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SWR3 Gedanken

10AUG2021
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„Hach, Ferien“. Auch wenn ich diesen Sommer - wie so viele – keine Urlaubsreise mache. Für das Feriengefühl brauch ich nur eins: eine Muschel in der Hand. Bei mir im Bad liegen einige griffbereit. Verschnörkelt braunrot oder wunderbar weiß gefächert. Schon als Kind habe ich sie gesammelt, mit meinen Brüdern um die Wette. “Ich hab sie zuerst gesehen.“ Ich sehe uns rennen. Und am Strand mit den Wellen um die Wette hüpfen.

Bis heute liebe ich Muscheln. Und gerade in diesem Zuhausebleiben-Jahr wäre ich gern am Meer. Ich war an vielen Stränden, mit knallbunten Fischen und baumhohen Wellen. Ich habe Angst gehabt oder mich einfach schaukeln lassen. Und jedes Mal bin ich überwältigt. „Der Himmel freue sich, die Erde sei fröhlich; das Meer brause und was darinnen ist“ so schwärmt schon einer in der Bibel. (Psalm 96,11)

Sandig die Füße, salzig das Gesicht, das fühlt sich an wie neugeboren. Das Meer ist wunderbar: wild, sanft und säuselnd. Voller Leben. Noch. Noch ist es voller Fische, die nicht einmal alle entdeckt sind. Die tollsten und die ältesten Lebewesen – Korallen und Schwämme leben dort in der Tiefe, teilweise seit 10.000 Jahren. Wunderwesen der Schöpfung, die da unten wuseln, noch immer, trotz aller Überfischung und Plastikmüll und und .. Ja, die Weltmeere müssen besser geschützt werden. Doch ich glaube, das gelingt nur, wenn wir und unsere Kinder das Meer lieben lernen - und die Muscheln.

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SWR3 Gedanken

09AUG2021
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Ich hab´ es getan. Das erste Mal. Ich habe eine Freundin umarmt und gleich noch ihren Freund dazu. Ohne Abstand - seit gefühlten Ewigkeiten. Wir sind alle „durchgeimpft“. Ein unschönes Wort, aber was für ein schönes Gefühl: aufeinander zugehen, ohne zurückzuweichen. Einander in den Arm nehmen, das Herz klopfen hören, die Hand festhalten.

Es war ein Moment, als würden wir neu geboren, berührt wie am ersten Tag. Wie auf Michelangelos berühmten Gemälde in der sixtinischen Kapelle in Rom. Gottvater, wie man ihn sich damals vorstellt, mit Rauschebart, streckt seinen Finger nach Adam aus, dem ersten Menschen, den er ins Leben ruft. Mit einer leichten, innigen Berührung. Und das, ohne die Hand zu desinfizieren. Gott und Adam mit Hygienespray: Diese Collage ging in den ersten Coronamonaten durchs Netz.

Inzwischen erleben wir den Sommer der ersten Male. Das erste Mal Umarmen, das erste Mal Urlaub. Das erste Mal im Restaurant. Das ist schon eine Weile her, aber ich weiß es noch: Im Schlossgarten Schwetzingen. Mein Mann und ich schlendern frisch getestet durch das Grün und genießen ein Stück Erdbeerkuchen. Nicht to go sondern mit einem Kellner to come. Ein Gefühl, als wär´s der erste Schöpfungstag.

In den Hochwassergebieten – dieser erstmaligen Katastrophe hierzulande – da sah und sieht das gute Leben ganz anders aus. Das erste Mal wieder Strom zum Kochen, eine Wohnung ohne Schlamm, ein Tag ohne Sorgen ums Überleben. Aber auch Tage voller Menschen, die einander umarmen und zur Hand gehen. Gott sei Dank. Was für ein Sommer. Kein Bilderbuchsommer, aber einer voller Bilder, die berühren.

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SWR3 Gedanken

08AUG2021
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Bei mir zuhause wohnt Gott. Ich hab ihn selbst eingeladen. Seither ist er immer da, wo ich auch bin. Schleicht um mich herum. Ob es mir gut geht oder schlecht, Tag und Nacht. Ja, dann ganz besonders, wenn der Mond aufgeht, die Sterne sich blank putzen. Dann sieht er mich sanft an, aus schmalen Pupillen. Wenn alles schläft, aber ich komme nicht zur Ruhe - sitze am Schreibtisch, stehe am Bügelbrett, wandere zwischen Kühlschrank und Bücherregal…

Dann beobachtet er mich aus Bernsteinaugen. Sie ahnen es, es ist ein Kater. Gottgleich thront er plötzlich über mir an der Sessellehne, ganz nah am Ohr, spricht mich leise an. Schmiegt sich an mich. Weich und warm. Bringt mich zum Lachen. Wenn er mir seinen Kopf in die Hand legt, damit ich sein Ohr kraule. Dann schnurrt er sich die Seele aus dem Leib und die meine wird ruhig…. Klar, er ist nicht Gott. Aber wenn er um mich ist, der schönste Kater der Welt, fühle ich mich nicht allein.

Nein, kein weiterer Catcontent heute früh, nur ein Loblied auf Katzen. Die die Seele anrühren. Ohne die unsere Häuser traurig und das Internet fast leer wäre. Die einst wie Götter verehrt wurden und natürlich keine sind. Aber doch - wunderbare Geschöpfe. Millionen Samtpfoten und ihre Menschen in aller Welt wissen das, erst recht am heutigen Weltkatzentag. "Wer Gott erkennt, der erkennt auch die Kreatur, versteht sie und hat sie lieb“, sagt Martin Luther, „denn in der Kreatur sind die Fußstapfen der Gottheit". Da streckt er gleich seine Pfoten nach mir aus, mein Samtkater. Und weiß, auch dieser Tag ist für die Katz.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30MAI2020
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Ich weiß nicht, an welchen Himmel er geglaubt hat. „Wer weiß das schon, was danach kommt“, hat er gesagt, in seiner bodenständigen Art. Wahrscheinlich hat er an einen Himmel voller Cellos geglaubt. Richtiger Celli, mit Latein hat er es immer genau genommen- zum Leidwesen von uns Kindern: mein Vater.

Die lichten blonden Locken ungekämmt, die Zungenspitze zwischen den Lippen, ganz in die Noten vor ihm vertieft spielt er Cellosuiten von Johann Sebastian Bach. Wenn ich heute auch nur wenige Töne daraus höre, sehe ich ihn vor mir. Wie er eintaucht in diese Musik, in „seinen Bach“. Genauso wie in seine geliebten, kalten Seen.

Ich weiß, woran er geglaubt hat in seinem Leben. Dass der Himmel nicht voller Abgase, das Wasser nicht verdreckt und die Felder nicht überdüngt sein dürfen. Er war ein Grüner, noch bevor es das Wort und die Partei gab. Er hätte aufgeatmet mit der Erde über die willkommene Auszeit in diesen Monaten. Hätte sich gefreut mit den Kindern in Wuhan, die zum ersten Mal den Himmel klar sehen konnten und nicht rußverhangen.

Er hat daran geglaubt, dass die Bäume, die er gepflanzt hat vor seiner Kirche ihn noch lange überleben sollten. Er hat sie abendelang gegossen. Selbst die Bäume am Straßenrand, gleich beim Acker, wo er mit den Bauern gesprochen hat. „Weißt du“ hat er mir als Kind erzählt „ich bin Bauer geblieben, wie meine Vorfahren, auch wenn ich Pfarrer geworden bin“. Sein Gottesdienst war, am Boden zu bleiben.

Warum ich das erzähle? Weil ich ihn vermisse. Und weil Himmelfahrt noch nicht lange her ist. Vatertag. Lange vor Bier- und Bollerwagenfahrten fährt Jesus zu seinem himmlischen Vater auf. Ein wunderbares Bild. Außerdem feiern wir morgen Pfingsten. Den Heiligen Geist, der von oben kommt, vom „Vater unser im Himmel“, wie wir beten. Gell, Papa, möchte ich sagen. Und blinzle zu den Wolken. „Wer weiß das schon so genau mit dem Himmel“, höre ich ihn lachen. Und dann - ganz leise ein paar Cellotöne.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29MAI2020
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„Nein, bitte nicht küssen“, ruft der Zehnjährige, eines meiner Patchworkkinder, die am Wochenende die Bude stürmen. Er, der mich ansonsten gleich auf der Treppe umarmt. „Na dann geh mal vorsichtig rein“, sag ich. Und denke, nun fängt sie wohl an, die Pubertät. „Du weiß doch, Corona“, sagt er feierlich, „obwohl, ich bin ja öfter da, da könnt ich dich ja doch…“ „Schon gut, du bleibst ja noch bisschen“, sag ich. Er kramt aus der Jacke seinen Mundschutz vor und mummelt „aber weißt Du, manchmal bin ich froh, dass mich nicht jeder knuddelt“.

Ich grinse und erzähle, wie es bei mir war. Ich bin etwa 11 gewesen, da habe ich zum ersten Mal gedacht: „Bitte nicht umarmen.“ Mein Opa steht vor der Tür. Ich strecke ihm steif die Hand hin. Aber Opa lacht nur, umarmt mich fest – bis heute rieche ich sein „Old Spice“ - und drückt mir einen Schmatzer auf. Und das mit seiner Reibeisenhaut.

Doch, ich habe meinen Opa geliebt. Aber als ich halb erwachsen war, ist es mir auch so ergangen wie vielen Halbwüchsigen: „Küssen verboten!“ Das habe ich bei so manchen Onkels und Tanten gedacht „nein, nicht umarmen“. Besonders, wenn man mir dazu noch mit einem spuckbefeuchteten Taschentuch... Lassen wir das. „Nein“ sagen dürfen, ist wichtig. Nicht erst seit der Mee-too-Debatte oder in Coronazeiten. Aber einander ganz freiwillig umarmen und küssen, das bleibt lebenswichtig.

Menschen brauchen Berührungen. Vom ersten Atemzug bis zum letzten. Darum knuddeln wir Babys, nehmen einander in den Arm, streicheln Hände, wenn jemand krank ist oder stirbt. Wie bitter ist das, wo eben diese Nähe nicht möglich ist. Und wie sehnsüchtig wird sie erwartet, die Zeit, in der wir einander wieder näher kommen dürfen. Hautnah.

„Er lief, umarmte und küsste ihn“, heißt es in einer bekannten Geschichte der Bibel. Der Vater umarmt seinen verlorenen Sohn, der zurückkehrt. Ich bin für dich da, sagt er damit, ganz gleich, was geschehen ist und geschieht. Ich liebe dich. „Duuu“, sagt mein Söhnchen verschmitzt nach dem Mittagessen, „darf ich auf deinen Schoß, ich gehör ja zum Haushalt. Dann darf ich das.“ Wer kann da schon Nein sagen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28MAI2020
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„Wer Ohren hat zu hören, der höre“, heißt es in der Bibel. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. „Hööörst du mich?“, ruft es, als ich am – endlich wieder belebten - Spielplatz vorbeigehe, gleich bei mir um die Ecke. Ich dreh mich um. Vor mir ein Hintern, der Mann dazu gebückt vor einem trichterförmigen Etwas. Weit auf der anderen Seite des Platzes, ein Junge, man sieht ihn kaum, denn der Kopf steckt halb im Trichter vor ihm. „Hörst du, Papa?“

Es ist eins dieser Sprech- und Hörrohre, die unterirdisch verbunden sind: Flüstertelefone. Sie sind heißt begehrt auf dem Spielplatz und fast immer belegt. Es scheint selbst in Handyzeiten faszinierend zu sein, wie einfach man sich verständigen kann. „Hier bin ich, hör mal, Hallo“, ruft es da in Dauerschleife. Und der andere antwortet. Meistens. „Papa, hier rein sprechen“, ruft der Kleene. Doch Papa kapiert´s nicht. Da zieht der Sohnemann schließlich den Kopf hervor, knallrot. Wischt sich den Schweiß und schaut theatralisch nach oben, als wollte er sagen „Himmel, hilf.“

Ich muss grinsen, denn so geht es mir auch manchmal. Und nicht nur mir. „Papa, Mama, hör doch!“ So rufen wir von klein an, wollen Gehör finden. Auch bei dem da oben. „Wo bist du denn nur, höre mich, Gott“, rufen Menschen schon seit biblischen Zeiten. Die Psalmen, die alten Lieder und Gebete sind voller Hör-mich-doch-Rufe. Und Gott hört. Aber nicht immer. Es gibt auch die Erfahrung, da ist einfach niemand. Da kommt nichts zurück. So verzweifelt ich auch schreien mag.

Ja, manchmal scheint der Vater im Himmel auch einer zu sein, der einem den Hintern zudreht. Als ob er taub wäre. Fast wie jener Vater am Spielplatz. Doch der Sohn gibt nicht auf. „Papaaa, hier rein“, zeigt er und endlich klappt´s. “Jaa, ich hör Dich, schrei nicht so“, flüstert der Vater in den Trichter. Na also. Himmel hilf. Einfach weiter rufen, dann kann ich gehört werden, auch von Gott. So hat es mancher erlebt, in diesem Krisenjahr. Und das nicht nur am Flüstertelefon. „Wer Ohren hat zu hören, der höre“.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27MAI2020
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Ja, mein grauer Haaransatz ist deutlich zu sehen. „Ich steh jetzt zum Grau“, haben auch viele meiner Freundinnen gesagt, nun ja, ob wir das durchhalten? Jedenfalls hat die friseurlose Zeit manche ins Grübeln gebracht, auf dem Kopf und im Kopf. Was braucht´s wirklich, was zählt, wie lebt es sich in diesen verrückten Zeiten…

„Also ich war ja immer verrückt“, ruft sie mir zu. Jene silbergraue Dame, die mich dieser Tage am meisten verblüfft hat. Sie ruft über das Flatterband am Seniorenstift. Eigentlich will ich meine Tante besuchen. Doch sie hat sich verspätet. Dafür ist die Unbekannte am Zaun redselig. „Ach Kindchen, was glauben Sie, wie alt ich bin“, noch ehe ich antworten kann, nun so um die 80, „ich bin 94 und würde jetzt gern Motorrad fahren. Das fehlt mir am meisten“. „Das hätte ich nun am wenigsten erwartet“, ich lache, „viele hier wären froh, wenn sie wenigstens ein paar Schritte raus dürften“.

„Ach, ich hab nie gefragt, was die anderen machen.“ Dann erzählt sie knapp ihr Leben. Textilchemikerin aus Ostberlin. 1949 eine der ersten Frauen mit Motorradführerschein, zweimal verheiratet, einmal um die halbe Welt gereist. Den Mann neun Jahre lang gepflegt. „Und hier, im Stift“, ihre hellblauen Augen blitzen, „hab ich so viel zu erzählen, meine Freundin sagt, ich bin ein Wahnsinnsweib“. Allerdings, denke ich. Und finde, selten hat ein Bibelwort so gut gepasst wie bei ihr: „Ich will euch tragen bis ins hohe Alter und bis ihr grau werdet“.

„Ich muss wieder rein, mit der Tochter skypen, ja, mit 87 bin noch ich ins Internet“, fällt sie mir in meine Gedanken. „Wie sehen Sie eigentlich die verrückten Zeiten?“, frage ich noch. „Wie oft hab ich die Welt schon untergehen sehen“, meint sie, „aber wir Menschen sind stärker als wir denken. Und Gott lässt die Sonne scheinen“. „Ach, so gelassen altwerden dürfen“, seufze ich. Darauf sie: „Nun ja, 100 will ich nicht werden, auch wenn da der Bundespräsident kommt. Der soll sich mal lieber um die Flüchtlinge kümmern. Tschüss Kindchen“. Als sie geht, denke ich nur: Wahnsinnsweib.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

26MAI2020
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Im März ist er gewesen. Mein Geburtstag; ein sehr eigener in stayhome-Zeiten. "Bist du schon waach?" Klebrige Jungshände auf dem Augenlid. Samstagfrüh, sehr früh. „Hab deine Kerze schon dabei!“ Ich rieche es. Bienenwachs tropft auf die Bettdecke. Aber süß wie Honig, das. „Happy Birthday“, flüstert die große Schwester. Der Liebste reckt sich, ein Lächeln. Dann Nacktfüßetrappeln. „Komm noch nicht in die Küche, ich muss erst ein Apfelherz…“ Gerenne und - Gestreite. „Das wollte ich doch machen, Papaa!“ Alles wie immer, denke ich und lächle zuversichtlich.


Dann der Tisch: voll mit Apfelherz und Kinderstolz. „Du siehst gar nicht aus wie 60“, schmeichelt der Sohn vermeintlich. „Ups, sie ist doch grad mal über 50“, korrigiert die Schwester, ebenso falsch. Wunderbar, diese Kinder. Wir singen und erzählen. Mit Käse zwischen den Zähnen - und Kloß im Hals. Denn einige fehlen, müssen fehlen. Auch mein Großer bleibt allein in seiner Studentenbude.

„Und die Oma?“ Sie fehlt besonders. Zwei Fehlversuche später ist sie da. Im Videochat. „Oh, das geht ja echt, ich sehe euch, ach, schön.“ Auch meine Mutter macht derzeit Digitalsprünge. Und es schmerzt doch, so nah und doch fern zu sein. „Und vor allem, wer weiß, was noch auf uns zukommt“, sagt unsere Nachbarin später. Sie ist beinahe 90 Jahre alt und kann vor Sorge kaum schlafen in diesen Tagen. „Singt ihr heute wieder `der Mond ist aufgegangen´ für mich?“ Ja, das tun wir.

Doch erst scheint gnädig die Sonne, auch über meine versuchte Geburtstagsfeier im Garten. Die Nachbarin steht sicher entfernt. Wir schleichen vorsichtig umeinander und um den Kaffeetisch. Nur nicht berühren. Am Abend nickt der Mond, als wir ihn besingen. Die Nachbarin schließt die Terrassentür. „Den Geburtstag vergisst du nicht so schnell“, sagt der Liebste, „den Tag, als die Welt stillstand“. Nein. Aber Gott sei Dank, sie dreht sich weiter.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

25MAI2020
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Ist Gott ein Mann? „I wo,“, werden Sie wohl sagen. „Nein“, hat eine Schülerin gesagt, Katja aus der zweiten Klasse. "Nein, nicht nur ein Mann, aber der da", sie deutet in ihr Relibuch, "der ist Gott“! Sie zeigt auf das berühmte Bild von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle in Rom. Gottvater mit Rauschebart in den Wolken, gegenüber der nackte Adam. Ihre Finger berühren einander - fast.

In den Coronawochen ist das Bild im Internet oft geteilt worden. Leicht verändert natürlich: Gott desinfiziert erst mal die Hände. Aber im Ernst, Michelangelos Gemälde „Die Erschaffung Adams“ ist der Klassiker. Denn ja, so sieht er eben für viele aus. Er. Der Schöpfer, Gottvater. So ähnlich sehen wir ihn von klein an vor uns. Das ist ein gewohntes Bild.

Aber zu hören - Gott, sie ist wie eine Quelle, eine Henne - klingt ungewohnt. Dabei steht auch das in der Bibel. Sie ist wie eine Frau, die gebärt, eine Mutter, die uns tröstet. Gott also auch eine „Sie“, Schöpferin, Gottmutter? „Nein,“ sagen da manche, “Gott ist keine Frau. Wir dürfen uns doch kein Bild machen.“ Stimmt. Das Problem ist nur, wir haben schon eins und das ist männlich. Denn jahrhundertelang hatten Männer das Sagen, auch in der Kirche.

Dabei heißt es im ersten Buch der Bibel: Gott schafft sich den Menschen zum Ebenbild, als Mann und Frau. Wer die Bibel in der Ursprache liest, griechisch oder hebräisch, kann sie neu entdecken: Frauen und weibliche Gottesbilder. Wo Deutsch übersetzt „Brüder“ steht, sind oft „Schwestern und Brüder“ gemeint, das griechische Wort bedeutet beides. Auch „der Heilige Geist“ ist auf Hebräisch weiblich, also „die Geistkraft.“ Und „der Herrgott“ kann auch „die Lebendige“ oder „die Ewige“ heißen.

Die kleine Katja hat sich das in Reli so erklärt: „Gott ist kein Mann, er ist wie Eltern. Der Papa passt auf mich auf. Die Mama auch, aber die redet noch ein bisschen mehr...“ Nun ja, Unterschiede gibt es, Gott sei Dank.

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SWR3 Gedanken

21DEZ2019
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Alle Jahre wieder: ab in die Kirche. Der Kirchgang zu Weihnachten oder im Advent gehört für die meisten dazu. Wobei, einige besuchen auch unterm Jahr den Gottesdienst und viele gehen am Ferienort als erstes in die Kirche. Denn diese Räume sind nun mal besonders. Schon beim Eintreten … „Da vorn unter den Schwebenden, da will ich hin“, murmelt das schlaksige Mädchen neulich am Kirchenportal, zieht das bauchfreie Top etwas tiefer und setzt sich schnurstracks still unter den Engel im Altarraum.

Kirchen sind Orte mit Anziehungskraft. Die Sagrada Familia in Barcelona, Notre Dame in Paris. Sie hat übrigens jährlich mehr Touristen angezogen als der Eiffelturm, und kurz nach dem Brand war der Wiederaufbau beschlossen. Großartig in Speyer auch der Kaiserdom oder „meine“ Gedächtniskirche. Aber es müssen nicht mal besondere Kirchen sein. Im Gedächtnis bleibt auch der Raum, in dem ich Besonderes erlebt habe, wo ich konfirmiert wurde oder getraut. Oder wo ich an Heiligabend den Baum bewundere und Stille Nacht singe. Wo es mir warm wird, auch wenn der Atem gefriert.

Kirchen haben eine eigene Aura. Der hohe Raum lässt aufatmen, macht die Seele weit und umfängt mich zärtlich. „Es war so ruhig unter dem Engel da vorn in der Bank“, sagt das Mädchen, zurück am Kirchenportal. Ja, Kirchen sind Anders-Orte. Das macht sie so faszinierend. Noch steht die Kirche meist im Dorf oder der Stadt. Einige werden aufgegeben. Oder auch umgenutzt. Für Stille, Meditation, Musik oder Theater. So soll es auch sein, das Gotteshaus: offen für Menschen. Wir sehen uns. Spätestens Heiligabend.

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