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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

18JUN2021
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Mit Jugendlichen treffe ich mich online zu einem meeting. Es gibt viel zu erzählen. Und irgendwie kommen wir vom Hölzchen auf’s Stöckchen und dann sind wir mittendrin in einem offenen Gespräch über Gott und die Welt. Vor allem über Gott. „Meine Oma, die glaubt so richtig an Gott. Wenn sie von ihrem Glauben erzählt, dann spüre ich das. Der da oben, der gibt meiner Oma echt was. Die lebt davon. Aber ich? Ich hab da so meine Fragen.“

Tom erzählt das. Und das Gespräch kommt so richtig in Fahrt: Wie das gehen kann mit dem Glauben und dem Beten. Und ob Gott uns wirklich zuhört und sich um uns sorgt. Kann man ja alles sagen, aber spüren? So wie die Oma?

Mir fällt an diesem Abend ein Vers aus der Bibel ein. Petrus sagt da zu seinen Leuten: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt. Antwortet aber bescheiden und ehrfürchtig.“ (1 Petr 3,15-16a)

Ich kenne die Oma von Tom. Und ich vermute, dass genau diese Haltung, die Petrus hier empfiehlt, den Enkel beeindruckt: Die Hoffnung, die der Glaube der Oma schenkt, wird offensichtlich, wenn sie erzählt. Aus ihrem einfachen Leben. Dem Alltag, der nicht nur Schönes gebracht hat. Den Kindern und Enkeln, die sich um sie sorgen. Und zu gern bespricht sie die aktuellen Themen der Politik. Sie nimmt auch kein Blatt vor den Mund, wenn sie auf die Kirche zu sprechen kommt. Nein, da müsste sich dringend einiges ändern. Da ist sie sich sicher.

Aber ihr Glaube und ihre Hoffnung, die sind unverändert stark. Die haben Bestand. Die geben ihr Kraft für ihre körperlichen Grenzen. Für die Einschränkungen des Alters, die sie hinnimmt. Nein, ohne ihren Glauben wollte sie nicht leben und auch nicht sterben, sagt sie einmal bei einem Besuch. Dass die vielen Ungerechtigkeiten und auch der Tod nicht das letzte Wort haben, so wie sie es von Jesus gelernt hat, daran hält sie fest.

 

Ich denke, genau das beeindruckt auch ihren Enkel Tom. Dass die Oma tief verwurzelt ist im Glauben an Gott und an die Botschaft Jesu.

Und gerade weil Tom von der Oma und ihrem Glauben so beeindruckt ist, bleibt er auch selbst auf der Suche nach diesem Glauben, trotz vieler Zweifel und Fragen.

Ich finde, das ist ein reiches Erbe, das die Oma weitergibt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17JUN2021
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Ein kleines geschnitztes Holzpferd. Ein Schlüsselbund. Eine Goldkette mit einem Kreuzanhänger. Ein Brief.

Es sind ganz persönliche Gegenstände, die Jugendliche zu einem Treffen mitbringen. Sie erzählen, was das besonders Wertvolle an den Dingen ist: Dass der Opa das Holzpferd der Enkelin geschenkt hat und dass es sie an schöne gemeinsame Erlebnisse erinnert. Oder dass der Schlüsselbund von einem Ferienhaus ist und für geniale Urlaube steht. Oder dass die Goldkette ein Geschenk zur Taufe war und die Jugendliche mit Gott verbindet. Ein Mädchen erzählt von dem Brief und wie wichtig ihr die Freundin ist, die ihn geschrieben hat.

Alltagsgegenstände, hinter denen sich plötzlich eine Geschichte und eine Erfahrung verbirgt. Nur für den Besitzer oder die Besitzerin fangen diese Dinge an zu sprechen. Erzählen davon, was dem Leben Tiefe und Sinn schenkt. Was das je eigene Leben bereichert und stärkt. Die meist einfachen Gegenstände werden erst mit den Geschichten zu Schätzen. Weil sie für Erfahrungen und Erlebnisse stehen, die einmalig und kostbar bleiben.

Vermutlich haben die meisten Menschen solche Dinge, die sie für kein Geld der Welt eintauschen würden. Die sie ganz sorgfältig aufbewahren und wertschätzen, weil sie ihnen heilig geworden sind.  Ich habe auch so eine Kiste, mit ganz besonderen Erinnerungsstücken. Für mich sind sie kleine Heiligtümer meines Alltags. Sie erinnern mich daran, was mich ausmacht, mit wem ich verbunden bin. Aber auch woran ich mich orientiere und festhalte. Worauf ich hoffe.

 

Kein Wunder, dass der Schlüsselbund, das Holzpferd und die vielen anderen Schätze ganz behutsam wieder eingepackt und mitgenommen werden.

Heiligtümer des Alltags eben.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

13MRZ2021
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In den letzten Monaten habe ich oft gedacht: „Mit den Politikern will ich wirklich nicht tauschen.“ So viele schwere und weitreichende Entscheidungen, die es zu fällen gilt. Ob Schulen und Kitas, Geschäfte und Restaurants schließen oder teilweise öffnen? Und dann die gewaltige Aufgabe, den Impf-Marathon zu bewältigen. Wer kommt zuerst an die Reihe? Wieviel Impfstoff steht zur Verfügung? Wie kommen die Menschen an Termine?

Unmengen an Aufgaben und Herausforderungen. Unzählige Entscheidungen, die nach bestem Wissen und Gewissen getroffen werden müssen. Jede Menge Meetings, in denen bis tief in die Nacht um akzeptable Lösungen gerungen wird. Und aushalten, dass auch Fehler dabei zwangsläufig nicht ausbleiben.

Nein, ganz ehrlich, mit den Politikerinnen will ich wirklich nicht tauschen.

„Bemüht euch um das Wohl der Stadt (...) und betet für sie, denn wenn es ihr gut geht, dann geht es euch auch gut.“ (Jer 29,7) Dazu rät der Prophet Jeremia aus der Bibel.

Mir gefällt dieser Rat und ich höre ihn heute wie einen Aufruf, den Politikern wenigstens meine Stimme zu geben. Spätestens morgen, wenn in Rheinland-Pfalz gewählt wird. 

Gerade das vergangene Jahr hat mir gezeigt: Meine Stimme abzugeben, ist das Mindeste, was ich tun kann, damit andere meine Werte vertreten. Denn mir ist nicht egal, wer das Land regiert, welche Haltungen und Entscheidungen unser Leben bestimmen.

Jeremia rät, für das Wohl der Stadt zu beten. Das tue ich auch. Und fast immer wird auch für die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft in unseren Gottesdiensten gebetet. Um Kraft und Weitsicht, um weise Entscheidungen, gerade auch im Blick auf die Schwächsten in unserem Land.

Und gerne bitte ich Gott auch um ein dickes Fell für all unsere Politiker. Denn sie müssen jede Menge aushalten und durchstehen. Und mit einem Kreuzchen schenke ich ihnen gerne mein Vertrauen. Soviel sollte drin sein. Schließlich muss ich ja auch nicht mit ihnen tauschen. 

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

12MRZ2021
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Es war ganz früh morgens. Genau vor einem Jahr. Als mein Mann mich weckt und sagt: „Für uns ist ab heute Quarantäne angesagt!“ Ein Kollege hatte ihm eine Nachricht geschrieben und mitgeteilt, dass er an Corona erkrankt sei. Die gemeinsame Besprechung ein paar Tage zuvor bedeutet für uns nun 14 Tage Quarantäne.

Das alles war noch ganz am Anfang der Pandemie. Dass nur wenige Tage später ein erster Lockdown angeordnet wird, hätten wir nicht gedacht und erst recht nicht, dass das Virus auch heute nach einem Jahr noch unser Leben massiv bestimmt. Was völlig unmöglich erschien, wurde innerhalb weniger Tage umgesetzt: Schulen und Kitas, Restaurants und Geschäfte geschlossen. Fußballspiele abgesagt. Der Flugverkehr weitestgehend eingestellt.

Was damals vollkommen neu und fast undenkbar war, ist heute bekannt und gehört über viele Wochen und Monate zu unserem Alltag. Unser Leben ist ein anderes.

Das Virus bremst uns knallhart aus und lässt uns gleichzeitig schmerzlich spüren, was uns am meisten fehlt: Nähe und Beziehung. Sich treffen und zusammen sein. Einfach so. Unbeschwert. Ohne Abstand. Ohne Maske. Und wo auch immer.

Das Jahr wird Spuren hinterlassen. Und ich hoffe, dass wir eines im Kopf behalten, bei allem, was wir künftig planen und angehen: Mein Verhalten und das der anderen gehört zusammen. Im Guten wie im Schlechten. Meine Vorsicht schützt nicht nur mich, auch die anderen. Mit Rücksichtslosigkeit schade ich mir und meinem Umfeld. Eigentlich ist das ja vollkommen klar und nichts Neues. Aber ich finde es wichtig, mir das immer mal wieder bewusst zu machen. Es hilft, aufmerksam und vorsichtig in den Tag zu gehen. Dankbar für die Begegnungen, die möglich sind und voll Verständnis für das, was dem Schutz aller dient. Und zwar auch dann noch, wenn die Pandemie eines Tages endlich vorbei ist.  

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11MRZ2021
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Kaffee oder Tee. Tulpen oder Rosen. Ausschlafen oder Frühsport.

Ob ich will oder nicht: Ganz oft muss ich mich entscheiden! Meist geht das ganz schnell, quasi nebenbei. Zig kleine und größere Entscheidungen fälle ich täglich!

Es gibt aber auch Entscheidungen, die mir wesentlich schwerer fallen. Die mich schlecht schlafen lassen. Die ich so lange es geht, vor mir herschiebe. Oft sind es Entscheidungen, bei denen ich unsicher bin, was gut und was richtig ist für mich und für andere. In der Bibel sagt Mose zu seinem Volk: „Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle das Leben!“ (Dtn 30,19b)

Mose appelliert an sein Volk: Unser Gott ist ein Gott des Lebens. Und deshalb ist für ihn klar: Egal, was es zu entscheiden gibt. Bei allen Möglichkeiten, die sich anbieten, gilt nur eins: Wähle das Leben! Mose sucht nach Entscheidungen, die für sein Volk gut sind und dem Leben dienen. Er denkt dabei nicht in erster Linie an sich selbst, sondern an die, für die er verantwortlich ist. Für Mose gehören das eigene Leben und das der anderen zusammen.

Und dann denke ich an das letzte Jahr. Und die vielen kleinen und großen Entscheidungen, die nötig waren und sind. Und an jene, die diese Entscheidungen treffen müssen. Ich denke an Politiker in Berlin und hier bei uns. An Ärzte und Pflegekräfte in den Krankenhäusern und Seniorenheimen, die sich mit all ihrer Kraft, ihrem Können und ihren Kenntnissen gegen Krankheit und Leid stellen. Sicher gab und gibt es bei ihnen auch Zeiten, in denen sie zweifeln und hadern. Und gar nicht genau wissen, was für sie und die anderen jetzt richtig und gut ist. Aber sie bleiben bei ihrer Entscheidung: Sie dienen dem Leben. Sie geben ihr Bestes, um das Leben anderer nicht aufzugeben.

Ja, sie wählen das Leben - jeden Tag neu!

Dafür sage ich gerne: danke!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

23SEP2020
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In diesem Sommer wurde in meiner Straße ein Haus abgerissen. Seit einiger Zeit stand es leer. Und es verfiel immer mehr, bis es nun abgerissen wurde. Die Erwachsenen und die Kinder, die zuhause waren, nutzten jede Gelegenheit, den Abriss zu beobachten. Mit dem Dach ging es los. Ziegel, Holzlatten, Mauern und Steine wurden abgetragen. Stockwerk für Stockwerk. Die Jungs am Straßenrand durften sogar die Fenster mit Steinen einwerfen. Zuletzt wurden die Fundamente ausgegraben. Drei, vier Tage dauerte das Ganze und dann war das Haus einfach verschwunden. Die Lastwagen haben eine Ladung nach der anderen weggefahren.

Ich habe in diesen Tagen oft an meine frühere Nachbarin gedacht. Mir vorgestellt, wie sie ihr Leben in diesem Haus verbracht hat, mit ihrem Mann und den Kindern. Die letzten Jahre hat sie alleine darin gewohnt, bis sie es ausgeräumt hat und ins Seniorenheim gezogen ist. Für das Haus hat sie geschuftet und gespart. Sie hat es geputzt und renoviert, darin geschlafen, gekocht, gestritten, gelacht und gebetet. In dem Haus wurden Geburtstagsfeste gefeiert und Wasserrohrbrüche behoben. Vor Freude eine Kissenschlacht gemacht und voller Trauer geweint. Hier wurde abends den Kindern im Bett vorgelesen, unzählige Kuchen für alle möglichen Feste gebacken, Schürfwunden versorgt und das Gemüse, das aus dem Garten kam, mit Freude verarbeitet. Und sicherlich wurde manches Mal auch die Tür zugeschlagen, wenn alles zu viel wurde.

Das Haus ist jetzt zwar verschwunden. Aber all das Erlebte bleibt! Es bleiben die Erfahrungen, die meine Nachbarin an ihre Kinder weitergegeben hat. Der Trost, den sie gespendet und die Werte, die sie vermittelt hat. Es bleibt die Liebe, die sie verbreitet hat. Und all das wirkt weiter, selbst wenn Mauern längst abgerissen und die Steine weggeräumt sind.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

22SEP2020
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Als ich die Tür aufmache, steht ein junger Mann vor mir; freundlich, ein bisschen schüchtern, aber mit neugierigen weit aufgerissenen Augen. In der Hand hält er Bewerbungsunterlagen. Ein Freiwilliges Soziales Jahr möchte er in unserer Pfarrei absolvieren.

Das war vor über einem Jahr. Mittlerweile hat Jonas sein FSJ hinter sich und was so zaghaft begann, hat sich mit jedem Tag weiterentwickelt. „Ich habe viel Neues kennengelernt. Erfahren, dass ich mich gut auf unterschiedliche Menschen einlassen kann. Manches hat mich an meine Grenzen gebracht. Und ich habe gelernt, auch mal Nein zu sagen.“ Das sind ein paar Sätze von Jonas aus unserem Abschlussgespräch. Nach einem Jahr ist klar: Diese Zeit hat sich voll gelohnt und hat ihm viel gebracht.

Nach der Schule sind viele junge Menschen noch unsicher, wie es weitergehen soll. Da kann helfen, sich in einer sozialen Einrichtung zu engagieren. Die jungen Menschen können erfahren: Ich bin wichtig, weil ich einen wertvollen Dienst für andere Menschen übernehme. Mal ist es das Stühlestellen für den Seniorennachmittag, der Einkaufsdienst für das ältere Ehepaar, das Spiel mit den Messdienern, aber auch mal das Nein - Sagen, wenn zu viele gerade etwas von einem wollen. Es gibt viel zu erfahren in solch einem sozialen Jahr. Und je offener und neugieriger die jungen Menschen diese Aufgaben angehen, um so beschenkter ziehen sie am Ende oft Bilanz.

„Es war echt eine gute Zeit und ich bin freier und selbstbewusster geworden,“ sagt Jonas noch. So ausgestattet lasse ich ihn nach einem Jahr auch gerne wieder ziehen. In der Hoffnung, dass er für neue Herausforderungen einiges gelernt und gleichzeitig erfahren hat, wie der Einsatz für andere, das eigene Leben bereichert, froh und stark machen kann.

Und nun freue mich auf unseren neuen FSJ ler und bin mir sicher, mit etwas Neugier und Offenheit wird auch dies wieder eine gute Zeit mit wichtigen Erfahrungen für uns beide.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

21SEP2020
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Millet war Mitte des 19. Jahrhunderts einer der angesagtesten Künstler von Paris. Und ein sehr umstrittener dazu. Denn Millet wendet sich einem Thema zu, das weder als schön noch als künstlerisch wertvoll galt: der Arbeitswelt.

Er malt hart arbeitende Bauern auf dem Feld. Wie sie säen und ernten, graben und schleppen. Er malt einen mühsamen und beschwerlichen Alltag. Wer mag sich so etwas an die Wand hängen oder anschauen?

Doch Millet zeigt auf einem Gemälde noch mehr: Die Bauern arbeiten da nicht nur, sie beten auch. Sein Werk „Angelus“ bringt das sehr deutlich vor Augen: Ein Mann und eine Frau stehen mitten auf dem Feld; jeder ahnt, wie schwer sie arbeiten. Sie stehen da in ihren dreckigen Klamotten. Die Arbeitsgeräte haben sie aus der Hand gelegt. Ein Korb mit Kartoffeln, eine Heugabel, ein Karren stehen an der Seite. Die Köpfe sind nach vorne geneigt. Die Hände zum Gebet gefaltet. Im Hintergrund ist eine Kirche zu sehen und der Betrachter hört gleichsam die Glocken läuten zum sogenannten „Angelusgebet“. Das ist ein Gebet, das an die Verkündigung des Engels an Maria erinnert. Das Bild drückt eine tiefe Andacht aus.

Millet kennt diese Situation aus eigener Erfahrung: „Die Idee für das Bild kam mir, als ich mich an meine Großmutter erinnerte“, schrieb er einmal. „Immer wenn sie die Kirchenglocken hörte, während wir auf den Feldern arbeiteten, unterbrach sie die Arbeit, um ein Gebet zu sprechen.“

Mit dem Bild wollte er genau diesen Moment einfangen und deutlich machen: Das Gebet gehört ganz natürlich zum Lebensrhythmus der damaligen Bauern. Eine kurze Pause, ein Innehalten, um zu beten, um die Verbindung mit Gott zu spüren und daraus neue Kraft zu schöpfen.

In den allermeisten Gemeinden läuten auch heute noch die Glocken. Oft morgens, mittags und abends. Sie laden genau dazu ein, den Alltag und die Arbeit für eine kurze Zeit zu unterbrechen. Sie laden ein, mal kurz Pause zu machen. Vielleicht nur für einen Augenblick: Zeit für einen Gedanken an Gott.

 

In Anlehnung an: Susanne Haverkamp, Bilder des Betens, Glaube und Leben, Nummer 26

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

20SEP2020
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„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen“.

Astrid Lindgren wird dieser Satz zugeschrieben. Dabei kann man wohl kaum sagen, dass die bekannte Kinderbuchautorin in ihrem Leben nichts getan hätte. Jede Menge Bücher hat sie geschrieben und viele Kinder- und Erwachsenenherzen damit erobert. Ihr Leben war alles andere als leicht und unbeschwert. So wie ja auch viele ihrer Kinderbuchhelden so manches Päckchen zu tragen haben: Pippi Langstrumpf muss ohne ihre Eltern klar kommen, die Brüder Löwenherz müssen mehrmals schwere Abschiede nehmen, Ronja Räubertocher die Fehden des Vaters verkraften.

Das Leben in seiner ganzen Tiefe und Bandbreite kommt da zum Vorschein und vielleicht ist das der Grund, warum viele auch heute beim Schmökern dieser Geschichten merken: Darin hat auch mein eigenes Leben Platz. Meine Sorgen, meine Ängste, meine Sehnsucht und meine Freude.

Und vielleicht meistern die Helden in Astrid Lindgrens Geschichten ihr Leben letztlich, weil sie sich immer wieder an die Weisheit ihrer Erfinderin halten: „Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen“. Michel aus Lönneberga fällt mir da ein und seine vielen „Sitzungen“ im Schuppen, wenn mal wieder etwas schief gelaufen und Ärger im Anmarsch ist oder alles zu viel wird.

Für mich sein, meinen Gedanken freien Lauf lassen, mal durchschnaufen. Oft geht es danach wieder besser und unbeschwerter weiter. Nicht nur bei Michel.

Ich denke, diese kurzen Auszeiten müssen sein, damit wir immer wieder neue Kraft schöpfen können. Der Sonntag lädt dazu ein. Einfach nur mal dazusitzen. Mit mir und vor Gott. Und ein Gebet kommt mir so meist ganz von alleine über die Lippen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

06JUN2020
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Heute wäre in meiner Gemeinde eigentlich Firmung. 26 Jugendliche haben sich Anfang des Jahres zu einem Kurs angemeldet, um sich auf das Fest der Firmung vorzubereiten. Eine tolle Truppe, engagierte Begleiter, ein gelungener Start. Und dann? Keine Treffen, keine Projekte, keine Gemeinschaft. So vieles musste abgesagt werden, bis hin zur Firmung, die heute gewesen wäre. Keine Frage, alle hätten heute gerne dieses Fest gefeiert. Aber ich merke auch: Gerade weil es nicht möglich ist und die Firmung ausfällt, wird sie noch kostbarer.

Jugendliche, von denen ich dachte: Na ja, die nehmen das so mit. Für die scheint das plötzlich total wichtig zu sein. Und ich nehme den jungen Leuten das ab. „Ich vermisse die Gemeinschaft, die Gespräche, den Spaß“, schreiben sie. Vielen ist in den vergangenen Wochen so richtig klar geworden, wie wertvoll und wichtig es ist, sich zu treffen, sich zu sehen und eben auch große Feste zu feiern. Das war alles so ganz selbstverständlich. Bis es eben nicht mehr möglich war. Und so vieles abgesagt wurde.

Mich hat das nicht nur nachdenklich gemacht, sondern auch dankbar und ein bisschen demütig. Vieles ist eben nicht planbar, nicht machbar. Nicht nur in diesen Zeiten. Vieles liegt nicht in unserer Hand.

Ich denke, wir werden sehr dankbar sein, wenn wir die Firmung wieder feiern können. Wenn ein Firmpate die Hand auf die Schulter der Jugendlichen legt und sie spüren, wie gut diese Berührung tut. Wenn mit Öl ein Kreuz auf ihre Stirn gezeichnet wird und sie zu ihrem Glauben stehen. Wenn wir miteinander hören, dass Gottes Heiliger Geist uns stärken und begleiten wird und uns untereinander verbindet - in allen Lebenslagen.

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