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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

23APR2023
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Lesen finde ich großartig. Schon als Kind bin ich gerne in Büchern abgetaucht – und so geht es mir bis heute. Heute ist der Welttag des Buches – und ich habe mich erinnert: Eines der Bücher, die mich als Kind fasziniert haben, war auch meine Kinderbibel. Immer wieder habe ich da reingeschmökert.

Meine Lieblingsgeschichte aus der Kinderbibel war eine, die gar nicht so bekannt ist. Aber ziemlich dramatisch. Sie handelt von zwei Frauen, die im gleichen Haus wohnen und fast gleichzeitig ein Kind bekommen. Sie geraten in Streit, weil etwas schreckliches passiert ist. Eines der Neugeborenen ist in der Nacht gestorben. Und die Mutter des toten Babys, so behauptet die eine Frau, hat dann heimlich ihr lebendes Kind zu sich genommen als sie schlief – und ihr das tote in den Arm gelegt. Das ist nicht wahr, sagt die andere. Dein Kind ist gestorben, meines lebt!

Nun stehen die beiden Mütter mit dem einen Kind vor dem König Salomo. Er soll entscheiden, wer Recht hat. Und Salomo fällt das, was sprichwörtlich geworden ist: ein weises, ein „salomonisches“ Urteil. Er lässt ein Schwert bringen und befiehlt, man solle das Kind in zwei Teile teilen, damit jede Frau eine Hälfte bekommen kann. Da ruft eine der Frauen entsetzt: „Bitte, tötet es auf keinen Fall. Gebt es lieber der anderen.“ Da weiß der König, wer die wirkliche Mutter des Kindes ist.

Dramatisch und spannend, dieser Krimi aus alter Zeit. Es sind solche Geschichten, die mir immer wieder Lust machen, in der Bibel zu lesen. Geschichten, die das Leben schreibt. Geschichten über Streit und Versöhnung, Not und Rettung, über Gemeinheiten und großartige Taten. Geschichten, in denen es um Menschen geht – und darum, wie sie immer wieder Gott suchen, ihn aus den Augen verlieren und von ihm neu gefunden werden.

Klar stehen in der Bibel auch schwierige Texte. Vorstellungen, die wir heute kaum mehr nachvollziehen können. Das Buch ist eben sehr alt. Deshalb ist es wichtig, die Bibel auszulegen. Und zu schauen, was die Geschichten von damals für heute bedeuten. Die Geschichte von den zwei Müttern, dem Baby und König Salomo zum Beispiel: Niemand würde heute so die Frage ums Sorgerecht klären. Und trotzdem ist die Geschichte aktuell. Denn Salomo gibt das Kind der Frau, die es wirklich liebt und wo es gut aufgehoben sein wird. Das Kindeswohl ist entscheidend – damals schon und heute hoffentlich auch.

Schon Martin Luther hat überlegt, woran man unterscheiden kann, was das Bleibende an der Bibel ist. Wichtig ist das, sagt Luther, „was Christum treibet“. Das heißt: Wo es um die gute Botschaft von Gottes Liebe zu den Menschen geht. So gelesen ist die Bibel auch heute noch ein besonderes, ein bereicherndes Buch. Und immer wieder überraschend aktuell.

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SWR2 Zum Feiertag

10APR2023
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Jesus lebt, mit ihm auch ich
Bach-Chor Leverkusen

 Rittberger-Klas: „Jesus lebt, mit ihm auch ich – Tod, wo sind nun deine Schrecken?“ So heißt es trotzig im Osterlied, das wir gerade gehört haben. An Ostern feiern Christen das Leben – im Angesicht des Todes.
Leben und arbeiten mit dem Tod vor Augen, das ist auch Alltag für Nadia Oberste-Lehn. Sie ist Bestattermeisterin in Tübingen. Mit ihr spreche ich heute, am Ostermontag: Darüber, wie man dem Leben zugewandt bleibt, wenn man so viel mit dem Tod zu tun hat. Und darüber, was die christliche Osterbotschaft von der Auferstehung für sie bedeutet.
Frau Oberste-Lehn, an Ostern wird in den Kirchen der Sieg des Lebens über den Tod gefeiert. Der Tod hat seine Macht verloren, das ist die Botschaft. Aber gleichzeitig ist der Tod ja weiter Teil unseres Lebens, sonst bräuchten wir Ihren Beruf nicht. Ist es nicht erst einmal wichtig, das nicht zu verdrängen?

Oberste-Lehn: Auf jeden Fall! Der Tod ist ja trotzdem ein Einschnitt. So wie es bis dahin war wird es nie wieder sein. Wer sich bis zum Tod eines lieben Menschen nicht damit beschäftigt, fällt womöglich in ein noch tieferes Loch. Viele bereiten sich und die Angehörigen auf den eigenen Tod vor: Sie bestimmen die Lieder, die an der Trauerfeier gesungen werden sollen, sie suchen sich Blumen aus… Und das hilft. Wenn es so weit ist, können sich die Angehörigen viel mehr darauf konzentrieren, um einen lieben Menschen zu trauern – und das hilft einfach in so einem Fall.

Rittberger-Klas: Sie gehen täglich mit Toten um. Und auch mit Menschen, die trauern. Aber Sie wirken ganz und gar nicht wie ein trauriger Mensch. Sondern im Gegenteil sehr lebendig. Was hilft Ihnen dabei?

Oberste-Lehn: Der Beruf der Bestatterin, des Bestatters bedeutet immer eine Gradwanderung zwischen Empathie und professioneller Distanz. Ich darf nicht alles an mich heranlassen, muss aber natürlich trotzdem zugewandt und einfühlsam auf die Trauernden zugehen. Das ist nicht immer leicht und manche Geschichten Schicksale gehen natürlich auf mir nahe.
Darüber hinaus ist ein privater Ausgleich wichtig. Bei mir ist es meine Familie – ich habe einen vierjährigen Sohn – der Sport im Verein, das Ehrenamt in meiner Kirchengemeinde. Da kann ich die Arbeit Arbeit sein lassen und bin eben nicht Bestatterin.

Rittberger-Klas: Ist es auch so, dass der Umgang mit dem Tod besonders deutlich macht, dass es ein Geschenk ist, am Leben zu sein? Ein Grund zur Dankbarkeit? Empfinden Sie das so?

Oberste-Lehn: Ja, es gibt diesen aus meiner Sicht etwas überstrapazierten Satz: „Lebe jeden Tag als ob es dein letzter wäre.“ Ja, der ist tatsächlich übertrieben und unrealistisch. Aber natürlich kann ich aus meiner beruflichen Erfahrung sagen: Ich weiß, wie schnell es zu Ende sein kann. Wie ganz anderes das Leben, die Paarbeziehung, das Familienleben laufen kann. Da wird der Familienvater aus dem Leben gerissen, oder ein junger Mensch stirbt, bevor er wirklich ins Leben starten konnte. Wie wenig Zeit manchmal zwischen Diagnose und Tod liegt. Und umso dankbarer bin ich natürlich, wenn ich in dem Moment sagen kann: Wie schön, dass es mir und meinen Lieben im Moment gut geht.

Rittberger-Klas: In der Bibel gibt es ja ganz verschiedene Ostergeschichten. Diejenigen, die Jesus begleitet haben, erfahren die Botschaft von der Auferstehung mehrfach – auf unterschiedliche Weise. Dass sie bei ihnen ankommt, das passiert nicht mit einem Schlag. Es ist, als ob sie selbst erst wieder langsam zum Leben erwachen müssen nach dem Schock, dass Jesus sterben musste. Erleben Sie in Ihrer Arbeit auch solche Auferstehungsgeschichten? Momente, in denen Menschen, die dem Tod begegnet sind, das Leben spüren, neuen Mut schöpfen?

Oberste-Lehn: In dem Moment, in dem wir das erste Mal mit den trauernden Angehörigen in Kontakt sind, ist die Nachricht des Todes noch sehr frisch. Manche rufen uns nur wenige Minuten nach Eintritt des Todes an. Hier überwiegen verständlicherweise erst einmal andere Gefühle und Wahrnehmungen: Unverständnis, Trauer, Wut, Betroffenheit, Perspektivlosigkeit. Aber wir erfahren bei Betroffenen auch – häufig mit einigem Abstand – , dass das Leben wieder überhand gewinnt. Pflegende Angehörige können körperlich und seelisch wieder Kraft schöpfen, Menschen sehen mit Dankbarkeit auf den gemeinsamen Weg zurück. Da kann jemand mal wieder in den langersehnten Urlaub fahren und ausspannen. Oder der Gang zum Grab wird zu einer positiven neuen Gewohnheit.

Rittberger-Klas: Ist es auch so, dass die Rituale um den Tod herum hilfreich sind, wieder neu ins Leben zu finden.

Oberste-Lehn: Auf jeden Fall – oder um sich im ersten Schritt erst einmal damit auseinanderzusetzen: Einen Spruch für die Traueranzeige aussuchen, das Gespräch mit der Pfarrerin oder dem Pfarrer, ein Leben Revue passieren lassen, das hilft, in den Trauerprozess zu starten. Und ich glaube, der Start eines Trauerprozesses ist fast das wichtigstes daran. Weil, wenn ich gut starte, wenn ich mir Zeit nehme, dann komme ich gut da durch. Trauer hört nicht auf, aber sie wird anders mit der Zeit. Und wenn ich gut gestartet bin, wenn ich hilfreiche Menschen und Rituale an die Hand bekommen, dann kann ich mich auch wieder dem Leben zuwenden. Aber das ist sehr individuell. Das geht bei einigen schneller und bei anderen langsamer, das kann man gar nicht in einen Zeitfaktor setzen. Aber es ist glaube ich unheimlich wichtig, gerade beim Beginn achtsam mit sich zu sein und achtsam mit dem, was da um einen herum passiert.

Rittberger-Klas: Genau, und ich finde es eben interessant, dass das auch in der Bibel nicht mit einem Schlag geht. Eben dass da nicht in dem Moment, in dem die Jünger am leeren Grab stehen, der Jubel ausbricht, sondern es tatsächlich eine Weile dauert, bis die Botschaft ankommt und so ist es ja auch im Leben bei uns, dass man sich langsam wieder dem Leben annähert, denke ich.

Oberste-Lehn: Ja, wir merken häufig: Die Botschaft des Todes muss erstmal ankommen, das dauert auch. Menschen sitzen bei uns und sind völlig fassungslos, können es gar nicht begreifen, was da gerade passiert – auch, was für Konsequenzen das jetzt hat. Der Rückblick: O, das war das letzte Weihnachten zum Beispiel mit demjenigen, das war der letzte Geburtstag… das wird auf einmal rückblickend noch ganz anders wahrgenommen. Aber – und das merken wir – Menschen kommen nach ein paar Woche noch einmal zu uns, weil sie Danksagungskarten in Auftrag geben oder so etwas, und wir merken schon manchmal, sie gewöhnen sich langsam an diese neue Situation und können eben auch positiv zurückschauen und sagen: Mensch, das sind schön Erinnerungen, die ich mit diesem Menschen hatte! Und das kann ich auch positiv wahrnehmen und es ist nicht immer diese große schwarze Wolke der Trauer darüber.

Rittberger-Klas: Ich glaube an dieAuferstehung der Toten – das ist ein Teil des christlichen Glaubensbekenntnisses, aber es ist heute nicht mehr leicht zu vermitteln. Was bedeutet Ihnen Satz für Sie?

Oberste-Lehn: Für mich bedeutet dieser Satz – ich musste auch erst einmal darüber nachdenken – auch mit Blick auf meinen Beruf und die Geschichten und Schicksale, die ich da mitbekomme: Hoffnung und Trost. Es gibt eine Perspektive über den Tod, über das Leid und die irdischen Probleme hinaus. Der Satz – oder der Inhalt – bedeutet für mich: Die Gegenwart Gottes zu erleben und die Menschen wiederzusehen, die mein Leben begleitet haben. Jedoch: Die Auferstehung der Toten bleibt ein großes Geheimnis – aber sie lässt manchmal hier und heute Dinge kleiner werden.

Rittberger-Klas: Hilft Ihnen das bei Ihrer Arbeit, dass Sie da einen Zugang haben? Und kommen Sie darüber manchmal auch mit Menschen ins Gespräch?

Oberste-Lehn: Also, in der Regel ist mein Glaube kein Thema im Gespräch mit den Angehörigen, sie stehen ja mit ihren Wünschen und Bedürfnissen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Trotzdem ist eine eigene und gefestigte Haltung im Bezug auf den Tod und was danach kommt, aus meiner Sicht unglaublich wichtig für diesen Beruf. Nur so können wir Trauernden eine Stütze sein. Wenn ich selber unsicher bin, wenn ich viele Fragen mit mir rumtragen, kann sich das eventuell auch auf mein Gegenüber übertragen.
Wir unterhalten und selten tief philosophisch und theologisch mit den Angehörigen, also wie sehen sie den Tod oder was empfinden oder spüren sie darüber hinaus. Aber wir bekommen schon manchmal mit, dass sie sagen: Ich weiß, dass dieser Mensch weiter für mich da ist, weil einfach so eine tiefe innere Verbundenheit da ist, die durch den Tod nicht gekappt worden ist.

Rittberger-Klas: In der Bibel gibt es viele Geschichten, verschiedene Worte und Bilder für das Ostergeschehen und für die Hoffnung auf ein Leben über den Tod hinaus. Welches ist Ihnen am nächsten, am liebsten?

Oberste-Lehn: Ich mag das Bild vom Weizenkorn, oder jedem Samen, der in die dunkle Erde muss, um doch schlussendlich Frucht und Leben zu bringen. Das passt für mich auch gut in diese Jahreszeit, in den Frühling, in der alles sprießt und blüht.

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SWR2 Lied zum Sonntag

19MRZ2023
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Ubi caritas, aus: Laudate omnes gentes

Am Gründonnerstag sitzt eine junge Pfarrerin in ihrem schwarzen Talar auf einem Bordstein auf der Hamburger Reeperbahn, neben sich eine Schüssel mit warmem Wasser, Handtuch und Seife. Wer vorbeikommt, kann sich von ihr die Füße waschen lassen. Gut gelaunte junge Leute setzen sich auf den Klappstuhl, den sie vor sich aufgestellt hat, genauso wie überraschte Touristen und Menschen ohne festen Wohnsitz, die nicht jeden Tag Zugang zu einem Bad haben. Manche genießen einfach das warme Wasser und die angenehme Berührung. Andere stellen Fragen, kommen ins Gespräch. Was ist das für eine Aktion?

Ubi caritas, aus: Laudate omnes gentes

Ubi caritas et amor – deus ibi est – Wo Güte ist und Liebe, da ist Gott. Berühmt geworden ist diese mittelalterliche Antiphon durch den Gesang aus Taizé, den wir gerade gehört haben. Ursprünglich ist der Text im 8. Jahrhundert in St. Gallen entstanden – und gehörte zur Liturgie am Gründonnerstag, zur Fußwaschung.

Im Johannesevangelium wird davon erzählt, wie Jesus, der Lehrer und Meister, am Tag vor seinem Tod im Kreis seiner Schüler sein Obergewand ablegt, eine Schürze umbindet und sich auf den Boden kniet. Und dann fängt er an, seinen überraschten Jüngern den Schweiß und Staub von den dreckigen Füßen zu waschen. So wie die Hamburger Pfarrerin es 2000 Jahre später ihm gleichtut. Sich zuwendet. Berührt. Überraschend und wohltuend.

Ubi caritas, aus: Laudate omnes gentes

Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. An diese Zeile aus dem 1. Johannesbrief lehnt sich der Text des Gesangs an. Gott ist, wo die Liebe ist. Das gilt auf doppelte Weise.
Gott ist da, wo Zuneigung ist – auf lateinisch amor. Gott ist zu finden, wo Menschen sich lieben – mit Leib und Seele. Wo sich zwei gern haben: Liebespaare, aber auch allerbeste Freunde, Mutter und Tochter, Schwester und Bruder.

Und: Gott ist da, wo Zuwendung ist – auf lateinisch caritas. Gott ist zu finden, wo jemand – wie Jesus in der Geschichte – die Schürze umbindet und für andere Menschen da ist. Nicht, weil er muss, auch nicht aus Kalkül – sondern weil er will. Nicht nur für die, die ihm an nächsten stehen, sondern für die, die eben genau jetzt Hilfe brauchen.

Ubi caritas, aus: Laudate omnes gentes

Wo Liebe ist und Güte, da ist Gott. Ich habe die Erfahrung gemacht: Zuwendung und Zuneigung – beides ist auch in schweren Zeiten zu finden. In kleinen und großen Krisen. Vielleicht sogar besonders da. So wie Gott.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18FEB2023
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Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen… Das ist mein Lieblings-Geburtstagslied.

Viel Segen – das ist auf jeden Fall ein schöner Wunsch für ein Geburtstagskind. Etwas, das guttut. Aber wie genau soll man sich das vorstellen – Gottes Segen?

Einer der berühmtesten Segenswünsche aus der Bibel ist am Ende von vielen Gottesdiensten zu hören: Gott segne dich und behüte dich, heißt es da. Und dann: Gott erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

Gott erhebt sein Angesicht – nicht gerade ein alltäglicher Ausdruck. Aber ich finde: Er hilft, um sich vorzustellen, was es mit dem Segen auf sich hat. Wenn Gott sein Angesicht erhebt, dann heißt das in der Sprache der Bibel so viel wie „er sieht mich freundlich an“. Das finde ich ganz anschaulich, weil ich es auch aus dem Alltag kenne:

Wenn ich jemandem begegne, dann freue ich mich, wenn er oder sie den Kopf hebt und mich anschaut. Nicht gelangweilt an mir vorbei schaut oder peinlich berührt zu Boden blickt, auch nicht hochmütig über mich hinwegsieht, sondern mich freundlich anschaut und mir in die Augen sieht. Das tut gut. Weil ich merke, dass ich wahrgenommen werden. Und weil es ein Zeichen der Wertschätzung ist.

Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen, damit wünsche ich also dem Geburtstagskind: Wohin du auch gehst, Gott möge dich freundlich ansehen. Manchmal vielleicht mit einem kleinen Lächeln, manchmal ernst – aber immer so, dass du spürst: Da meint es einer gut mit dir.

Denn ich glaube: Selbst wenn Gott uns kritisch anschaut, spricht aus seinem Blick noch ein grundsätzliches Ja zu jedem und jeder von uns als Mensch. Ein Ja, das wir in den Blicken anderer nicht immer lesen können. Und ein Ja, das wir auch selbst nicht immer zu uns sagen können. Wie schön, dass du geboren bist, um es mit einem anderen Geburtstagslied zu sagen.

Deshalb ist es gut, sich immer wieder an diesen freundlichen Blick Gottes erinnern zu lassen. Am Geburtstag. In einem Gottesdienst. Oder mit der Jahreslosung, dem Leitwort der Kirchen in diesem Jahr: Du bist ein Gott, der mich sieht, heißt es.

Oder Sie erinnern sich selbst daran, einfach so, zwischenrein. Wie der Theologe Anselm Grün es geraten hat. „Was hindert dich“, fragt er, „dir Zeit zu nehmen und Vorstellung Raum zu geben, Gott schaut dich freundlich an.“

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

17FEB2023
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Wenn jemand sich mal ein Bild von mir gemacht hat, dann ändert sich das nicht mehr so leicht, habe ich gemerkt. Das ist gut, wenn das Bild positiv ist. Aber es kann auch anders laufen. Eine Frau aus meiner Gemeinde hat mich bei unserer ersten Begegnung abweisend erlebt. Es hat dann richtig lange gedauert, bis wir miteinander warm geworden sind.

Andersherum habe auch ich schnell ein Bild von anderen. Oft liegt das auch an der Rolle, die jemand hat. Beim Hausmeister in der Schule zum Beispiel. Ich sehe, dass er in seinem Job manchmal unentspannt reagiert und ganz schön ruppig sein kann. Aber wie er sonst als Mensch ist, weiß ich nicht.

Von Jesus wird erzählt, dass er Menschen anders gesehen hat als andere. Für ihn hat nicht der erste Eindruckt gezählt, sondern er hat gleich den ganzen Menschen gesehen, das ganze Bild. Besonders schön ist das, finde ich, in der Geschichte von Zachäus geschildert:

Zachäus ist Zolleinnehmer in Jericho. Er arbeitet in Israel zur Zeit Jesu also für die römische Besatzungsmacht. Schon deshalb ist er bei seinen eigenen Landsleuten kein Sympathieträger. Dass er ihnen am Zoll auch noch mehr Geld abknöpft als vorgesehen, den Gewinn in die eigene Tasche steckt und so reich wird, macht es nicht besser.

Als Jesus in die Stadt kommt, will Zachäus ihn sehen. Aber er hat ein Problem. Zachäus ist klein gewachsen. Und er ahnt, dass keiner in der Menschenmenge rund um Jesus Lust hat, ausgerechnet ihn vorzulassen. Deshalb steigt Zachäus auf einen Baum. Das hat einen doppelten Vorteil: Er kann Jesus von dort sehen – er selbst aber wird im Schutz der Blätter nicht gesehen. Denkt er. Jesus nämlich sieht ihn sehr wohl. Und er sieht in ihm mehr als den geldgierigen und unbeliebten Zolleinnehmer, der heimlich einen Blick erhaschen möchte. Jesus sieht den ganzen Zachäus, er sieht einen Menschen auf der Suche. Deshalb spricht er ihn an, holt ihn herunter von seinem Baum und lädt sich bei ihm zum Essen ein. Eine Begegnung, die Zachäus Leben nachhaltig verändert – zum Guten.

Die Geschichte von Zachäus erinnert mich daran, dass ich bei anderen Menschen oft nur die Oberfläche sehen kann. Und dass es sich lohnt, sie besser kennen zu lernen, bevor ich mir ein Urteil über sie bilde.

Und – mir tut die Geschichte gut, weil sie zeigt: Gott sieht einen Menschen immer ganz – so wie er ist. Und sogar so, wie er noch werden kann.

„Du bist ein Gott, der mich sieht“ – so heißt die Jahreslosung, das Leitwort der Kirchen für dieses Jahr. Für mich bedeutet das auch: Gott sieht uns als ganze Menschen. Mit unseren Schwierigkeiten, aber auch mit allen Möglichkeiten, die in uns stecken. Er sieht Zachäus auf seinem Baum – und Sie und mich auch.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16FEB2023
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Wunderbar. Alle da heute. Das dachte ich, als ich neulich ins Klassenzimmer zum Reli-Unterricht gekommen bin. Aber ein Blick ins Klassenbuch hat gezeigt: Ich habe mich geirrt. Eine Schülerin war nicht da. Dass sie fehlt, habe ich glatt übersehen.

Ich bin erschrocken, denn mir ist klar geworden, dass ich anscheinend gar nicht immer merke, wenn jemand fehlt. Dass ich Menschen übersehe.

Und bin erschrocken, weil ich merke, dass das immer wieder passiert. Dass Menschen übersehen werden. Als wäre es egal ob sie da sind oder nicht.

Die Geschichten in der Bibel stellen immer wieder Menschen in den Mittelpunkt, denen genau das passiert: dass sie von anderen nicht wirklich wahrgenommen werden. Gott aber übersieht niemanden – das ist die Botschaft. Wie zum Beispiel in der Geschichte von David:

Da wird der Prophet Samuel von Gott losgeschickt zu einem Mann, der acht Söhne hat. Einer von ihnen soll König werden, und Samuel hat die Aufgabe, den richtigen zu finden. Stolz stellt der Vater einen nach dem anderen vor, vom ältesten angefangen. Sieben repräsentable junge Männer – aber der Prophet merkt: Keiner von ihnen ist es.

„Sind das alle deine Söhne?“, fragt er verwirrt. Nein, gibt der Mann zu, es gibt noch einen, den jüngsten, der ist draußen bei den Schafen. Das war der junge David. An ihn, den Hirtenjungen, hat keiner gedacht. Man hatte es noch nicht einmal für nötig gehalten, ihn zu holen. Aber genau er sollte König werden. König David – einer der berühmtesten Könige Israels.

Der Mensch sieht, was vor Augen ist, aber Gott sieht das Herz an, lässt Gott den erstaunten Propheten wissen.

Ich mag diese Geschichte. Für mich ist sie ein Anstoß, auch die eher unauffälligen Menschen um mich herum wahrzunehmen, diejenigen, die nicht gleich im Mittelpunkt stehen. Denn oft steckt in ihnen viel mehr, als ich auf den ersten Blick erkennen kann. Und sie kennen zu lernen, ist eine echte Bereicherung.

Tröstlich ist die Geschichte von David für mich auch. Wenn ich selbst das Gefühl habe, nicht beachtet, übersehen zu werden. Vielleicht stimmt das dann gar nicht – aber ich denke trotzdem: Mich sieht gerade niemand. Vermutlich kennen Sie das Gefühl auch.

Gott übersieht niemanden – die Zusage ist mir deshalb wichtig. „Du bist ein Gott, der mich sieht“ – so heißt die Jahreslosung, das Leitwort der Kirchen für dieses Jahr. Das gilt für David bei seinen Schafen. Und für uns alle, wenn wir das Gefühl haben, im Abseits zu stehen.

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15FEB2023
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Manchmal ist alles Mist. Das ganze Leben. Zumindest fühlt es sich so an. Es gibt Momente, da würde ich mich am liebsten ins Bett legen und mir Bettdecke über die Ohren ziehen. Und manchmal mache ich das auch wirklich. Dann will ich nichts mehr sehen und hören. Am besten einfach weg sein.

So ähnlich muss sich Hagar gefühlt haben. Von ihr erzählt eine Geschichte in der Bibel. Was ihr passiert, ist – zugegebenermaßen – eine Nummer härter als alles, was ich so erlebe. Hagar lebt als Sklavin in einem fremden Land. Ihre Aufgabe ist es, ihre Herrin Sara zu bedienen – und darüber hinaus möglichst unsichtbar zu sein. Bis sie eine ganz besondere Aufgabe bekommt. Weil Sara keine Kinder bekommen kann, muss Hagar als Leihmutter fungieren. Sie wird schwanger von Saras Mann. In ihrem Bauch wächst der erhoffte Stammhalter heran – und das erste Mal in ihrem Leben bekommt sie ein wenig Aufmerksamkeit. Logisch, dass sie das ausnutzt und ihre Herrin spüren lässt, wer jetzt im Mittelpunkt steht. Doch Sara lässt das nicht auf sich sitzen. Sie beschwert sich bei ihrem Mann – und der lässt ihr freie Hand über Hagar. Sara darf ihrer Magd klar machen, wer hier die Herrin ist, und wer die Sklavin – Stammhalter hin oder her. Was das bedeutet, kann sich Hagar ausmalen – und sie will es nicht erleben. Sie flieht. Rennt in die Wüste: Einfach weg sein. Weit weg von ihrem ausweglosen Leben. Da, wo niemand sie mehr findet und niemand sie mehr sieht.

Aber „einfach weg sein“, also quasi „Decke über den Kopf“ – das klappt nicht. Einer sieht sie doch: Gott. Gott, so erzählt die Geschichte, schickt einen Engel zu Hagar. Er macht Hagar Mut. Und gibt ihr eine neue Perspektive. Hagar ist beeindruckt. Da war einer, der sie gesehen hat, weit weg, mitten in der Wüste. Gott, der mich sieht! Das ist ab jetzt ihr Name für Gott.

Du bist ein Gott, der mich sieht. Den Ausruf von Hagar haben die christlichen Kirchen als Leitwort, als Jahreslosung für 2023 gewählt. Mich begleitet der Gedanke seitdem. Weil ich die Geschichte von Hagar so ungewöhnlich finde – und auch tröstlich:

Sie sagt ja: Auch wenn ich mich noch so tief unter meiner Bettdecke verkrieche, auch wenn ich noch so wenig gefunden werden will: Ich bin nicht ganz verlassen. Gott sieht mich – und meinen Kummer.

Und manchmal, wenn ich daran denke, spüre ich das auch. Und beginne, die Dinge ein bisschen anders zu sehen, eine neue Perspektive zu entwickeln – so wie Hagar. Einfach hatte sie es übrigens auch später nicht. Aber sie hat nicht vergessen, was sie damals erlebt hat: Gott sieht mich – und hat einen Weg für mich.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

14FEB2023
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Beim Bäcker gibt es Törtchen in Herzform mit rosa Zuckerguss. Und vor dem Blumenladen erinnert ein Plakat mit großen Buchstaben daran: Heute ist Valentinstag. Ob mit einer roten Rose, einer selbstgemalten Karte oder einer kreativen Einladung – ich finde, es ist ein schöner Brauch, an diesem Tag den Menschen, die man gernhat, eine Freude zu machen. Egal, ob es nun die große Liebe ist oder einfach eine liebe Freundin.

Eine besondere Geste an einem besonderen Tag – das tut jeder Beziehung gut. Danach geht es zurück in den Alltag. Die Valentinstörtchen sind gegessen. Und ohne rosa Zuckerguss kommt wieder ans Licht, was nicht so gut läuft. Was am anderen nervt.

Im Alltag einer Beziehung gibt es eben auch Streit. Das ist normal und deshalb eigentlich auch nicht schlimm. Im Gegenteil: Streiten zu können – das gehört zu einer guten Beziehung dazu. Denn vollkommene Harmonie, die gibt es nirgends auf Dauer. Und wenn Streitpunkte nicht zur Sprache kommen dürfen, weil immer alles schön sein soll, wenn man den Ärger immer wieder runterschluckt, dann ist die Gefahr groß, dass es irgendwann zum ganz großen Krach kommt.

Gut streiten und sich am Ende wieder versöhnen, das ist gar nicht so einfach. Aber ich glaube – man kann es üben. Und es gibt Tipps, wie es besser gelingt: Zum Beispiel, den richtigen Zeitpunkt für ein Streitgespräch finden. Dem anderen wirklich zuhören und versuchen, ihn zu verstehen. Und selbst lieber Wünsche formulieren und von den eigenen Gefühlen reden statt dem anderen Vorwürfe zu machen.

Aber was, wenn der Streit trotzdem eskaliert? In der Bibel gibt es dafür einen einfachen Ratschlag, den ich hilfreich finde. Offensichtlich gab es auch bei den ersten Christen nicht selten Streit. Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen, heißt es deshalb im Brief an die Gemeinde in Ephesus. Also: Bevor der Tag endet und der Konflikt mir den Schlaf raubt, noch versuchen, mich zu beruhigen. Und im besten Falle mich wieder zu versöhnen – mit dem anderen und auch mit mir selbst.

Gut streiten und sich wieder versöhnen – das ist wichtig, damit Beziehungen und Freundschaften Bestand haben. Aber klar: Heute, am Valentinstag, kann der Streit gerne auch mal Pause haben. Denn manchmal darf das Leben auch rosarot sein. Und mit Zuckerguss.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

13FEB2023
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Als Einzelgängerin eigne ich mich nicht. Ich brauche in meinem Leben andere Menschen: Nähe, Begegnung und Austausch. Aber mir ist inzwischen klar: Um gut mit anderen unterwegs zu sein, darf ich mich selbst nicht vergessen. Diese zwei Dimensionen gehören fest zusammen. Keine der beiden ist ohne die andere denkbar. Nur wenn ich für mich selbst sorge und mit mir selbst zurechtkomme, kann ich andere wirklich lieben. Und nur durch die Beziehung zu anderen kann ich mich selbst wirklich entfalten.  

Und dann kommt noch etwas dazu. Das Leben ist 3D. Nicht ein- oder zwei-, sondern dreidimensional.

Dieser Gedanke stammt von Martin Luther King, dem bekannten amerikanischen Bürgerrechtler und Pfarrer. Die drei Dimensionen des vollkommenen Lebens, darüber hat er eine Predigt gehalten. Die Idee, die dahintersteckt, finde ich hilfreich.

Das Leben, sagt Martin Luther King, hat drei Dimensionen – Länge, Breite und Höhe. Die Länge des Lebens, so beschreibt er es, das ist der gesunde Egoismus – die Liebe zu sich selbst. Das Bedürfnis, es gut zu haben im Leben; der Wunsch, sich selbst und die eigenen Talente zu entfalten.

Erst dann kommt die zweite Dimension, die Breite – nämlich die Beziehung zu anderen Menschen, die Nächstenliebe. Die Fähigkeit, für andere da zu sein, mit ihnen zusammenzuarbeiten – und über sich selbst und die eigenen Bedürfnisse hinaus zu denken.

Damit das Leben aber 3D wird, damit ein Raum entsteht, ist noch eine weitere Dimension nötig: die Höhe. Für Martin Luther King ist das die Suche nach dem, was größer ist als der Mensch, die Suche nach Gott. Erst mit Gott, erst in der Liebe zu ihm, sagt er, findet der Mensch Frieden.

Ich kann das nachvollziehen. Mir tut es gut, ab und an innerlich Abstand zu nehmen – von mir selbst, und auch von den Menschen, die ich brauche und die mich brauchen. Es hilft mir, eine neue Perspektive einzunehmen – und dabei zu merken, dass meine eigene Sicht immer begrenzt ist. Diese dritte Dimension, die Höhe – für mich eröffnet sie sich, wie für Martin Luther King, im Glauben.

Das Leben ist 3D. Alle drei Dimensionen im Blick zu behalten, hilft mir. Gerade weil mir der Kontakt mit anderen Menschen so wichtig ist.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

12FEB2023
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Mit der Familie ist es manchmal nicht einfach. Das merke ich in vielen Gesprächen. Wissen Sie, höre ich da zum Beispiel, mit der Familie von meiner Schwester haben wir gar keinen Kontakt mehr… Immer wieder erzählen mir Menschen, dass Familien zerstritten sind. Manchmal so sehr, dass man nicht mehr miteinander redet.

Nein, es ist nicht einfach, in der Familie gut miteinander auszukommen. Wenn die jüngere Generation völlig andere Vorstellungen hat vom Leben als die Eltern. Wenn jemand krank wird oder pflegebedürftig. Wer kümmert sich, und wer hält sich zurück? Der eine fühlt sich benachteiligt, die andere fühlt sich allein gelassen. Manchmal geht es auch ums liebe Geld. Unter solchem Druck sind Konflikte fast unvermeidlich.

Streit gibt es in jeder Familie – mal kleinen, mal auch größeren. Deshalb kommt es darauf an, wie man damit umgeht. Und ob man es schafft, sich wieder zu versöhnen.

Darum hat es mich beeindruckt, was ich neulich über einen Brauch in den deutschen Gemeinden in Siebenbürgen in Rumänien gehört habe. In den evangelischen Kirchen dort wurde traditionell nur alle paar Monate einmal das Abendmahl gefeiert. Dabei wird auch um die Vergebung der Sünden gebeten. Für die Familien hat die Feier aber schon zuvor begonnen, am Morgen vor dem Gottesdienst. Da haben sich die Familienmitglieder feierlich die Hand gereicht und einander um Vergebung gebeten – für alles, was in den letzten Wochen vorgefallen war an Streit und gegenseitigen Verletzungen. Der jugendliche Sohn hat den Vater um Verzeihung gebeten – aber eben auch der Vater den Jugendlichen. Erst danach ging man zusammen in die Kirche, um die Dinge auch vor Gott ins Reine zu bringen.

Nach der Feier – das hat mir jemand erzählt, der es so erlebt hat – habe er sich immer ganz erleichtert gefühlt. Es war ein richtiger Neuanfang. Inzwischen lebt er in Deutschland, aber er erinnert sich: Unter den schwierigen und beengten Verhältnissen damals war es für die Familien sehr wichtig, sich so immer wieder zu versöhnen. Und er sagt: Auch heute noch machen wir es in der Familie so. Zur Not auch erst im Auto, wenn wir zur Kirche fahren. Aber immerhin.

In der Familie gegenseitig um Verzeihung bitten, bevor man zum Abendmahl geht – diesen Brauch kannte ich vorher nicht. Aber es hat mich beeindruckt, davon zu hören. Weil ich finde: So kommt das, was in der Kirche über Vergebung gesagt wird, auch wirklich im Leben an. Und macht es möglich, miteinander neu anzufangen.

Streit wird es trotzdem immer wieder geben. Aber hoffentlich auch Versöhnung.

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