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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Eines hat mich in meiner Zeit in Amerika besonders beeindruckt. Immer wieder bin ich auf Menschen gestoßen, die es gewagt und riskiert haben, berufsmäßig alles hinter sich zu lassen und von einem Tag auf den anderen eine ganz neue Richtung einzuschlagen. Vom Manager zum Pfarrer. Von der Visagistin zur Sängerin. Von der Schulrektorin mit gesichertem Job zur Studentin. Alle sind ihrem Herzen gefolgt und waren sich sicher - das lohnt sich - das ist die richtige Entscheidung.
Amerikaner sind da ganz schön mutig, finde ich. Gerne wäre ich in manchen Dingen auch so wagemutig. Aber ich frage mich schon, wie können die sich ihrer Sache so sicher sein? Und einfach den Sprung ins Unbekannte wagen?
Die Bibel erzählt von jeder Menge solcher mutigen Leute. Von Abraham zum Beispiel. Mit seiner Großfamilie, vielen Verwandten und Tieren hat er sich ein Zuhause eingerichtet. An viel gefehlt, hat es ihm nicht. Trotzdem hat er eines Tages alles hinter sich gelassen. Weil er Gottes Stimme gehört hat: Geh weg von Zuhause in ein Land, das ich dir zeigen werde. (Gen 12,1). Und was macht er? In der Bibel steht da einfach: Da zog Abraham los. Er macht sich auf. Mit seinem engsten Familienkreis und ein paar Tieren. Alles andere lässt er zurück: sein Zuhause, seine Großfamilie, seine Sicherheiten. Stürzt sich ins Unbekannte. Allein auf Gottes Wort hin.
Und - Abraham ist angekommen. Er hat ein Leben gelebt, von dem er nicht zu träumen gewagt hatte.
Naja, könnte man einwenden - Abraham hatte es bei der ganzen Sache ja auch ein bisschen leichter. Schließlich hat Gott höchstpersönlich mit ihm gesprochen. Und so eine klare göttliche Entscheidungshilfe bekommt nicht jeder.
Das ist wohl so. Zu mir spricht Gott jedenfalls selten so deutlich. Vielleicht will ich auch nicht immer so genau hinhören. Wer weiß, was ich da alles zu hören kriege.
Trotzdem weiß ich - manchmal lohnt sich der Sprung ins Unbekannte. Oft gibt mir mein Herz dazu einen guten Tipp. Und - vielleicht spricht Gott ja gar nicht so laut und eindeutig. Vielleicht spricht er mehr durch die Stimme meines Herzens.
Wenn also eine große Veränderung ansteht, ist es vielleicht gut, auf die Stimme meines Herzens zu hören.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Wo ist die ganze Zeit bloß wieder hin? Denke ich manchmal.
Immer wenn ich viel zu tun und vorhabe, reicht meine Zeit hinten und vorne nicht. Da wäre es doch ziemlich praktisch, wenn man da ab und zu ein bisschen tricksen könnte - mit der Zeit.
So ein paar Extrastunden am Tag zum Beispiel - das habe ich mir schon manches Mal gewünscht. Dann könnte ich mir die Zeit nehmen, die ich brauche - für all das, was ich unter normalen Bedingungen nicht hinbekomme. Schließlich gibt es immer viel zu tun.
Die ein oder andere kleine Zeitreise würde mir auch gefallen. Einen schönen Moment einfach mitnehmen und ihn nochmal erleben dürfen. Das wäre doch was.
Aber - das Tricksen mit der Zeit - das geht nicht. Da ist schon die Bibel knallhart. Sie sagt: Wir haben unsere Zeit nicht. Sie wird uns geschenkt. Und noch mehr: meine Zeit steht in Gottes Händen (Psalm 31,16).
Interessant.
Für mich heißt das: wenn nicht ich meine Zeit in den Händen halte, sondern Gott sie mir schenkt, dann ist doch jeder Augenblick besonders und wertvoll. Gestern, genauso wie heute und morgen. Jeder Moment zählt und ich darf ihn auskosten. Gerade weil ich nicht so einfach über meine Zeit bestimmen und verfügen kann.
Und das gilt auch für mein Leben. Es ist kostbar - so wie es ist und so wie es gelaufen ist. Denn beliebig verlängern und ergänzen, kann ich es nicht.
Der biblische Hinweis gefällt mir.
Ich finde ihn nämlich ziemlich entlastend. Denn einerseits kommt mir das Leben zwar oft viel zu kurz vor. Da sind so viele Möglichkeiten. Und ich würde gerne noch so viel mehr ausprobieren, um wirklich das Beste aus meiner Zeit herauszuholen.
Andererseits setzt mich genau dieser Wunsch manchmal ganz schön unter Druck.
Dauernd darüber nachdenken, was ich in der Zukunft noch alles tun könnte, sollte und müsste. Oder mir den Kopf zerbrechen, was ich in der Vergangenheit vielleicht alles verpasst und nicht gemacht habe. Das ist auch ganz schön anstrengend.
Dann habe ich nämlich den Kopf voll und das hält mich manchmal davon ab, den Moment wirklich zu erleben und die schönsten Momente zu genießen.
Gottseidank - im wahrsten Sinne des Wortes - teile ich mir meine Zeit aber nicht selber zu. Einteilen kann ich sie mir, aber drehen, an dem was mir zugedacht ist, kann ich nicht.
Ich glaube, Gott trägt die Verantwortung über meine Zeit. Und macht damit mein Leben kostbar, die schönen und die schweren Stunden. Jeder Moment zählt. Jeder Tag ist ein Geschenk.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„... und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende." Mit diesem Satz hört fast jedes Märchen auf. Und - ich habe sie geliebt, diese Geschichten mit dem glücklichen Ende. Ein glückliches Ende - ein klassisches Happy End - das habe ich den Heldinnen und Helden meiner Kindheit immer gewünscht. Dass ihr Abenteuer, ihr Konflikt gut ausgeht. Und weil das so war, hat mir das als Kind Mut gemacht. Ich war überzeugt: auch mein Leben wird glücklich sein und gut ausgehen.
Das glaube ich bis heute. Obwohl ich inzwischen selber erlebt habe: das Leben ist kein Wintermärchen. Da ist nicht einfach Schluss, wenn eine schwierige Aufgabe gelöst ist oder das Liebespaar sich gefunden hat. So einfach ist das nicht mit dem Happy End. Echtes Leben sieht anders aus.
Genauso erlebt das auch Jakob. Die Bibel erzählt von ihm. Jakob ist auf Reisen und begegnet in der Fremde ganz unerwartet der Frau seines Lebens. „Die ist es!", weiß er sofort und beschließt, sie zu erobern. Er strengt sich richtig an - er will ja seine Braut gewinnen und ein Happy End für sie beide - also verpflichtet er sich bei seinem Schwiegervater in spe zu jahrelanger Arbeit - total kostenlos. Der allerdings legt ihn herein und treibt den Preis beträchtlich in die Höhe. Jakob muss sich noch mehr anstrengen. Aber schließlich bekommt er seine Traumfrau doch und ist glücklich.
Jetzt könnte Schluss sein. Aber es geht grade so weiter. Kaum ist ein Problem gelöst, ist das nächste auch schon da. Wie im wahren Leben!
Immer wieder stößt Jakob an seine Grenzen, immer wieder fühlt er sich überfordert.
Und doch ist da auch etwas Anderes.
Er spürt: Im Grunde bin ich trotz allem Kämpfen gesegnet. Gott hat mir versprochen, mit mir zu sein. Was auch passiert. Und im Grunde war er das auch. Deshalb kommt das Leben für Jakob zu einem guten Ende, egal wie es gerade aussieht.
Ich bewundere Jakob für seine Einstellung und bin überzeugt: die verändert sein Leben - zum Guten. Weil er fest daran glaubt, dass sein Leben gut ausgehen wird, deshalb kann er auch viel aushalten und durchstehen.
Die Geschichte von Jakob ist kein Märchen, das klassische Happy End fehlt - aber gerade deshalb macht sie mir Mut. Im echten Leben. Denn gerade da gilt, was Gott versprochen hat: Ich bin mit dir.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Macht hoch die Tür... heißt es in einem Adventslied und irgendwie passt das. Denn im Advent geht es ums Türen öffnen. Mindestens schon mal beim Adventskalender.
Das mit dem Türen öffnen im Advent - das bezieht sich wohl auch auf Gott. Denn der kommt. Auf den warten wir im Advent. Noch achtmal schlafen - dann ist er da. Und freut sich über offene Türen bei uns.
Und er bringt was mit. „Fürchtet euch nicht!" so heißt die frohe Botschaft im Weihnachts-Gepäck. Und sie will Menschen Mut machen. Jeden Morgen - jeden Tag.
Das kann man sich so ähnlich wie die Sache mit dem Adventskalender vorstellen. Da öffne ich morgens ein Türchen und finde eine Überraschung, die mir Schwung gibt für den Tag. Und genau das macht Gott mit seiner Weihnachtsbotschaft: er gibt Mut fürs Leben. Wie sich das anfühlt, hat mir vor kurzem eine alte Dame erklärt. „Ich habe keine Angst. Auch nicht vor dem Tod," sagt sie. „Warum sollte ich? Der Herrgott war ein Leben lang mit mir und so wird das auch im Tod sein." Ihr Gottvertrauen hat mich beeindruckt. Gottes Botschaft ernst zu nehmen, keine Angst zu haben und sogar dem Ende des Lebens gelassen entgegen zu blicken, ist toll. Denn Angst - vor was auch immer - kann einem ganz schön die Brust zuschnüren und blockieren.
Fürchtet euch nicht! ist also eine Botschaft zum Aufatmen und Durchatmen. Und wer ihr Tor und Tür öffnet, hat was davon.
Aber manchmal fällt mir das gar nicht leicht zu glauben. Wenn ich zum Beispiel an meine Eltern denke, die krank sind und bei denen es mir so schwer fällt, hilflos zuzuschauen. Dann habe ich sehr wohl Angst und meine Türen sind eher zu. Ich mache dicht.
Das ist wohl menschlich. Das war schon als Kind so.
Wenn dann einer versucht, die Tür aufzumachen - vor lauter guter Botschaft gar mit der Tür ins Haus fällt -  kommt erst recht nichts an.
Nun ist Gott ein Menschenkenner. Deshalb geht er anders heran: Er fällt nicht mit der Tür ins Haus. Aber er lässt sich auch nicht von verschlossenen Türen abschrecken, sondern kommt genau da zur Welt: draußen, vor verschlossenen Türen, erzählt die Bibel. Gott will dort sein, wo es am dunkelsten ist und gar nicht schön. Genau da. Dort sollen die Menschen hoffen können.
Die Weihnachtsgeschichte erzählt das ganz anschaulich, wie Gott gekommen ist. Als Kind in einem Stall. Nach und nach sind ganz unterschiedliche Menschen dort hingekommen und haben ihn gefunden. Und das tun viele bis heute. Sie hören, was Gott ihnen zu sagen hat und spüren: da ist was dran: Fürchtet euch nicht!
Einen gesegneten 3. Advent!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Viele Menschen, die ich kenne, freuen sich auf ihre Rente! Endlich tun und machen, was man will. Endlich die ungelebten Träume verwirklichen!
Schön, wenn sie das dann auch umsetzen können. Manchmal läuft das aber nicht ganz so wie gedacht. Weil die Gesundheit zu schaffen macht. Und dann ist da noch das Gefühl, nicht mehr so gebraucht zu werden, wie früher. Die Welt dreht sich ohne einen weiter - im Beruf, bei den erwachsenen Kindern.
Da drängt sich manchmal die Frage auf: Wer bin ich jetzt? Bin ich überhaupt wer?
Jetzt, wo ich nicht mehr so viel leisten kann?
Diese Frage hat sich Martin Luther schon vor 500 Jahren gestellt. Und als er in der Bibel gelesen hat, hat er eine Antwort entdeckt. Und die lautet:
Du bist wer - egal wie alt, fit oder nützlich du bist. Du bist wer, weil Gott dich wertschätzt. So einfach ist das, sagt er.
Schön, denken Sie jetzt vielleicht. Aber wo kann ich das erleben? Und wann?
Für mich sind das die Momente - in denen ich völlig eins bin mit mir und der Welt - ohne was dafür gemacht zu haben. Wenn ich staunend den Sonnenaufgang betrachte. Oder den Sternenhimmel bewundere, der oft so besonders schön und klar ist in Rheinhessen. Dann weiß ich für einen Moment, jetzt - genau hier - bin ich richtig. Ein gutes Gefühl.
Ich bin Gott was wert. Das merke ich vielleicht auch dann, wenn ich mal klar sehe. Und erkenne, was mir alles geschenkt ist, ohne dass ich dafür etwas geleistet habe. Meine Familie und meine Freunde, dass es die gibt, dafür bin ich sehr dankbar.
Dass Gott mich wertschätzt, das kann ich auch erkennen, wenn ich einen Blick in die Bibel werfe. Dort stehen viele Geschichten von Leuten, die nicht so viel leisten konnten. Und die trotzdem wert geschätzt wurden. In den Jesusgeschichten spielen Kranke und Behinderte eine besondere Rolle. Auch Kinder hat er besonders hervorgehoben. Obwohl die doch zumeist nicht die großen Leistungsträger sind, haben sie einen Platz im Himmel, sagt Jesus.
Du bist also wer, weil Gott dich wertschätzt. Und du hast jetzt schon einen Platz im Himmel, egal wie alt oder gesund du bist, egal ob du etwas leistest oder nicht.
Das lese ich in der Bibel und das begegnet mir jeden Tag, wenn ich offen dafür bin.
Und weil das so ist, kann ich fröhlich und selbstsicher in jeden neuen Tag starten! Und Sie hoffentlich auch!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Was soll ich heute bloß anziehen?" Manchmal ist das schon am frühen Morgen eine echt schwierige Entscheidung. Vor allem, wenn es mir nicht so gut geht. Wenn ich mich nicht so wohl fühle in meiner Haut. Da hilft nicht mal der schicke Rock, den ich mir vor kurzem gekauft habe.
Was soll ich heute bloß anziehen? Für solche Fälle hat die Bibel einen Tipp. Paulus schreibt in einem seiner Briefe: „Zieht an Demut und Freundlichkeit - über alles aber zieht an die Liebe."
Interessant. Demut, Freundlichkeit und oben drüber. Liebe. Wie sieht das wohl aus?
Freundlichkeit und Liebe anziehen. Ich verstehe das so: geh mit einem Lächeln in den Tag. Vielleicht lächelt dann auch jemand zurück. Haben Sie das schon mal ausprobiert? Fremde Menschen in der Stadt anlächeln? Meistens freuen sich die Leute, wenn ich das mache. Und es geht mir gleich ein bisschen besser.
Es geht aber auch noch doller mit der Freundlichkeit. Das hab ich neulich erst erlebt.
Da war ich zu spät dran für den Bus. Als ich etwas gehetzt einsteige, raunzt mich der Busfahrer zur Begrüßung an. Als ich den ersten Ärger runtergeschluckt habe, bedanke ich mich bei ihm freundlich fürs Warten - denn ohne Frage - er hätte auch einfach abfahren können. Daraufhin lächelt er mich an und erzählt von sich, was er morgens so alles erlebt hat. Sehr interessant. Und ich glaube, wir haben uns beide besser gefühlt.
Und wie ist das nun mit der Demut? Kann man sich die auch anziehen? Demut - das ist doch zu wissen: man ist eben nicht unbedingt und immer der Nabel der Welt. Und muss also auch nicht immer und überall perfekt sein. Ich finde das entlastend.
Demut, Freundlichkeit, Liebe anziehen... Mir gefällt er - der biblische Mode-Tipp.
Eine Designerin hat mal gesagt: Meine Mode soll eine zweite Haut sein für die, die sie anziehen. Und ich mache diese Mode, damit sie sich durch diese zweite Haut wohler fühlen in ihrer ersten Haut.
Was auch immer ich anziehe - es soll also zu meinem Wohlbefinden beitragen.
Ich denke, dazu hätte auch Paulus ja gesagt.
Und das Tolle ist: Demut, Freundlichkeit und Liebe als zweite Haut - die machen, dass ich mich wohler fühle.
Und wenn ich mich wohlfühle in meiner Haut, dann finde ich auch morgens was Schönes zum Anziehen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Brücken - die haben mich schon immer fasziniert. Das sind doch echte Wunderwerke der Technik. Sie helfen über tiefe Gräben und führen über große Gewässer.
In Istanbul zum Beispiel, da gibt es eine Brücke, die verbindet sogar zwei ganze Kontinente - nämlich Europa und Asien. Ganz schön beeindruckend, finde ich.
Brücken bauen - das ist eine Kunst. Nicht nur in der Natur, sondern auch zwischen Menschen - wenn die Gräben tief geworden sind. Vielleicht weil man sich richtig gestritten hat, weil man enttäuscht ist oder auch weil man aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen kommt.
Einer, der dieses Brückenbauen zwischen Menschen ziemlich gut drauf hatte, war Jesus.
Immer wieder ist er auf Menschen zugegangen und hat eine Brücke geschlagen.
Von solchen Untiefen und Gräben wie Vorurteilen oder auch von persönlichen Enttäuschungen hat er sich nicht zurückhalten lassen. Er wollte, dass die Menschen zusammen kommen, sich respektieren und sich unterstützen.
Wie hat er das gemacht?
Einmal hat er sich zum Beispiel bei dem Außenseiter der Stadt zum Essen eingeladen. Zächäus hieß der und war ziemlich unbeliebt. Auf Kosten seiner Landsleute und Nachbarn war er reich geworden und wohl immer auf seinen Vorteil bedacht. Nicht gerade ein Symphathieträger.
Jesus wusste genau: das gibt bestimmt Gerede und der Typ hat auch einiges auf dem Kerbholz. Aber er wusste auch: wenn ich dem Außenseiter jetzt eine Chance gebe und etwas zutraue, dann muss der kein Außenseiter bleiben und ich gewinne vielleicht einen Freund, auf den ich zählen kann.
Jesus hat Recht behalten. Zachäus hat ihn und seine Freunde begeistert aufgenommen und verpflegt. Mehr noch. Er hat sogar beschlossen, von da an selbst wieder auf andere Menschen zuzugehen und Brücken zu schlagen. Weil er gemerkt hat, das tut mir und anderen gut. Auch Zachäus hat dann was riskiert.
Und genau das lohnt sich, sagt Jesus. Manchmal über den eigenen Schatten springen und  was riskieren. Man muss ja nicht sofort ganze Kontinente verbinden, auch kleine Schritte aufeinander zu sind oft schon ein Kunststück, eine kleine Meisterleistung.
Und wenn erst einmal eine Brücke geschlagen ist, haben meistens beide Seiten etwas davon.
Dabei  muss ich nicht immer selber den Anfang machen. Manchmal sind auch schon längst Brücken für mich gebaut. Die brauche ich dann nur zu entdecken.
Also, nur Mut zum Brückenbauen und entdecken!

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SWR4 Abendgedanken

„Also, das glaube ich erst, wenn ich es mit eigenen Augen gesehen habe!" Das fängt schon bei Kleinigkeiten an. Dem Fahrplan zum Beispiel. Krieg ich da eine Auskunft, die nicht meine Erwartungen trifft, schaue ich lieber selber nach.
Ich glaube, das verstärkt sich noch im Laufe des Lebens.
Als ich klein war zum Beispiel, ist es mir nicht schwer gefallen, auch an Dinge zu glauben, die ich gar nicht gesehen habe. Ich habe einfach darauf vertraut, was mir erzählt worden ist. So konnten meine Eltern mir von Gott im Himmel erzählen, der für mich da ist, obwohl ich ihn nicht sehe.  Ich habe ihnen selbstverständlich geglaubt.
Mit den Jahren ist das dann nicht mehr ganz so einfach. Da wächst das Bedürfnis, die Sachen, die einem erzählt werden auch zu überprüfen. Dann fällt man nicht mehr auf jeden Aprilscherz herein wie ein Kind. Und auch die Sache mit Gott wird hinterfragt.
Jetzt frage ich mich manchmal: wo ist Gott - bei allem, was in der Welt und auch bei mir im Leben los ist? Und ich wäre froh, wenn ich Gott mal mit eigenen Augen sehen könnte.
So ging es den Menschen auch schon zu biblischen Zeiten. Sogar den großen Gottesmännern. Moses zum Beispiel. Der hatte nun wirklich einen guten Draht zu Gott, war fast täglich im Gespräch mit ihm. Aber manchmal kamen anscheinend auch ihm Zweifel.  Es gab Situationen, da konnte er einfach nicht spüren und nicht glauben, dass Gott wirklich für ihn da war.
Deshalb wollte er Gott selbst mit eigenen Augen sehen. Also bittet er Gott: Lass mich dich sehen! Erstaunlicherweise reagiert Gott ganz gelassen. „Na gut", meint er, „du darfst mich sehen. Aber nur von hinten!"
Selbst der berühmte Moses sieht Gott also nur von hinten. Sozusagen „im Rückblick".
Man sieht Gott eben nicht gleich, leider oft gerade dann nicht, wenn man ihn braucht. Aber hinterher merkt man: da war er! Da hat er mich behütet und seine Hand über mich gehalten.
Als Kind habe ich blind vertraut - und das ist gut gegangen, weil man es gut mit mir gemeint hat. Seit ich erwachsen bin, brauche ich nicht mehr blind zu vertrauen - aber ich kann Gott vertrauen, weil auch er es gut mit mir meint.
Und - weil ich die Erfahrung gemacht habe - Gott ist für mich da. Im Rückblick kann ich ihn entdecken - wenn ich sozusagen „von hinten" auf mein Leben schaue.
Und ich weiß, auch jetzt ist er da. Selbst wenn ich es manchmal nicht spüre.
Gott zeigt sich in meinem Leben auf ganz andere und unerwartete Weise und ist schließlich doch zu sehen.
Vielleicht entdecken Sie ihn auch.

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SWR4 Abendgedanken

„Jeder ist seines Glückes Schmied" hat der Tennistrainer gesagt, den ich auf einer Reise getroffen habe.
Er arbeitet mit Leistungssportlern. Ich bin Krankenhausseelsorgerin. Ich habe es mit Kranken und  behinderten Menschen zu tun. Wir haben uns unterhalten und waren uns ruckzuck uneinig - ist ja auch kein Wunder, finde ich.
Sein Motto war: ‚Jeder ist seines Glückes Schmied' - Erfolg und Glück seien vor allem Einstellungssache. Gerade im Sport ließe sich das wunderbar nachweisen. Seine Erfahrung: Wer fleißig genug trainiert und auch hart gegen sich selbst ist, der wird auch mit Siegen belohnt. Und selbst wenn man mal an seine Grenzen stößt, gibt es bestimmt einen anderen Weg, um auf jeden Fall erfolgreich zu sein. Man muss sich einfach nur am Riemen reißen und gefälligst anstrengen. Wer das nicht hinbekäme, sei einfach zu schwach und hätte weder Erfolg oder Glück verdient. Es lohnt nicht, so einen zu unterstützen.
Schon beim Zuhören ist mir fast der Kragen geplatzt. Ich hatte den Kopf voll mit Bildern von Kranken und Schwachen, die nichts für ihr Unglück können und deshalb Unterstützung und Ermutigung brauchen.
Also habe ich mich ins Zeug gelegt, um den Trainer von meiner Sicht der Dinge zu überzeugen. Das hat natürlich nicht geklappt.
Zurück zuhause - mit genügend Abstand, ist mir diese Begegnung wieder in den Sinn gekommen. Jetzt kann ich ein bisschen ruhiger darüber nachdenken.
Im Leistungssport mag die Erfolgstheorie des Trainers vielleicht zutreffen. Ohne hartes Training kommst du nicht an die Spitze und wenn du Schwäche zeigst, bist du draußen. Leistungssport ist anscheinend gnadenlos.
Gott sei dank lässt sich das aber nicht aufs ganze Leben übertragen. Denn im menschlichen Leben hat Gott seine Finger im Spiel und der ist eben nicht gnadenlos. Er stellt auch andere Spielregeln auf. Bei ihm heißt es zum Beispiel: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig" und er hat dabei Menschen im Blick, die trotz und gerade mit ihrer Schwäche die Welt verändern und ein bisschen besser machen.
Im Leistungssport und auch sonst mag es gnadenlos zugehen: Wer Schwäche zeigt, wird ausgebootet. Aber gottseidank läuft es oft genug auch genau anders. Dafür sorgt Gott, weil ihm die Menschen mit all ihren Schwächen am Herzen liegen. Und wenn ich zu schwach bin um irgendwas zu schmieden - dann schickt Gott Hilfe und Helfer.  Was für ein Glück!

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SWR4 Abendgedanken

Manchmal passiert es wirklich bei den einfachsten Dingen - und urplötzlich ist man ‚lahm gelegt' im wahrsten Sinne des Wortes.
Vor einigen Wochen habe ich das am eigenen Leib erfahren. Bei einem Fahrradunfall habe ich mir das Bein verletzt und urplötzlich war ich lahmgelegt. Sonst bewege ich mich viel und bin wirklich gerne auf den Beinen. Und von einem Moment auf den anderen ging das alles nicht mehr.
Meine Stimmung war im Keller. Plötzlich habe ich mich nicht nur äußerlich, sondern auch gleich noch innerlich gefühlt wie lahmgelegt.
Für äußerliche Verletzungen kann man sich Hilfe holen. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg. Aber es gibt ja auch innere Verletzungen und Lähmungen. Auch da fühlt man sich manchmal wie lahm gelegt. Dann fällt es einem meistens schwerer, Hilfe zu holen. Dazu hat man dann einfach keine Kraft mehr.
Genau diese Kraft hat anscheinend auch einem Mann gefehlt, von dem die Bibel erzählt. Er war so krank und mutlos, dass er am liebsten ganz im Bett bleiben möchte. Auch als Jesus in die Stadt gekommen ist, wollte und konnte er sich nicht aufraffen - obwohl viel Gutes über Jesus erzählt wurde.
Da schnappen ihn kurzerhand ein paar Bekannte und bringen ihn samt seinem Bett zu Jesus hin. Als Jesus die Gruppe sieht, weiß er sofort, was los ist. Er geht zu dem Gelähmten und sagt: Sei getrost, deine Sünden sind dir vergeben. (Mt 9,2). Oder in anderen Worten: „Nur Mut! Was auch immer dir auf der Seele liegt und dich lähmt - ich nehme es dir ab. Es muss dich nicht mehr belasten und niederdrücken."
Merkwürdig. Auf den ersten Blick hätte ich von Jesus etwas anderes erwartet. Mehr praktische Hilfe. Auf den zweiten Blick bin ich aber beeindruckt, wie Jesus mit dem Kranken umgeht. Er sorgt nämlich zuallererst dafür, dass dem eine Menge Steine vom Herzen fallen.
Und - durch diesen Zuspruch schöpft der Kranke wieder Lebensmut und kommt wieder auf die Beine. Er fühlt sich befreit. Das ist entscheidend.
Mir hat diese Geschichte Mut gemacht - ich bin dankbar, dass mein Bein wieder in Ordnung kommt. Aber ich weiß auch, manche äußerlichen und innerliche Verletzungen und Lähmungen lassen sich nicht so einfach beheben. Gerade dann ist es wichtig zu wissen, dass Gott die innere Lähmung wegnehmen will und kann. Sogar dann, wenn man selbst gerade nicht daran glauben kann. Was Jesus dem gelähmten Mann versprochen hat gilt trotzdem: „Was auch immer dir auf der Seele liegt und dich lähmt - das muss dich nicht belasten! Es kann weiter gehen!"

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