Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR2

 

Autor*in

 

Archiv

SWR2 Wort zum Tag

Franz von Assisi lebte um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert. Es gibt wohl kaum einen Heiligen, der so unterschiedliche Menschen anspricht und bewegt wie er. Einige Millionen Besucher kommen jährlich in die kleine Stadt Assisi in Italien. Sie möchten dem Heiligen näher kommen an dem Ort, an dem er gelebt hat. Was sie anzieht, ist die Art und Weise, wie sein Leben von der Begegnung mit Jesus Christus geprägt war.

Kardinal Bergoglio aus Argentinien hatte bei seiner Wahl zum Papst im März 2013 als erster in der Geschichte der Päpste den Namen 'Franziskus' angenommen. Im Lehrschreiben zu Fragen der Umwelt vom Mai dieses Jahres erläutert er seine damalige Entscheidung: Er schreibt: „Franz von Assisi ist für mich das Beispiel einer besonderen Aufmerksamkeit für die Schöpfung Gottes und für die ärmsten und am meisten verlassenen Menschen“. In Franziskus erkennt der Papst einen Menschen, bei dem die Sorge um die Natur und die Sorge um die Gerechtigkeit gegenüber den Armen untrennbar miteinander verbunden sind.

Diese Verbundenheit ist es, auf die der Papst in seinem Rundschreiben immer wieder hinweist. Das ist das eigentlich Neue. Darauf kommt es entscheidend an. „Wir erkennen heute“, sagt er, „dass bei einem wirklich ökologischen Ansatz … die Klagen der Armen ebenso gehört werden müssen wie die Klage der Erde. Alles ist miteinander verbunden.“ Das politische Ringen um gerechte soziale Verhältnisse kann also nicht auf Kosten eines schonenden Umgangs mit der Umwelt gehen. Und ein umweltbewusstes Verhalten darf die Not bedrängter und verzweifelter Menschen nicht vergessen lassen. 

Grundlegend für diese Sensibilität sowohl einer ausgebeuteten Umwelt als auch menschenverachtenden Verhältnissen gegenüber, ist etwas, was uns Modernen am meisten abgeht: die Offenheit für das Staunen und für das Wunder, die in vielen  poetischen Texten von Franz von Assisi erzählt werden. Ohne diese Offenheit – so der Papst – werden wir immer die eigenen Interessen an die oberste Stelle setzen. Wenn wir aber fähig sind, über die Wunder der Erde und all der Menschen, die großzügig lieben, ins Staunen zu geraten, so sind wir schon verbunden mit allem; und Genügsamkeit und Fürsorge kommen von selber auf.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20657
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

Was ist eigentlich das Unterscheidende am Christentum? Durch Jesus von Nazareth ist das Verständnis von Religion anders geworden.

Nachdem Jesus gestorben und auferstanden war, wurde für die frühen Christen alles neu durch das Geschenk des Geistes. Sie hatten eine neue Sprache, sie wurden empfänglich für den Geist Gottes. Eindrückliches Beispiel in der Bibel ist Petrus. Er war zusammen mit Jakobus in der judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem die wichtigste Autorität. Öffentlich bekennt er, was er nach Pfingsten völlig neu entdeckt hat: „dass Gott aus jedem Volk die Menschen willkommen sind, die ihn fürchten und Gerechtigkeit üben“ (Apg 10,34-35f). Gott schaut nicht auf die Person, das heißt, nicht darauf, welcher Religion oder welchem Volk ein Mensch angehört. 

Als Petrus das sagte, so heißt es in der Apostelgeschichte, kam der Geist auf alle herab, die ihn hörten, Juden wie Heiden. Alle hatten den Geist empfangen. Da drängt sich Petrus die Erkenntnis auf: Kann jemand denen die Taufe verweigern, die den Heiligen Geist empfangen haben wie wir? Petrus stellt diese Frage als Jude, voller Staunen, weil er entdeckt, dass das Empfangen des Geistes kein Privileg einer Religion ist.

Das ist das Neue, das Unterscheidende des Christentums: Menschen empfangen den Geist Gottes schon vor der Taufe, er schenkt  sich unabhängig davon, ob jemand zu einer Religionsgemeinschaft gehört.

Religion muss nach diesem Ereignis neu verstanden werden. Sie ist nicht zuständig für die Verbundenheit zwischen Gott und den Menschen. Sie ist nicht die Bedingung für Gottes belebenden Geist. Den schenkt Gott bedingungslos. Die Religion ist dazu da, die Beziehung Gottes zu den Menschen aufzudecken, auf sie hinzuweisen. Und Religion soll  Menschen ermutigen, dass sie dem geschenkten Geist trauen. Die Religionen decken auf, was den Menschen schon immer, weil sie Menschen sind, von Gott her geschenkt ist.

Der Geist erfasst Frauen, Männer, Kinder in allen Völkern. Zum Zeichen dafür werden Menschen getauft. Die Taufe bewirkt nicht die Sendung des Geistes, sondern sie deckt auf, was von Gott her schon geschenkt ist. Diese Neuigkeit ist das eigentliche Herz des Christentums.   

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19937
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

Wenn das einzig Sichere im Leben sein Ende, der Tod ist, kann man das Leben dennoch lieben und sich daran freuen? Wer wird das letzte Wort haben: das Leben oder der Tod, Licht oder Finsternis? Gibt es Hinweise, die hilfreich sind, um zu erkennen, in welche Richtung die Antwort geht? Wird nicht die Antwort für jeden anders ausfallen?

Seit Menschen existieren, stellen sie diese Fragen und kommen damit an kein Ende. Zugleich gilt, dass unser Leben selbst eine Antwort enthält: Denn keiner kann leben, ohne einen Funken Glauben, dass sich das Leben lohnt. Ohne diesen Vorschuss an Vertrauen ist Leben gar nicht möglich.

„Dem Leben vertrauen. Das kann niemand an Stelle eines anderen – aber zugleich ist ein solches Vertrauen nur möglich durch die Gegenwart eines anderen.“ – so lese ich bei einer Theologin. Die Evangelien erzählen, wie Frauen und Männer Jesus ansprechen und ihm sagen, wie sehr sie nach Leben verlangen: „Ich will sehen, sprechen, gehen, hören“, „Hilf meinem Knecht“, „Rette das Leben meines Sohnes, meiner Tochter“. Sie suchen Jesus, weil ein Verlangen nach Heilung für sich und ihre Nächsten sie dazu treibt. Oft heißt es in diesen Berichten, dass Jesus sich über ihren Glauben wundert, dass ihre vertrauensvolle Suche ihn im Innersten anrührt und erschüttert. Er bestärkt diese Menschen in ihrem Verlangen und entlässt sie geheilt in ihr eigenes Leben.

Zugleich macht er ihr Vertrauen öffentlich. Er spricht es aus, bekundet laut sein Staunen über den Glauben dieser Menschen. Er dankt Gott dafür. Das Vertrauen, dass es sich zu leben lohnt, wird entscheidend für das Leben eines Menschen, weil ein anderer es wahrnimmt, es ausspricht und Gott darin am Werk erkennt.

Das ist die Sprache des Glaubens: Staunen, Danken, Loben, und auch Bitten. Für diese Sprache steht der niederländische Dichter und Theologe Huub Oosterhuis. Eines seiner Lieder singt:

Alles ist gut,

was du gemacht hast. 

Mühselig, langsam,

in Hoffnung und Furcht

gestalten wir deine Verheißung aus,

bauen wir

an der Stadt des Friedens,

an der neuen Schöpfung,

wo du uns Licht bist,

alles in allem.

Gib Kraft dazu,

bring uns an ein

glückliches Ende,

Gott.            

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19936
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

Manche Journalisten gehen in die eher vergessenen Gegenden der Welt. Dort geben sie auf der Schattenseite der offiziellen Reportagen Einblick in den Alltag von Gewalt und Krieg. Caroline Ehmke schreibt in ihrem Buch „Von den Kriegen. Briefe an Freunde“,  warum sie immer wieder in Krisengebiete aufbricht: „Ich fahre in Krisengebiete, weil die Erfahrung von Gewalt allzu oft dazu führt, die Opfer sprachlos zu machen. Die Opfer werden nicht nur geschlagen und vergewaltigt. Unterdrückung und Gewalt haben nicht nur das Ziel, die Menschen auszulöschen, sondern auch alle Spuren des Verbrechens zu verwischen. Es geht mir darum, den Opfern eine Sprache zu verleihen. Jemand, der zuhört, Zeuge ist, über sie schreibt, das Ungeheuerliche der Gewalt benennt, holt sie heraus aus der Zone des Schweigens, bestätigt ihnen, dass sie in der gleichen Welt leben wie wir.“ „Du hast Sprache, du kannst schreiben. Erzähl es ihnen“ – so hat ihr einmal ein verletzter Mann gesagt. Seitdem fährt sie fort, aus Krisengebieten von den Opfern der Gewalt zu berichten. Und sie ist nicht die einzige.

Die Geschichten der Opfer zu Gehör bringen und das Schweigen brechen, das die erlittene Gewalt noch erdrückender macht. Auch die Glaubenszeugnisse des frühen Christentums könnten wir einmal unter diesem Gesichtspunkt lesen. Sie sprechen von Jesus von Nazareth, der zu Unrecht verurteilt wurde und die Gewalt von Folter und Kreuzigung erlitten hat. Viele, die an ihn glaubten, ließen sich trotz Einschüchterung und Drohung nicht davon abbringen, die Geschichte dieses Opfers zu erzählen. Sie brechen das von den religiösen und staatlichen Autoritäten verordnete Schweigen. Jesus, der selber kein schriftliches Zeugnis seines Lebens hinterlassen hatte, sollte zur Sprache kommen. Sein Handeln sollte nicht vergessen werden.

Die frühen Christen erzählen die Geschichte des Gekreuzigten auch, um zugleich von Gott zu sprechen, der nach ihrem Glauben die Gedemütigten nicht vergisst. „Aus der Hand der Unterdrücker wird er sie befreien“. So heißt es in einem ihrer jüdischen Gebete (Psalm 135). Wer sich auf diesen Gott beruft, kann angesichts der Opfer nicht stumm bleiben, sondern wird die Gewalt beim Namen nennen, der unschuldige Menschen zum Opfer fallen, so wie damals auch Jesus von Nazareth. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19935
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

Auf das Pfingstfest bereiten sich Christen an vielen Orten mit einem Gebet vor, das immer wieder gesungen wird: „Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu“. Dieser Ruf stammt aus einem Psalm in der Bibel. Er richtet sich an Gott, der die Welt und den Menschen geschaffen hat. Es ist die geradezu flehentliche Bitte, Gott möge doch das verunstaltete und entstellte Antlitz der Erde, auf der wir leben, erneuern, durch seinen Geist.

Die Bibel erzählt, dass Gott die Welt erschaffen hat. Dabei hat „Schaffen“  weniger den Sinn von Machen und Herstellen. Hier meint es mehr: den Weg frei machen, dass etwas Neues werden kann. Zulassen, dass im anderen Neues wird, das sich nur Bahn brechen kann, weil der Schöpfer es weckt durch sein Zutrauen und Zulassen.

Um ein neues Antlitz der Erde bitten Christen in diesen Tagen. Das Wort „Antlitz“ wird in der Literatur meist gebraucht, um vom Menschen zu sprechen.  „Antlitz der Erde“ kann also als Hinweis darauf verstanden werden, dass Erde und Mensch nicht getrennt existieren, dass sie eng miteinander verbunden sind, so dass die Erde am Personsein des Menschen Anteil hat und dass im Menschen das geschaffene Universum präsent ist.

Die Welt kann neu werden, wenn sie von der Verbundenheit zwischen Mensch und Erde geprägt ist. Das heißt: Menschen können zulassen, dass die Kraft des Geistes in allem wirkt, in der Welt und auch in jedem anderen Menschen. Das Verhältnis von Mensch und Erde ist getragen vom Wirken des Geistes in allem und in allen. Wo Menschen daran glauben, verändert sich ihr Verhältnis untereinander.

 „Dass wir dich, Gott, im Gesicht jedes Menschen entdecken können, lässt uns staunen“ – so betet der Theologe Karl Rahner.

„Was für ein Gott bist du, der Schöpfer von allem, dass du deine Geschöpfe nie aus dem Auge verlierst.

Herr, lass uns mit offenen Augen in der Welt leben.

 

 

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19763
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

Karlsruhe begeht in diesem Jahr ein wichtiges Jubiläum. Der Markgraf zu Baden gründete 1715 die Stadt und erließ im selben Jahr einen Brief, der den Neubürgern weit reichende Rechte zubilligte. Unter ihnen als erstes das Recht auf freie Religionsausübung. Seitdem leben in dieser Stadt Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen und Glaubensrichtungen. Wie bunt Karlsruhe ist, wird in einem  „Garten der Religionen“ deutlich, der aus Anlass des Stadtjubiläums geplant ist. In einem großen Kreis – Sinnbild des Miteinanders der Menschen – sind mehrere kleine Kreise angelegt, die für 5 Weltreligionen stehen: Buddhismus, Christentum, Judentum, Islam und Hinduismus. Ihre spezifischen Inhalte sind durch Symbole angedeutet, es gibt Bänke für die, die in der jeweiligen Religion zu Hause sind; so ist es auch möglich, sich gegenseitig einzuladen, auszutauschen und einfach von Mensch zu Mensch zu begegnen. Die Orte der einzelnen Religionen sind eingebettet in einen blühenden Garten und verbunden durch ein Netz von Wegen.

Die Verantwortlichen für das Projekt wünschen sich, dass mehr und mehr Menschen unterschiedlicher Religionen miteinander ins Gespräch kommen. Dass sie so ihrer eigenen Herkunft und Tradition begegnen und sich bewusster mit ihr auseinandersetzen. Und dass sie genauso andere Traditionen kennenlernen, Gemeinsamkeiten entdecken und Verschiedenheit als Bereicherung erfahren. So soll der Garten der Religionen dazu beitragen, dass sich heute – so wie vor 300 Jahren – Bürger und Bürgerinnen unterschiedlicher Kulturen und Religionen in einer Gesellschaft verwurzeln können. 

Es ist gut, wenn der Dialog unter denen beginnt, die dankbar ihren Glauben leben, und die in ihrer eigenen Religion frei geworden sind. Menschen sind dialogfähig, wenn sie sich frei in ihrer Religion bewegen und weniger an deren äußeren Formen und Vollzügen hängen. Diese führen ja meistens eher zum Streit als der Glaube selber.

Der „Garten der Religionen“ in Karlsruhe zeigt auch, wie nötig es ist, dass in allen Religionen Bildungsprozesse gefördert werden, die Menschen in ihrem Glauben  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19762
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

Von Rainer Maria Rilke stammen die folgenden Zeilen:

„Man muss Geduld haben

gegen das Ungelöste im Herzen

und versuchen die Fragen selbst lieb zu haben

wie verschlossene Stuben und wie Bücher,

die in einer fremden Sprache

geschrieben sind. …

Es handelt sich darum, alles zu leben.

Wenn man auch die Fragen lebt,

lebt man vielleicht allmählich

ohne es zu merken,

eines fernen Tages in die Antwort hinein.“

„Geduld haben gegen das Ungelöste im Herzen“, „die Fragen selbst lieb haben“, wie Türen, die noch verschlossen sind, wie Bücher in einer fremden Sprache – und so „vielleicht allmählich … in eine Antwort hineinwachsen“. Als ich das Buch „Geduld mit Gott“ des tschechischen Theologen Tomás Halík in der Hand hielt, dachte ich an diese Zeilen von Rainer Maria Rilke. Bei Halik geht es darum, dass diejenigen, die angesichts des Geheimnisses, das Gott ist, geduldig warten und im Fragen nicht aufgeben und so an ihn glauben, - dass also die geduldig Glaubenden diejenigen Zeitgenossen als ihre Geschwister wahrnehmen können, die ebenso redlich und geduldig sind im Blick auf das Geheimnis, das Gott ist – und die nicht an ihn glauben.

Das Buch „Geduld mit Gott“ wirbt um die Sympathie der einen für die anderen, es wirbt um eine ‚Koalition‘ all der Menschen, die im Angesicht des Geheimnisses Gottes in ihrem Fragen nicht müde werden und geduldig damit sind, dass sie keine Antwort finden. Das Buch wirbt im Grunde darum, in der Geduld die entscheidende Gemeinsamkeit zu sehen, und nicht Menschen einzuteilen in Glaubende und Nichtglaubende. Die Geduldigen unterscheiden sich viel deutlicher von denen, die  „fertig sind mit dem Geheimnis, das wir Gott nennen“ und nicht wartend das Fragen aushalten, egal, ob sie sich „gläubig“ oder „ungläubig“ nennen. 

Den religiösen Fundamentalisten, wie auch den selbstsicheren Atheisten rät der Theologe Tomás Halík: „man muss geduldig an der Schwelle zum Geheimnis ausharren und in ihm verweilen“. (10) „Mit einem Geheimnis darf man nie ‚fertig sein‘.“ „Ein Geheimnis lässt sich … nicht fassen“. (ebd.) 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19761
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

Die Bibel spricht öfter von den ‚Feinden Gottes‘. In Psalm 67 heißt es zum Beispiel: „Gott steht auf. Seine Feinde zerstieben und die ihn hassen, fliehen sein Angesicht. … Die Gerechten aber freuen sich, frohlocken vor Gott und jauchzen vor Freude.“

Wenn Gott der Schöpfer und Liebhaber des Lebens ist, dann sind seine Feinde all jene, die das Leben von Menschen unterdrücken, die anderen ihr Leben rauben durch Willkür und Gewalt. Wer das Leben missachtet, missachtet damit zugleich den, der das Leben will. Das sind – im Psalm - die Frevler, die Feinde Gottes.

Der Verfasser des Psalms hat die Vision eines Kampfes zwischen Gott und seinen Feinden, und er besingt den Sieg Gottes, der der Sieg des Lebens ist. So wird auch verständlich, dass er einige Zeilen später Gott nicht mehr als den siegenden Kriegsherrn vorstellt, sondern als „Vater der Waisen und Anwalt der Witwen, der den Einsamen ein Zuhause gibt, der die Gefangenen herausführt, der auch herausführen kann aus dem Tod.“

Den Psalm kann man also verstehen. Das ist die intellektuelle Ebene. Die Psalmen sind aber Gebete, die Juden und Christen heute noch beten. Und hier stellt die Rede von den Feinden Gottes ein ganz anderes Problem dar. Christen, die in einer vom Recht geschützten, friedlichen Situation leben, ohne besondere Nöte, und den Psalm beten, müssen sich damit schwer tun. Denn die Situation des Verfassers ist offensichtlich eine ganz andere, weil er um sein Leben, um seine Freiheit und seine Würde kämpfen muss. Wie auch heute ungezählte Menschen in anderen Teilen unserer Welt.

Wir können für sie beten, und wir tun es in den Gottesdiensten. Die Psalmen verlangen, dass wir auch mit ihnen beten; dass wir uns durch die gewaltigen Unterschiede in unseren Lebensumständen nicht davon abhalten lassen. Psalm 67 erinnert uns daran, dass wir zusammengehören, dass wir eine einzige Menschheit bilden, in der das Unglück und der Kampf der einen zugleich das Unglück und der Kampf der anderen sein muss. Das ist die Herausforderung der Psalmen, gerade wenn sie vom erhofften Sieg Gottes über seine Feinde sprechen. Wir beten die Psalmen mit denen, die so befremdlich sprechen, und das bedeutet, wir lassen uns im Gebet verändern durch Leid und Hoffnung anderer. So kann der Schrei unterdrückter und bedrohter Menschen in unseren eigenen Raum eindringen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19426
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

„Warum gibt es Kinder, die von ihren Eltern allein gelassen werden? Warum werden Kinder Opfer von Gewalt, von Drogen und Prostitution? Wie kann Gott das zulassen?“ Ein zwölfjähriges Mädchen stellte Papst Franziskus diese Fragen, als er im Januar dieses Jahres die Philippinen besuchte. Die junge Frau konnte dann nicht mehr weitersprechen und brach in Tränen aus. Ein Jahr zuvor hatte sie bei einem Tropensturm ihre Familie und ihr Zuhause verloren.

„Sie stellt die einzige Frage, auf die es keine Antwort gibt“. Das war die erste Reaktion des Papstes, während er das Mädchen in seine Arme nahm. Kein Versuch also, das Geheimnis des Bösen zu enträtseln, auch keine Absage an solche Versuche, sondern eine Geste des Tröstens und das Eingeständnis: Auf diese Frage gibt es keine Antwort. Aber dann kommt doch ein Wort des Papstes, eines, das vom Leiden nichts erklärt, sondern eine andere Tür öffnet: Es lenkt den Blick auf die Nähe, die wir zum leidenden Menschen zulassen.

Das Mädchen, die junge Frau aus den Philippinen, war in Tränen ausgebrochen. Da fügt der Papst seiner öffentlich eingestandenen Ratlosigkeit den folgenden Satz hinzu: Nur wenn wir fähig sind zu weinen über Dinge, die wir erleben, nur dann können wir auch etwas verstehen und vielleicht eine Antwort geben. Nur wenn es unserem Herzen gelingt, sich von der Frage, warum Kinder leiden, zutiefst betreffen zu lassen und zu weinen, nur dann werden wir etwas verstehen. Und fähig sein zu helfen.

Papst Franziskus verweist auf Jesus von Nazareth, der Kranke heilte, der die Menschenmenge nicht hungrig weggehen ließ. Aber – so hebt er hervor – das erste, was die Evangelien von Jesus berichten, ist, dass ihm die Menschen nahegingen, dass er ergriffen wurde von Mitleid mit ihnen, ja, dass er weinte.

Selber bewegt von den Tränen der jungen Frau, erkennt Franziskus, dass es genau daran in unserer Welt fehlt. „Es fehlt die Trauer, das Weinen“, sagt er. „Nicht bei den Menschen am Rand unserer Gesellschaft: Sie weinen. Menschen, die wir abschieben, weinen, die Verachteten weinen. Wir jedoch, die keine große Not kennen, haben verlernt zu weinen, wenn es nicht um uns selber geht.“

Die Tränen eines Menschen zeigen, dass er sich von der Situation eines anderen angreifen lässt. Wer dann fragt, wie Gott das Leiden Unschuldiger zulassen kann, hält sich damit das Unglück nicht vom Leib, sondern begibt sich – wenn auch ratlos – in die Nähe dessen, der leidet. Und so verändert sich schon etwas.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19425
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

‚Gott ist ein Geheimnis‘. Diese Aussage klingt bisweilen wie eine Ausrede, wenn Menschen nicht sagen können, warum sie an Gott glauben; sie klingt  wie das Eingeständnis, mit dem eigenen Fragen und Suchen nicht weiterzukommen. Anders klingt der Satz ‚Gott ist ein Geheimnis‘ wo Menschen sagen: auch wenn wir Gott nicht kennen und für seine Existenz keine Beweise haben - es gibt da eine Wirklichkeit, die uns anzieht und bewegt, ohne dass wir verstehen, was mit uns geschieht.

In vielen Kulturen und Religionen bezeugen Menschen das Wirken einer solchen unnennbaren Kraft, die sie lockt und bewegt. Die einen sind ihr forschend auf der Spur. Andere schreiben Gedichte, komponieren Lieder, erzählen Geschichten. Der mittelalterliche Gelehrte Rabanus Maurus spricht das Geheimnis direkt als ein Du an.  Er sagt: „Was die Erde auch birgt, was Meer und Himmel umschließen und was immer atmet, begehrt und empfindet, all dies erhält deine Hand, sie gibt allem Leben und Kraft.“

Viele Forscher, Kunstschaffende, Mönche und Ordensfrauen machen ausdrücklich,  was vielleicht jeden Menschen bewegt. Wenn sie von dem sprechen, was sie anzieht, kann das in anderen  Widerhall finden. Wer  ihnen begegnet,  kann in sich selbst ahnen, wovon jene ausdrücklich sprechen. Das ist kein Beweis für Gott. Aber doch eine Erfahrung, die das Vertrauen stärkt.

Vertrauen in das menschliche Leben, so widersprüchlich es ist. Vertrauen in eine Zukunft, die sich durch das Dunkel dieser Widersprüche hindurch öffnet. Menschen, die sich nicht abfinden mit dem, was ist, leben aus diesem Vertrauen. Ganz so wie Jesus von Nazareth, der sich mit dem Leid der Menschen, die ihm begegneten, nicht abgefunden hat.

Auch Jesus spricht vom Geheimnis seines Lebens und redet es an. Er nennt dieses Geheimnis ‚Vater‘ und bezeugt, dass es dieser Vater ist, der ihn, Jesus, bewegt und anzieht. Der Vater führt Jesus über das hinaus, was seine Vorfahren und Geschwister im Glauben vom Geheimnis Gottes erfahren haben.

Durch sein Leben, durch Tod und Auferstehung ist Jesus Christus selbst anziehend geworden und geblieben. Bis in unsere Zeit hinein wollen Menschen besser verstehen, welches Geheimnis sich hinter seiner Person verbirgt, und lassen sich von ihm inspirieren – in den Kirchen und außerhalb, wegen der Kirchen und trotz ihrer. Ihre Wege sind unterschiedlich. So zeigt sich, dass Jesu Botschaft die Frage nach Gott und nach dem Menschen offenhält.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19424
weiterlesen...