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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08FEB2022
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Vor einiger Zeit erwähnt meine Freundin im Gespräch: „Mein Bruder liest jetzt mehrere Stunden die Woche in der Bibel.“ Sie macht eine Pause. „Und? Stört dich das?“ frage ich sie. Sie zögert. „Das ist doch sehr ungewöhnlich. Ich finde das schon ein bisschen befremdlich.“

Ich finde das vor allem interessant! Eben weil es ungewöhnlich ist. In ganz vielen Haushalten gibt es wohl eine Bibel, aber darin lesen oder sie womöglich durchlesen? Und auch ich selbst als Theologin nehme die Bibel eher für die Arbeit in die Hand und kaum für mich persönlich. Und so gehen mir die Worte meiner Freundin nicht aus dem Kopf. Nach einigem Zögern kontaktiere ich ihren Bruder. Ich spreche ihn auf das Bibelthema an und frage, ob wir einen Kaffee trinken gehen wollen. Zu meiner Überraschung sagt er zu.

Vor dem Treffen bin ich ziemlich angespannt. Denn kann ich mit einer fremden Person direkt über so ein privates Thema wie den persönlichen Glauben reden? Aber als dann der erste Kaffee vor mir steht, entwickelt sich ein sehr angenehmes Gespräch. Er erzählt: bevor er 50 wurde, hatte er eigentlich keinen größeren religiösen Bezug. Vor einiger Zeit sei nun aber irgendwie die Frage nach dem Sinn des Lebens aufgebrochen. Und die tägliche Nachrichtenlage über die Krisenherde in der Welt, die vielen Naturkatastrophen und natürlich auch die Pandemie lassen die Welt trist erscheinen. Hinzu kommen Erfahrungen im Alltag, in denen er Menschen als gleichgültig oder auch aggressiv erlebt.

Und so wurde für ihn die Frage wichtig: Gibt es einen tieferen Sinn in der Welt? Und dann hat er sich hingesetzt und angefangen in der Bibel zu lesen.

Er sagt: das tut mir gut. Die Bibel verleiht der Welt keinen rosa Anstrich, aber er findet Sinn in ihr. So zum Beispiel in der Glaubensaussage: der Mensch ist von Gott geschaffen und gewollt. Oder: das Leben endet nicht mit dem Tod im Nichts, sondern der Mensch ist nach dem Tod bei Gott aufgehoben.

Ich bin beeindruckt. In einer solchen Situation auf die Idee zu kommen: ich setz mich hin und schau mal, ob und was die Bibel dazu sagt. In heutiger Zeit sicher nicht alltäglich.

Dieses Treffen ist also im wahrsten Sinn des Wortes ein Austausch über „Gott und die Welt“ gewesen. Und da ich es so angenehm gefunden habe, ist mir erst bei der Verabschiedung aufgefallen, dass unsere Verabredung vier Stunden gedauert hat.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

07FEB2022
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Eine Woche ist es jetzt her. Eine Polizistin und ein Polizist werden nachts bei einer routinemäßigen Fahrzeugkontrolle erschossen. Die Brutalität der Tat ist für mich unfassbar – es ist auch so unwirklich.

Der Tod dieser beiden jungen Menschen erschüttert mich.

Darüber hinaus fühle ich mich aber tatsächlich auch persönlich betroffen. Auch wenn ich die beiden selbst nicht kannte. Denn ich habe meine 21-jährige Nichte vor Augen, die vor sieben Monaten ihren Polizeidienst begonnen hat. Auch sie ist schockiert, wie brutal das war.

Ich bin aber auch deshalb so betroffen, weil diese Tat etwas mit mir zu tun hat. Denn diesen Dienst, den die beiden dort nachts verrichtet haben, haben sie auch für mich gemacht. Wieso? Weil der Dienst von jeder Polizistin und jedem Polizisten ganz konkret etwas mit mir zu tun hat:

Polizistinnen und Polizisten schützen die Rechte, die ich habe. Sie kümmern sich darum, dass bestehende Gesetze eingehalten werden. Und sie halten Gefahren von mir fern und sorgen damit dafür, dass ich mich sicher fühle.

Dass Frauen und Männer diesen Dienst für mich leisten, verlangt meinen Respekt und meine Dankbarkeit.

Aber in den Nachrichten ist nicht von Respekt und Dankbarkeit die Rede, sondern ich erfahre dort gefühlt täglich von wilden Beschimpfungen auf Polizistinnen und Polizisten. Diese treffen auch Feuerwehrleute, Rettungsdienstler sowie Politikerinnen und Politiker. Klingt harmlos? Ist es aber nicht! Worte sind nicht belanglos. Die verbale Respektlosigkeit gegenüber Personen, die sich für unsere Gesellschaft einsetzen, ist letztlich nur die Vorstufe von tätlichen Angriffen.

Ich bin davon überzeugt – und zwar auch auf dem Hintergrund meines christlichen Menschenbildes – : unser Zusammenleben funktioniert nur mit gegenseitigem Respekt und mit Dankbarkeit. Mir hilft dabei, eben nicht eine anonyme Gruppe zu sehen wie „die Polizei“ oder „die Politiker“, sondern die einzelne Person. Und wohl fast jede und jeder kennt einen Menschen, der sich in den unterschiedlichen Diensten für unsere Gesellschaft einsetzt. Bei mir ist es konkret meine Nichte, die – genau wie die etwa 9.000 Polizistinnen und Polizisten in Rheinland-Pfalz – tagtäglich ihren Dienst für mich verrichtet. Dafür begegne ich jeder und jedem einzelnen von ihnen respektvoll und vor allem dankbar.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28DEZ2021
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„Willst du nicht vielleicht bei mir arbeiten?“ Ich schaue den Bäcker auf dem Markt irritiert an. Die Frage trifft mich völlig unvermittelt. Es stellt sich raus: er sucht für den Marktstand eine zweite Person als Aushilfe. Einmal im Monat würde ich dann mit ihm zusammen die Backwaren verkaufen.

Ich frage Freundinnen und Freunde um Rat. Ein Freund meint verblüfft: „Du hast ihm ernsthaft gesagt, du überlegst es dir?“

Vom Kopf her finde ich es völlig abwegig: ich habe eigentlich keine Zeit, verdiene dabei kein Vermögen, und muss gefühlt mitten in der Nacht aufstehen. Aber mein Bauchgefühl ist überraschend gut. Ich finde den Bäcker ganz lustig und es ist mal was ganz anderes. Das habe ich noch nie gemacht. Und so entscheide ich mich schließlich dafür, es zumindest mal auszuprobieren.

Vor meinem ersten Einsatz bin ich total aufgeregt. Tagelang habe die Preise auswendig gelernt. Aber als ich dann vor der Fülle an Broten stehe, wird mir mulmig. Die Brote sehen sich so ähnlich. Und wenn mich ein Kunde nach der Zusammensetzung fragt? Und von Brotkrumen oder gar Ausbünden habe ich auch noch keine Ahnung.

Dann ist meine erste Kundin da. Ich bin noch etwas zurückhaltend und sehr konzentriert, aber es klappt. Nach und nach kommen immer mehr Kundinnen und Kunden. Und ja, manche fragen nach, aber mein Chef unterstützt mich immer just im richtigen Moment. Nach sechs Stunden schwirren in meinem Kopf die Zahlen durcheinander und dann ist meine Arbeitszeit auch schon vorbei.

Ich bin völlig verblüfft, wie gut das gelaufen ist.

Und ich bin verwundert – der Bäcker hat mir die Aufgabe, obwohl er mich nur als Kundin kannte, zugetraut. Ich selbst zweifelte daran – schließlich bin ich fachfremd und Kopfrechnen ist nicht gerade meine große Stärke.

Aber die Herausforderung reizte mich: Was Neues wagen!

In Situationen, in denen ich nicht weiterwusste, hat mir mein Chef weitergeholfen. Zudem hatte ich viele angenehme Begegnungen mit Kundschaft, die eben nicht ärgerlich wurde, wenn ich etwas länger brauchte. Und zwei Freundinnen und ein Freund kamen extra vorbei, weil sie wussten, wie aufgeregt ich war.

Letztlich bin ich sehr froh, dass ich es gemacht habe. Es war richtig, auf mein Bauchgefühl zu hören.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27DEZ2021
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Ich mag die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr. Für mich sind diese Tage immer wie ein Lottogewinn. Es geht allerdings nicht um Geld, sondern um Zeit. Diese Tage zwischen Weihnachten und Neujahr sind für mich quasi wie eine Zusatzziehung an Zeit.

Ich arbeite, habe aber in der Regel keine fixen Termine und kann die Tage daher recht frei einteilen. Sie bieten Zeit für Dinge und Themen, die liegengeblieben sind. Da sind lästige Themen wie Buchhaltung oder Steuer. Daneben bleibt aber auch Zeit für angenehme Projekte, zu denen ich das Jahr über nicht gekommen bin.

Und dazu gehört in diesem Jahr ein Puzzle. Ein Freund hat es mir zum Geburtstag geschenkt. Er verbindet damit die Idee: „Wenn du dich ans Puzzle setzt und dich nur mal darauf konzentrierst, hilft das vielleicht, deine Gedanken zu sortieren. Du kommst womöglich auf tolle neue Ideen und Inspirationen.“

Neue Ideen und Inspirationen! Die sind mir immer willkommen. Aber manchmal sind sie Mangelware und gerade unter Druck fallen mir keine ein. Dabei bereichern sie mein Leben so sehr, machen es witzig und farbenfroh, gerade wenn der Alltag grau erscheint.

Und manchmal entdecke ich über neue Ideen, die ich ausprobiere, neue Seiten an mir.  Ich entdecke Dinge, die ich gut kann, wofür ich vielleicht ein Talent besitze. Und man könnte sagen: der Auftrag, danach zu suchen, entspringt sogar meinem christlichen Glauben. Denn aus christlicher Sicht ist meine Lebenszeit geschenkte Zeit, mir anvertraut und in meine Verantwortung gelegt. Die Talente, die ich habe, soll ich nutzen und vermehren. Sie sollen mir und meinen Mitmenschen Segen bringen, also einfach guttun.

In dieser Woche werde ich also nun mal ausprobieren, ob puzzeln mich tatsächlich inspiriert. Gerade mit Ausblick aufs neue Jahr ist das nicht verkehrt! Allerdings hat das Puzzle immerhin 1.000 Teile – also jede Menge Herausforderung zum Suchen und Kombinieren. Aber von mir aus müssen mir am Ende auch nicht gleich 1.000 neue Projekte eingefallen sein. Ich bin einfach sehr gespannt, was ich mir für 2022 an Ideen so zusammenpuzzele.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

26DEZ2021
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Mein Opa hatte ein Kino. Über dem großen Kinosaal war das Dach nicht ausgebaut, sondern es gab nur eine Balkendecke, die mit Stoffbahnen abgehangen war. Mein Opa nahm mich als kleines Mädchen mit hoch. Er sagte: „Du musst keine Angst haben! Du kannst über die Balken drüber gehen, du musst nur aufpassen!“

An Weihnachten denke ich immer an diese Worte. Nämlich dann, wenn ich in der Kirche den Satz der Engel höre: „Fürchtet euch nicht!“

Der Satz gibt mir Zuversicht und Rückhalt. Dabei bedeutet er für mich nicht „alles wird gut“. Aus meinem eigenen Leben und meinem Freundeskreis weiß ich: das Leben läuft nicht immer geradeaus. Angesichts von schlimmen Erkrankungen und plötzlichen Todesfällen, mit denen ich bei Beerdigungen immer wieder konfrontiert bin, wäre es zynisch, zu behaupten: hier auf der Welt wird immer alles gut. Aber ich habe eine Hoffnung, die darüber hinaus geht. Ich glaube, dass der Satz „Fürchtet euch nicht!“ richtig ist.

Und besonders in diesen Pandemiezeiten tut es mir gut, ihn zu hören. Gerade weil ich mir seit anderthalb Jahren manchmal Sorgen mache. Aber ich steh der Situation nicht allein gegenüber. Ich bin vor allem dankbar für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und deren Forschung. Dank ihrer Leitlinien und Entwicklungen können wir alle gemeinsam gegen das Virus ankämpfen. Und vor allem die Impfstoffe sind der Rettungsanker, um irgendwie wieder Normalität zu erlangen.

Aber der Satz „Fürchtet euch nicht“ wird auch missbraucht – quasi als Freifahrtschein. Als könnte ich tun und lassen, was ich will, Gott wird es schon richten. Dabei muss ich selber entscheiden und handeln. Ich kann die Verantwortung nicht an Gott abtreten. Daher gehört für mich immer die Ergänzung meines Opas hinzu: „Aber du musst aufpassen!“ Das heißt: Ich muss verantwortlich handeln. Das ist oft nicht leicht, weil die Welt unübersichtlich ist und es keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen gibt.

Auf dem Dachboden des Kinos bin ich dann tatsächlich damals über die Balken gegangen. Erst etwas unsicher, dann aber immer zuversichtlicher und sicherer. Und bis heute denke ich an meinen Opa, der sagte: „Du musst keine Angst haben!“ und zwar besonders dann, wenn ich an Weihnachten den Satz höre „Fürchtet euch nicht!“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

06OKT2021
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Nach meiner Trauerrede bei einer Beerdigung sagt der Bestatter hinterher zu mir: „Ich dachte, du liest die Speisekarte eines Restaurants vor.“ Tatsächlich hatte ich in der Trauerrede drei herzhafte und drei süße Spezialitäten benannt, die die verstorbene Person gut kochen und backen konnte. Im Trauergespräch frage ich die Angehörigen immer danach, was eine Person besonders gern mochte – was ihre Leidenschaften waren. Und in diesem Fall, löste die Frage eine ganze Reihe von Erinnerungen an herzhafte Gerichte, Torten und Gebäck aus.

Auf den ersten Blick mag es belanglos klingen, ob jemand Fleischwurst liebt oder auf Nelkenblüten kaut. Aber mir ist es wichtig, in einer Trauerfeier Erinnerungen zu wecken. Schöne Erinnerungen können eine wichtige Brücke sein zu einem geliebten Menschen, den ich verloren habe. Denn selbst meine christliche Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod ändert im ersten Moment nicht den Schmerz um den Verlust dieses Menschen.

An den Erinnerungen kann ich mich aber ein bisschen festhalten. Sie bleiben mir und verbinden mich weiterhin mit der Person, die ich vermisse. Sie verbinden das Leben, das ich ohne die vertraute Person weitergehe, mit der gemeinsamen Vergangenheit. Und dabei sind Erinnerungen eben nicht nur in meinem Kopf. Manchmal kann ich sie schmecken wie die Eier in Senfsoße, die beispielsweise ein Postbeamter so gerne aß.

Manchmal kann ich sie lesen und darüber lachen: Wie über die letzten lustigen Verse, die eine Anglerin kurz vor ihrem Tod geschrieben hat und in denen es hieß: „[…] sonnengebrannte Sardellen begrüßen saftige sardische Sardinen mit sadistisch klappernder Sardinendose im Handstand hinterm Wandschrank. […]“ Und trotz des traurigen Anlasses mussten auch die Anwesenden bei der Beerdigung darüber schmunzeln.

Diese Erinnerungen lassen bunte Bilder von einer Person entstehen. Und ich finde, die Dinge, die eine Person so gerne mochte, erzählen mir viel mehr von ihr als Status und ein tabellarischer Lebenslauf. Die Erinnerungen helfen mir, dass der Mensch, den ich so vermisse, weiter in meinem Leben spürbar ist.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

05OKT2021
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In einer Gärtnerei bleibe ich an dem Namen eines Pflanzenpakets hängen. Es trägt den Titel: Die Leichtigkeit des Seins. Das Paket enthält Pflanzen mit sehr schönen Namen wie die Sternwolkenaster, das Herz-Zittergras oder das Tautropfengras.

Ich sehe das schon vor mir im Garten wie gerade jetzt im Herbst die violetten Astern in der Sonne leuchten und sich dazwischen die Gräser im Wind bewegen.

Aber bis es so weit ist, dauert es natürlich noch, denn erst muss ich ein Beet für die Pflanzen vorbereiten, dann pflanze und pflege ich sie und schließlich muss ich warten, bis die Pflanzen gewachsen sind und das Ganze so aussieht wie ich mir das in etwa vorstelle.

Auf Knopfdruck geht das also nicht. Aber das Gefühl von Leichtigkeit stellt sich ja auch nicht auf Knopfdruck ein.

In der Regel ist mein Kopf randvoll mit Überlegungen, Terminen und ganz unterschiedlichen Themen. Das ist auch nicht schlimm, ich mag es, wenn viel zu tun ist und die Themen möglichst viel Abwechslung bieten. Aber manchmal komme ich dann an einen Punkt, da merke ich: mir fehlt die Leichtigkeit.

Dann brauche ich einfach mal etwas Zeit für mich allein. Bewegung hilft mir meistens. Einfach mal in den Wald, einige Kilometer laufen und zwischendurch auf einem Baumstamm sitzen und die Beine baumeln lassen. Ich merke, wie mein Kopf auf Leerlauf schaltet. Einfach nur dasitzen und schauen. Nichts tun. Nichts müssen. Einfach toll! Dieser Moment ist sehr gut.

Ich muss schmunzeln. Schließlich findet sich dieser Satz in der Bibel in ähnlicher Form. Da wo Menschen von der Erschaffung der Welt durch Gott erzählen, heißt es: „Und siehe, es war sehr gut.“ (Gen 1,31) Gott schaut auf die Welt und findet sie sehr gut.

Ich glaube, das Gefühl der Leichtigkeit ist eigentlich in dieser Welt und in meinem Leben immer schon da. Nur oft ist es verschüttet, gerade während der letzten anderthalb Jahre. Daher brauche ich im Alltag solche Unterbrechungen, um die Leichtigkeit neu zu entdecken. Dann beflügelt sie mein Tun.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

04OKT2021
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Es ist ein ganz normaler vollgepackter Tag, an dem mein Zeitplan morgens um 10 Uhr schon hängt. Trotzdem will ich auf dem Weg zum nächsten Termin noch schnell auf dem Markt vorbei. Ich parke im Parkhaus. Als ich das Parkticket ins Portemonnaie stecken will, erschrecke ich: Ich habe es zuhause liegen gelassen! Das darf ja wohl nicht wahr sein! Ich kann nicht einkaufen, mein Anschlusstermin naht und vor allem: Wie komme ich aus dem Parkhaus wieder raus?

Ich rege mich auf. Ich werde nach Hause laufen müssen, etwa 8 Kilometer hin und her. Ich schimpfe vor mich hin.

Unterwegs treffe ich eine Bekannte und berichte von der Situation. Sie sagt: „Du musst auch das Positive daran sehen!“ Ich schnappe nach Luft. So ein Kalenderspruch hat mir gerade noch gefehlt. „Wenn du magst, mach ich uns einen Kaffee.“ Irgendwie ist es jetzt auch schon egal, den Termin habe ich auf den Nachmittag verschoben und so nehme ich die Einladung an.

30 Minuten später stehe ich neu sortiert und gestärkt durch Kaffee und Gebäck wieder auf der Straße. Das Geld fürs Parkhaus hat sie mir mitgegeben.

Ich bin erstaunt, welche Wendung der Tag genommen hat. Allerdings hätte ich mich nicht so aufregen müssen. Schade um die Energie, die da verpufft ist. Beim Kaffee haben wir noch über den vermeintlichen „Kalenderspruch“ geredet, also dass schwierige Situationen auch was Gutes beinhalten können. Zugegeben, im Prinzip stimmt es irgendwie. Meine Vergesslichkeit führte zu einer unverhofft angenehmen Pause und einer Entzerrung meines hektischen Tages, aber ich sah vor allem nur meinen Tagesplan in Rauch aufgehen.

Beim nächsten Tag, der aus dem Ruder läuft, könnte ich zur Abwechslung einfach mal neugierig sein wie’s jetzt weitergeht. Wie ich mich kenne, braucht das aber wohl noch etwas Übung im Bereich Gelassenheit oder christlich formuliert im Bereich Gottvertrauen. Aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

03OKT2021
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Für mich gehört zu einem Sonntag auch Kuchen. Das war schon immer so. Und so überlege ich spätestens am Vormittag, ob ich einen backe oder ob welcher gekauft wird. Heute gibt es einen Honigkuchen mit Äpfeln. Ich finde er passt gut zum Erntedankfest, das in der katholischen und evangelischen Kirche heute gefeiert wird. In vielen Kirchen werden dafür Erntekörbe aufgebaut: Ähren, Kartoffeln, allerlei Obst und Gemüse.

Mir persönlich ist es wichtig, einen Kuchen mit Honig zu backen und damit noch einmal eigens Danke zu sagen. Schließlich verwende ich den Honig meiner Bienen dazu. Und in diesem Jahr wurde in der Imkerei besonders deutlich: Etwas zu ernten ist nicht selbstverständlich. In vielen Regionen waren die Wetterbedingungen für Honigbienen eher schwierig und vielfach gab es nur wenig oder gar keine Ernte.

In den Zeiten des Klimawandels ist mir das Erntedankfest noch wichtiger geworden.

Biblisch formuliert hat der Mensch den Auftrag, die Schöpfung zu bewahren und zu schützen. Wenn ich dann bewusst Danke sage, heißt das eben: ich bin nicht das Maß aller Dinge. Es geht nicht darum, das maximal Mögliche an Ertrag aus dem Erdboden zu pressen. Es geht darum, den Boden fruchtbar zu halten und das gesamte Ökosystem für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.

Für mich heißt „Danke sagen“ auch noch mal genauer zu schauen: Was esse ich? Wie wird es angebaut und wo? Und wer baut es an, zu welchen Bedingungen?

Das Thema ist ganz schön komplex, sodass mir oft schwindelig wird, wenn ich darüber nachdenke.

Da ist das Erntedankfest eine Hilfe – es macht mir noch mal klar:

Lebens-mittel sind keine Selbstverständlichkeit – und Kuchen natürlich schon dreimal nicht. Wenn ich dann nachher den Honigkuchen anschneide, sage ich noch mal eigens Danke, bevor ich hineinbeiße.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

03JUL2021
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Es ist ja nicht so, als würde ich – nur weil ich Theologin bin – die Bibel im Detail kennen. Da gibt es vieles, was ich nicht kenne. Als ich zuletzt etwas nachgeschlagen habe, bin ich über den folgenden Satz gestolpert:

„Es gibt kein Glück, es sei denn, der Mensch kann durch sein Tun Freude gewinnen.“ (Koh 3,22)

Das finde ich erstaunlich. Mit meinen Worten gesagt: „Mein Leben ist schön und bunt, wenn ich Freude habe, an dem, was ich mache.“

 

Ich habe mir den Text dann mal genauer angeschaut. Und tatsächlich vertritt der Weisheitslehrer Kohelet aus dem Alten Testament die Meinung: mein Leben wird nicht durch solche Klassiker wie Besitz, viel Geld, Ansehen oder ein langes Leben glücklich. Denn das alles ist vergänglich. Wichtig sind die kleinen oft unbeachteten Dinge, die das Leben im Hier und Jetzt bereichern.

Das klingt wie aus einem Lifestyle-Magazin.

Aber tatsächlich stelle ich fest, dass ich oft mit der Vergangenheit oder mit der Zukunft beschäftigt bin. Die Gegenwart fällt schnell unter den Tisch. Schade eigentlich. Klar, der gegenwärtige Augenblick ist immer nur kurz.

Und nicht alle meine Tätigkeiten sind vergnügungssteuerpflichtig. Aber ich versuche, schöne Momente in der Gegenwart zu genießen.

 

Dazu gehört: Mal zehn Minuten auf dem Bett liegen und dösen. Ein Highlight ist das Croissant, das ich in den Milchkaffee tunke. Und besonders gern stehe ich momentan nelkenblütenkauend vor meinem neu angelegten Beet mit weißen, roten und pinken Nelken und schaue dort den Bienen zu.

Um mich daran zu erinnern, mehr auf die Gegenwart zu achten, habe ich nun eines meiner Lieblingsgedichte von Rainer Maria Rilke auf dem Schreibtisch aufgestellt:

 

„Du musst das Leben nicht verstehen,

dann wird es werden wie ein Fest.

Und lass dir jeden Tag geschehen

so wie ein Kind im Weitergehen

von jedem Wehen

sich viele Blüten schenken lässt.

 

Sie aufzusammeln und zu sparen,

das kommt dem Kind nicht in den Sinn.

Es löst sie leise aus den Haaren,

drin sie so gern gefangen waren,

und hält den lieben jungen Jahren

nach neuen seine Hände hin.“

 

(Quelle: Rainer Maria Rilke, Du musst das Leben nicht verstehen, aus: Rilke für Gestreßte, ausgewählt von Vera Hauschild, Insel Verlag Frankfurt a. M. und Leipzig 2000, 11)

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