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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

12AUG2023
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„Ihr seid mit Feuer gesalzen“ – Immer mal wieder stolpere ich über dieses rätselhafte Jesus-Wort im Markus-Evangelium (9,49-50). Werden wir salzig, weil wir durchs Feuer gegangen sind? Und wer muss nicht – auch und gerade als Getaufter – durchs Feuer? Oder spielt Jesus an auf das „Feuer des göttlichen Geistes“, jene Feuerzungen, von denen im Pfingstereignis in Jerusalem die Rede ist?

„Ihr seid mit Feuer gesalzen“ – so oder so: Wir Christen tragen Feuer in uns, eine Glut, um die wir oft gar nicht wissen. Wer sie aber in sich verspürt, brennt – von Christus angesteckt – für das „Reich Gottes“, das er lebt und verkündet. Gemeint ist damit, dass wir auf Erden geschwisterlich und liebevoll miteinander leben und uns so immer sicherer werden: Die Liebe hört niemals auf, sie zerbricht nicht einfach im Tod, sie führt uns wie auf einem Leitstrahl hinüber zu Gott, der Liebe ist.

„Ihr seid mit Feuer gesalzen, habt Salz in euch!“. Jesus mutet uns zu, dass wir wie Salz brennen, ätzen, wehtun, wo es nötig ist. Dass wir lärmen und protestieren, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, andere qualvoll verhungern und Kinder elend sterben müssen. Wir würden denen die Suppe versalzen, die nicht teilen wollen. Es käme zum Aufstand gegen Diktatoren und gegen den Krieg, die gottverdammte Ausgeburt der Hölle.

Salz aber hat noch eine andere, lebensnotwendige, bekömmliche Seite. Ohne ein paar Milligramm am Tag könnten wir gar nicht überleben. Vor allem aber macht Salz – recht dosiert – unsere Speisen würzig und schmackhaft. Wenn Jesus uns als „Salz der Erde“ wünscht, dann wohl in diesem Sinne, dass wir Menschen auf den Geschmack des Lebens bringen: Kranke und Geplagte, Gejagte und Gemoppte, Verlassene und Verdrossene – alle, die jede Lust auf Leben verloren haben, die „lebensmüde“ geworden sind.

Schon ein freundliches Lächeln wirkt wie eine Prise Salz. Leben wird wieder schmackhaft und schön. Erst recht geschieht dies über ein aufmunterndes Wort oder gar eine helfende Hand. „Habt Salz in euch!“

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

11AUG2023
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Es war ein lauer Juni-Abend und die Rosen dufteten. Wir saßen zu zweit in einem kleinen Klostergarten und genossen den Naturfilm vor unseren Augen jenseits der Klostermauern: die Aussicht auf das vor uns liegende Flusstal und die Weinberge an den Hängen. Erst als es zu kühl zum Verweilen wurde, brachen wir auf.

Unbemerkt aber waren zwischenzeitlich alle Türen und Tore zugemacht worden – und wir im Rosengarten eingeschlossen. - Langes, banges Warten, vergebliche Rufe und Anrufe. Kurzum: Wir saßen fest.

Später, sehr viel später, haben uns drei 'Engel' herausgeholfen. Zunächst in Gestalt einer außen vorbeigehenden Spaziergängerin. Sie informierte eine von externem Einsatz zurückkehrende Klosterschwester. Diese weckte telefonisch die Kastellanin. Und deren Schlüssel öffneten schließlich die Tore. Wir waren frei. - Wir fühlten uns erlöst.

So ist das, denke ich, auch im Leben: Befreiung, Erlösung muss von außen kommen. Erlösung kann man nicht selbst machen; sie ist kein Ikea-Bausatz.

Es gibt bekanntlich vielerlei Arten des Gefangenseins. Martin Luther spricht vom Gefangensein in sich selbst, „vom tief auf sich selbst hin verkrümmten Menschen." [1])

Heraus aus solcher Enge und Bangigkeit im Herzen aber darf ich wissen, „dass mein Erlöser lebt". Im biblischen Hiob-Buch (19,25) findet sich dieses Zitat und wird seit 300 Jahren über Generationen hinweg als tröstliches Lied gesungen und gebetet:

Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!

Das soll mir niemand nehmen" [2])

Wie der große Kirchenlieddichter Paul Gerhardt hat auch Georg Friedrich Händel in seinem Oratorium „Der Messias" diesem Satz eine berühmte Arie gewidmet. [3])

Die Gewissheit, „dass mein Erlöser lebt", ist auch mir ein Türöffner, der mir immer wieder den Weg in die Freiheit ermöglicht. Ebenso wie das, was ich im Umfeld meines Glaubens erleben und erfahren darf. Denn – so schreibt der Apostel Paulus im 2. Korintherbrief (3,17) – „wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit".

Da öffnen sich Türen. Da ist Erlösung.

 

[1]    Martin Luther: Scholion zu Röm 5,4; Luther, Werkausgabe 56, 304, 25-29

[2]    Liedtext: Paul Gerhardt (1667), Melodie: Melchior Vulpius (1609)

4    Messiah (HWV 56, dt. Der Messias), Oratorium von Georg Friedrich Händel. 1741 komponiert, 1742 in Dublin uraufgeführt. Text der Arie zu Beginn des 3. Teils.

[3]

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

10AUG2023
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Einer unserer Fabrik-Gottesdienste bleibt mir stets in Erinnerung. Ich hatte ein paar Monate lang in einer Firma Kälte-Maschinen montiert. Die Geschäftsleitung erlaubte uns, am Sonntag in einer der Hallen Gottesdienst zu feiern. Da kam ein pfiffiger Ingenieur auf die Idee, ein Kälte-Aggregat in eine Wärmepumpe umzudrehen. Sie fing dann die Umgebungswärme der Gottesdienstbesucher ein und brachte in kurzer Zeit einen gewaltigen Eis-Barren zum Schmelzen. Während der ganzen Feier war das Plätschern des Tauwassers zu hören.

So, stelle ich mir vor, kann christlicher Glaube wirken: Als Eisbrecher in der Herzenskälte und Gefühllosigkeit unserer Welt. Der Glaube taut auf, was im Leben der Menschen manchmal wie festgefroren scheint. Enttäuschungen, Schuldgefühle, Versagensängste und all das, was unser Herz verhärtet und bedrückt: die Sorge um die Zukunft der Kinder, die Angst vor Krankheit und Alter, die Angst vor dem Tod. Wenn wir einander zuhören, uns wahrnehmen und annehmen, wenn man sich einfühlt in sein Gegenüber wird es einem warm ums Herz. In vielen Seelsorgegesprächen darf ich erleben, wie sich die Starre löst und endlich Tränen fließen. Oder aufgestaute Wut sich plötzlich entlädt. Dann bricht aus den Menschen heraus, was ihnen jahre- oder gar jahrzehntelang bleischwer auf der Seele lag.

Mich begeistern immer wieder neu die Begegnungen Jesu mit den Geplagten seiner Zeit: Er öffnet Blinden die Augen, verhilft Gelähmten auf die Sprünge, stellt Kinder in die Mitte. Ohne Rücksicht auf die Tabus im jüdischen Patriarchat spricht Jesus mit Frauen. Er, der Rabbi, scheut sich nicht, sie zu berühren, zu heilen und aufzurichten. Er holt den Zöllner vom Baum, den verhassten Betrüger, der in seine eigene Tasche wirtschaftet. Jesu Ausstrahlung muss die Menschen damals sehr berührt haben.

Etwas von dieser Wärme möchte ich gerne weiterleiten in die dunklen und kalten Kammern derer, die heute bibbern. Einsame Menschen zum Beispiel, Arme und Armselige, Kranke und Alte, denen das Leben nur noch eine Last bedeutet. Vielleicht tut ihnen diese Wärme gut, vielleicht tauen sie auf – wie der Eis-Barren bei unserem Fabrikgottesdienst.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

09AUG2023
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Heute vor 81 Jahren wurde in Auschwitz die Ordensfrau Edith Stein zusammen mit ihrer Schwester Rosa in die Gaskammer getrieben. Sie teilte das bittere Los von über 6 Millionen jüdischen Frauen, Männern und Kindern, die in der „Shoa“, der systematisch betriebenen Vernichtung der Juden, von den Nazis ermordet worden sind. 1891 als Kind einer jüdischen Familie in Breslau geboren, konvertierte Edith Stein im Jugendalter zum Christentum und wurde später als Schwester Benedicta vom Kreuz Karmelitin in Köln.

Mir gibt ein Wort dieser großen jüdisch-christlichen Heiligen zu denken: „Ihr sollt sein wie ein Fenster, durch das Gottes Güte in die Welt hineinleuchten kann.“ Edith Stein war ein solches Fenster, transparent, durchscheinend für Gott. Nach ihrem Studium der Psychologie fand sie ihre eigentliche Berufung in der Philosophie. Doch sie hatte es schwer, sich in dieser damaligen Männerdomäne zu behaupten. So wurde sie zu einer der frühen Vorkämpferinnen für die Gleichstellung und die Anerkennung der Frau.

Ein zweiter göttlicher Lichtschein fällt durch dieses Fenster: Leben, Leiden und Sterben der Edith Stein sind ein flammender Aufschrei gegen Judenfeindlichkeit und Fremdenhass. Tragisch im Leben dieser Ordensfrau, dass sie den Papst vergeblich angefleht hatte, gegen die Judenverfolgung Stellung zu beziehen.

Auch heute trifft man wieder offen oder verdeckt auf antisemitische Äußerungen – oft als harmlos klingende, aber schamlose Witze verkleidet – bis hin zu wüsten Exzessen im Netz. Nationalisten, Rassisten und Rechtsradikale auf Stimmenfang schüren das Feuer und wecken dumpfe Emotionen. Sogar in den christlichen Kirchen haben noch lange nicht alle kapiert, dass Jesus Jude war und unser Glaube jüdischen Ursprungs ist. Antisemitismus trifft unsere älteren Geschwister!

In Köln erinnert ein in das Straßenpflaster eingelassener „Stolperstein“ vor dem ehemaligen Karmel an Edith Stein, die große Heilige unserer Zeit. Ich wünschte mir, dass wir zu lebendigen „Stolpersteinen“ werden für jene Zeitgenossen, die heute wieder Rassismus und Fremdenfeindlichkeit schüren.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08AUG2023
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„Hey - KI bist du für die Menschheit gefährlich?“ So frage ich die „Künstliche Intelligenz“. Brav antwortet der Chatbot: „Ich bin gar keine Person und habe kein Bewusstsein. Daher bin ich von Natur aus nicht gefährlich für die Menschheit“. Und fügt noch hinzu: Ob KI gefährlich wird, liege in den Händen ihrer Trainer und Nutzer. Aha – „Fluch“ und „Segen“ wieder einmal verdammt nahe beieinander.

Mir scheint: Die Menschheit steht erneut vor einer weiteren gewaltigen Herausforderung. Wenn wir KI, dieses neue Instrumentarium nicht verantwortlich handhaben, wird’s brandgefährlich. Einer ihrer Erfinder, der amerikanische Star-Entwickler Geoffrey Hinton, hat soeben seinen Job geschmissen, „um besser vor den Gefahren von KI warnen zu können“, sagt er.[1]) Sie könnte eine Menge Arbeitsplätze kosten, denn sie liefert komplexe technische Konstruktionen, formuliert sogar komplizierte Urteile, stellt medizinische Diagnosen – besser als mancher Facharzt.

Weit schlimmer jedoch: Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz kann man die ganze Menschheit hinters Licht führen, uns fremdsteuern, Wahlen manipulieren und automatisch Kriege führen. Schon heute werden ja in „Troll-Fabriken“ ganze Lügen-Gebäude gezimmert und weltweit verbreitet. Viele Nutzer werden nicht mehr unterscheiden können, was wahr ist oder falsch. Ohne Verlässlichkeit aber, ohne die feste Plattform des Vertrauens, ist menschliches Miteinander nicht mehr möglich.

Wie einst Pilatus damals bei der Verurteilung Jesu werden wir täglich vor der Frage stehen: „Was ist Wahrheit?“(Johannes-Evangelium 18,38). Das wird anstrengend, wenn wir jede Aussage, jede „message“, jedes Foto oder Video erst auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen müssen.

Im Umgang mit KI braucht’s rigide, weltweite Regelungen. Mehr noch: Was uns rettet ist nur die Tugend der Wahrhaftigkeit. Sie einzuüben, kann heute schon beginnen: „Eure Rede sei: Ja! Ja! Nein! Nein! Was darüber ist, das ist vom Übel“, sagt Jesus im Matthäus-Evangelium (5,37). Wie wohltuend, wenn man bei einem Menschen „gleich weiß, woran man ist“. So buchstabiert sich die Tugend der Wahrhaftigkeit.

 

[1]    Zitat aus „Magazin Technology Review“ – lt. Publik-Forum 9/2023

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07AUG2023
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Gefragt, wie denn der Himmel schmeckt, antwortet Jesus im Matthäusevangelium (20,1-16): „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Weinbergbesitzer“ – und kommt dann mit dieser ärgerlichen Geschichte daher, in der am Abend alle Tagelöhner denselben Lohn erhalten: Die Loser, die grad mal noch zwei Stunden hingelangt haben ebenso wie die Full-Timer, die den lieben langen Tag in der Hitze des Weinbergs schwitzen und malochen mussten. Nicht so recht tariffähig, dieses Modell! Betriebsräte haben mich fast immer gesteinigt, wenn ich mit dieser Story um die Ecke kam. Aber man trifft in dieser Erzählung auf einen harten Kern: Jeder Lohn, unabhängig von Leistung, muss zum Leben reichen.

Da sind wir noch weit entfernt vom Himmelreich. Der gesetzliche Mindestlohn wird im kommenden Jahr um ganze 41 Cent auf 12, 41 Euro angehoben. Dieses Almosen reicht nicht mal für eine zusätzliche Butterbrezel! „Ich fühle mich eigentlich beleidigt“, sagt mir einer, der hart im Transport-Gewerbe schuftet. Er ist einer von sechs Millionen Frauen und Männern, die im gesetzlichen Mindestlohn zappeln. Neben der Einkommensarmut heute ist für diese Menschen bereits die Altersarmut von morgen vorprogrammiert.

So geht es, wenn die Lohnfindung an eine staatliche Kommission outgesourct wird. Löhne und Arbeitsbedingungen, so will es das Grundgesetz, müssen von den Akteuren selbst ausgestaltet werden. Würden sich Werktätige und Arbeitgeber in Ihren Verbänden organisieren, könnten sie ordentliche Tarifverträge aushandeln, dann wär der Spuk mit dem gesetzlichen Mindestlohn bald zu Ende.

Ich bin Jesus für sein schräges Gleichnis von den „Arbeitern im Weinberg“ dankbar. Diese Geschichte provoziert bewusst und regt dazu an, gerade niedrige, schlecht angesehene und miserabel entlohnte Arbeit neu und anders zu bewerten.

Echt stark: Ein ausreichender Mindestlohn wird zum Kennzeichen für das „Reich Gottes“, das Jesus lebt und verkündet.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

01JUL2023
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Die Schlangen vor den Tafelläden werden lang und länger. Die Teuerung trifft die Armen mit voller Wucht. Einkommensschwache, Erwerbslose, Alleinerziehende kommen kaum noch über die Runden. Alte Menschen mit mickrigen Renten drehen jeden Euro zweimal rum.

Seit Monaten schon scheinen die Preise vor allem für Grundnahrungsmittel und Energie wie eingefroren, obwohl die Inflation langsam sinkt. Keine Frage: Da haben welche kräftig zugelangt und satte Profite eingefahren. Aus der kriegsbedingten Inflation ist heimlich, still und leise eine „Gierflation“ geworden. „Mitnahme-Effekte“, sagen die Fachleuchte etwas milder und meinen dasselbe. Regierungen anderer Länder hatten mit Preiskontrollen schnell reagiert und zumindest Übergewinne weggesteuert, um „Krisengewinnlern“ das Handwerk zu legen. Die Teuerung trifft uns alle, das ist wahr. Aber richtig weh tut sie den Ärmsten, und das ist ungerecht!

Ich danke heute all denen, die Tag für Tag den Ansturm in den Tafelläden meistern. Danke auch denen, die Lebensmittel spenden, Überschuldete beraten und Wohnungslose provisorisch unterbringen. Zu loben sind auch Kirchengemeinden und Hilfswerke, die für oder, besser noch, mit armen Menschen kochen, sie annehmen und aufnehmen. Ebenso wie Gastronomen und Bäcker, die Essen und Lebensmittel für Bedürftige kostengünstig bereitstellen. Sie alle setzen damit deutliche Zeichen, dass sie die Not nicht übersehen, sondern lindern.

Die Politik aber muss endlich begreifen: Mildtätigkeit kann Gerechtigkeit nicht ersetzen. Wer an einer „Marktwirtschaft“ festhält, muss dafür sorgen, dass alle Menschen auch marktfähig bleiben und über ausreichend Kaufkraft verfügen.

Übrigens: Die Armen zu bedrücken ist in der Bibel ein absolutes „No go“! Rigoros fahren die biblischen Propheten den Profiteuren in die Parade: „Wer sich an den Ärmsten bereichert, schmäht den, der sie geschaffen hat“, heißt es im Buch der „Sprichwörter“ (14,31). Und umgekehrt: „Wer sich der Armen erbarmt, ehrt Gott“.

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29JUN2023
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Kurz vor Damaskus hat’s den jüdischen Rabbi Saulus glatt umgehauen, so erzählt die Apostelgeschichte (Kap.9). Er wollte dort weitere Anhänger des „Neuen Weges“ – so nannte man damals die ersten Christen – dingfest machen, um sie vor die Schranken der Inquisition zu zerren. Nun liegt Saulus – plötzlich erblindet – mit dem Gesicht im Staub und hört eine Stimme: „Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?“ Konsterniert nehmen ihn seine Begleiter an die Hand und führen ihn nach Damaskus. Hananias, ein Christ aus der dortigen Gemeinde, gibt Saulus zu erkennen: „Es war Jesus, der dir auf dem Weg hierher erschienen ist“. - So liest sich die Bekehrungsgeschichte des Saulus zum Paulus. Aus dem „Christenfresser“ wird ein glühender Verkündiger der jesuanischen Botschaft. Die Kirche feiert ihn heute am Fest „Peter und Paul“.

„Saulus ist zum Paulus geworden“ – ein inzwischen geflügeltes Wort. Denn Bekehrungen kennen wir auch aus unserem Leben, wenn auch weniger spektakulär. Da wird einer plötzlich von einer Krankheit aus dem Sattel geworfen, gerät an den Rand des Todes und gewichtet sein Leben neu. Statt Schaffen und Raffen nimmt er sich nun mehr Zeit für Begegnung und Gespräch. Er erinnert sich sogar an seinen Kinderglauben und versucht sich wieder stammelnd im Gebet. Oder: Ein „Workaholic“ erkennt, dass er aufs falsche Gleis geraten ist und mit Karacho auf den Prellbock zurast. Kurz vor dem Burnout dämmert es ihm: Arbeit ist nicht alles!

Auch jungen Menschen kann man begegnen, die sich – wie vom Blitz getroffen – neu orientieren und zum Beispiel einen sozialen Beruf anstreben. Oder Paaren, in deren Beziehung es deutlich kriselt, die sich doch noch einmal neu und liebevoll aufeinander einlassen.

Vielleicht bekehrt sich ja auch eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages die Kirchenleitung vom Saulus zum Paulus. Dann würden sich die Amtsinhaber nicht länger als „Herren des Glaubens“ aufspielen, sondern wären, wie Paulus schreibt, „Diener unserer Freude“ (2. Brief an die Korinther 1,24). Sie würden dann – selbst beseelt, begeistert von der Botschaft des Evangeliums – trennende Schranken niederreißen und neue Wege erschließen. Dann wär’s nicht mehr weit bis zur vollen Abendmahlsgemeinschaft der Konfessionen und der Zulassung der Frauen zum Weiheamt.

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28JUN2023
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Wer gegenwärtig in die Gesellschaft hineinlauscht, hört ein bedrohliches „Grundrauschen“. Da liegt eine Nervosität in der Luft, die im Nu in Aggressivität umschlagen kann. Dann gibt ein Wort das andere, schon steht man mit dem Rücken zur Wand. Schnell fliegen die Fäuste. Manche greifen gar zum Messer oder schießen um sich, wie es jüngst in einer Fabrikhalle geschah.

Ist es die allgemeine Zukunftsangst, sind es immer noch Ausläufer von Corona, die zu solcher Überreizung führen? Mag sein, ganz gewiss trägt auch dieser erbärmliche Krieg vor unserer Haustür, der immer noch mehr eskaliert, zur Verunsicherung bei. Wer glaubt, politische Konflikte seien mit militärischer Gewalt auf „Schlachtfeldern“ zu lösen, darf sich nicht wundern, wenn dann auch im persönlichen Umfeld die Hemmschwellen sinken. Die politisch angekündigte „Zeitenwende“ schlägt durch auf manche Gemüter.

Wie aus der Zeit gefallen, kommt da eine der Seligpreisungen Jesu daher: „Selig sind, die Frieden stiften“ (Matthäus-Evangelium 5,9). Ich kenne welche von denen. Erzieherinnen zum Beispiel, die zeternde Kinder erst mal anhören, sie weinen und reden lassen, um dann einen Kompromiss vorzuschlagen. Ähnlich machen es gut ausgebildete Streitschlichter. Die Konfliktparteien müssen sich artikulieren, schon das führt in der Regel zur Versachlichung. Dann werden die Argumente angehört. Vielleicht gelingt es sogar, dass sich die Streitenden ein wenig in die Gegenseite einfühlen können. Auch hier steht am Ende ein verbindlicher Kompromiss. Geht doch! Zumindest bei kluger Moderation durch Unparteiische. Köpfchen ist allemal besser als körperliche Gewalt.

In vielen Unternehmen gelten klare Vereinbarungen, nämlich „Null-Toleranz“ gegenüber Gewalt, Anmache und Schikane. „Wer mobbt, der fliegt“ – das muss Beschäftigten vermittelt und im Ernstfall rigoros durchgesetzt werden. Natürlich erst dann, wenn alle Schlichtungsversuche gescheitert sind.   

Eine „Kultur des Friedens“ – auf allen Ebenen eingeübt und praktiziert – ist in Kriegszeiten nötiger, denn je. Denn um zu einem wirklichen Frieden zu kommen, braucht’s immer zwei, das ist wahr. Genauso wahr ist aber auch: Dann muss einer anfangen, aufzuhören!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

27JUN2023
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Es war eine geschäftliche Begegnung mit einem mir bis dahin Unbekannten. Weil noch Unterlagen fehlten, die zwischenzeitlich beigebracht werden mussten, ergab sich für uns beide eine Gesprächspause. „Geht es Ihnen gut?“ fragt mich Herr M.. Ich beantworte seine Frage nicht mit dem üblichen „Ja, danke“, sondern zitiere den Spruch meines früheren Lehrers: „Unter jedem Dach wohnt ein Ach“.

Dieser Satz öffnet offenbar sein Herz, und der Mann beginnt zu erzählen: Vor vielen Jahren aus der syrischen Großstadt Homs geflüchtet, landete er nach mehreren Stationen in Deutschland. Hier begann er nochmals zu studieren und mit einer anspruchsvollen Ausbildung, die ihn in seine jetzige Position brachte. „Das hätte ich niemals alleine geschafft“, sagt er mir, „wenn nicht Herr W. , mein Ausbildungsleiter, an mich geglaubt hätte. Ihm verdanke ich alles!“

Was für eine Botschaft: Was ich bin, verdanke ich einem andern!

Auf allen Kanälen höre ich zumeist anderes: Du musst an dich glauben. – Du kannst alles erreichen, wenn du nur an dich glaubst.

"An nichts muss man mehr zweifeln als an Sätzen, die zur Mode geworden sind!" Diese Mahnung wird Georg Christoph Lichtenberg, einem Naturforscher des 18. Jahrhunderts zugeschrieben – und ich denke, sie ist mehr als berechtigt.

Das moderne Mantra: »Glaub an dich und alles wird gut« weckt Zweifel in mir.

Denn ich halte das für eine ausgesprochen armselige Botschaft. Wo käme man denn hin, wenn man nur auf sich allein angewiesen wäre? Wenn es keine Wegbegleiter gibt, die helfen, wenn ich mich verlaufen habe? Menschen, an denen ich mich orientieren kann und die mir vertrauen. 

Und deshalb wünsche ich mir immer wen, der an mich glaubt und wünsche auch andern, dass sie jemanden haben, der zu ihnen steht, sie hält, trägt und ermutigt. So einen Mann wie Herrn W., den Ausbildungsleiter.

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