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SWR2 Wort zum Tag

Die heilige Teresa, von der ich heute  morgen erzählen möchte, wäre in diesen Tagen 500 Jahre alt. Sie  ist 1515 im spanischen Avila geboren und im Oktober 1582 in der Nähe von Salamanca gestorben. Die Kirche ist heute stolz auf sie, zu ihren Lebzeiten war Teresa dagegen eine umstrittene Frau. Der Vertreter des Papstes in Spanien sagte über sie: „Sie ist ein ungehorsames, widerspenstiges Weib, die unter der Maske der Frömmigkeit ihre schädlichen Lehren verbreitet; ... die voller Ehrgeiz ist und sich ... theologisch betätigt, in Missachtung der Lehre des heiligen Paulus, der den Frauen das Lehren untersagte..“ (zit.bei: Vita Sackville-West, Adler und Taube, Frankfurt 1982, 102). Teresa lässt sich nicht einschüchtern und entgegnet: „... sie sollten sich nicht bloß auf einen Ausspruch der Schrift berufen, sondern auch die andern Stellen einsehen, ob sie mir dann die Hand binden können“, (Zit. bei: Walter Nigg, Große Heilige, 211). So bleibt Teresa eine Frau, noch dazu eine Ordensfrau, die Anstoß erregt. Sie ist fromm, hat ein inniges Verhältnis zu Gott. Und sie schreibt theologische Bücher und bemüht sich, die Kirche zu verändern. Sie lebt zur selber Zeit wie Martin Luther und sieht, dass in der Kirche Reformen nötig sind. Teresa setzt bei den Klöstern ihres Ordens an und gibt ihnen einen neuen Lebensstil. Die Schwestern sollen vor Gott da sein, stellvertretend auch für andere Menschen. Sie sollen beten, sie sollen fasten und so auch zu ihrer persönlichen Entfaltung kommen.

Wir verdanken Teresa auch einige markante Aussprüche: „Tue deinem Leib Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen“ hat sie einmal gesagt. Und dann gibt es von ihr noch das herrlich selbstkritische Gebet: „Herr, bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen.“ Daraus spricht Lebensweisheit!

Besonders kostbar ist jenes Gebet, das mit den Worten beginnt: „Nichts verwirre dich.“ Man hat diese tröstlichen  Worte erst nach ihrem Tod gefunden. Teresa hatte sie wohl immer bei sich getragen:

„Nichts verwirre dich,
Nichts erschrecke dich,
Alles geht vorüber,
Gott ändert sich nicht.
Die Geduld erreicht alles.
Wer Gott besitzt, dem mangelt nichts;
Gott allein genügt.“                                                                     

 

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SWR2 Wort zum Tag

Ein Dreizeiler geht mir in diesen Tagen durch den Kopf:

Ich komm, weiß nit woher.

Ich geh, weiß nit wohin.

Mich wundert`s, dass ich fröhlich bin.

Da leben wir ohne klare Antwort auf die wichtigsten Fragen und sind doch fröhlich, viele Menschen zumindest sind es, zumindest in manchen Zeiten ihres Lebens.

Ist Freude selbstverständlich - oder ist sie etwas Überraschendes? Es muß doch etwas zu bedeuten haben, dass Menschen sich freuen, dass wir manchmal sogar unter Tränen lachen. Im Norwegischen heißt das Wort für Freude eigentlich Lebhaftigkeit, Lebenslust. Danach hat Freude etwas zu tun mit unseren Lebenskräften. Sich freuen hilft leben, könnte man also sagen. Und: In jedem Lachen steckt ein Ja zum Leben. Deshalb lohnt es sich, der Freude einmal nachzuforschen.

Aber darf ich über Freude sprechen, wenn Sie heute vielleicht traurig sind? Außerdem passt es nicht gut, über Freude zu reden. Freude muß man erleben. Also frage ich einfach: Wann haben Sie sich das letzte Mal gefreut?

In der Bibel hängt Freude sehr oft mit Gott zusammen. Auch wenn sie sich gar nicht immer auf Gott richtet. So z.B. beim „Prediger” Kohelet. Das ist an sich ein eher pessimistischer, melancholischer Mann. Er schreibt: Ich erkannte, daß es für den Menschen nichts Besseres gibt, als fröhlich zu sein und es sich gut gehen zu lassen im Leben. Denn, dass ein Mensch essen und trinken und Gutes erfahren kann in all seiner Mühsal, auch das ist eine Gabe Gottes (Koh. 3,12 f) Freude ist also ein Geschenk Gottes, und wir sollen und dürfen es annehmen. Noch einmal Kohelet: Geh, iß mit Freuden dein Brot und trink vergnügt deinen Wein, denn längst hat Gott dein Tun geheiligt. (Koh 9,7f)

Freude kommt von Gott. Freude verbindet mit Gott. So sieht es die Bibel, obwohl auch in ihr viele Fragen offen bleiben.

Ich wünsche Ihnen, daß Sie sich heute freuen können oder wenigstens unter Tränen lächeln.

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SWR2 Wort zum Tag

Wie religiöse Bilder wirken, darüber möchte ich heute morgen nachdenken. Die Bibel verbietet mehrfach, Bilder von Gott anzufertigen. Trotzdem gibt es unzählige Darstellungen Gottes. Wir können nicht ohne. Irgendwie muß ich mir Gott doch vorstellen. Bilder machen ja anschaulich; Bilder interpretieren auch, sie können festlegen, sogar verfälschen.

Bilder setzen Akzente, betonen, was dem Künstler, der Künstlerin wichtig ist. Ein sehr anschauliches Beispiel sind Darstellungen Jesu am Kreuz. In der Romanik wird Jesus meist nach überstandenem Todeskampf dargestellt, ruhig, gelöst, oft majestätisch, die Dornenkrone wirkt manchmal wie eine Königskrone. In der Gotik verändert sich die Gestalt. Es wird betont, daß Jesus den Menschen nahe ist, gerade auch im Leid. Jetzt hängt ein furchtbar leidender Jesus am Kreuz, verkrampft und gequält und oft blutig. In der Neuzeit finden sich die unterschiedlichsten Menschentypen: Jesus als Farbiger, als Asiate, als Indio, als Frau. Da wird betont, daß er Mensch war, identifiziert mit dem Schicksal jedes Menschen, nicht nur mit einer Rasse, einem Geschlecht.

Was ist aber, wenn Künstler die biblische Vorlage völlig außer Acht lassen? Wenn sie ein Motiv aus seinem religiösen Kontext lösen und frei neu komponieren? Ich kann keinen Künstler zur Ehrfurcht verpflichten, aber ein gekreuzigter Frosch mit Bierkrug beleidigt mein Empfinden. Oder ein Jesus, der zu Cola und Hamburger sagt: Das ist mein Blut, das ist mein Leib. In meinen Augen verhöhnen solche Bilder den Jesus, von dem die Bibel erzählt. Und sie können Menschen verletzen, die vor einem Kreuz beten.

Bilder sind nicht festgelegt. Und religiöse Motive gehören auch nicht nur der Kirche oder den Christen. Ich glaube auch nicht, daß Jesus durch ehrfurchtslose Bilder bloßgestellt oder beschädigt werden kann. Manchmal stoßen provozierende Bilder ja auch neue Gedanken an. Aber wenn ein Kunstwerk mein Empfinden beleidigt, will ich das auch laut sagen dürfen. Damit bin ich weder engstirnig noch intolerant.

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SWR2 Wort zum Tag

Du sollst den Namen Gottes nicht mißbrauchen, so heißt es in den 10 Geboten. Man kann auch übersetzen: Du sollst den Namen Gottes nicht unnütz im Munde führen, also den Namen Gottes nicht funktionalisieren, für irgend etwas benutzen. Denn ein Name ist mehr als irgendein Wort. Der Name steht für die Person, die ihn trägt. Hier liegt eine Wurzel des Verbots der Blasphemie. Das Wort Blasphemie heißt wörtlich übersetzt: den Ruf von jemandem schädigen. Seinen, ihren guten Namen verhöhnen oder lächerlich machen. Bei uns wird das Wort heute verwendet in bezug auf Gott, auf Personen, die für eine Religion bedeutsam sind wie z.B. Buddha und Mohammed, auf religiöse Aussagen, auch auf Symbole, Bilder und Bräuche. In Deutschland ist Blasphemie strafbar, wenn sie, so der entsprechende Paragraf 166 „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Seit den Attentaten von Paris wird bei uns wieder diskutiert, ob dieser Pragraf sinnvoll ist, nötig oder sogar schädlich. Eine der Fragen dabei lautet, ob wir Menschen Gott überhaupt beleidigen oder beschädigen können.

Ich glaube, daß wir zunächst uns selbst beschädigen. Denn Glaube und religiöse Suche gehören zum Wichtigsten und Intimsten im Leben. Gott zu ahnen ist ein wichtiger Teil meiner Würde. Deshalb trifft es mich ins Mark, wenn dieser Bereich lächerlich gemacht wird. Wenn eine Gesellschaft diese Sphäre schützt, schränkt das deshalb nicht schon die Meinungsfreiheit ein. Allerdings muß ich auch respektieren, daß es nicht möglich ist, die persönliche Religiosität jedes einzelnen gesetzlich zu schützen. Selbst innerhalb von Kirchen und Religionsgemeinschaften glauben und empfinden ja längst nicht alle gleich. Das macht es so schwer, diese Frage gesetzlich zu regeln.

Religionsfreiheit oder Meinungsfreiheit – mir scheint das der falsche Gegensatz. Der Bereich der Religion braucht Respekt. Aber er darf nicht völlig ausgespart werden von Kritik und Korrektur. Oft merken andere zuerst, wenn mit Religion indoktriniert wird, wenn eine Religion selber den Namen Gottes mißbraucht.

Und noch ein Gedanke ist mir wichtig. Die schlimmste Blasphemie geschieht nicht mit Worten oder Bildern. Gott wird vor allem da gelästert, wo jemand Menschen etwas antut, denn wir Menschen sind Gottes Ebenbild.

 

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SWR2 Wort zum Tag

Auf meinem Bücherregal stehen 3 Heiligenfiguren: Markus, Matthäus und Lukas. Vor einiger Zeit kam ein Gast auf die Idee, die drei zu verkleiden: Mütze auf den Kopf, Schal um den Hals, eine Spülbürste in die Hand. Einen kurzen Moment fand ich das auch witzig und habe dann immer mehr gemerkt, daß es mich verletzt hat. Weil es Heiligenfiguren waren und weil ich sie von jemand bekommen hatte, der mir sehr nahe stand. Jener kreative Gast war auch noch ein Kollege, war Christ, katholisch, Theologe.

Manchmal ahnt einer nicht, was dem andern heilig ist, obwohl er es sogar wissen könnte. Manchmal machen wir uns über etwas lustig, was zum eigenen Traditionsschatz gehört. Es ist wohl das Gefühl: das kenn ich so gut, da steh ich drüber. Ich bin ziemlich sicher, daß der Kollege, wenn er bei Buddhisten zu Besuch gewesen wäre, auf keinen Fall eine Buddhastatue verkleidet hätte.

Humor im eigenen System entlastet. In der Familie, bei der Arbeit, in der Politik, und auch in der Kirche und im Glauben. Es ist gut, einen Blick zu haben für die Komik, die auch da in vielem steckt. Es kann auch angemessen sein, Heilige und ihre Geschichten mal ein bißchen vom Sockel ihrer Vollkommenheit runterzuholen. Konventionen und Tabus zu brechen ist ja sogar ein wichtiges Element der Botschaft Jesu. Gleichzeitig brauchen wir Gespür für Heiliges. Für heilige Orte, Bilder, Texte, und Symbole. Wo wir nicht Hand anlegen, um etwas lächerlich zu machen. Im persönlichen Umgang entwickelt sich so ein Gespür erst allmählich. Nicht immer weiß ich im voraus, was dem andern heilig ist. Manchmal merke ich ja erst, wenn er protestiert, daß ich da eine Grenze überschritten habe. Denn vieles ist heute nicht mehr durch Konventionen geschützt, und vor allem empfinden wir nicht alle gleich.

Mir scheint, auch unsere Gesellschaft, auch die Christen tun sich schwer, die Balance zu finden: Der kreative Blick ist nötig, der auch ein bißchen respektlos ist und Scheinheiligkeit entlarvt. Gleichzeitig gehört ein Respekt vor Heiligem zu uns Menschen, noch weit vor jedem Bekenntnis zu einer Konfession.

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SWR1 3vor8

Immer wieder erzählt die Bibel, dass Jesus Dämonen austreibt. Er trifft häufig auf sogeannte Besessene. Menschen, deren Geist oder Körper beherrscht wird von unbekannten, unwiderstehlichen Kräften. Zum Teil waren diese Menschen sicher psychisch krank oder hatten epileptische Anfälle, sie mussten schreien, zucken, sich verkrampfen, oder sie haben wirr geredet. Das machte sie auch für ihre Umgebung unheimlich. Wer „besessen“ war, wurde deshalb meist aus dem sozialen Leben ausgeschlossen, musste sich von allen andern fernhalten. So ist es ein starkes Zeichen, dass Jesus sich so oft Besessenen nähert, sie berührt, sie anspricht. Damit holt er sie aus ihrer Isolation heraus. Und dann hilft er ihnen, frei zu werden von dem, was sie hindert, sie selber zu sein. Wahrscheinlich hatte Jesus tatsächlich eine Gabe, mit kranken und sich selbst entfremdeten Menschen gut und heilend umzugehen, und sie haben ihm offensichtlich auch besonders am Herzen gelegen. Die Bibel erzählt oft davon. Dabei geht es nicht nur um einzelne Ereignisse, über die sich nur ein paar Glückliche freuen können.

Heilungsgeschichten in der Bibel wollen wohl vor allem sagen, was Gott für jeden Menschen will: heil zu sein an Körper und Seele. Am Anfang des Markusevangeliums wird besonders ausführlich erzählt, wie Jesus Kranke und Besessene heilt. In Scharen kommen sie zu ihm oder werden gebracht. Und es wird erzählt, dass er durch ganz Galiläa gezogen ist, um zu predigen. Offensichtlich hängt beides zusammen. Predigen und heilen. Von Gottes Nähe zu den Menschen sprechen und ihr Leid lindern. Jesus muss Worte und Gesten gefunden haben, bei denen sich in gequälten Menschen etwas lösen konnte. Er berührt die Leidenden und hilft Menschen, wieder sie selbst zu sein.

Ich glaube, dass auch ich heute Gott so sehen darf. Dass ich in der Beziehung mit ihm suchen und finden darf, was mich frei macht.

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SWR1 3vor8

Am 2. Weihnachtstag fließt Blut. Im kirchlichen Kalender wird heute nämlich an Stephanus erinnert, den ersten christlichen Märtyrer. Der hat sich mit seinen Predigten und Aktionen Feinde gemacht und wird zu Tode gesteinigt. In der Bibel passiert das zwar nicht gleich nach Weihnachten, sondern bald nach Ostern. Aber die Kirche hat dann später den Stephanstag gleich hinter das Fest der Geburt Jesu platziert. Weihnachten ist von Anfang an umgeben von der harten Realität des Lebens und des Todes.

Die Apostelgeschichte im Neuen Testament, die vom Anfang der christlichen Gemeinden erzählt, berichtet, daß Stephanus weise war, gut reden und überzeugend handeln konnte. Er war übrigens keiner von den 12 Aposteln, sondern einer der ersten Diakone. Deren Aufgabe war vor allem, Menschen in Not ganz praktisch zu helfen. Stephanus hat offenbar seine Hilfe für Menschen mit starken Worten verbunden. Das fanden einige sehr fromme jüdische Gruppen bedrohlich. Und so passierte, was so tragisch bis heute immer wieder passiert: Menschen töten für ihre Überzeugung, und Menschen müssen für ihre Überzeugung sterben.

Die Geschichte hat allerdings auch einen Hoffnungsschimmer. Als Stephanus gesteinigt wird, ist ein junger Mann maßgeblich beteiligt. Der wirft zwar selber keinen Stein, aber die Leute legen ihm ihre Kleider zu Füßen. Das weist ihn als eine Art Anführer aus. Dieser Mann heißt Saulus und bekämpft die jungen Christengemeinden aufs Schärfste. Später heißt Saulus dann Paulus und wird eine der einflussreichsten Gestalten im frühen Christentum. Er hat seine Überzeugung verändert, wird ein tief gläubiger Christ. Ein Leben lang denkt und diskutiert er in Fragen des Glaubens. Und er erreicht, daß sich die Christengemeinden für Menschen mit verschiedenen Zugangswegen öffnen. Schließlich wird er selber bei einer der ersten Christenverfolgungen in Rom getötet.

All das schwingt mit heute am Stephanstag. Mit Weihnachten ist noch kein Leben ohne Tod angebrochen. Menschen sterben und töten auch weiterhin, weil andere anders glauben. Aber manche bekehren sich auch zu Respekt und Offenheit. Und das passt zu dem Menschenkind in der Krippe.

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SWR2 Wort zum Tag

Wo bleibst Du, Trost der ganzen Welt? So heißt es in einem Adventslied. Friedrich von Spee, der Dichter dieses Liedes konnte viel Trost gebrauchen. Er lebte während des Dreißigjährigen Krieges, und er hat vielen Menschen vor Gericht seelischen Beistand geleistet.

Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, worauf sie all ihr Hoffnung stellt? Die Sehnsucht nach Weihnachten, die in diesem Lied liegt, und die Botschaft davon, daß Gott bei den Menschen ist – das sind keine Geschichten aus einer heilen Welt – damals nicht, als das Lied gedichtet wurde, und jetzt auch nicht. Schmerz und Unrecht schreien zum Himmel. Kinder, Frauen und Männer leiden an Körper und Seele.

Wo bleibst du, Trost unserer Welt? Vielleicht stört Sie ja das Wort Trost. Es hat so einen Beigeschmack von Bemitleiden oder von Vertrösten.

Das Wort Trösten hängt aber ursprünglich mit Treue zusammen. Trösten kann mich, wer treu ist, wer zu mir steht in meinen schlimmen Zeiten. Wer mir hilft, wenn ich Unterstützung brauche. Wer mir kämpfen hilft oder etwas Schweres aushalten.

Aber ist Jesus Trost der Welt? Nach ihm fragt ja eigentlich dieses Adventslied. Bei dem niederländischen Theologen Edward Schillebeeckx habe ich eine mögliche Antwort auf diese Frage gefunden. Er schreibt: ”Jesus weigert sich ..,das Böse als gleichberechtigt mit dem Guten anzusehen, und er handelt entsprechend.” (170)Das heißt also: Jesus findet sich nicht ab mit Leid und Gewalt. Das läßt sich belegen mit vielen biblischen Texten. Damit, daß er immer wieder Kontakt hat mit Kranken, mit Leuten, die religiöse und staatliche Gesetze gebrochen hatten, mit Habenichtsen, mit Verzweifelten, mit Isolierten. Viele Predigten und Gleichnisse Jesu gehen in dieselbe Richtung: der Hirte findet sein verlorenes Schaf wieder, der Vater den verlorenen Sohn; dem Schuldner wird eine Riesenschuld erlassen, der Weizen wird nicht einfach mit dem Unkraut ausgerissen. Und Jesus selbst gehört zu den Opfern - nicht weil er gerne leidet oder stirbt, im Gegenteil - sondern weil er ohne Gewalt für die Menschen da sein will. Sich nicht abfinden mit dem Bösen, sich nicht distanzieren vom Leiden – so kommt Jesus als Trost der Welt.

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SWR2 Wort zum Tag

Alle Jahre wieder: Advent. O Heiland, reiß die Himmel auf! Es hat Sinn, daß das alle Jahre wiederkommt. Diese Zeit vor Weihnachten, in der ja immerhin die Chance besteht, etwas besinnlicher zu sein als sonst. Darüber nachzudenken: Was erwarte ich eigentlich? Nicht nur an Weihnachtsgeschenken, sondern für mein Leben überhaupt. Was erwarte ich da? Und glaube ich, daß das auch eintrifft? Ich warte immer auf etwas, sehne mich, hoffe, bange. Ich bin nicht rundherum zufrieden, nicht wunschlos glücklich. Advent – Zeit zum Nachdenken, was ich erwarte. Diese Zeit kann auch unruhig machen, und sie kann vor dem Resignieren schützen. Vor dem: Es hat ja doch keinen Zweck.

Im Jesajabuch in der Bibel steht ein Text, der dazu gut passt. Da sagen Menschen ganz laut, daß sie Gott erwarten. Wie sehr sie Gott vermissen und wie sehr sie auf ihn hoffen. Wo bist Du denn, Gott? steht da. Verschließ Dich nicht! Warum hast Du uns abirren lassen? Warum hast Du unser Herz verhärtet? Schließlich, in feierlicher Sprache: O daß du die Himmel zerrissest und herabstiegest!!! Gott, so zeig dich endlich! – wird hier gerufen. Mit 3 Ausrufungszeichen. Da haben Menschen den heißen Wunsch, Gott zu erfahren – und ihn mit offenem Herzen aufnehmen zu können. So sprechen Menschen, die immer wieder auch ratlos sind, wenn es um Gott geht. Sie leiden darunter, daß sie selber oft hart sind und verschlossen. Gott, warum verhärtest du unser Herz? Aber diese Menschen mit den harten Herzen rufen gleichzeitig nach Gott. Mit aller Kraft, und sind zuversichtlich, daß er sie tatsächlich hört.

In diesem Stück Bibel steckt eine ganze Glaubensgeschichte des Menschen. Vertrauen, kämpfen, einsam sein, Hilfe bekommen, schuldig werden, Dunkelheit und immer wieder auch das Gefühl, daß Gott nah ist, treu, stark, barmherzig.

Es soll Weihnachten werden. Ich wünsche mir, daß wir die eigene Erwartung spüren und ihr folgen und daß wir ihm vertrauen dürfen, den die Bibel nennt: Du, unser Erlöser von alters her.

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SWR2 Wort zum Tag

Sie steht im Stammbaum Jesu am Anfang des Neuen Testaments: die Ausländerin Rut. Sie ist eine der Ahnfrauen Jesu, deshalb gehört ihre Geschichte zu den Adventstexten der Bibel. Von Ruth stammt ein beliebter Hochzeitstext: "Wo du hingehst, will auch ich hingehen, dein Volk soll mein Volk sein, dein Gott mein Gott“(Rut 1, 16). Das hat Rut aber nicht zu ihrem Mann oder Freund gesagt, sondern zu ihrer Schwiegermutter Noemi. Noemi stammt aus Israel. Sie war mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen während einer Hungersnot aus Israel ins Nachbarland Moab gezogen. Ihr Mann stirbt bald, ihre Söhne heiraten moabitische Frauen, Orpa und Rut. Bald sterben auch die Söhne. Noemi und ihre beiden Schwiegertöchter bleiben zurück, kinderlos. Drei Witwen, drei Frauen ohne Zukunft. Denn Zukunft lag in Kindern. Noemi beschließt, zurückzugehen in ihre Heimat. Den beiden jungen Frauen legt sie nahe, in Moab zu bleiben und dort neu zu heiraten. Sie gibt die beiden ausdrücklich frei. Orpa bleibt tatsächlich zurück. Rut geht mit ihrer Schwiegermutter. Und jetzt fallen die Worte: "Wo du hingehst, will auch ich hingehen.“ Sie ziehen also in Noemis Heimat, nach Israel. Dort kommt Boas ins Spiel, ein Verwandter. Dem Brauch nach müßte er eigentlich jetzt Rut heiraten. Aber er unternimmt nichts dergleichen. Da ergreift Rut selber die Initiative. Auf Noemis Rat hin legt Rut sich in der Nacht auf der Tenne dem Boas zu Füßen. Jetzt erkennt der seine Pflicht als Verwandter und heiratet Rut. Sie bringt Obed zur Welt, den Großvater des Königs David. Und einer von dessen Nachkommen ist der Zimmermann Josef aus Nazareth, dessen Frau Maria bringt Jesus zur Welt.

Auf diesen verschlungenen Wegen also kommt Rut in die Ahnenreihe Jesu. Sie gehört gar nicht zum Volk Israel, sondern ist eine Ausländerin. Eine mutige Frau. Sie nimmt, auch als es um die Ehe mit Boas geht, ihr Schicksal selbst in die Hand. Und dann ist da ihre Treue zu Noemi, ist die Solidarität, die Klugheit und die Tatkraft der beiden Frauen. Eigenschaften, die Jesus den Weg bereitet haben.

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