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31774
weiterlesen...

SWR1 3vor8

20SEP2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Am Anfang war das Paradies, erzählt die Bibel. Da hat Gott die Menschen geschaffen. In der Sprache der Bibel: „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ (1. Mose 2,7) In den evangelischen Gottesdiensten wird das heute vorgelesen und in der Predigt erklärt.

Alles menschliche Leben hat damit angefangen, dass Gott Menschen geformt hat. Das ist keine biologische Erklärung, sollte es wahrscheinlich auch nie sein. Das ist eine Erzählung darüber, was Menschen sind. Gottes Geschöpfe. Gott gibt ihnen Gestalt – und: er haucht ihnen seinen Atem ein. Dadurch erst sind die Menschen lebendige Wesen. Wesen, die den Atem Gottes in sich haben, seinen Geist. Was Menschen lebendig macht, das ist der Geist Gottes. Und wir Christen glauben: Das gilt für uns alle, für Sie und mich, für Schwarze und Weiße, für Juden, Muslime, Christen und alle anderen. In jedem Menschen lebt Gottes Geist.

Gott wendet sich den Menschen zu – dadurch werden sie lebendig. So, wie bis heute jeder von uns angewiesen ist darauf, dass sich andere zuerst einander und dann ihm zuwenden. Eltern, aus deren liebender Vereinigung ein Kind entsteht. Und die sich dann diesem Kind zuwenden und es aufziehen. Ohne diese Zuwendung wäre ja keiner von uns am Leben.

Die Schöpfungsgeschichte ganz am Anfang der Bibel erzählt: So war das von Anfang an. Am Anfang hat Gott die Menschen lebendig gemacht. Und allen seinen Geschöpfen hat Gott eine Aufgabe gegeben. Sie sollen seine Schöpfung, seine Erde bebauen und bewahren. Bebauen also: Es sich bequem machen. Säen und ernten, Häuser bauen, Maschinen erfinden, damit das Leben leichter wird und schöner. Und: die Schöpfung bewahren. Nicht ausbeuten, nicht zerstören, nicht verschmutzen und nicht alles verbrauchen, wovon doch auch die Menschen nach uns leben sollen. Gott traut uns Menschen das zu, dass wir das schaffen, erzählt die Bibel. Das klingt wunderbar. Ich finde: Es ist kein Wunder, dass die Sehnsucht nach dieser paradiesischen Welt in uns allen noch immer lebt. Und es ist wunderbar, dass diese Sehnsucht wenigstens ab und zu in besonderen Momenten gestillt wird.

Aber Sie und ich, wir wissen auch: Wir Menschen sind nicht mehr wie die unschuldigen Kinder im Paradies. Wir haben dazu gelernt. Gutes. Und leider auch Böses. Wir haben gelernt, unseren Vorteil zu suchen und uns durchzusetzen gegen andere. Die Schöpfung auszubeuten. Jetzt ist die Welt nicht nur Paradies. Leider. Aber das ist eine andere Geschichte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31682
weiterlesen...

SWR1 3vor8

23AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Darf man zufrieden mit sich sein? Zufrieden mit dem, was man geschafft und geleistet hat, dankbar für das, was man kann und erreicht hat? Oder gehört sich das nicht? Man könnte das meinen, wenn man Jesus hört.

Der hat einmal zwei Männer miteinander verglichen (Lk 18, 9-14). Der eine war voller Selbstbewusstsein, stand im Tempel und dankt Gott. Dankt dafür, dass er ein anständiger Mensch geworden ist. Kein schwieriges Elternhaus wahrscheinlich, stattdessen eine ordentliche Ausbildung und ein Beruf, der angesehen ist. Der Mann hat es zu etwas gebracht. Und er dankt Gott dafür.

Jesus aber scheint dieses Selbstbewusstsein nicht zu gefallen. Er zeigt auf den zweiten. Der weiß: Ich habe Fehler gemacht. Vieles ist misslungen, oft war ich selber schuld daran. Besser hab ich es nicht hingekriegt. „Gott, sei mir Sünder gnädig“ bittet dieser Mann.

Und Jesus erzählt: „Dieser Mensch geht nach Hause und Gott hat ihm vergeben.“ Gott sieht nämlich die Geknickten an. Niemand soll zerbrechen an dem, was ihm passiert ist oder was er getan hat. Gott löscht nicht aus, was nur noch ganz schwach glimmt. Er facht das Leben neu an. Wer danach sucht, dem schenkt er einen neuen Anfang. Er lässt das Leben neu aufblühen.

Und der andere? Der Selbstbewusste? Was er kann und geschafft hat, das ist vor Gott belanglos, sagt Jesus. Warum das? Weil Gott die Selbstbewussten nicht mag? Warum darf ich mich nicht über das freuen, was ich erreicht habe?

Ich glaube, das ist es nicht. Es geht darum, dass dieser selbstbewusste Typ eigentlich gar nicht zu Gott aufschaut und danke sagt. Er schaut sich um. Und sieht die anderen. Gott sei Dank, sagt er, dass ich so tüchtig bin. Und nicht so ein Versager wie zum Beispiel dieser da! Das, glaube ich, ist sein Problem. Er hält sich für besser als die anderen.

Der Tüchtige meint im Grunde, dass er alles allein geschafft hat. Er sieht nicht die glücklichen Umstände, in denen er geboren wurde. Nicht die sicheren Verhältnisse, in denen er aufgewachsen ist. Vieles, von dem, was ihm widerfahren ist, hat er ja nicht selbst geschaffen. Vieles war einfach Geschenk. Dafür sollte er dankbar sein. Er aber sieht bloß den anderen. Und ist dankbar, dass er nicht so ein Versager ist. Nicht so ein schlechter Mensch. Der andere hat doch selber schuld, wird er denken. Gott sei Dank bin ich nicht so ein Versager wie der da.

Der Tüchtige sieht den anderen bloß als Negativfolie, auf der alle sehen können, wie gut er dasteht. Er sieht nicht, dass er vielleicht helfen könnte. Man könnte etwas für diesen armen Sünder tun. Er könnte etwas tun. Vielleicht hätte dann auch der Arme Grund, für sein Leben dankbar zu sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31546
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

22AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Ich wünsche Ihnen Gottes Segen!“ habe ich neulich zu einer jungen Frau in Leipzig gesagt. „Gottes Segen für Sie und ihr Kind!“ Ich kannte die junge Frau gar nicht, sie war eine Freundin meiner Schwiegertochter. Aber sie war sichtbar hochschwanger und ich hatte das Bedürfnis, ihr Gutes zu wünschen.

Die junge, schwangere Frau war perplex. „Danke!“ hat sie dann gesagt. „Das hat mir noch keiner gewünscht. Das ist bestimmt gut. Das können wir vielleicht brauchen.“

Da war ich perplex. Bestimmt hatte die Schwangere schon viele Ratschläge bekommen, sie hatte vermutlich Yoga für Schwangere gemacht, einen Geburtsvorbereitungskurs besucht. Wahrscheinlich hatte sie verschiedene Geburtskliniken angeschaut und am Ende eine ausgesucht. Aber neun Monate lang hat keiner Sie auf Gottes Segen und Beistand hingewiesen.

Dabei scheint mir das ganz wichtig in der Zeit der Schwangerschaft. Segen kann ganz verschieden aussehen: Während des Corona-Lockdowns war es für viele eine große Sorge, dass sie ihr Kind womöglich ohne die Nähe des Vaters zur Welt bringen müssten. Es ist ein Segen, dass die Väter jetzt wieder dabei sein dürfen. Wenn man nicht weiß, was auf einen zukommt, dann braucht man Menschen, die für einen da sind. Menschen, die einen klaren Kopf behalten und einem Mut machen, wenn man selbst nicht mehr kann.

Es hilft auch gegen die Sorgen, wenn eine werdende Mutter weiß: Gott begleitet mich. Sein Segen behütet mich und mein Kind. Das macht stark!

Schon Eva, nach der Bibel die Mutter aller Lebendigen, hat das erlebt. „Mit Gottes Hilfe habe ich einen Sohn geboren“ (1. Mose 4,1) hat sie gesagt, als sie ihr erstes Kind im Arm hielt. Und Maria, die Mutter von Jesus, hat darauf vertraut, dass Gott sie nicht im Stich lassen wird. „Fürchte dich nicht, du hast Gnade bei Gott gefunden“ hatte ein Engel ihr angekündigt. So konnte sie Ja dazu sagen, dieses besondere Kind zur Welt zu bringen.

„Das können wir vielleicht brauchen!“ hat mir die junge Frau in Leipzig gesagt. Gerade heute haben viele Schwangere Angst und machen sich Sorgen.. 80% aller Schwangerschaften gelten laut Mutterpass als Risikoschwangerschaften, habe ich gelesen. Weil man viel mehr weiß von möglichen Gefahren, werden anscheinend die Sorgen großer. Früher hat man gesagt, Schwangere sind „Guter Hoffnung“. Vielleicht ist das leichter, wenn man auf Gottes Segen vertraut. In diesem Sinn, wenn sie Mutter oder Vater werden, Oma oder Opa, Onkel oder Tante: Ich wünsche ihnen Gottes Segen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31500
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

21AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Der Weg zum Glück fängt oft mit Aufzählungen an. 10 Tipps für eine glückliche Ehe. 6 Ratschläge für einen gelungenen Ruhestand, 5 für einen erholsamen Urlaub.

Auch Jesus hat Wege zum Glück genannt. 8 Wege zum Glück. Ich denke an die sogenannten Seligpreisungen. 8 Merksätze, mit denen die berühmte Bergpredigt anfängt. „Selig sind“. Menschen die sie befolgen. Genauer müsste man da eigentlich „glücklich sagen, oder „wohl denen“. Die 8 Wege zum Glück, die Jesus nennt, gehen so, ich sag‘s mal mit meinen Worten

Glücklich sind, die von Gott viel erwarten, sie werden in Gottes Welt leben.
Glücklich sind, die Leid tragen, sie sollen getröstet werden.
Glücklich sind die auf Gewalt verzichten, denn sie werden das Erdreich besitzen.
Glücklich sind, die nach Gerechtigkeit hungert und dürstet, sie sollen satt erden.
Glücklich sind die Barmherzigen, Gott wird mit ihnen barmherzig sein.
Glücklich sind, die keine Hintergedanken haben, denn sie werden Gott sehen.
Glücklich sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Glücklich sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, sie werden mit Gott in seiner neuen Welt leben. (Mt 5, 3-9)

Achtmal guter Rat für den Weg zum Glück aus der Bergpredigt.
Naja, sagen Sie jetzt vielleicht, für solches Verhalten müsste man ja ein Heiliger sein oder eine Heilige. So kommt man vielleicht in den Himmel. Aber im Alltagsleben kann das nicht funktionieren:  Wer kann schon immer barmherzig sein, von keinem etwas verlangen und für alles Verständnis haben? Wer hat nie Hintergedanken, wenn er etwas tut? Und kann man wirklich in jeder Situation auf Gewalt verzichten?

Ich glaube aber doch, dass man mit Jesu Ratschlägen glücklich werden kann. Weil er nicht nur mein persönliches Glück im Auge hat, sondern das gute Zusammenleben von uns allen. Nur wenn das gut ist und stimmt, kann auch ich selber glücklich werden. Weil ich dann darauf hoffen kann, dass auch die anderen barmherzig mit meinen Fehlern sind. Und ich zum Beispiel nicht misstrauisch immer damit rechnen muss, dass sie mich mit Hintergedanken über den Tisch ziehen.

Ich gebe zu, ganz einfach ist das nicht, auf dem 8fachen Weg Jesu das Glück zu suchen. Und ich selber schaffe das auch nicht immer. Aber ich spüre dann, wie es mich und andere unglücklich macht.

Seine Ratschläge zeigen mir: Jesus traut uns Menschen das zu. Und vor allem: Er lässt uns nicht allein mit dieser Aufgabe. Sein Geist ist bei uns, alle Tage, bis zum Ende der Welt. Das hat er versprochen, damit wir den Weg zum Glück finden. Darauf hoffe ich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31499
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Einer trage des anderen Last!“ so beschreibt der Apostel Paulus, wie Menschen sich verhalten sollen. An die christliche Gemeinde hat er das geschrieben, ganz am Anfang: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen!“ Also: Die unterstützen, die allein nicht zurecht kommen. Denen beistehen, die nicht mehr weiter wissen, weil ihre Probleme wie ein Berg vor ihnen stehen.

Oft geht es um ganz einfache Dinge. Der alten Nachbarin ab und zu geduldig zuhören zum Beispiel. Sie hat niemanden, dem sie erzählen kann, was sie in 50 Jahren in diesem Haus erlebt hat. Oder beim Konzert in der Kirche oder bei der kostenlosen Open-Air-Theatervorstellung am Schluss reichlich geben. Die Künstler sind in dieser Zeit auf Unterstützung angewiesen. Sie haben keine Möglichkeit, im normalen Betrieb ausreichend zu verdienen. Eine reichliche Spende hilft ihnen, ihre Last zu tragen.

Man könnte noch viel mehr nennen. Ich finde: So schwer ist das nicht, die Last des anderen mitzutragen. Und das Zusammenleben wird leichter. Die Nachbarin ist freundlicher, seitdem ich mich manchmal mit ihr unterhalte. Und wenn die Künstler nicht pleitegehen, haben wir auch im nächsten Jahr noch Unterhaltung und Anregung durch ihre Kunst.

So schwer ist das alles nicht. Deshalb wundere ich mich immer wieder, dass manche es als Zumutung empfinden. Ich habe mit mir selbst genug zu tun, sagen sie. Und in meiner Freizeit will ich frei sein und nicht irgendwelche Forderungen erfüllen. Auch nicht „das Gesetz Christi“.

Ich verstehe das: Es belastet einen, wenn man merkt, wie schwer andere es haben. Davon wollen manche einfach nichts sehen und nichts hören.

Natürlich steht es jedem frei, ganz für sich allein zu leben. Das „Gesetz Christi“ findet sich ja auch in keiner Gesetzessammlung. Es ist mehr eine Frage von Moral und Ethik. Und manche finden auch „einer trage des anderen Last“, das gilt nur für Christen.

Ich habe von einem Schaffner gelesen, der hat das anders gesehen. Immer, wenn er ein Abteil betrat, hat er erlebt, wie die Reisenden erst einmal ihre Masken hochgezogen haben. Von den Gesichtsmasken fühlen sich ja viele in ihrer Freiheit eingeschränkt. Dieser Schaffner hat schließlich gesagt:

"Wegen mir müssen Sie Ihre Masken nicht aufsetzen. Es geht hier nicht um irgendeine bescheuerte Schikane der Deutschen Bahn, sondern um Ethik. Sie schützen Ihre Mitmenschen und sich selbst. Das nicht zu tun, ist asozial." Ich finde: Genauso ist es.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31498
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Im August 1520 sollte Demokratie in die Kirche einziehen. Vor genau 500 Jahren. Da erschien die Schrift: „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“, innerhalb weniger Monate kamen wohl an die 70.000 Exemplare davon in Umlauf. Für die damalige Zeit war das eine ungeheure Zahl.

Verfasser der Schrift war der noch relativ junge Theologieprofessor Martin Luther. Er hatte erlebt, dass vieles in der Kirche die Menschen klein hielt und unmündig. Zunächst hatte er versucht, eine Reform von innen zu erreichen. Aber das schien aussichtlos und so wandte er sich jetzt an die Fürsten, den „christlichen Adel“. Sie sollten die Kirche reformieren, so dass die Menschen nicht in Angst und Schrecken versetzt, sondern ermutigt und für ihren Alltag gestärkt würden.

Grundlage war für Luther die Einsicht, dass alle Christen gleichen Standes seien. Alle, die getauft sind, sind gleich, alle könnten Priester, Bischof, ja sogar Papst sein. Zwar gibt es verschiedene Ämter, zu denen die Amtsinhaber hoffentlich begabt sind und ausgebildet werden. Aber es gibt keine besseren und schlechteren Christenmenschen. Luther hatte diese für damals revolutionäre Idee aus der Bibel. Im 1. Petrusbrief hatte er gelesen: „Ihr seid die königliche Priesterschaft… das heilige Volk. Ihr sollt die Wohltaten Gottes verkündigen.“ (1. Petr 2,9) Das war in der Zeit der ersten Christen zu allen Glaubenden gesagt. Und Luther fand: Das gilt noch heute! Alle Glaubenden sollten an der Gestaltung der Kirche beteiligt werden.

Für Luther hatte das tiefgreifende Konsequenzen, die er in 27 Sätzen darlegte. Ein paar davon will ich ihnen nennen:

Klöster sollten wieder das sein, was sie einmal waren: Schulen, in denen Leute gebildet wurden, damit sie regieren und predigen könnten. Das Pflichtzölibat sollte aufgehoben werden. Die Einhaltung der Fastenzeiten sollte freiwillig sein. Ablassbriefe sollte es nicht mehr geben. Zinsgeschäfte sollten unterbunden werden. Und last not least: Bordelle sollten geschlossen werden.

Das waren Reformen nicht nur in der Kirche, sondern auch Reformen der Gesellschaft, die Luther vorschlug. Über manches davon wird bis heute diskutiert, manches ist längst passiert. Luther hat sich vorgestellt, dass die weltlichen Fürsten das alles durchsetzen könnten. Obwohl: Eigentlich hätten alle Menschen dafür ja gemeinsam beraten müssen, wie man Änderungen einführt. Das war Luther aber wohl zu unsicher, die wenigsten konnten damals schreiben und lesen. Gut aber, wenn seine Reformideen nicht in Vergessenheit geraten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31497
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Ihre Beiträge im Radio sind zu politisch!“ schreibt mir manchmal jemand, „kein Wunder, dass die Menschen aus der Kirche austreten. Die Kirche ist für die Seele zuständig, nicht für die Politik.“

„Ihre Beiträge sind zu unpolitisch-fromm!“ schreiben andere, „kein Wunder, dass so viele aus der Kirche austreten. So eine belanglose Kirche braucht niemand.“

Es ist wahr: im vergangenen Jahr sind über eine halbe Million Menschen aus den Kirchen ausgetreten. Sicher nicht alle wegen mir. Aber natürlich ist das für jemanden wie mich erschreckend. Ich weiß natürlich auch: Der Missbrauchsskandal ist unerträglich. Und in meiner Kirche geht manches schrecklich langsam und vieles ist rückwärtsgewandt. Viele möchten, dass alles so bleibt, wie es immer war. Das geht auch mir manchmal auf die Nerven. Denn: war früher wirklich alles besser?

Trotzdem meine ich: Weglaufen ist eigentlich nie eine Lösung, auch wenn es gerade im Trend liegt, aus der Kirche auszutreten, besonders für junge Leute. Trotzdem: Nur wer bleibt und sich kritisch engagiert, kann die Kirche verändern: dass sie engagierter wird in Fragen unseres Miteinanders. Oder innerlicher und spiritueller – vielleicht am besten beides. Manchmal ist das eine nötig, manchmal das andere.

Warum sollte ich, fragen da manche. Warum soll ich mich engagieren und die Kirche verändern? Sicher ist: Viele Ausgetretene glauben auch. Aber ich meine, damit man sich nicht gefangen bleibt, in dem, was man sich so denkt, braucht man andere. Eine möglichst bunte und vielfältige Gemeinschaft, in der Fragen gestellt werden. In der auch der eigene Glaube manchmal hinterfragt wird, damit man sich nicht in Sektengeheimwissen und Verschwörungstheorien verrennt.

Und außerdem: Es gibt viele Hilfsprojekte im In- und Ausland, die die Kirchen betreuen: für Obdachlose und für Prostituierte, für Behinderte, für viele, die sonst allein wären. Die Kirchen haben Besuchsdienste für Alte und in Altenheimen, Unterstützung für Flüchtlinge und noch  viel mehr, das unsere Welt ein bisschen menschlicher macht. Das unterstütze ich mit meiner Kirchensteuer. Auch darum bin ich in der Kirche.

Glauben braucht für mich auch das Gefühl, nicht allein zu sein. Glauben braucht Unterstützung. Jemanden, der für mich betet, wenn ich es nicht mehr kann. Der mich tröstet und mir von der Welt erzählt, die Gott ‚sehr gut‘ findet, damit ich an die Zukunft glauben kann. Jemanden, der mich aufrichtet mit Musik, mit klugen Worten, mit einem schönen Gottesdienst. Solche Menschen finde ich in der Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31496
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

17AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Ich lasse mir meine Freiheit nicht nehmen. Ich will tun und lassen, was ich will.“ Seitdem der erste Schrecken der Corona-Pandemie vorbei ist, hört man das oft. Jetzt gab und gibt es große Demonstrationen gegen Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen. Und inzwischen, wo alles lockerer geworden ist, gibt es am Wochenende große Partys in den Grünanlagen und immer mehr Menschen sind ohne Maske unterwegs. Ich sehe nicht ein, warum das nötig ist, sagen sie. Ich will tun und lassen, was ich will.

Vor 500 Jahren hat Martin Luther etwas Ähnliches geschrieben,. Im Sommer 1520 kam seine Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ unter die Leute. Bis heute ist das eine der Hauptschriften der Reformation. Was Luther da geschrieben hat, verbreitete sich wie ein Lauffeuer: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan“. Luther hat damals von der Freiheit im Glauben geredet. Wer auf Gott vertraut, der muss sich keinem Menschen unterwerfen. Gott hält sein Schicksal in der Hand und kein Mensch kann daran etwas ändern. Luther hatte das in der Bibel gelesen: „Nichts auf der Welt kann uns von Gottes Liebe trennen“ (Rö 8, 38f) Dieser Glaube hat ihn stark und frei gemacht sogar gegen den Kaiser und den Papst aufzustehen und zu sagen: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge“: Für Luther hieß das aber ganz und gar nicht: Ich will tun und lassen, was ich will. Er hat in seiner Freiheitsschrift nämlich noch einen anderen Satz daneben gestellt. „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Freiheit hat nämlich mit Verantwortung zu tun und mit Nächstenliebe. Christen tun, was dem Nächsten nützt. Christen tun, was das Zusammenleben besser und das Leben der anderen leichter macht. Dazu nutzen sie ihre Freiheit. Christen sind frei. Aber wenn es für andere wichtig und gut ist, dann sind sie bereit, ihre Freiheit einzuschränken. Denn meine Freiheit endet da, wo die des anderen anfängt. Wenn es für Alte und Kranke, wenn es für das Gesundheitssystem besser ist, dann bin ich bereit, Abstand zu halten und die Hände zu waschen und eine Maske anzuziehen.

Wer das nicht will: Nutzt der nicht die Macht der Starken, die meinen, sie beträfe dieses Virus nicht? Ein berühmter Philosoph des vorigen Jahrhunderts (Theodor W. Adorno[1]) hat das „unverschämt“ genannt. Freiheit, die nicht an die Schwachen denkt, ist irgendwie asozial. Oder was meinen Sie?

 

[1] Theodor W. Adorno, Minima Moralia: „Bei manchen Menschen ist es schon eine Unverschämtheit, wenn sie ich sagen“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31495
weiterlesen...