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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

25NOV2020
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Manchmal muss man mit Engelszungen reden, zum Beispiel um bockigen Kindern einen Weg heraus aus ihrem Trotz zu zeigen. Da hilft kein strenges Machtwort, das macht es höchstens schlimmer. Auch für verbohrte Erwachsene braucht man manchmal Engelszungen. „Basta“ zu sagen ist einfach, hilft aber nicht weiter. Man muss versuchen, die anderen mit guten Argumenten zu überzeugen. Ich bewundere die, die das können.

„Mit Engelszungen reden“: Diese Redewendung hat ihren Ursprung in Martin Luthers Bibelübersetzung. Im Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt der Apostel Paulus nämlich über Menschen, die in der Gemeinde besonders angesehen sind. Luther hat das so übersetzt:

„Wenn ich mit Menschen und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönender Gong oder eine klingende Schelle“ (1. Kor 13, 1) Gut und klug reden können ist wichtig, so verstehe ich das. Besser jedenfalls, als wenn jemand nichts sagt aus falsch verstandener Rücksicht oder weil er beleidigt ist. Aber da gibt es einen Haken, erinnert Paulus: Wer andere bloß überreden will, womöglich mit Gerüchten und Lügen und Falschinformationen, wer mit schlauen Worten nur seine eigenen Interessen durchsetzen will – der macht eigentlich bloß Lärm. Geht am Ende anderen auf die Nerven mit seinem Geschwätz. Es gab und gibt Beispiele dafür, bis in die Gegenwart.

Zu der Gabe, mit Engelszungen zu reden, muss die Liebe dazu kommen. So, wie es sich für einen Engel gehört. Und die Liebe redet nicht im eigenen Interesse. Die Liebe fragt nach dem anderen und was für den gut ist. Liebe will nicht aus Bequemlichkeit überreden, damit endlich Ruhe ist. Liebe redet nicht, um Beifall zu erhalten, sondern um Dinge zum Guten zu verändern.

Die Liebe braucht nicht blendende Worte. Sie versucht nicht, die andere mit Säuseln und Raunen für sich einzunehmen. Paulus schreibt den Korinthern: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, sie eifert nicht… sie bläht sich nicht auf… sie sucht nicht das ihre…sie freut sich an der Wahrheit…“ (1. Kor 13, 4-6).

So mit Kindern reden, dass sie merken: Es geht um mich! So mit Erwachsenen im Gespräch bleiben – dazu muss man nicht sprachgewandt sein und besonders glanzvoll reden, auch nicht besonders schlagfertig. Aber liebevoll muss man sein, nicht nur von sich selber beeindruckt sondern am anderen interessiert. Dann kann man wirklich mit Engelszungen reden – und viel erreichen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

24NOV2020
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Wenn man sein Herz ausschütten kann, das erleichtert. Es sammelt sich ja eine Menge an, was einem das Herz schwer macht, gerade in schwierigen Zeiten.

Viele können nicht darüber sprechen, was sie ärgert oder traurig macht. Sie wollen ja den anderen nicht auf den Wecker gehen mit ihren Problemen. Manchmal liegt das an der Erziehung: „Du bist doch schon groß. Du schaffst das alleine. Ich kann mich nicht auch noch darum kümmern“: Wer das als Kind öfter hört, der sagt irgendwann nichts mehr. So sammelt sich dann eine Menge an, wie in einem Rucksack, in den man immer mehr hineinpackt: Verletzungen und Kränkungen, Enttäuschungen, Misserfolge und Kummer. Irgendwann knickt man ein unter der Last, die einem das Leben schwer macht.

Wie gut, wenn man dann doch endlich einmal alles ausschütten kann. Auf einmal ist es raus. Obwohl: Erst einmal ist es ein ziemliches Durcheinander, was da zutage kommt, wenn man zu lange geschwiegen hat.

Wie das ist, erzählt die biblische Geschichte von Hanna. Sie war verheiratet aber kinderlos. Das war für Frauen in biblischer Zeit ein schweres Schicksal. Mutter werden war ja eigentlich ihre große Lebensaufgabe. Eine wie sie galt damals als Versagerin. Bestenfalls hatte man Mitleid mit einer kinderlosen Frau. Darüber sprechen konnte oder wollte Hanna anscheinend mit niemandem. Als sie es schließlich nicht mehr aushält, geht sie in den Tempel. Dort schüttet sie ihr Herz aus. Sie weint und klagt lange und anscheinend auch laut, so dass sie dem Priester auffällt. Der meint erst, sie sei betrunken und will sie nach Hause schicken. Aber als er sie anspricht, da bricht es aus ihr heraus. Sie redet und redet und weint und schüttet Eli, dem Priester, ihr Herz aus.

Der war ein kluger Mann. Er hört ihr geduldig zu. Er begreift, was ihr das Herz schwer macht. Und es gelingt ihm, sie zu trösten. „Geh heim“, sagt er ihr, „Gott wird dir helfen“.
Da geht Hanna heim – erleichtert und beschwingt. Eine Frau mit neuem Lebensmut. Sie hat wieder Freude am Leben und ihr Mann anscheinend auch. Bald danach wird Hanna schwanger.

Ich lerne aus dieser alten Geschichte: Es tut gut und ist heilsam, wenn man sein Herz ausschüttet. Und: Wenn einem ein anderer sein Herz ausschüttet, dann braucht man Geduld.

Nur so kann man herausfinden, was einem Menschen auf der Seele liegt. Manches lässt sich klären. Oft findet sich eine Lösung, manchmal Trost. Wenn man sein Herz ausschüttet, kann es weitergehen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

23NOV2020
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Sprüchemacher nennt man Leute, die großmäulig und frech das Blaue vom Himmel herunter phantasieren um sich wichtig zu machen. Große Klappe und nichts dahinter sagt man dann oft und ärgert sich, wenn man auf so einen Angeber hereingefallen ist.

Martin Luther war auch ein Sprüchemacher. Aber nicht so, dass er versucht hätte, mit falschen Versprechungen Leute zu betrügen. Luther hat wirklich Sprüche gemacht. Er hat Worte, Sprüche und Redewendungen erfunden. Worte wie Nächstenliebe, Herzenslust und Ebenbild, Morgenland, Feuertaufe, Judaslohn und Bluthund, Machtwort, Schandfleck, Lückenbüßer und Lockvogel, Lästermaul, Gewissensbisse, „Ein Herz und eine Seele sein“, „die Zähne zusammenbeißen“, – das sind Sprachbilder und Redewendungen, die bis heute auf den Punkt bringen, was einer meint. Und Luther hat sie erfunden, als er vor 500 Jahren die Bibel ins Deutsche übersetzt hat.

Es gab zwar schon vorher Übersetzungen. Aber vor Luther gab es immer nur Versuche, die Bibel ganz wörtlich aus dem Lateinischen oder dem Griechischen zu übersetzen. Und das funktioniert genauso wenig, wie der Versuch Deutsch wörtlich ins Englische zu übersetzen. Oder Französisch ins Deutsche. Das klingt ungelenk und ist schwer zu verstehen. Verständlich wird es, wenn man den Sinn erfasst und dann eben die entsprechenden Worte nimmt. Wer sich in der Schule mit Übersetzungen geplagt hat, der kennt das.

Dazu kommt, dass Luther das Chaos der zahllosen regionalen Mundarten, die es damals gab, durch eine überregionale, allgemein verständliche Sprache ersetzt hat. Er hat die mitteldeutsche, sächsische Kanzleisprache verwendet. Durch den Handel nach Norden und Osten, Westen und Süden war die damals schon eine Art Schriftsprache.

Und Luthers Bibelübersetzung, für die er „dem Volk aufs Maul geschaut“ hat, hat diese Schriftsprache der Kaufleute und der Gebildeten zur deutschen Nationalsprache gemacht. Und bis heute sind viele seiner Wortschöpfungen geläufig, auch wenn man sich sonst nicht so in der Bibel auskennt.

Mein Lieblingswort aus Luthers Sprachschatz ist das Wort „friedfertig“. Ein Mensch, der willens ist, Frieden zu schaffen und zu halten – der ist friedfertig. Fertig zum Frieden. So einer muss sich nicht aufplustern und andere einschüchtern. Er muss nicht mehr nachkarten. Nicht Recht behalten. Keine Bedenken mehr ausräumen. Er ist fertig zum Frieden.

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SWR1 3vor8

15NOV2020
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Volkstrauertag. 75 Jahre nach Kriegsende wird weiter an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft erinnert. Und nicht nur damals, im 2. Weltkrieg und unter der Herrschaft der Nazis sind Menschen umgekommen. Bis heute gibt es Kriege, in vielen Weltgegenden. Menschen müssen sterben, hungern, haben keine Zukunft. Einerseits versuchen Soldaten auch aus unserem Land, Frieden zu schaffen. Andererseits töten Waffen aus unserem Land Menschen und hier bei uns wird daran verdient. Die Weltlage ist kompliziert.

Mit dem Gedenken an die Opfer wird immer auch an Schuld erinnert und an Verantwortung. Es ist wahr, die Täter von damals sind tot oder uralt. Aber wie ist es heute: Tragen wir in unserem Land nicht doch auch Verantwortung für das, was geschieht?

In den vergangenen zehn Jahren hat Deutschland insgesamt Kriegswaffen im Wert von fast 17 Milliarden Euro in die ganze Welt verkauft., Das kann man im Rüstungsexportbericht der Bundesregierung nachlesen.

In meiner Gemeinde findet jeden Montag ein Gebet für den Frieden statt. Aber müssten wir, müsste ich nicht vielmehr tun, als beten? Protestieren zum Beispiel? Und die wählen, die versprechen, dass das aufhört?

Ausgerechnet an diesem Volkstrauertag wird in den evangelischen Kirchen über eine merkwürdige Geschichte gepredigt, die Jesus erzählt hat. Da geht es um einen Gutsverwalter, der eindeutig Schuld auf sich geladen hat (Lk 16, 1-9). Und weil er mit einer harten Strafe rechnen muss, überlegt er, was er tun könnte. Einerseits zur Wiedergutmachung, andererseits um sich zu retten. Was ihm dazu einfällt ist clever, aber eindeutig unmoralisch.

Ich habe keine Erklärung dafür, warum Jesus so eine Geschichte erzählt hat. Aber was er am Ende dazu sagt, dass trifft mich und fordert mich heraus: Jesus sagt: „Nutzt das Geld, um euch Freunde zu machen.“

Das Geld nutzen, um sich Freunde zu machen, nicht Feinde! Geld - Nicht um zu verdienen, sondern um gute Beziehungen zu knüpfen! Manche sagen, wenn wir die Waffen nicht exportieren, machen es andere. Aber könnte unser wohlhabendes Land nicht darauf verzichten, am Sterben anderer zu verdienen? Das Geld nutzen! Wegen Armut und Hunger entstehen Konflikte und Kriege: Könnten wir mit unserem Geld nicht mehr tun, um Hunger und Armut zu verringern?

Das Geld nutzen, um Schuld abzutragen. Ich finde, das ist eine gute Idee.

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SWR4 Sonntagsgedanken

08NOV2020
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„Macht euch gegenseitig Mut und baut einander auf!“ Das ist genau der richtige Rat in diesen Tagen, finde ich.

Seit einer Woche leben wir wieder im Lockdown. Gastwirte und Künstler machen sich Sorgen um ihre Existenz, junge Leute vermissen ihre Freunde, Alte spüren die Einsamkeit mehr als sonst. Und das alles im November, wo einem das Grau und die nasskalten Tage sowieso schon zu schaffen machen.

Aber Jammern hilft ja nun wirklich nicht. Ich weiß, viele müssen sich wirklich um ihre Existenz sorgen, nicht bloß gesundheitlich. Gastwirten und Künstlern zum Beispiel brechen schon zum zweiten Mal die Einnahmen weg. Sie haben Grund zum Klagen und brauchen Unterstützung.

Sicher, Einschränkungen gibt es für alle. Aber ist es da nicht sinnvoller, zu überlegen, wie man sich und anderen das Leben leichter machen kann, statt zu jammern und zu schimpfen? Mit meckern und klagen macht man sich gegenseitig doch bloß das Leben schwer.

“Macht euch gegenseitig Mut und baut einander auf!“ Das ist natürlich kein neuer Rat. Er steht in der Bibel und stammt vom Apostel Paulus. Der hat das an die erste christliche Gemeinde in Saloniki geschrieben, das damals noch Thessalonich hieß. Ungefähr im Jahr 50 war das und die ersten Christen, hatten allen Grund, Angst zu haben und sich Sorgen zu machen. Sie waren Außenseiter, wurden angefeindet, weil sie nicht die Staatsgötter verehrten. Und Paulus hatte ihnen versprochen, dass Jesus Christus bald wiederkommen und dann alle Nöte ein Ende haben würden. Aber nun wurde ihnen die Zeit lang. Wer weiß, wenn Paulus sich nun geirrt hatte? Wenn sie falschen Hoffnungen hinterhergelaufen waren? Wenn alles umsonst war?

Da schreibt ihnen Paulus: Man kann nicht wissen, wann es soweit ist. Man kann nicht wissen, wann Gottes neue Welt anfängt, auf die wir hoffen. Aber sie wird kommen. Und bis dahin bringt es gar nichts, wenn ihr euch gegenseitig in euren Sorgen bestärkt und euch mit eurem Jammern gegenseitig das Leben schwer macht.

Nein! Bis es soweit ist, bis die schwierigen Zeiten überstanden sind, sollt ihr trotzdem leben. So gut es geht. Und es geht viel, auch in diesen Zeiten. Deshalb: „Macht euch gegenseitig Mut und baut einander auf!“ Natürlich gab es auch damals welche, die es besonders schwer hatten. Ich glaube nicht, dass Paulus das beschönigen wollte. Aber sein Appell hat mich getroffen. Was kann ich tun?  Wie kann ich es  anderen leichter machen? Ich glaube, dafür gibt es gute Möglichkeiten.

 

Ich gebe zu, das ist nicht immer einfach. Wenn alle sich Sorgen machen, wenn so viele klagen und meckern und jammern und schimpfen – dann lässt man sich leicht mitreißen. Dann sieht man ganz leicht nur noch das, was verschoben werden muss und ausfällt, was verkehrt läuft und nicht geht. Wie kann ich da anderen Mut machen? Und wofür?

In der Stadtbahn habe ich die Friseurin getroffen, die mir oft die Haare geschnitten hat Sie hat die Stelle gewechselt, hat sie mir erzählt. Und: Als im Frühjahr die Kurzarbeit anfing, hat sie sich entschlossen, die Ausbildung zur Friseurmeisterin zu machen. Wer weiß, wofür das gut ist, hat sie gesagt. Sie hat nicht einfach geschimpft und abgewartet. Sie hat überlegt, was sie in dieser Situation Vernünftiges tun kann. Und jetzt steht sie kurz vor der Prüfung. Ich fand ihre Zuversicht richtig ansteckend. Ich drücke ihr die Daumen, dass alles klappt.

Paulus hat damals in seinem Brief an die besorgten Christen in Thessalonich geschrieben: „Ihr seid doch Kinder des Lichts!“ Das hatte ja schon Jesus seinen Nachfolgern gesagt. „Ihr seid das Licht der Welt!“ Mit eurer Zuversicht, mit eurer Hoffnung auf Gott könnt ihr es für die anderen hell machen die nur noch schwarzsehen. Und erst recht denen, die wirklich im Dunkeln sitzen und nicht wissen, wie es weitergehen soll. Wenn Menschen sich einander zuwenden, wenn sie teilen was sie haben und nach dem schauen, was trotz allem geht – dann geht das Leben weiter. Dann wird es heller und leichter für alle. Dann wird die Stimmung besser.

Ich glaube, wir können Lasten teilen und einander Lasten abnehmen. Manchmal denke ich, ein Soli für die besonders Betroffenen – das müsste in unserem Land doch eigentlich gehen. Menschen wie ich, deren Einnahmen jetzt weiterlaufen, könnten die nicht einen Beitrag leisten, damit andere weniger belastet sind in dieser Pandemie? Dazu ist es wichtig, nicht nur auf die eigenen Ängste zu hören. Auch nicht nur auf die Sorgen der anderen. Die sind wichtig. Aber wichtiger scheint mir, auch zu sehen und zu hören, was man denn tun kann, damit man gut durch kommt durch diese schwierige Zeit.

Also: Lasst euch nicht mitreißen von schlecht gelaunten Pessimisten. Seht nach den Möglichkeiten, die es gibt. Macht einander das Leben leichter!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

31OKT2020
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Gelegentlich kommt aus der Wohnung im Erdgeschoss ein schreckliches Gebrüll. Anfangs war ich irritiert. Inzwischen weiß ich: Der Vater spielt Löwe mit seinen beiden Kindern. Und die kreischen vor Vergnügen und rufen „nochmal, nochmal“, wenn der Papa schon ganz heiser ist. Ein bisschen fürchten sie sich natürlich auch, denn der Löwe brüllt wirklich fürchterlich. Aber das ist wohl der Reiz – sich fürchten und doch wissen: Eigentlich ist es ja der Papa und mir kann nichts passieren. Ist ja alles nur ein Spiel. „Angstlust“ sagen die Psychologen dazu. Später lieben manche Kinder Gruselgeschichten und noch später Gruselfilme. Die kann man sich anschauen, wenn man weiß: es ist ja nur eine Geschichte, nur ein Film. In Wirklichkeit kann mir gar nichts geschehen.

Heute ist auch so ein Tag, wo Kinder, aber auch immer mehr Erwachsene mit der Lust am Gruseln spielen. Halloween. Man stellt Rübengeister oder Kürbisgeister vor die Tür- die leuchten gruselig im Dunkeln, und man weiß doch: Ist ja bloß ein Kürbis. Und wenn sich Kinder und Erwachsene als Gespenster verkleiden oder gar als Gerippe mit Totenkopf, dann wissen doch alle: Solche Geister gibt es nicht. Schön gruselig ist es trotzdem.

Halt mal, sagen sie jetzt vielleicht, Halloween? Müssten Sie als evangelische Pfarrerin nicht vom Reformationstag reden? Das ist wohl wahr. Seit Jahrhunderten denken wir Evangelische an diesem Tag am Martin Luther und wie er am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen zur Erneuerung der Kirche veröffentlicht hat. Damit fing der Protest der Protestanten an. Heute sind in Deutschland die Hälfte der Christen protestantisch, also evangelisch.

Martin Luther hat sich viel gegruselt und Angst gehabt: Vor dem Teufel und seinen Versuchungen. Aber dann hat er irgendwann begriffen: Gott ist stärker als alle teuflischen Mächte. Bei ihm bin ich geborgen. „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist.“ (Rö 8, 38f) So steht es in seiner Bibelübersetzung. Darauf hat Luther sich verlassen. Gegen alle, die ihm Angst machen und ihn einschüchtern wollten.

Mit so einem Gottvertrauen muss man sich über Halloween nicht ärgern. Und schon gar nicht sich vor Geistern fürchten. Man kann über diesen ganzen Humbug lachen wie Luther. Der hat gesagt: „Wenn dich der Teufel zu arg zwickt, dann streck ihm einfach den nackten Hintern hin.“

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

29OKT2020
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Es gibt eine kleine Region, westlich vom Kaspischen Meer, mit 150.000 Einwohnern, 4.400 Quadratkilometer groß. Also ein bisschen mehr Einwohner als Ulm, die Fläche knapp doppelt so groß wie das Saarland. Das Gebiet heißt Bergkarabach. Seit der Antike haben dort die Armenier geherrscht, dann die Albaner, später die Kurden, danach die Araber, die Perser, die Osmanen, seit dem 19. Jahrhundert hat Bergkarabach zu Russland gehört, im 20. Jahrhundert zur Sowjetunion. Seit dem 4. Jahrhundert waren die Menschen dort Christen, seit dem 8. Jahrhundert leben dort auch Muslime. Immer wieder fühlten sich dort die einen von den anderen ungerecht behandelt und unterdrückt. Heute liegt Bergkarabach auf dem Gebiet des muslimischen Aserbeidschan, aber die Mehrheit der Menschen sind christliche Armenier – soweit ich das verstanden habe.

Eine jahrhundertelange Geschichte von Konflikten und Unterdrückung, Besatzung und Freiheitskämpfen, Gewalt und Tod. Jede Familie beklagt Verluste und Tote. Alle fühlen sich benachteiligt und entrechtet. Solche Konflikte gab und gibt es nicht nur dort, sondern in vielen Teilen der Welt.-

Wie kann es einen Weg geben heraus aus solcher Feindschaft, die über Jahrhunderte gewachsen ist? Was kann man tun?

Vor über 2000 Jahren hat ein Prophet in ähnlicher Situation im Namen Gottes einen Rat gegeben. Damals waren die Einwohner Israels ins ferne Feindesland verschleppt worden. An Heimkehr war nicht zu denken. Da erinnert sie der Prophet Jeremia, was für Gott richtig ist. Die Menschen sollen sich einsetzen, dass sie da, wo sie jetzt wohnen, gut leben können. Alle! Dass sie einander nachtragen, was gewesen ist, das soll aufhören. Sie sollen sich beheimaten und sich nicht abgrenzen. Ich finde das sensationell. Fremde sollen sich integrieren, zum Wohl ihrer Stadt. Dann kann das Miteinander gut werden. Bloß nicht die Feindschaft pflegen!

Sie sollen darum auch für ihre Stadt beten, schreibt Jeremia den Landsleuten. Beten, wie sie es auch in ihrer alten Heimat getan haben. Das ist für Jeremia genauso wichtig.

Beides gehört zusammen: Beten für das Wohl der Städte und Dörfer und ihrer Bewohner. Wo Menschen füreinander beten, da werden sie sich nicht bekriegen. Und für das Gemeinwohl arbeiten. So könnte es gut werden. Wenn alle diesen Rat beherzigen – wenn es der Stadt gut geht, dann geht es jedem gut.

Manchmal frage ich mich, was daran so schwer zu verstehen ist. In Bergkarabach und manchmal auch bei uns.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

28OKT2020
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Am 28. Oktober 312 hat der römische Kaiser Konstantin seinen Rivalen Maxentius in der Schlacht an der Milvischen Brücke bei Rom besiegt. 1700 Jahre ist das her. Von da an gab es auf seinen Befehl keine Christenverfolgung mehr im römischen Reich. 9 Jahre später hat er befohlen, dass der christliche Sonntag im ganzen Reich Feiertag sein sollte.

Kaiser Konstantin war kein Christ. Er ließ sich von seinen Untertanen gemäß der römischen Staatsreligion als Sonnengott verehren. Aber er führte seinen Sieg gegen Maxentius auf die Hilfe des Gottes der Christen zurück. Deshalb hat er die Christen nicht länger verfolgt und sich selber 25 Jahre später auf dem Totenbett taufen lassen. Nochmal gut 40 Jahre später wurde das Christentum Staatsreligion im römischen Reich.

Damit begann eine wechselvolle und schwierige Geschichte im Verhältnis von Kirche und Staat in Europa. Inzwischen gibt es in Deutschland Gottseidank Religionsfreiheit. In unserem Land ist jeder frei zu glauben oder nicht zu glauben, was er für richtig hält.

Aber natürlich: Diese Freiheit ist kein leerer Raum. Durch fast 2000 Jahre Geschichte ist die Freiheit gefüllt mit Werten und Traditionen, die aus dem Christentum erwachsen sind. Ich nenne mal die drei, die mir besonders wichtig sind: Das eine ist die Solidarität mit den Schwachen. Dass sich nicht jeder einfach nur nimmt, was er kriegen kann, sondern dass Eigentum verpflichtet, sich um die zu kümmern, denen es nicht so gut geht: Das ist eine ur-christliche Idee. Das zweite ist die Menschenwürde. Das alle Menschen von Gott gleich geschaffen sind, Schwarze und Weiße, Arme und Reiche, Männer und Frauen, Starke und Schwache: vor Gott gibt es keinen Unterschied. Diese Idee fängt da an, wo es im biblischen Schöpfungsbericht heißt: „Gott schuf die Menschen zu seinem Bilde“. Das haben die Christen von den Juden übernommen. Dass es in der Praxis nicht immer so gerecht zugeht und die Menschenwürde manchmal mit Füßen getreten wird – das ist ein anderes Kapitel. Aber sie gilt. Und das dritte: Das Engagement für die Bewahrung der Schöpfung. Auch das hat seinen Ursprung in dieser Schöpfungsgeschichte der Bibel: „die Erde bebauen und bewahren“ – das ist die Aufgabe der Menschen.

Solidarität, Menschenwürde, Bewahrung der Schöpfung – wie gut, dass diese Werte immer noch unter uns gelten. Manchmal denke ich: Wie gut, dass Konstantin damals an der Milvischen Brücke gewonnen hat.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

27OKT2020
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Wann ist man alt? Als ich 50 wurde, habe ich zum ersten Mal gedacht: Jetzt! Jetzt ist es soweit. Jetzt bist du alt. Anderthalb Jahrzehnte später gehe ich nun demnächst in den Ruhestand. Ist es jetzt soweit? Bin ich jetzt alt? Sicher: Die Füße tun mir oft weh, ohne Gleitsichtbrille sehe ich schlecht. Aber eigentlich freue ich mich auf das Leben, das kommt. Ist man dann alt? Oder ist man alt mit 80 oder neunzig, wenn man die Alten „hochbetagt“ nennt?

Jede zweite Frau, der heute 50 ist, wird wahrscheinlich 100 Jahre alt werden, habe ich neulich gelesen. Kann das sein, dass man 50 Jahre lang, also ein halbes Leben lang alt ist? Alt und schonungsbedürftig, nicht mehr fit genug, um mithalten zu können mit den Jungen, körperlich oder im Kopf? So, dass einen die anderen irgendwie in Watte packen, auch wenn man es gar nicht braucht, nur weil man ein bestimmtes Alter erreicht hat?

Ich glaube, das Alter kann sehr verschieden aussehen: fit und vital, ängstlich und vorsichtig, einsam und verbittert, fröhlich und dankbar, krank, dement, lebensfroh, lebenserfahren, weise. Ich bin gespannt, was kommt und wie es wird.

„Alt werden ist nichts für Feiglinge“ hat der Schauspieler Joachim Fuchsberger gesagt. Da hat er wahrscheinlich recht. Aber das heißt ja nicht, dass es in jeden Fall schrecklich wird. Aber: Man braucht Mut, um dem Alter mit Zuversicht entgegen zu gehen. Woher die kommen kann? Für mich kommt sie aus dem Vertrauen auf Gott. Er hat mich bisher ganz gut begleitet in meinem Leben. Nicht alles war gut, und ich habe Fehler gemacht. Aber  Gott hat mich nicht im Stich gelassen.

Und jetzt kann ich sagen: Es war alles gut so und ich schaue erwartungsvoll in die Zukunft. Dabei verlasse ich mich auf ein Versprechen, das Jesaja, der Prophet im Namen Gottes so formuliert hat: „Ich bleibe derselbe, so alt ihr auch werdet, bis ihr grau werdet, will ich euch tragen.“ (Jes 46,4)

Grau bin ich nun schon seit ein paar Jahren und habe mich von Gott getragen gefühlt – erst recht, seit Enkelkinder da sind. Und ich hoffe sehr, dass ich besonders denen noch eine Weile dieses Gefühl weitergeben kann: Auf Gott kann man sich verlassen – immer.

Und ich selber will mich an einem Rat von Albert Schweitzer orientieren, den habe ich im Sommer auf einer Geburtstagskarte gelesen: „Niemand wird alt, weil er eine Anzahl von Jahren hinter sich gebracht hat. Man wird nur alt, wenn man seinen Idealen Lebewohl sagt. Mit den Jahren runzelt die Haut. Mit dem Verzicht auf Begeisterung aber runzelt die Seele“.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

26OKT2020
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Zum Geburtstag bekommt man Blumen. Manchmal Rosen, auch jetzt im Oktober. An geschützten Stellen blühen sie ja sogar noch vereinzelt. Auf meinem Balkon zum Beispiel. Da habe ich schon seit Jahren einen Busch mit gelben Rosen. Im Sommer blüht er über und über. Und jetzt im Herbst hat er immer noch einzelne Blüten. Mein Rosenbusch blüht, auch wenn nur ich ihn sehe und ihn nicht in irgendeinem Park Hunderte bewundern.

Angelus Silesius, ein Dichter vor fast 400 Jahren hat  über Rosen ein Gedicht geschrieben.
„Die Rose ist ohne Warum. Sie blühet, weil sie blühet. Sie achtet nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet“ so fängt es an.

Der Dichter hat von Rosen gesprochen. Aber ich glaube, er hat uns Menschen gemeint. Und die Rosen als Beispiel. Wir müssen nicht auf Absicht und Wirkung hinleben. Sondern, ob in der Öffentlichkeit oder im Verborgenen, unserer von Gott gedachten Bestimmung nachleben. Wer gut reden kann, der soll es tun. Wer es nicht so gut kann, der muss nicht traurig sein. Er kann sicher etwas anderes: gut kochen vielleicht und anderen damit guttun. Oder mit Geduld Ordnung halten, wo andere Chaos anrichten. Fröhlich mit Kindern sein. Oder originelle Geschenke ausdenken. Jeder und Jede hat Fähigkeiten und Begabungen. Man muss nicht immer fragen: „Was sagen andere dazu?“ Nein! Man kann seine Begabungen ausleben: Wie die Rosen eben: die blühen, weil sie blühen.

Eigentlich erzieht man uns ja ganz anders. Wir werden gelobt und belohnt, wenn wir etwas gut machen. So lernen wir von Anfang an: Ich muss zeigen, was ich kann. Und ich bin enttäuscht, wenn es übersehen wird, was ich geleistet habe. Später lernen wir: „Klappern gehört zum Handwerk!“ Wenn man etwas geschafft hat, dann muss man auch davon reden, damit alle es bemerken. Wer sich nicht in Szene setzen kann, der wird zum Mauerblümchen, sagt man.

Ich glaube, von den Rosen kann man lernen. Sie blühen ohne warum. Sie tun es einfach. Wenn Rosen Menschen wären, würde ich sagen: Was für ein Selbstbewusstsein! Aber vielleicht ist Selbstbewusstsein sowieso nicht das richtige Wort. Vielleicht müsste man sagen: Gottvertrauen. Vertrauen zu Gott. Der hat durch den Mund seines Propheten gesagt: „Du bist in meinen Augen wert geachtet und herrlich und ich habe dich lieb“ (Jes 43, 4)

Sich darauf zu verlassen ist möglicherweise für den einen oder die andere altmodisch. Aber es befreit vom Druck und macht glücklich.  Nicht nur Geburtstagskinder.

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