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SWR4 Feiertagsgedanken

Bei uns ist Weihnachten ein durchgeplantes Fest. Vielleicht kennen Sie das: An Heiligabend kommt die Großmutter. Es gibt ein einfaches Essen und dann ist Bescherung. Am ersten Weihnachtsfeiertag kommt die Tante. Die Oma macht den Festtagsbraten. Am zweiten Weihnachtsfeiertag kommt der Onkel. Es ist gibt Kaffee und Kuchen. Und dann sind eigentlich alle froh, dass Weihnachten rum ist.

So gesehen ist Weihnachten ein anstrengendes Fest, finde ich. Es stellt ganz schöne Ansprüche an die Familien. Alles wird genau geplant. Das Essen, die Dekoration, der Ablauf. Ich glaube, viele Menschen machen sich dabei richtig Druck.

Und es ist ja auch viel vorzubereiten. Den Baum schmücken, den Tisch decken, Kochen, abspülen. Und das gleich drei Tage hintereinander.
Manchmal frage ich mich: Warum machen wir das eigentlich?

Ich habe inzwischen zwei Gründe gefunden: Der erste: Nachher war es dann doch wieder ein schönes Fest. Der zweite: Es hat mit Jesus zu tun, dessen Geburt an Weihnachten gefeiert wird. Und mit der Art, wie er gelebt hat. Er hat auch eine Menge getan für seine Mitmenschen. Weil er sie geliebt hat. Weil er ein großes Herz hatte. Weil er wollte, dass sie gut und gern leben. Und er hat sich gewünscht, dass die Menschen seinem Beispiel folgen.

Sie kennen vielleicht die Geschichte, in der Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht. Eine Wohltat für die anderen in dem heißen und staubigen Israel. Aber wer das zur Zeit Jesu gemacht hat, der hat dem anderen gedient. Einer seiner Jünger hat ganz erschrocken gefragt: Wieso machst Du das? Und Jesus antwortet ganz ruhig: Ich mach das für Euch. Damit es euch besser geht. Und ich gebe Euch damit ein Beispiel. So könnt ihr euch gegenseitig das Leben schöner machen.

Jesus hat gedient, weil er die Menschen geliebt hat. Und ich bin davon überzeugt, dass die Familienmitglieder sich an Weihnachten so viel Arbeit machen, weil sie sich lieben. Weil sie sich zeigen wollen: Wir gehören zusammen.

Wenn ich um die Weihnachtszeit an meine Großmutter denke, dann sehe ich sie, wie sie den Braten zubereitet. Immer gebückt vor dem Ofen. Dabei tut ihr jedes Mal der Rücken weh, wenn sie sich nach unten beugt. Aber sie ist unermüdlich. Ich habe sie mal gefragt: Warum machst Du Dir eigentlich so viel Arbeit? Und sie hat geantwortet: Ich mach das für Euch!

Das ist für mich ein sehr eindrückliches Bild: An Weihnachten tut meine Großmutter etwas, damit es uns allen gut geht. Das haben Sie bestimmt die letzten Tage auch bei sich zu Hause erlebt. Dass Sie einander dienen, weil Sie einander lieben.

Und wenn man keine Familie hat? Ich finde, auch dann kann man etwas tun, damit Anderen das Leben leichter wird, heller und schöner. Jesus hat das vorgelebt. Er war nicht nur für die Menschen da, die er gut kannte. Er ging dorthin, wo er gebraucht wurde.

Vor zwei Jahren habe ich einen Mann kennengelernt, der das versucht.
Er war Soldat bei der Bundeswehr. Wenn er mir davon erzählt, dann merke ich: Er hat gedient. Seinem Land und dem Frieden. Das war hart für ihn: monatelang konnte er seine Familie nicht sehen. Wenn er in Afghanistan war, dann war auch bei allen die Angst dabei, ob es überhaupt ein Wiedersehen geben würde.

Aber der Soldat liebt seine Familie, er liebt die Freiheit in Deutschland. Deswegen hat er gedient. Deswegen hat er sich den Gefahren eines Krieges gestellt. Ich diene den Menschen, wie Jesus gedient hat, hat er gesagt. Als ich das gehört habe war ich irritiert. Wie soll das zusammenpassen? Wehrdienst und Jesus, der seinen Jüngern zum Beispiel die Füße wäscht? Manchmal fiel es auch dem Soldaten schwer, beides zusammenzuhalten, hat er gesagt. Dann hat er sich die Frage gestellt: Gehe ich den richtigen Weg?

Später hat er mir erzählt, dass er innere Ruhe beim Beten gefunden hat. Wenn im Lager Gottesdienst gefeiert wurde, dann war er immer dabei. Der Gottesdient war für ihn ein wichtiges Zeichen für den Frieden in der Welt. Und für Gottes Liebe zu den Menschen.  Wenn Gottesdienst war, wusste er: wer Frieden will, der muss dienen.

Mittlerweile ist er wieder zu Hause. Aber was er im Gottesdienst gefühlt hat, hat er nicht vergessen. Und noch immer dient er den Menschen. Weil er will, dass es den anderen gut geht. Er fährt für das Krankenhaus Essen auf Rädern aus. In einem Altenheim spielt er Gitarre. Seit Sommer hilft er einem Flüchtling, in Deutschland Fuß zu fassen.

Immer dabei hat er sein altes Gebetbuch von der Bundeswehr. Als Erinnerung: Jesus wurde geboren, um anderen mit Liebe zu begegnen und ihnen zu dienen. Dafür ist auch in meinem Leben Zeit.

Bei diesem Mann sehe ich, was es heißt: wer liebt, dient. Er lebt ganz selbstverständlich so. Das hat mich sehr beeindruckt. Und es hat mir gezeigt, dass Weihnachten nicht heute am 2. Weihnachtsfeiertag aufhört. Was Weihnachten ausmacht, gilt auch morgen noch: Zum lieben und dienen ist immer Zeit.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete und liebevolle Weihnachtszeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23366
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SWR4 Sonntagsgedanken

Hinter meinem Pfarrhaus liegt ein kleiner Garten. In der Mitte steht ein riesiger Ahorn. Er hat einen dicken Stamm und eine gewaltige Krone. Wenn ich ihn anschaue, muss ich oft denken:

Beneidenswert, wie der Baum ungerührt von allem wächst und gedeiht. Immer noch, obwohl er so alt ist. Aber warum auch nicht? Seine Wurzeln sind kräftig und finden Wasser. Diesen Ahorn haut nichts um. So vital möchte ich auch gerne sein!

Ich weiß gar nicht wie lange er da schon steht. Aber so groß wie er ist, sicher schon Jahrzehnte. Seine Krone reicht über den ganzen Hof. Der Baum spendet auch den Nachbarhäusern Schatten. Letzten Sommer hat mir ein Nachbar gesagt: „Ich bin froh, dass wir ihn haben, wenn es draußen heißer wird.“
Und er hat recht. Ich liebe diesen Ahorn. Er sieht aus wie gemalt.

Eigentlich steht der Baum ja nicht in einem Garten. Genau genommen steht er in einem Dschungel. Fünf Jahre lang konnten Efeu und Brennnessel sprießen. Fünf Jahre hat sich keiner um den Garten gekümmert. Das ist jetzt meine Aufgabe.

Manchmal stehe ich mit Spaten und Harke da und frage mich: Warum genieße ich nicht einfach das Durcheinander? So ein Dschungel ist doch auch schön, denke ich. Und den hat auch nicht jeder. Ich blicke über die Pflanzen, die sich ihren eigenen Weg suchen. Es ist beeindruckend, was die Natur kann, wenn man sie lässt. Wie sie sich jeden Zentimeter erkämpft. Aber: Das Unkraut vergeht Jahr für Jahr. Die kurzen Wurzeln halten es nicht am Leben.

Der Ahorn bleibt. Er wird auch in Jahrzehnten noch stehen mit seinen Wurzeln, die tief im Boden Wasser finden. Mehr braucht er nicht. Das beeindruckt mich noch mehr. So kraftvoll und voller Leben wie der Baum dort steht, kann er sogar ein Vorbild sein.

Das haben schon die Menschen zur Zeit der Bibel gespürt. In einem Gebet aus den Psalmen heißt es: „Ein Mensch, der über Gottes Gebote nachdenkt und ihnen folgt, ist wie ein Baum“. Und zwar wie einer, der Wasser findet, der wachsen und gedeihen kann. Kein Sturm kann ihn umwerfen. Und wenn die Zeit reif ist, blüht er und trägt Früchte.

Ein Mensch, der sich an Gott orientiert, wächst wie ein Baum mit starken Wurzeln. So ein Mensch ist vital. Ihn haut nichts um. Er geht einen guten Weg. Das Vertrauen auf Gott macht ihn stark. Zuversichtlich kann er die Jahreszeiten des Lebens überstehen. Er hat tiefe Wurzeln. Und wer die hat, der bringt auch Frucht.
Der Psalmbeter aus der Bibel erinnert mich: Du kannst als Mensch so vital und kraftvoll sein wie ein Baum.

 

Wer sich an Gott orientiert, der ist wie ein Baum. Er bringt Frucht. Ihn wirft nichts um. Was er macht, wird gut.
Ich glaube: Jesus hat gezeigt, wie das geht: Sich an Gott orientieren, wie ein Baum sein. Er war für die da, die Hilfe brauchten. Er hat sie gesehen. Hat gefragt, was er tun kann. Und dann hat er geholfen. Er nannte das Nächstenliebe. Wo Menschen sie umsetzen, sind sie wie die Bäume lebendig und stark. So wie der Ahorn in meinem Garten. Vital ist ja, was lebt und blüht. Und dazu Leben ermöglicht: In meinem Ahornbaum nisten Vögel. Auf der Rinde krabbeln Käfer.

Wie kann ein Menschenleben aussehen, das so ist – vital und stark auch für andere?
In der Fußgängerzone habe ich mal erlebt, dass eine Frau genau so war.

Vor einer Bäckerei sitzt da jeden Tag ein Bettler. Vor seinen Füßen steht ein kleiner Plastikbecher. Die Passanten laufen an ihm vorbei. Ich meistens auch. Manchmal überlege ich, ob ich ihm etwas Geld geben soll. Ich glaube, dass alle sich das fragen. Aber dann tue ich es doch nicht – wo kämen wir hin, wenn wir allen etwas geben würden, die da so sitzen?

Sie kennen wahrscheinlich die Sätze, die man dann zu sich sagt, um das Gewissen zu beruhigen: Irgendwer wird schon was in den Becher werfen. Nächstes Mal gebe ich bestimmt. Ein Brötchen würde ich ihm ja kaufen, aber er will eh nur Geld.

Auf einmal stand eine Frau vor dem Bettler und hat ihn angesprochen: Ich gehe zum Bäcker, was hätten Sie gerne? Er hat verlegen gegrinst, kurz geschaut, was in der Theke beim Bäcker liegt und genuschelt: Ein süßes Teilchen. Die Frau hat genickt und sich hinter mich in die Schlange gestellt. Da hab‘ ich mich ein bisschen geschämt.

Hinterher hab ich gedacht: Diese Frau war wie der Baum, von dem der Psalm spricht. Sie war vital. Sie hat Nächstenliebe konkret umgesetzt. Sie wurzelt in gutem Boden. Sie war wie ein Baum, der Wasser hat. Sie hat Frucht gebracht. Sie hat dem bettelnden Mann geholfen, zu leben. Sie hat ihm das Leben – gewissermaßen – für einen Augenblick versüßt. Sie hat keine Ausflüchte gesucht. Sie hat sich an Gott orientiert: hingesehen, gefragt, geholfen.

Ich musste an meinen Nachbarn denken. Der hatte ja gesagt: Gut, dass der Ahorn da ist. Ich sage: Gut, dass die Frau da war. Sie hat mir etwas gezeigt: Es kann so einfach sein, ein vitaler Baum zu sein.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete und vitale Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22620
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