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01JAN2020
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„Im Frieden dein, o Herre mein, lass ziehen mich meine Straßen.“ Ein altes Kirchenlied. Ich mag es sehr. Besonders an diesem Morgen. Dem ersten des neuen Jahres. Ich finde, das kleine Gebet passt zu diesem Tag. Nach all dem Feiern und Böllern der letzten Nacht sind die Straßen heute Morgen nämlich still. Fast verlassen wirken sie. Und laden vielleicht gerade deshalb zu einem Spaziergang durch den kalten Januarmorgen ein. Hin und wieder liegen vielleicht noch die Überreste einer ausgelassenen Party auf dem Weg. Ausgebrannte Feuerwerksbatterien, leere Wein- oder Sektflaschen. Doch heute Morgen wirken sie eher wie ein unwirklicher Kontrast zu all der Ruhe ringsum. Im Frieden lass ziehen mich meine Straßen.

Die Katholiken feiern diesen ersten Januar schon seit mehr als 50 Jahren als „Weltfriedenstag“. Äußerlich mag das auch ganz gut passen, zumindest hier bei uns. Firmen und Geschäfte sind geschlossen. Wer die Möglichkeit hat, kann an diesem ersten Tag des Jahres tatsächlich etwas Ruhe und Frieden finden. Doch die Idee zu einem „Weltfriedenstag“ hatte in den sechziger Jahren der damalige Papst Paul VI. Es waren unruhige Zeiten damals. In Ostasien wütete seit Jahren der Vietnamkrieg. Für die USA, die daran massiv beteiligt waren, ist er noch heute ein Trauma. In Europa löste sich unterdessen die alte Nachkriegsordnung auf. Studenten gingen gegen die alten Eliten auf die Straße, stellten immer lauter die Systemfrage. Ein Hauch von Revolution lag damals in der Luft. Es war auch die Geburt der späteren Terrorgruppe Rote-Armee-Fraktion. In dieser weltweit aufgeheizten Atmosphäre sollte darum am Neujahrstag 1968 ein Welttag des Friedens begangen werden. Und danach immer wieder am ersten Tag eines neuen Jahres. So wollte es Papst Paul VI. Und dennoch: Der Krieg in Vietnam sollte von diesem Tag an noch mehr als sechs weitere Jahre wüten und  Millionen Menschen Leiden und Tod bringen.

Auch wenn der Weltfriedenstag weder damals noch heute Frieden gebracht hat. Überflüssige Folklore ist er in meinen Augen trotzdem nicht. Denn wenn uns Menschen überall auf der Welt eines miteinander verbindet, dann ist es wahrscheinlich dieser sehnliche Wunsch nach Frieden. Nach einem Leben, das nicht ständig von Gewalt bedroht ist. Wo ich ohne Angst um mich und meine Lieben überall hingehen kann. Wo ich frei reden oder schreiben kann, ohne dafür eingesperrt oder bedroht zu werden. Wo es völlig egal ist, welche Hautfarbe oder Religion ich habe. Dieser Wunsch lebt weltweit. Im Frieden dein lass ziehen mich meine Straßen. Dennoch wird dieses Gebet für Millionen Menschen, etwa im Irak,  in Afghanistan oder im Jemen auch heute nur ein frommer Wunsch bleiben. 

MUSIK 

Um den jährlichen Welttag des Friedens am 1. Januar, den der Papst vor über 50 Jahren ausgerufen hat, geht es heute, am Neujahrsmorgen, in den Feiertagsgedanken.

 

Dieser 1. Januar, hier bei uns ist er weitgehend ein ruhiger, ja friedlicher Tag. Für viele andere Gegenden der Welt gilt das leider ganz und gar nicht. Krieg, Unterdrückung, die Verhöhnung der Menschenrechte gehen weiter. Auch heute, in dieser Woche, diesem Jahr. Doch auch hier bei uns sind wir von echtem Frieden noch entfernt. Mit wie viel Hass und Verachtung begegnen sich Menschen inzwischen im Netz und leider nicht nur dort? Die Fähigkeit, einander einfach nur mal zuzuhören, zumindest zu versuchen, den anderen zu verstehen, wird offenbar immer geringer. Die andere Meinung, die andere Art zu leben muss ich ja nicht teilen. Aber versuchen zu verstehen, was den anderen umtreibt. Das wäre immerhin ein Schritt. Ein kleiner Schritt zum gesellschaftlichen Frieden.

Von all dem Unfrieden, den wir über unsern bedrohten Planeten bringen, gar nicht zu reden. Auch daran erinnert mich dieser Tag schmerzlich. Ja, die jungen Leute von Fridays for future haben Recht. Und leider fühle ich mich bei ihren Protesten auch angesprochen. Auch ich kann mich noch nicht zu einem Lebensstil durchringen, der wirklich im Einklang mit der Schöpfung stünde. Mein ökologischer Fußabdruck ist viel zu groß. Ich lebe immer noch zu verschwenderisch, im Unfrieden mit der Erde.

Die Worte des Engels aus der Weihnachtsgeschichte, die wir vor wenigen Tagen vielleicht gehört haben, klingen deshalb heute besonders nach: Friede auf Erden! Damit ist nämlich nicht nur gemeint, dass wir uns doch wenigsten für ein paar Stunden mal nicht die Köpfe einschlagen sollen. Der Wunsch ist viel größer und reicht weiter. Das hebräische Wort Schalom, das wir mit Frieden übersetzen, meint mehr als nur das Schweigen von Waffen, das Ende von Geschrei und Gepöbel. Es meint den Frieden mit der Natur und Frieden in unseren Herzen. Wer Frieden in sich spürt. Wer mit sich selbst, seinen Mitmenschen und seiner Umwelt im Reinen ist, der hat gar keinen Grund mehr, herumzuschreien oder Gewalt gegen andere anzuwenden. Das Kunstwort vom „Wutbürger“ ist für mich darum das krasse Gegenteil eines Menschen, der seinen inneren Frieden, sein Schalom gefunden hat. Denn auch darum geht es heute, am ersten Tag des neuen Jahres. Am Weltfriedenstag. Dass nicht nur all der Hass und die Kriege, die er befeuert, in den nächsten zwölf Monaten ein Ende finden mögen. Sondern dass wir, sie und ich und alle, die es bitter nötig haben, ein wenig von  diesem Frieden Gottes finden. Von seinem Schalom. Im Frieden dein, o Herre mein, lass ziehen mich meine Straßen. Das wünsche ich uns allen für dieses neue Jahr 2020.

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26DEZ2019
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Es gibt Menschen, die wollen etwas schaffen. Etwas Eigenes. Ein Haus bauen. Ein Unternehmen aufbauen. Start up nennen das die jungen Leute, wenn sie eine Idee haben und ein Geschäft daraus machen wollen. Kinder sind für manche auch so etwas: Für die machen Eltern sich stark, dass sie etwas darstellen und es zu etwas bringen. Kinder, auf die man stolz sein kann. Dafür lohnt es sich, zu leben, sagen manche. Dass ich etwas schaffen kann, Ansehen gewinnen und es dann weitergeben.

Andere sind nicht so ehrgeizig. Sie stehen lieber in der zweiten Reihe, sorgen für andere, hüten, was ihnen anvertraut ist. Manchmal auch das, was andere geschaffen haben. Ich denke an Lehrerinnen und Erzieher, an Handwerker, die mir weiterhelfen wenn es irgendwo tropft oder klemmt.

Heute, am 2. Weihnachtstag denke ich an Josef. Der war auch Handwerker. Zimmermann heißt es. Das waren damals die, die den Leuten ihre Häuser gebaut haben. Vielleicht hatte er ein eigenes Geschäft. Vielleicht hat auch er davon geträumt, das einmal an seinen Sohn weiterzugeben. Ein angesehener Handwerker am Ort mit Plänen für die Zukunft. Verlobt war er auch, so gut wie verheiratet. Wahrscheinlich hat er sich gefreut auf das, was er vorhatte.

Und dann das! Sie kennen die Geschichte wahrscheinlich, jetzt an Weihnachten hört man sie ja öfter: Maria, Josefs Verlobte war schwanger. Und er war jedenfalls nicht der Vater. Was wird jetzt aus seinen Plänen?

Anscheinend hatte Maria ihren Verlobten um Hilfe gebeten. Was sollte aus ihr werden und aus dem Kind? Zuerst, heißt es, hat dem Josef das gar nicht gepasst. Etwas annehmen, dass er nicht selber gemacht hatte? Sich fügen in die Pläne eines anderen? Die eigenen Pläne aufgeben und für andere da sein? Josef konnte sich das nicht vorstellen. Aber immerhin: Er war ein anständiger Mann, er wollte seine Verlobte nicht in Gefahr bringen. „Josef“ erzählt die Bibel, „gedachte sie heimlich zu verlassen.“ Damit hätte er quasi die Verantwortung übernommen, ein Vater, der sich aus dem Staub macht. Das gab es natürlich auch damals. Maria wäre dann schon irgendwie durchgekommen. Josef jedenfalls wollte sich und seine Pläne in Sicherheit bringen. Wegrennen, statt sich zu fügen.

Aber dann träumt Josef. Träumt von einem Engel. Und der sagt ihm: Mit diesem Kind kommt Gott in die Welt. Mit diesem Kind kommt das Heil Gottes in die Welt. Das kann man nicht selber machen, dass die Welt heil wird. Das kann nur von Gott kommen - durch dieses Kind. Und dieses Kind braucht einen, der es annimmt und hütet. Einen Vater.

Da hat Josef seine Maria zu sich genommen und die Weihnachtsgeschichte konnte beginnen. Zugegeben, seitdem steht Josef in der 2. Reihe, so wie viele, die für andere da sind. Aber was wäre unsere Welt ohne Menschen wie Josef!

In den Krippendarstellungen sieht man ihn jetzt an Weihnachten oft im Hintergrund stehen. Aber ohne ihn wäre die Geschichte schnell zu Ende gewesen für Maria und ihr Kind.

Menschen, die im Hintergrund stehen und für andere da sind: Früher waren das die Frauen. Kaum einer hat sie beachtet. Aber ohne sie ging nichts. Viele junge Frauen heute wollen das nicht mehr. Sie sagen: ich kann mehr, als immer nur in der zweiten Reihe stehen. Und sie haben Recht. Warum sollen nur die Frauen sich hingeben für andere?

Und ich sehe, es geht auch anders. Ich sehe Söhne, die auch schon Väter sind, und merke: da hat sich etwas verändert. Auch Männer können und wollen für ihre Familie da sein. Sie tollen mit ihren Kindern auf dem Spielplatz herum und wechseln die Windeln und das nicht nur am Wochenende. Sie nehmen Elternzeit und bleiben zu Hause, wenn ein Kind krank ist. Sie reduzieren ihre Arbeitszeit und sind mit weniger Gehalt zufrieden – dafür haben ihre Kinder einen Vater, der für sie da ist.

Manchmal werden die jungen Väter dafür belächelt. So wird das nichts mit der Karriere, sagen andere, die das nicht so machen. Obwohl: Gerade größere Betriebe machen inzwischen vieles möglich, auch für Väter. Aber natürlich: Man verdient weniger Geld. Und manches kann man dann nicht schaffen, was einem Erfolg und Ansehen bringen würde.

Manchmal frage ich mich, wie sie das hinkriegen, die jungen Väter. Ist das eine Typfrage, ob man lieber selbst groß rauskommen will oder für andere da sein?

Ich denke noch einmal an Josef, den Vater von Jesus. Der konnte seine Pläne zurückstellen und neue machen, mit und für die anderen. Der konnte darauf verzichten, sein Leben ganz und gar selbst in der Hand zu haben und alles selber zu machen. Josef hat gesehen, wo er gebraucht wird. Pläne machen und Häuser bauen, das konnten andere auch. Aber für seine Frau und ihr Kind – da war er wichtig. Er und kein anderer. Deshalb hat Josef seine Pläne für sie hingegeben. Für seine Frau und dieses Kind. Etwas ganz Eigenes schaffen, ja, das hätte Josef sicher auch gekonnt. Aber war nicht Gott der Schöpfer der Welt? Und war Josefs Platz vielleicht ein anderer? War es nicht seine Aufgabe, Gottes Geschöpfe zu bewahren? Diese Frau? Dieses Kind?

Das Heil kommt von Gott, hatte der Engel zu Josef gesagt. Durch dieses Kind. Josef hat das glauben können und begriffen: Ich muss nicht alles selber machen. Ich muss nicht Eigenes schaffen, auch nicht Erstaunliches leisten. Ich werde gebraucht und geliebt. Weil ich für andere da bin.

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01NOV2019
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Kennen sie heilige Menschen?

Schnell denken wir heute am Allerheiligentag an Menschen, die in Kirchen auf Podesten, oder auf prunkvollen Bildern buchstäblich als Helden zu bestaunen sind. Längst tot sind sie. Und hoch aufschauen muss ich um ihnen ins Gesicht schauen zu können. Ihr Leben endete oft tragisch, weil sie ihren Glauben bis zur letzten Konsequenz gelebt haben. In allem waren sie perfekt. Unerreichbar stehen sie über mir. Wenn ich vom Leben so mancher Heiliger höre wird mir bang. So kann und so will ich nicht leben. Mir ist das alles zu groß und zu radikal.

Im 9. Jahrhundert schon hat Papst Gregor IV. das Allerheiligenfest eingeführt. Die Zahl der nach ihrem Tod offiziell von der Kirche heiliggesprochenen Menschen war unüberschaubar geworden. Auch wenn manche von ihnen dies eher kirchenpolitischen Erwägungen, oder einer gezielten Lobby, als ihrem eigenen Leben verdankten.

Ein allgemeiner Festtag wurde eingeführt. Für all die vielen Namenlosen, die keinen Platz im offiziellen Heiligenkalender bekamen. Die einfach so verehrt wurden von den einfachen Leuten.

Heilige Menschen. Auch heute gibt es sie. Ganz treu sind sie. Unscheinbar. Ihr Name steht nicht in der Zeitung. Sie möchten nicht als Helden auf Sockel und Podeste gestellt werden.

Ein 85 jähriger Mann in unserer Gemeinde ist für mich einer von Vielen. Jeden Tag fährt er zu seiner Frau ins Altenheim. Zu Hause ging es einfach nicht mehr mit ihr. Ein Schlaganfall veränderte so Vieles vor zwei Jahren. Die gemeinsamen Spaziergänge waren nicht mehr möglich. Der Rollstuhl mehr als ungewohnt. Das Sprechen verstummte. Was jetzt bleibt für die Zwei sind Gebete und Lieder. Und ganz viel Gefühl und Emotionen.

Sie verstehen sich. Ganz oft habe ich die beiden im Gottesdienst schon erlebt. Zugeschaut wie er mit ihr die Kommunion teilt. Ihr die Hände faltet beim Beten.

Wie sie sich die Hand halten mit Tränen in den Augen.

Was ist das Besondere an heiligen Menschen? Ganz einfach kommen sie daher. Sie schämen sich nicht ihrer Menschlichkeit. Sie sind verwundbar. Die Abgründe des Lebens und auch ihre eigenen kennen sie. Bescheiden bemühen sie sich klug und gerecht zu leben. Mutig und berührbar kommen sie uns entgegen. Helden wollen sie nicht sein.

Die jüdische Philosophin Simone Weil meinte einmal: Der Held trägt eine Rüstung, der Heilige geht nackt.

Kennen sie heilige Menschen? Woran kann man sie erkennen? Was ist ihnen heilig?

Und: Gibt es sie überhaupt noch?

Wir sagen manchmal, wenn wir uns über andere Menschen ärgern: Denen ist doch gar nichts mehr heilig! Und wir meinen damit: Die treten die Menschenrechte mit Füßen. Sehen nur Profit. Gehen über Leichen.

Anders herum gefragt: wenn denen nichts mehr heilig ist, was ist dann mir heilig? Der Rapper und Liedtexter Marco Michalzik stellt in einem seiner Texte diese Frage:

Woran denkst Du, wenn Du aufwachst am Morgen?   Was ist dir wichtig? Oder vielleicht könnte ich auch eher sagen, was lässt dein Herz schneller schlagen? Welche Sachen, Dinge, oder Menschen? Wofür wärst du bereit zu kämpfen? Was würd‘ dich auf die Straße treiben? Wofür würdest du Fahne zeigen? Worunter deinen Namen schreiben? Was ist dir wichtig? Ich meine so richtig! Wichtig! Welcher Verlust würde dich unfassbar schmerzen? Vielleicht ist das Wortklauberei, kleinlich, irgendwie schon fast peinlich, doch die Frage ist doch: WAS IST DIR heilig? …

Der alte Mann, der sich so rührend um seine Frau kümmert, würde den Kopf schütteln. Was für eine Frage !? Was mir heilig ist! Die Liebe zu meiner Frau natürlich. Die ist mir heilig. Die hat Bestand. Schon 64 Jahre jetzt. Für meine Frau setze ich mich ein. Ganz treu. Ich werde sie beschützen. Vor allem was da kommt. Bei ihr bleiben. Wohin sie auch gehen muss. Das hab ich ihr doch versprochen.

Heilige Menschen. Mitten unter uns sind sie anzutreffen. Es sind Menschen wie sie und ich und doch ganz besondere Menschen. Die füreinander einstehen. Solidarisch. Weltweit. Mit einem langen Atem. Manche setzen sich ein für die Verständigung zwischen Kulturen und Religionen. Andere gehen auf die Straße. Sie gehen zu den Menschen, die am Rand stehen und so leicht übersehen werden. Nichts ist für sie unmöglich.

Und sie nehmen Verantwortung wahr für ihre Mitmenschen und für die Menschen, die nach ihnen noch leben werden.

Heilige Menschen. Irgendwie machen sie es mir leichter an Gott zu glauben.

Marco Michalzik, der Rapper, stellt am Ende seines Textes Gott selbst die Frage, was ihm denn heilig ist:

Und wenn ich mir die Frage stelle: Was wär Gottes Antwort an der Stelle?

Auf die Frage: Was ihm wichtig ist, wofür sein Herz schlägt, was ihm heilig ist? Und es ist fast unglaublich, glaube ich.

Weil du für ihn heilig bist!

Weil ich es bin und das gibt mir Sinn und Bedeutung.

Lässt mich mein Leben nicht vergeuden. Lässt mich leben hier und heute.

Heilige Menschen. Es gibt viel mehr von ihnen als wir denken. Hier und jetzt. Mitten unter uns. Gottes Liebe macht ihr Herz ganz weit für andere Menschen. Ihr Fest ist heute. Ich wünsche Ihnen einen schönen Feiertag.

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„Mut verbindet“. Das ist das Motto dieses Tages heute: Wir feiern die Deutsche Einheit zum 29. Mal mit einem Fest. Seit dem 3. Oktober 1990 leben wir in einem geeinten Land von Schleswig-Holstein bis Bayern und Baden-Württemberg, vom Saarland bis Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Keine Grenze mehr und keine Flüchtlinge, die ihr Leben riskieren. Keine Pakete mehr nach „drüben“, kein Heimweh mehr von Menschen nach Chemnitz, Magdeburg oder Schwerin, wo sie einmal zu Hause waren. Keine Sehnsucht mehr von Menschen, die nicht nach Italien, nach Paris oder in die Alpen reisen dürfen. Seit 29 Jahren leben wir miteinander in der Bundesrepublik, in Freiheit und immer noch wachsendem Wohlstand und Frieden.

Das alles verdanken wir dem Mut von zunächst einigen wenigen Menschen, die schon ein Jahr davor gesagt hatten: Schluss damit. Wir wollen das Unrecht nicht mehr hinnehmen und die Willkür, mit der man uns voneinander trennt. Wir wollen frei leben und selbst entscheiden können, wohin wir gehen, wo wir wohnen und wie wir leben. So fing es an. Mit Demonstrationen und Massenflucht. Damals war noch ganz unklar, wohin die Entwicklung gehen würde. Ob man die Proteste mit Gewalt niederschlagen, oder ob es einen neuen Staat geben und wie das Leben dann werden würde. So ist das ja immer, wenn etwas Neues beginnt. Man braucht Mut. Und viele machen sich Sorgen.

In jener unsicheren Zeit hat der Jenaer Pfarrer Klaus Peter Hertzsch für die Hochzeit seines Patenkindes ein Lied gedichtet. Man kann es auf die Melodie eines bekannten Kirchenliedes singen. Er wollte die jungen Menschen bestärken, die den Mut hatten in so unruhiger Zeit zu heiraten und eine Familie zu gründen. Sein Lied singen Christen bis heute. Es heißt: „Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist. Weil Leben heißt sich regen, weil Leben wandern heißt. Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand, sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.“ (Evang. Gesangbuch Nr 395)

Damals vor 30 Jahren haben viele Menschen den neuen Wegen vertraut – obwohl niemand genau wissen konnte, wohin es geht. Sie hatten Mut. Ihr Mut hat sie verbunden. Am Ende hat er uns alle in einem vereinten Deutschland verbunden. Seither leben wir in Verhältnissen, um die uns fast die ganze Welt beneidet.

Aber wir haben seither auch erlebt: Mut kann verloren gehen. Es gibt Durststrecken auf dem Weg in die Zukunft, vor allem, wenn es länger dauert, als man erwartet hat. Wenn Menschen auf dem gemeinsamen Weg von anderen übervorteilt werden. Oder wenn nur manche gut vorankommen und andere nicht so schnell mitkommen und sich irgendwann abgehängt fühlen. Dann geht der Mut verloren. Dann kommen Unzufriedenheit und Wut.

 

Ich glaube, das gilt nicht nur für solche Umbruchsituationen wie damals, als aus zwei Staaten einer wurde. Das Leben geht immer weiter. Leben heißt wandern. Stehen bleiben kann man nicht. Man kann nicht irgendwann sagen: „Jetzt reicht es aber. Jetzt habe ich genug getan“. Man kann auch nicht sagen: Jetzt soll bitte die Zeit stillstehen und alles so bleiben, wie es ist. Oder wieder so werden, wie es früher war. Das geht im Privatleben nicht. Und in einem Land auch nicht.

Es gibt immer neue Herausforderungen: Das Leben verändert sich. Und wer stehen bleibt oder sich gar die Vergangenheit zurückwünscht, der bleibt irgendwann enttäuscht und unzufrieden zurück.

Ich glaube, so ist das auch mit unserem Land. Auch da gibt es immer neue Herausforderungen. Inzwischen nicht mehr nur die Einheit und das, was da noch zu tun ist, damit es gleiche Lebensverhältnisse gibt. Da ist auch die Sache mit dem Klima, da sind auch die Geflüchteten, die unter uns leben und ihren Platz finden müssen, es gibt besonders in den Städten Wohnungsprobleme. Ich glaube, stehen bleiben und klagen und sagen: „Das will ich aber alles nicht!“ – das geht nicht. Leben heißt wandern.

Und zum Wandern braucht man Mut. Wer keinen Mut hat, der wird die Wanderung nicht schaffen. Und wenn der Mut verloren geht beim Wandern? Wenn einem die Strecke zu lang wird? Ich glaube, dann hilft es, sich umzuschauen. Wir leben in einem großartigen Land. Wir leben in Frieden. Es gibt Arbeitsplätze mehr als genug. Man wird sie nur besser im Land verteilen müssen. Es gibt Möglichkeiten die Umwelt zu schützen und der Klimaerwärmung etwas entgegen zu setzen. Wo, wenn nicht in unserem Land mit seinen technischen und wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten und dem Erfindungsreichtum der Menschen könnte man daran arbeiten?

Ich denke manchmal: Damals, 1989 haben sie viel Mut gehabt und wenig Möglichkeiten. Und haben so viel geschafft. Heute haben wir viel mehr Möglichkeiten. Was uns fehlt, scheint mir, ist der Mut. Mut, der verbindet. Mut, uns wieder auf den Weg zu machen. Vielleicht können wir uns gegenseitig ermutigen. Die Ostler die Westler, die Wessis die Ossis. Vielleicht können wir die Lasten besser verteilen. Damit auch die wieder Mut fassen, denen der Weg zu lang wird.

Dazu segne Gott unser Land.

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Fronleichnamsdemonstration
Heute gehen Christinnen und Christen auf die Straße. Auf eine Fronleichnamsdemonstration. In der kirchlichen Sprache heißt das Ganze zwar nicht Demonstration, sondern Prozession. Aber im Grunde genommen geht es um das Gleiche. Denn bei der Fronleichnamsprozession gibt es alles, was man so von Demos kennt: Menschen ziehen durch die Straßen, skandieren Sprechchöre, tragen Fahnen. Am Ende gibt es sogar eine Abschlusskundgebung. Die findet allerdings in einer Kirche statt und nicht auf einer Bühne. Menschen verlassen also ihre Häuser, machen öffentlich deutlich, was sie bewegt. Treten ein für das, was ihnen wichtig ist.

Worum geht es bei der Fronleichnamsdemonstration? Christinnen und Christen protestieren. Für das Leben. Genauer: Für das Lebensnotwendige im Leben. Und das tun sie, indem sie eine Hostie durch die Straßen tragen.

Die Hostie ist von ihren Materialien her die allereinfachste Art des Brotes. Die Zutaten: Nur Wasser und Mehl. Mehr nicht. Das Allereinfachste wird bei einer Fronleichnamsprozession allerdings in ein wertvolles Behältnis gesteckt. Die Monstranz. Ein Tragegefäß – meist aus Gold und mit Edelsteinen besetzt. Ein merkwürdiger Gegensatz: Brot und Gold. Aber nur auf den ersten Blick. Denn das allereinfachste Stückchen Brot ist der »vrône lîcham«, der »Leib des Herrn«. Ist also das Kostbarste, was Christen kennen. Zwar denken die christlichen Konfessionen unterschiedlich über dieses Stück Brot. Für die einen ist es ein Symbol für Jesus. Für die anderen ist Jesus in diesem Brot leibhaftig gegenwärtig. Doch ein Gedanke verbindet alle Christinnen und Christen. Dass diese Hostie, dass dieses Brot für das Leben steht.

Kein Wunder. Denn Jesus selbst bricht an seinem letzten Abend mit seinen Freunden das Brot. Teilt es aus. Brot steht für das Leben selbst. Erinnert daran, wie schmackhaft und großartig Leben ist. Ich erlebe das selbst: Ich kann kaum an mich halten, wenn ich ein frisches Brot kaufe. Am liebsten beiße ich da einfach so rein. Das belebt. Und lässt mich erahnen, wie schlimm das ist, wenn Menschen eben nicht einmal so etwas Einfaches wie Brot haben. Wenn ihnen das Allernotwendigste fehlt. In der Fronleichnamsprozession wird dafür demonstriert. Dass alle genug zum Leben haben.

Öffentlicher Glaube

Ich finde Prozessionen gut. Dass man öffentlich zeigt, was einem wertvoll und wichtig ist. Dass man damit nicht hinter dem Berg hält. Leider tun das zu wenige Menschen. Ich mache das auch zu wenig: Sagen, was wichtig und richtig ist. In der öffentlichen Debatte kriegen meistens die Schreihälse die meiste Aufmerksamkeit. Die, die ihre Meinung in allen Kanälen verbreiten. Lautstark. Und oft genug einseitig. Und oft genug, indem andere Menschen herabgewürdigt werden.

Die Fronleichnamsprozession ist da erfrischend anders. Es geht nicht gegen etwas, sondern für etwas: Für das Leben. Es wird nicht laut geschrien, es wird gemeinsam gebetet. Es wird nicht herumgepöbelt, es wird geschwiegen.

Und noch etwas zeichnet Fronleichnam aus: Es geht ums Ganze. Um das, was wirklich zählt und für das Leben wichtig ist. Um Brot als Grundnahrungsmittel, um die Gemeinschaft, die sich auf den Weg macht, um Menschen, die Jesus nachfolgen.

Das habe ich ehrlich gesagt nicht immer so gesehen. Als Jugendlicher waren mir diese öffentlichen Prozessionen peinlich. Ich bin durch die Straßen gegangen und habe geguckt, dass mich keiner sieht. Mittlerweile macht mir das nichts mehr aus. Ganz im Gegenteil. Ich finde das schön, dass der Glaube nicht nur hinter dicken Kirchenmauern oder im Privaten stattfindet. Gott, da ich mir sicher, braucht weder Dach noch Wände. Gott lässt sich auf den Straßen und Plätzen der Dörfer und Städte finden. Überall da, wo Menschen sind. Sich für andere einsetzen. Wo sie Brot sind für andere. Wo sie den anderen Menschen behandeln, als wäre er das Wertvollste auf der Welt.

Wenn an Fronleichnam das Brot in einem kostbaren Gefäß, der Monstranz, durch die Straßen getragen wird, dann wird für mich deutlich, dass alles, selbst so etwas Unscheinbares wie Brot, wertvoll sein kann. Weil es darauf hinweist, dass sich Gott selbst im Allernormalsten finden lässt. Dass kann man ruhig auch einmal öffentlich machen – zum Beispiel an Fronleichnam.

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Soweit sind wir also. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung hat vor wenigen Tagen für Aufsehen gesorgt. Er hatte den Juden geraten, sie sollten sich nicht überall in Deutschland mit der Kippa zeigen. Kippa ist eine kleine Kopfbedeckung, die für Männer jüdischen Glaubens eine große Bedeutung hat. Begründet wurde die Empfehlung mit der "zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung und Verrohung“. Ich finde das ungeheuerlich! Wer Jude ist, muss  sich verstecken, um überall in Deutschland sicher zu sein. Er soll nach außen hin nicht zeigen dürfen, welcher Religionsgemeinschaft er angehört. Darauf gibt es für mich nur eine Antwort: Nein, das darf nicht sein! Wenn das so ist, wenn das so bleibt, versagen wir vor unserer Geschichte Es kann doch nicht sein, dass bei uns wieder braune Parolen auftauchen und Nazi Schmierereien zu lesen sind und man einfach vergisst, was dem jüdischen Volk angetan wurde. Das jüdische Sprichwort stimmt: Vergessen hält die Erlösung auf, Erinnern bringt sie voran.

Es ist dringend notwendig, gerade in kirchlichen Kreisen an einen wegweisenden Beschluss des II Vatikanischen Konzils zu erinnern. Der Oberrabbiner von Rom hat diesen Beschluss  damals eine "Revolution" im Verhältnis der katholischen Kirche zur jüdischen Religion genannt. Nach der verheerenden systematischen Vernichtung der Juden im Dritten Reich, die ohne größeren Protest der christlichen Kirchen  mit brutaler Gewalt durchgeführt wurde, war es höchste Zeit, dass sich die Kirche einerseits zu ihrem Versagen bekennt und andererseits ihr Verhältnis zu den Juden neu bestimmt.

Sie sind nicht die Gottesmörder. Sie sind unsere älteren Geschwister. So hat es Papst Johannes Paul II bei seinem historischen Besuch in der römischen Synagoge gesagt. Ihr Glaube ist die Wurzel, die auch den christlichen Glauben trägt. Jesus, Maria und Josef waren Juden und die Heilige Schrift der Juden ist auch  ein Teil unserer Heiligen Schrift. In den christlichen Gottesdiensten werden die Psalmen gebetet, das gemeinsame Gebetbuch von Juden und Christen. Bei allem Unterschied, das Gemeinsame wiegt schwer und reicht tief. Christen und Juden sollten einander begegnen, voneinander lernen und sich so dann auch besser verstehen. Viele unserer christlichen Feste haben ihre Wurzeln im Festkreis des Judentums, viele ausgezeichnete Zeugnisse in Kunst, Literatur und Musik verdanken wir jüdischen Mitbürgern Wer das jüdische Erbe auslöschen will, löscht einen Teil der deutschen Kultur aus. Und wer gegen die Juden hetzt, zeigt, wie wenig er vom sogenannten christlichen Abendland verstanden hat.

 Teil 2

Juden und Christen begegnen einander. Darüber spreche ich heute in den SWR4-Feiertagsgedanken am Pfingstmontag. Das große Pfingstereignis damals in Jerusalem ist eine faszinierende Geschichte. Menschen unterschiedlicher Herkunft und mit ganz verschiedenen Sprachen begegnen einander und können sich verständigen. Es liegt eine Kraft in der Luft, die Menschen aus allen Ländern/Nationen und mit ganz verschiedenen Kulturen zusammenführt. Sie verstehen sich trotz ihrer Unterschiede, sie  respektieren einander, obwohl sie  sich fremd sind.

Gewiss ist das keine spannungsfreie heile Welt und sicher immer wieder auch anstrengend. Man muss aufeinander hören, statt von vorneherein zu urteilen, man muss es aushalten, dass andere anders sind und anders denken, anders glauben, anders leben als man selbst. Am Pfingsttag zeigt Gott, dass er nicht das Einerlei liebt, sondern die Vielfalt, und dass er den Menschen die Kraft gibt, diese Vielfalt zu gestalten. Das geht nicht ohne eigenen Standpunkt, ohne eigene Überzeugung, ohne klare Identität. Und es geht auch nicht ohne die demütige Erkenntnis, dass man nicht das Maß aller Dinge ist. Gerade am Umgang mit einem Anderen oder Fremden erweist es sich, wes Geistes Kind man ist.

Warum sollte also ein Jude nicht seine Kippa tragen dürfen. Gott sei Dank leben wir in einem Land, in dem  schon von der Verfassung her, jedem die freie Ausübung seiner Religion garantiert wird. Ich freue mich, wenn ich Andersgläubige kennen lerne und etwas von ihren Gebräuchen und Ritualen erfahre. Und ich denke an ein Wort von Benedikt dem XVI, der einmal gesagt hat: “Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt“. Diese Vielfalt müssen wir schützen.

Gerade den Juden gegenüber haben wir eine besondere Verantwortung. Heute können wir nicht mehr schweigen und wegschauen, wenn unsere älteren Geschwister diffamiert und mit neuen Hassparolen überschüttet werden. Aber genauso wenig darf unsere Solidarität  von deren Seite missbraucht werden. Ich bin ein Freund der Juden, ich bin sehr beschenkt von ihrer reichen Tradition und den Zeugnissen ihres Glaubens. Dennoch erlaube ich mir, die israelische Politik zu kritisieren. Auch Kritik ist eine Form des Respektes und der genseitigen Achtung. Unter Geschwistern erst recht.

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Joseph und die Arbeiter
Der erste Mai hat für die meisten Menschen heute nichts mit Glaube zu tun. In der Nacht auf den ersten Mai, der Walpurgisnacht, wird gefeiert, am ersten Mai wird demonstriert und protestiert. Dabei ist dieser Tag eng mit dem christlichen Glauben verknüpft. Zwei Namen stehen dafür: Joseph und Walburga.

Warum Joseph? Dafür muss ich einen kleinen Ausflug in die Geschichte unternehmen. Der erste Mai ist fast überall auf der Welt der Tag der Arbeit. Ein Tag, an dem seit Ende des 19. Jahrhunderts für die Rechte der Arbeiter gekämpft wird. Arbeiter und Kirche, das passt für viele heute nicht zusammen. Und in der Tat: Die Katholische Kirche hat sich im 19. Jahrhundert sehr schwer getan, die Lage der Arbeiter und Arbeiterinnen ernst zu nehmen. Es ist die Zeit der Industrialisierung, der Fließbandarbeit, der Kinderausbeutung. Eine Zeit, in der viele Menschen in die Städte drängen, Arbeit suchen und oft genug bettelarm bleiben. Das Elend der Arbeiterfamilien schreit zum Himmel. Zunächst sind es caritative Organisationen, die sich der Arbeiter annehmen. Dann aber verstehen auch Priester und Bischöfe, dass dieses Elend nicht gottgewollt sein kann. So setzt sich etwa der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler massiv für die Rechte der Arbeiter ein. Stellt sich gegen die Fabrikbesitzer und den Staat. Fordert die Verkürzung der Arbeitszeit, protestiert dafür, dass es Ruhetage gibt und Kinderarbeit in Fabriken endlich verboten wird.

In dieser Zeit entdeckt die Kirche Joseph, den Vater Jesu, neu. Kein Wunder. Joseph wird in der Bibel als Zimmermann bezeichnet. Ein Handwerker. Einer, der weiß, was harte Arbeit bedeutet. Einer, der in bescheidenen Verhältnissen lebt und sich seinen Lebensunterhalt Tag für Tag erkämpfen muss. Dieser Joseph wird für viele Christen zum Leitbild. Er macht deutlich, dass gerade die Menschen, die wenig haben und sich durchs Leben schlagen müssen, dass die Menschen, die von ihrer Arbeit und nicht vom Kapital leben, dass diese Menschen einen besonderen Wert haben. Mit Joseph entdeckt die Kirche die Würde der menschlichen Arbeit und die Würde der Arbeitenden.

Wenn Christinnen und Christen also am ersten Mai an den Arbeiter Joseph denken, dann machen sie das deutlich: Dass sie auf der Seite derer stehen, die ein Leben mit schwierigen Arbeitsverhältnissen, in befristeten Jobs oder in schlecht bezahlten Tätigkeiten führen.

Walburga und die Wunder
In dieser Nacht haben viele Menschen in den ersten Mai hineingefeiert. Haben getanzt oder Maibäume aufgestellt. Die Nacht vor dem ersten Mai heißt Walpurguisnacht. Eine Nacht, in der nach der Volkssage die Hexen ein großes Fest feiern. Doch der Name Walpurgisnacht geht auf Walburga zurück, eine Nonne aus dem achten Jahrhundert. In der Nacht zum ersten Mai wurden ihre Gebeine nach Eichstätt gebracht. Daran wird bis heute gedacht.

Heute ist der Name Walburga aus der Mode gekommen. Aber viele Jahrhunderte lang ist das anders. Walburga wird verehrt. Kein Wunder: Denn die englische Nonne kann mit einer Vielzahl von Wundern aufwarten. Das geht schon bei der Überfahrt von England nach Antwerpen los. Einen gewaltigen Sturm, der das Schiff bedroht, zwingt sie mit Gebeten in die Knie. Später braucht sie nur drei Ähren mit Korn, um ein Kind vor dem Hungertod zu bewahren. Wilde Hunde vertreibt sie mit dem Kreuzzeichen. Und auch gegen Männer setzt sich Walburga zur Wehr. Als sie einmal lange in einer Kirche betet, wird es dunkel. Der Türhüter der Kirche hat keine Lust, mit einer Laterne die Nonne auf ihrem Heimweg zu begleiten. Da strahlt von alleine ein wunderbares Licht auf. Männer braucht die Nonne nicht.

Bis heute lässt sich übrigens eines der Wunder besichtigen. Denn Walburgas Sarkophag in Eichstätt sondert seit fast eintausend Jahren in den Wintermonaten dickflüssige Tropfen ab. Das Walburgisöl. Gilt als besonders heilkräftig und wird in kleinen Flaschen abgefüllt.

Die ganzen Wundergeschichten wirken heute unglaubwürdig. Und doch steckt ein Zauber in ihnen. Der größte Zauber: Da ist eine Frau, die im 8. Jahrhundert ihren Weg geht. Sie braucht keine Männer, die ihr sagen, wo‘s langgeht. Ihr Glaube macht sie frei. Sie kann mit diesem Glauben Berge versetzen – oder eben vor Hunger bewahren und die Nacht hell machen. Ihre Geschichte erzählt mir, was alles möglich ist, wenn Menschen aus ihrem Glauben Mut schöpfen, ihr Leben in die Hand nehmen – und leben. So wie all die Menschen, die feiern und sich ihres Lebens freuen am 1. Mai. Wenn der Frühling durchbricht und neues Leben sich überall zeigt.

 

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Der junge Mann war nett. Er hat sofort angehalten und uns gefragt, ob er irgendwie helfen kann. Wir waren wirklich erschrocken, als es mit unserem Auto batsch gemacht hat. Und wir waren heilfroh, dass da bei dem Unfall jemand bei uns war. Die Zierleiste von der Straße aufgesammelt und die Stoßstange so zurückgebogen hat, dass wir wenigstens nach Hause fahren konnten. Und das abends, im Schneeregen. Der junge Mann hätte ja auch weiterfahren können: Geht mich nichts an. Kann ich nicht. Ist nicht mein Ding. Warum ich?

Leider passiert das ja öfter so. Dass Leute sich drücken, weil sie keine Zeit oder Lust haben oder weil sie einfach zu ängstlich sind. Deswegen gefällt mir die Geschichte von Jona so gut. Die Geschichte steht in der Bibel.
Jona hatte auch eine Aufgabe. Gott hatte ihm den Auftrag gegeben, dass er den Leuten in der großen Stadt Ninive die Leviten lesen soll. Und da hat Jona gesagt: Mein Gott, nein, das mach ich nicht, das kann ich gar nicht, ich tauge nicht zum Propheten. Ich bin nicht der richtige Mann für dich. -  Ans Meer ist Jona gelaufen, rauf aufs nächstbeste Schiff, nur weg. Damit er ja nicht ran muss.

Er hätte sich auch die Krankheit flüchten können oder in die eigenen vier Wände oder in seine viele Arbeit.
Manche machen das ja so. Manche packen sich den Terminkalender voll und machen eine Überstunde nach der anderen, damit sie ja nicht so früh nach Hause müssen. Mit der Familie läufts im Augenblick gar nicht rund. Andere ziehen sich total ins Familienleben zurück, weil ihre Arbeit ihnen keinen Spaß mehr macht und gar nichts mehr so recht gelingt. Andere haben ständig Schwindel und fühlen sich schlapp und kein Arzt kann ihnen sagen, was das nun eigentlich ist. Und dann tauchen manche leider sogar wirklich ab, trinken zu viel. O ne, bitte nicht, das schaff ich nicht. Lasst mich alle.

Genauso wie Jona. Jona, erzählt die Bibel, hat sich sogar über Bord werfen lassen. Als er auf seinem Schiff saß, da ist ein großer Sturm gekommen und hat das Schiff fast zum Kentern gebracht und Jona hat gesagt: Schmeißt mich ins Wasser. Und wenn ich untergehe, auch gut. Dann hab ich wenigstens meine Ruhe.

Aber kann man sich auf Dauer wirklich wegducken vor einer Aufgabe, die dran ist? Zum Glück ist Gott ziemlich kreativ und findet eine Möglichkeit, dass ich doch noch da hin komme, wo ich gebraucht werde.
Bei Jona ist der Wal gekommen, erzählt die Bibel. Wie ein Rettungsboot auf hoher See. Und dieser Wal hat ihn in drei Tagen sicher und behütet Richtung Küste gebracht.´Ich hoffe, dass Gott auch für mich die passende Möglichkeit findet, um mich zu bergen und aufzufangen. Doch, du kannst das, du schaffst das. Mit Gottes Hilfe. 

 

Damals hat Jona zu Gott gebetet, ach was, geschrieen hat er, dass Gott ihm hilft. Das hat ihm bestimmt gut getan, irgendwann hat sich wohl das Gefühl bei ihm eingestellt: Gott hört mich. Auch jetzt, wo ich ganz unten bin, Gott hört mich und holt mich hier raus.

Und tatsächlich, nach drei Tagen war Jona wieder an Land. Und diesmal ist Jona gegangen! Seine Aufgabe war immer noch groß. Zu groß für seinen Geschmack, sicherlich. Und Angst hat er bestimmt immer noch davor gehabt. Aber inzwischen hatte er gelernt: Es bringt nichts wegzulaufen, schon gar nicht kann ich vor Gott weglaufen. Gott findet mich. In größter Not und ganz unten. Gerade dann laufe ich Gott in die Arme.

Das macht die Geschichte von Jona für mich zu einer richtigen Ostergeschichte. Auch wenns darin gar nicht um Jesus geht. Es geht auch nicht um das leere Grab und um die Leute, die es mit eigenen Augen gesehen haben, dass Jesus lebt.

Aber eine Auferstehungsgeschichte ist die Geschichte von Jona schon, finde ich. Und finde das sehr, sehr tröstlich: Wenn ich abtauche, dann taucht Gott auf, sucht mich, bleibt dran, damit ich aus dem Loch wieder rauskomme. Wenn ich mich bange mache und an mir selbst zweifle, dann sorgt er dafür, dass ich wieder Land sehe und die Füße auf den Boden kriege.

Aufstehen halt, loslegen, weitermachen, sich nicht unterkriegen lassen. Leben!
Auch das bedeutet für mich Ostern. Und ich denke dabei an die Leute, die genau das tun. Den alten Herrn z.B., der mir erzählt: Okay, dann lass ich mir jetzt halt die Hüfte operieren, kann doch nur besser werden, ich will doch noch was von meinem Leben haben.

Ich denke an die Frau, die sagt: Ich hab nicht viel Geld. Aber ich kann sparen. Und ich kann arbeiten. Das ist viel besser als zu Hause rumhängen und bitte, bitte machen. Stark, mit welchem Selbstbewusstsein die für sich sorgt, finde ich.

Und ich denke an den netten jungen Mann, der bei unserem kleinen Auffahrunfall dabei war. Vielleicht komme ich ja auch mal in so eine Situation, dass ich einen aufgeregten Autofahrer beruhigen und ihm die Zierleisten einsammeln kann. Wie hilfreich das ist, das hab ich ja selbst erfahren.

Geh, mach, tu einfach das, was dran ist! Und keine Bange! So möchte ich Ostern heute nachklingen lassen. So möchte ich diesen österlichen Schwung in die Woche mit reinnehmen. Ihnen einen wunderschönen Feiertag heute, bleiben Sie behütet!

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Steiger:
Was für ein imposantes Motto haben sich die Kirchen für das neue Jahr da ausgesucht. So lautet nämlich die Jahreslosung für 2019: Suche Frieden ... und jage ihm nach.
Leider passt das Thema FRIEDEN ja immer. Weil es irgendwo immer Krieg und Gewalt gibt. Es hat aber in der letzten Zeit eine zunehmende Bedeutung bekommen. Es ist, wie ich finde, leider, ungeheuer aktuell. Manchmal fühle ich mich in meine Jugendjahre zurückversetzt, als Atomwaffen auf deutschem Boden stationiert wurden, als das Wettrüsten der Supermächte mich bedrückt hat.

Panzer:
Da, wo ich wohne, beten wir seit fast vier Jahren für den Frieden. Evangelische und katholische Christen treffen sich an jedem Montagabend um sieben für eine halbe Stunde. Jedesmal erzählt eine oder einer, wie es steht mit dem Frieden in der Welt. Wir hören von Krieg und Leid und  Flüchtlingen, von hungernden Kindern, vergewaltigten Frauen und Soldaten, die sinnlos sterben müssen, statt  für ihre Familien zu sorgen. Es ist erschreckend, das alles zu hören und manchmal denken wir: hört das denn nie auf. Trotzdem beten wir für den Frieden. Manchmal fragt einer: Warum machen wir das eigentlich? Es ändert sich doch nichts. Warum beten wir für den Frieden? Eine Frau hat gesagt: Weil es mir gut tut, andere zu treffen, die auch Frieden wollen. Und ein Mann hat gesagt: Ich will mich jede Woche daran  erinnern, dass Gott Frieden will. Und dass Gott bei denen ist, die sich für den Frieden einsetzen.

Steiger:
Einen Vater hat es schier unglaubliche Überwindung gekostet, das zu tun. Sein Sohn ist brutal zusammen geschlagen worden. Ohne Grund. Der Vater ist unglaublich wütend geworden. Wer tut seinem Sohn so was an? Und er hat gespürt, wie der Hass in ihm hochkocht. Lange hat er gedacht: „Dem zahl ich’s heim! Wenn ich den in die Finger krieg!“ Aber es kam ganz anders. Der brutale Schläger ist schon wiederholt aufgefallen und musste noch wegen anderer Delikte vor Gericht. Dann kam er in eine Anstalt der Jugendgerichtshilfe. Und hat tatsächlich eine Verwandlung durchgemacht, zum Guten. Er hat einen Brief an den geschrieben, den er so zusammen geschlagen hat. Hat sich entschuldigt. Und das hat auch dem Vater gut getan und Frieden gebracht. Seinem so schwer verletzten Sohn geht es inzwischen wieder gut. Gottlob.

Panzer:
Wie schön wäre es, wenn wir in Frieden miteinander leben könnten. Und Frieden ist mehr, als der Verzicht auf Gewalt. Eigentlich wissen wir Menschen das ja auch. Wer möchte gern gut leben und schöne Tage sehen? fragt einer in einem Gebet in der Bibel (Psalm 34). Und eigentlich weiß er genau, was zu tun ist: „Suche den Frieden und jage ihm nach!“ Ohne Frieden kann das Leben nicht gedeihen. Frieden wächst da, wo die Starken Rücksicht nehmen auf die Schwachen. Dann muss niemand mehr mit Gewalt sein Recht verteidigen. Frieden wächst da, wo Menschen gerecht verteilen, was die Erde an Gütern bereit hält. Wenn nicht die einen sich alles nehmen, was sie kriegen können und den anderen bleibt nicht genug zum Leben. Wo alle Menschen die gleichen Rechte haben, egal ob Mann oder Frau, schwarz oder weiß, arm oder reich. Da kann Frieden wachsen.

Steiger:
Interessant ist, dass hier nicht davon ausgegangen wird, dass der Frieden schon irgendwie entsteht. Er ist eben kein Selbstläufer. Wer ihn haben will, muss etwas dafür tun, muss aufmerksam und findig sein. Besonders wichtig scheint mir zu sein, dass ich in die hinteren Winkel meiner Seele vordringe. Dorthin, wo die Charaktermarkmale lauern, die dem Frieden in die Quere kommen. Dort, wo ich auf einen anderen neidisch bin, wo ich meine, die erste Geige spielen zu müssen und damit andere in ihren Chancen beschneide. Dort muss ich suchen, ob es nicht doch eine andere Möglichkeit gibt, und ich auf meinen Egoismus verzichte. Das schafft nämlich Frieden.

Panzer:
Dem Frieden muss man nachjagen. Wie die Kinder bei einer Schnitzeljagd, wie die Menschen, die ein großes Ziel haben. Ein Ziel für das sie alles geben.
Wer ans Ziel gelangen will, der muss genau hinschauen, dass er den Weg nicht verfehlt. Man muss aufmerksam sein für die Zeichen unterwegs. Aufmerksam auch, damit man die nicht übersieht, die mithelfen können. Man muss Ausdauer haben, wenn man einem Ziel nachjagt, man darf nicht aufgeben.
So wie Denis Mukwege zum Beispiel, der als Arzt im Kongo Frauen operiert, die bei Vergewaltigungen schwer verletzt worden sind. Er versucht, die Folgen des Krieges zu lindern. Und seine Hoffnung ist, dass die Menschen einsehen: Nur so, nur wenn einer sich um andere kümmert, nur so kommt man dem Frieden näher.

Steiger:
Es sind nicht immer die großen Gesten und Versprechen, die den Frieden schaffen. Oft sind es die kleinen Dinge. Wenn Menschen darauf verzichten können, das letzte Wort zu haben. Wenn sie teilen, was sie im Überfluss haben. Wenn sie beten statt einander zu beschimpfen. Damit kann jeder anfangen. Mit meinem Nachbarn, meinem Kollegen, mit meinem Partner. Und glaube bloß keiner, das bleibe ohne Wirkung. Im Gegenteil: Der Friede kommt immer von innen. Aus dem Herzen des Menschen.

„Suche den Frieden und jage ihm nach“ – Lassen sie uns das versuchen im neuen Jahr. Ich wünsche Ihnen und uns Segen dazu!

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Noch einmal Frohe Weihnachten! Das schönste Fest der Christen geht weiter. Überall brennen noch die Kerzen und die Weihnachtsbeleuchtungen funkeln. Eigentlich sind das ja Freudenlichter, die zeigen sollen: so hell kann es werden, wo Gott bei den Menschen ist. So hell kann es werden, wenn Menschen sich an ihm orientieren. Auch viele Nichtchristen zünden Kerzen an in diesen Tagen und haben Weihnachtsbäume und machen sich gegenseitig Geschenke. Es scheint das Selbstverständlichste auf der Welt zu sein, dass Weihnachten ist.

Aber so selbstverständlich ist das längst nicht überall. In jedem Jahr werden Weihnachtsgottesdienste gestört, es gab in den vergangenen Jahren Bombenanschläge auf Kirchen voller Menschen in Ägypten zum Beispiel, in Nigeria oder in Pakistan. Christen werden bedroht und manchmal sogar eingesperrt. In vielen Ländern ist es gefährlich, Christ zu sein. Hier in Deutschland war das auch schon so, zur Zeit der Nazis zum Beispiel, als man verlangt hat, den Führer als obersten Herrn anzuerkennen. Und die Christen in der DDR hatten bis zum Mauerfall Schwierigkeiten. Oft konnten sie ihre Kinder nicht zur höheren Schule schicken und bei Beförderungen im Beruf wurden sie übergangen. Ältere wissen noch, wie das war.

In den Kirchen wird heute daran erinnert, dass es schon ganz am Anfang gefährlich war, Christ zu sein. Die Jünger von Jesus hatten nach seiner Hinrichtung zunächst Angst, sich öffentlich zu zeigen. Sie haben befürchtet, dass es ihnen genauso gehen würde wie Jesus, ihrem Lehrer. Und als die christliche Gemeinde dann ein bisschen größer wurde, dann gab es tatsächlich bald ein erstes Todesopfer. Stephanus hieß der Mann. Heute feiern die Kirchen seinen Gedenktag und den Gedenktag für alle verfolgten Christen. Dieser Stephanus war Diakon. Er kümmerte sich um die Witwen und Waisen in Jerusalem. Er fiel auf durch das, was er tat und wie er es tat. Durch seinen Einsatz wurden viele froh. Stephanus hat das gemacht, was Jesus auch getan hat. Er hat sich den Armen zugewendet und denen, für die niemand etwas übrig hatte. Das war überzeugend und ich denke mir, viele damals hatten Angst, dass er dadurch noch mehr Menschen für diesen Christenglauben gewinnen würde. Deshalb fingen sie Streit mit ihm an. Versuchten, die Christen lächerlich zu machen. Aber das hat nicht geklappt. Die Leute konnten ja sehen, wie lebens- und menschenfreundlich der neue Glaube war.
Also taten die Gegner das, was man in solchen Fällen bis heute tut. Sie setzten Lügen in die Welt und falsche Tatsachen. Fake News gewissermaßen.

 

Denn schlimm ist seine Geschichte tatsächlich ausgegangen. Mit falschen Beschuldigungen hat man ihn vor Gericht geschleppt. Dort hat auch er kein Blatt vor den Mund genommen und seine Ankläger seinerseits angeklagt: Habt ihr schon jemals einen unbehelligt gelassen, der in Glaubensfragen anderer Meinung war als ihr, hat er sie gefragt. Da war das Maß voll. Die aufgebrachte Menge ist auf ihn eingestürmt. Stephanus wurde gesteinigt.

Heute sind Christen die am meisten verfolgte Religion in der Welt – auch wenn man sich das hier in Deutschland eigentlich gar nicht vorstellen kann.
Viele sagen deshalb: Solange das so ist, wollen wir hier bei uns auch keine andere Religion dulden. Der Islam gehört hier nicht her und Moscheen wollen wir bei uns nicht haben. In manchen muslimischen Ländern dürfen ja auch keine Kirchen gebaut werden und Christen werden verfolgt.

Aber: Die Gefahren für Christen in Deutschland kamen im vergangenen Jahrhundert von Landsleuten! Die Nazis haben christliche Verbände und Versammlungen verboten und in den Gottesdiensten saßen Spitzel, die weiter getragen haben, wenn etwas nicht zur Staatsideologie gepasst hat. Genauso war es in der ehemaligen DDR. Wo Christen sich nicht anpassen wollten, da wurden sie auch in unserem Land verfolgt.

Und auch die Christen selbst haben in der Geschichte auch immer wieder andere Religionen angegriffen, Menschen vertrieben und getötet. Sogar untereinander haben sich die christlichen Konfessionen manchmal mit Gewalt bekämpft. Ich frage mich: Sollen wir das immer weiter so machen? Einander so feindselig behandeln, dass am Ende Menschen zu Märtyrern werden? Ich meine, das diese Feindseligkeit  nie wirklich mit Religion zu tun hat. Sie hat damit zu tun, dass Menschen lieber die um sich herum haben wollen, die genauso sind, wie sie selbst. Keinen, der anders aussieht, anders lebt, anders denkt oder anders glaubt. Ich fürchte, so geht es den meisten. Nicht bloß den Muslimen, nicht bloß den Christen. Viele sehnen sich danach unter ihresgleichen zu bleiben. Aber ich glaube – die Religion haben sie dabei nicht auf ihrer Seite.

Der allererste Märtyrer war Jesus selbst. Er hat vor seinem Tod gesagt: „Vater vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun!“ Ich finde deshalb: Wir sollten für die verfolgten Christen beten und sie unterstützen so gut es geht. Und wer bei uns einen anderen Glauben hat, den sollten wir respektieren. Damit niemand als Verfolgter leben muss.

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