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Der November kann einem zu schaffen machen. Dem einen mehr, dem andern weniger … die Nächte sind lang, und die Tage oft grau und trüb… Trübe Zeiten, wie gemacht für trübe Gedanken.
Es ist etwas zerbrochen dieses Jahr, finde ich. Noch ein Krieg, noch mehr Unzufriedenheit bei uns und noch mehr Gewalt auch auf unseren Straßen. Ich denke, die Zuversicht ist zerbrochen, dass wir auf baldige Lösungen zusteuern, und dass das Leben in absehbarer Zeit wieder „normal“ werden wird: Wissen wir überhaupt noch, was das ist, „normal“? Die Gewissheit darüber? – ist weg. Sichere Zukunftsaussichten? – zerbrochen.
Der November ist auch der Monat des Gedenkens. Vorgestern, am Volkstrauertag das Gedenken der Opfer von Krieg und Gewalt. Und in ein paar Tagen ist dann Totensonntag: Gedenken an die Verstorbenen. Ich sehe mich in Gedanken an den vielen Grabsteinen und Gedenktafeln vorbeigehen, die ich schon auf Friedhöfen oder bei Kriegsdenkmälern gesehen habe. Und gedacht habe: So jung ist da jemand gestorben? Oder so weit weg von der Heimat? Und ich frage mich, ob das womöglich normal ist. Und nicht das Leben in Sicherheit, das ich bisher kennengelernt habe. So gut wie alle Menschen, die vor mir gelebt haben, hatten mit Krankheiten zu kämpfen, mit Hunger, mit Krieg und Naturkatastrophen. Das war ihre Normalität.
Trübe Gedanken für trübe Novembertage – ich weiß. Aber wenn ich jetzt gerade abends über den Friedhof gehe, um eine Kerze am Grab meines im letzten Jahr verstorbenen Vaters anzuzünden, dann sehe ich auch auf vielen anderen Gräbern Kerzen brennen: zum Gedenken und als Zeichen der Hoffnung. Denn dass es noch etwas anderes als diese erschreckende Normalität geben muss, dass das Leben mehr ist als Krieg und Katastrophen, das haben auch die Menschen vor mir gehofft. Auch, wenn der Friede und die eigene Sicherheit immer wieder zerbrochen sind, gab es immer auch die Hoffnung: Dass es wieder besser werden würde. Und dass kein Mensch umsonst gelebt hat, selbst, wenn er durch Krankheit oder Gewalt hat sterben müssen. Oder fern der Heimat. Auf einem Grabstein habe ich im Kerzenschein ein Zitat aus der Bibel gelesen: Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein. (Offenbarung 21)
Erstaunlich, wie viel Licht Friedhofskerzen in einen trüben November-Abend bringen können. Leuchtend helle Hoffnungslichter – fast so schön wie die Kerzen auf dem Adventskranz.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38822Der berühmte englische Komiker Charlie Chaplin hat mitten im Zweiten Weltkrieg seine komischen Filmrollen hinter sich gelassen und einen Film gedreht, in dem er den Kriegstreibern von damals den Spiegel vorgehalten hat: „Der große Diktator“.
Am Ende des Films hält Chaplin eine Rede, die übers Radio in die ganze Welt gesendet wird. Seine Worte jagen mir einen Schauer über den Rücken. Denn Chaplins Rede aus dem Jahr 1940 klingt, als wäre sie für uns heute geschrieben. Für jetzt – für all die Sorgen und Nöte, die uns gerade heimsuchen. Aber hören Sie selbst. Ich zitiere Chaplin aus seinem Film:
„Es tut mir leid, aber ich möchte nun mal kein Herrscher der Welt sein, denn das liegt mir nicht. Ich möchte weder herrschen noch irgendwen erobern, sondern jedem Menschen helfen, wo immer ich kann. Den Juden, den Heiden, den Farbigen, den Weißen. Jeder Mensch sollte dem anderen helfen, nur so verbessern wir die Welt. Wir sollten am Glück des andern teilhaben und nicht einander verabscheuen. Hass und Verachtung bringen uns niemals näher. Auf dieser Welt ist Platz genug für jeden, und Mutter Erde ist reich genug, um jeden von uns satt zu machen.
(…)
Im siebzehnten Kapitel des Evangelisten Lukas steht: Gott wohnt in jedem Menschen. Also nicht nur in einem oder in einer Gruppe von Menschen. Vergesst nie, Gott liegt in euch allen. Und ihr als Volk habt allein die Macht. Die Macht, Kanonen zu fabrizieren, aber auch die Macht, Glück zu spenden. Ihr als Volk habt es in der Hand, dieses Leben einmalig kostbar zu machen, es mit wunderbarem Freiheitsgeist zu durchdringen. Daher im Namen der Demokratie: Lasst und diese Macht nutzen! Lasst uns zusammenstehen! Lasst uns kämpfen für eine neue Welt, für eine anständige Welt! Die jedermann gleiche Chancen gibt, die der Jugend eine Zukunft und den Alten Sicherheit gewährt.“
Chaplins über 70 Jahre alte Rede ist beängstigend aktuell. Sein Appell ist aktuell, für Frieden und Freiheit zu kämpfen. Etwas zu tun gegen Hass und Gewalt auch in unserem Land. Wegsehen und Wegducken kommt nicht in Frage. Chaplin beendet seine Rede mit diesem Appell:
„Nieder mit der Unterdrückung, dem Hass und der Intoleranz! Lasst uns kämpfen für eine Welt der Sauberkeit. In der die Vernunft siegt, in der uns Fortschritt und Wissenschaft uns allen zum Segen gereicht. Kameraden, im Namen der Demokratie: Dafür lasst uns streiten!“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38821Friedhöfe sind für mich kein Ort des Grauens oder der Furcht. Oft sind sie sogar parkähnlich gestaltet. Und so gehe ich immer wieder einmal auf Friedhöfen spazieren und schaue mir Gräber an. Häufig bin ich erstaunt, wie persönlich die Gräber gestaltet sind. Und dann stelle ich mir manchmal auch vor, wer dieser Mensch gewesen sein könnte.
Auf meinem Weg denke ich an die Menschen, die aus meiner Familie bereits verstorben sind. Und in Furtwangen auch an Menschen, die ich selbst beerdigt habe.
Im November mache ich das öfter. Denn die Gestecke und Lichter auf den Gräbern machen dann besonders deutlich, dass wir mit unseren Verstorbenen verbunden sind, dass wir sie nicht vergessen haben.
Das gilt auch für die vielen Menschen, die in den Kriegen überall auf der Welt sterben und gestorben sind. Fast auf jedem Friedhof gibt es einen Bereich, wo die Opfer der Weltkriege bestattet sind. Morgen, am Volkstrauertag, werden dort wieder Kränze abgelegt und an sie gedacht. Damit wir sie nicht vergessen.
Es gibt auf den Friedhöfen aber auch Gräber, die tragen keinen Namen. An die denkt vielleicht niemand mehr. Im Stillen hoffe ich allerdings, dass es nur daran liegt, dass keiner mehr da ist, der für das Grab sorgen kann.
Vergessen, daran musste ich auch denken, als ich meine bisher traurigste Beerdigung gehalten habe. Da habe ich eine Frau beerdigt und nur eine einzige Person ist zur Beerdigung gekommen. Da war ich sehr dankbar, dass auch die Sargträger dageblieben sind und wir gemeinsam für die Frau beten konnten.
Ich wünsche mir, dass niemand einsam und vergessen den letzten Weg antreten muss.
Heute Abend werde ich wieder auf den Friedhof gehen und ein Licht anzünden am Grab meiner Schwiegermutter. Ich freue mich darauf, dass ich auch auf vielen anderen Gräbern die Lichter leuchten sehe, gegen das Vergessen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38701"Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen, und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde." Dieses Lied, das sich so wunderbar singen lässt: Ist das nur eine schöne Floskel oder ein frommer Wunsch?
Manche Alltagserfahrungen sprechen eine andere Sprache. Da scheint es keine Berührung zwischen Himmel und Erde zu geben. Wenn wir uns vor lauter Routine nur noch im Kreise drehen. Wenn ein Konflikt die Familie lähmt. Wenn die Partnerschaft hohl wird. Wenn ein lieber Mensch stirbt.
Doch manchmal gelingt es uns, den Himmel auf die Erde zu holen. Wie im Kinofilm "Wie im Himmel". Der Film erzählt die Geschichte von Daniel, einem
Stardirigenten. Seelisch und körperlich am Ende, erleidet er einen Herzinfarkt. Sein bisheriges Leben passt nicht mehr zu ihm, er muss neu beginnen und zieht sich in sein einsam gelegenes Heimatdorf zurück.
Dort lässt er sich überreden, den Kirchenchor zu leiten. Schon als Junge hatte er davon geträumt, Musik zu machen, die die Herzen der Menschen öffnet. Das gelingt ihm jetzt bei seiner Arbeit mit dem Chor. Er geht auf jede Sängerin und jeden Sänger individuell ein, ermuntert sie dazu, ihren je eigenen Ton zu finden. Das setzt ungeahnte Energien frei.
Die Sängerinnen und Sänger gewinnen ein neues Selbstwertgefühl, das ihr
ganzes Leben verändert. Sie erkennen, dass jede und jeder einzelne von ihnen etwas beitragen kann zur gemeinsamen Musik.
Daniel erlebt, wie sehr sein Chor ihn liebt. Die starken Glückserfahrungen dieser Tage lösen bei ihm einen erneuten schweren Herzinfarkt aus. Sterbend hört er noch, wie sein Chor, auch ohne Dirigent, die richtigen Töne findet und andere Sängerinnen und Sänger mit seiner Begeisterung ansteckt. Die Musik wird zu einem Erlebnis, das alle verbindet.
So gelingt das, was Daniel immer geträumt hatte: Mit der Musik die
Herzen der Menschen zu öffnen. Und dabei berühren sich Himmel und Erde.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38700Vor ein paar Jahren bin ich plötzlich krank geworden. Blutvergiftung. Alles musste sehr schnell gehen. Ich kam ins Krankenhaus und konnte nur hoffen, dass alles wieder gut wird. Erst hinterher bin ich zum Nachdenken gekommen.
Ganz unwillkürlich ist mir da auch das Buch Hiob aus der Bibel eingefallen. Ich habe das Gefühl gehabt, dass es mir so ähnlich ging. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben, dass ich krank geworden bin.
Hiob, ein Mensch, der alles verliert und am Ende krank wird. Dabei hat er ein frommes Leben geführt und Gott vertraut. Die Frage, warum gerechten und frommen Menschen Leid geschieht, hat die Menschen schon vor 3000 Jahren beschäftigt. Weil es so viele Erklärungsversuche für diese Frage gegeben hat, hat man diese zu einer Geschichte zusammengefügt: dem Buch Hiob.
Am Anfang steht die schlechteste Erklärung. Gott und Teufel sollen gewettet haben: Hiob glaubt an Gott, weil es ihm gut geht, behauptet der Teufel. Wenn sich das ändert, ändert sich auch sein Glaube.
Zur Probe wird Hiob mit leidvollen Schicksalen überschüttet.
Da sträubt sich etwas in mir. Ich möchte nicht Teil einer Wette sein. Und außerdem: Der Gott, an den ich glaube, wettet nicht um Menschenseelen.
Aber es gibt ja noch weitere Erklärungen, die in den anderen Personen der Geschichte stecken. Hiobs Frau ist genervt von seinem Gejammer. Er soll seinen Verstand einschalten, die Ärmel hochkrempeln und weitermachen.
Seine Freunde glauben, dass er etwas falsch gemacht hat. Es sei ihm nur noch nicht bewusst geworden. Aber Hiob streitet es ab.
Ich hätte gerne weitergemacht und habe nicht das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Aber ich konnte nicht, ich bin krank gewesen.
Und ich habe in dieser Situation gespürt, wie schnell man an der Liebe Gottes anfängt zu zweifeln. Ganz wichtig ist für mich aber das Vertrauen in Gott gewesen. Dass er mich nicht vergisst und verlässt.
Auf Gott hat auch Hiob immer vertraut. Und so bekommt er am Ende sogar zurück, was er verloren hat. Eine neue Familie, Gesundheit und Wohlstand.
Wenn ich die Vögel am Himmel sehe, merke ich mit Dankbarkeit, dass ich wieder gesund bin. Dann denke ich an Hiobs Worte: "Ich hatte Gott nur vom Hörensagen vernommen, aber nun haben meine Augen ihn gesehen."
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38699Im Sommer sind meine Frau, meine Tochter und ich zum Urlaub an die Ostsee gefahren. Aber wir sind erst viel später losgekommen, weil noch so viele kleine Dinge erledigt werden mussten.
Als wir dann fast da waren, ist die Autobahn durch einen schweren Unfall voll gesperrt worden.
Ohne die Verzögerung ganz am Anfang der Reise wären wir vielleicht selbst in den Unfall verwickelt worden.
"Da haben wir aber einen Schutzengel gehabt", haben wir uns gesagt.
Aber stimmt das? Was ist mit den Menschen, die das Unglück getroffen hat?
Darf ich behaupten, ich sei beschützt worden, während andere vor den Trümmern des Unfalls stehen und vielleicht hilflos zusehen müssen, wie jemand stirbt? Zufälle können wir uns oft nicht erklären. Deshalb glaubt man auch, den Hauch des Schicksals zu spüren, und möchte wissen: Ist Gott für mich oder gegen mich?
Ich muss an die Geschichte von Mose denken, der Gott unbedingt sehen will. (Ex 33,18-23) Aber Gott verwehrt es ihm. Du würdest vergehen, sagt er: Kein Mensch wird leben, wenn er mich sieht. Dann stellt er Mose in eine Felsspalte, und Mose darf hinter ihm hersehen. So geht es mir auch. Gottes Spuren kann ich erst im Rückblick lesen. Im Hier und Jetzt kann ich ihn nicht sehen.
Und bei dem schweren Unfall auf der Autobahn fällt es auch mir als Pfarrer schwer, in all den Trümmern noch Spuren Gottes zu finden. Das warum bleibt einfach im Dunkeln. Da bleibt der Zufall ein Zufall.
Wenn ich aber auf mein Leben zurückschaue, darüber nachdenke und dabei Ereignisse verbinde, versuche, mir einen Reim auf die Zufälle zu machen: Dann sehe ich: Es gibt eine Spur des Guten. Es ist mir so vieles geschenkt worden, immer wieder. Und dann kann ich etwas von Gottes Wesen und von seinem Wirken in meinem Leben erkennen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38698Folgendes Zitat hat mich gleich angesprochen: „Wir dürfen junge Menschen nicht wie leere Flaschen sehen, die gefüllt werden müssen, sondern wie Kerzen, die angezündet werden müssen.“
Dieser Satz stammt von Robert Shaffer, einem amerikanischen Professor. 41 Jahre lang unterrichtete er an verschiedenen Schulen, von 1940 bis 1981. Besonders intensiv setzte er sich immer für die Begleitung der Schüler und Studierenden ein.
Junge Menschen als leere Flaschen zu sehen, die man nur ordentlich mit Wissen vollstopfen muss, war ein gängiges Lehrmodell zu dieser Zeit. Robert Shaffer spürte aber wohl sehr deutlich, dass seine Studierenden so nichts mitnehmen würden aus ihrem Studium.
Sein Ansatz war, dass die jungen Menschen in ihrem Studium erfahren, was alles in ihnen steckt und was sie können. Das Wissen sollte ihnen so viel Freude machen, dass sie es nicht nur für die nächste Studienarbeit, sondern wirklich für das Leben lernen. Robert Shaffer hat viele junge Menschen dabei begleitet. Er wollte das Streichholz sein, das die Kerzen entzündet, damit sie selbst brennen und hell erleuchten.
Hier müssen wir in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen dran bleiben. Denn viele denken, man könnte auch heute noch alles in die Jugendlichen hineinfüllen, wie in leere Flaschen. Aber das finde ich heute – genau wie damals vor 50 Jahren - falsch.
Deshalb ist es mir ein großes Anliegen, im Religionsunterricht mit den Kindern und Jugendlichen gemeinsam an dem zu arbeiten, was sie beschäftigt und so zu den Erkenntnissen zu gelangen. Die Kerzen in ihnen anzuzünden.
Eins ist dabei aber noch ganz wichtig, egal ob ich mit jungen oder älteren Menschen zu tun habe. Was ich anderen weitergeben will, gelingt am besten, wenn ich davon begeistert bin. Denn ich kann andere nur entzünden, wenn das Feuer in mir bereits brennt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38697Montagmorgen. Und Sie sind schon wach.
Montag. Für manche ein Tag, an dem das Aufstehen besonders schwerfällt. Das Wochenende ist vorbei. Das Nichtstun und Ausruhen haben gutgetan. Da möchte ich manchmal gerne noch liegen bleiben. Aber heute beginnt die neue Arbeits- und Schulwoche. Und deshalb ruft der Wecker zum Aufstehen.
Meistens jedoch stehe ich gerne früh auf, als Erster in meiner Familie und genieße es, noch Ruhe zu haben. Ich genieße diese Minuten, weil noch niemand drängelt und noch keine Hektik ausbricht.
Das ändert sich jedoch, wenn der Rest der Familie aufsteht. Aber dank der Ruhe der vergangenen Minuten lasse ich mich nicht so schnell von der aufkommenden Hektik anstecken.
Jeden Morgen spüre ich wieder, dass für mich in der Ruhe viel Kraft für den Tag liegt. Ich mache mir einen Kaffee; auf den Duft von frischem Kaffee freue ich mich immer ganz besonders. Und dabei kann ich meine Gedanken sortieren und in einem kleinen Gebet Gott danken, dass ich diesen neuen Tag erleben darf.
Jeden Morgen geht mir dann ein Lied durch den Kopf, das mich schon lange begleitet und das mir Kraft, Mut und Zuversicht gibt. Und mein Vertrauen in Gott stärkt, ohne den ich mir mein Leben nicht vorstellen kann.
Ich möchte es Ihnen heute mit auf den Weg in den Tag geben:
„Ein neuer Tag beginnt und ich freu mich, ja ich freue mich. Ein neuer Tag beginnt und ich freu mich, Herr, auf Dich.
Warst die ganze Nacht mir nah, dafür will ich danken. Herr, jetzt bin ich für dich da, diese Stunde ist dein.
Noch ist alles um mich still und ich kann dich hören, was mir heut begegnen will, du bereitest mich vor.
Deinen Frieden schenkst du mir, ich kann dir vertrauen. Ich bin dein, gehöre dir, du lässt mich nicht los.“
In diesem Geist wünsche ich Ihnen einen guten Montag.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38696Heute ist Martinstag. An vielen Orten bestaunen Kinder Sankt Martin, wie er vom Pferd steigt, sein Schwert zieht, seinen schönen, roten Mantel in zwei Teile teilt und die Hälfte einem frierenden Bettler schenkt. Der „echte“ heilige Martin hat im 4. Jahrhundert nach Christus gelebt. Und über ihn gibt es noch mehr Geschichten. Martin war Soldat, aber auch Christ. Und von ihm wird berichtet, dass er als römischer Soldat den Kriegsdienst verweigert haben soll – und er hat sich dabei auf christlichen Glauben berufen. Eine ganz andere Martinsgeschichte, die zu denken gibt:
Als die Germanen in römisches Gebiet vordringen, so erzählt es sein Biograf, soll Martin unter dem Befehl von Kaiser Julian in die Schlacht ziehen. Der Kaiser versammelt seine Truppen bei Worms, um den Soldaten vor dem Kampf persönlich die übliche Geldzahlung zu überreichen.
Als Martin an der Reihe ist, lehnt er ab: Ich bin Soldat Christi, es ist mir nicht erlaubt zu kämpfen. Ein kühner Schritt für einen, dem das Soldatsein quasi in die Wiege gelegt war. Schon sein Vater ist Berufsoffizier im römischen Heer. Den Namen für seinen Sohn wählt er zu Ehren des Kriegsgott Mars. Mit nur 15 Jahren beginnt auch Martin die militärische Laufbahn. Mit 18 lässt er sich taufen.
Nun also, kurz vor der Schlacht, verweigert er sich: Ich bin Soldat Christi, es ist mir nicht erlaubt zu kämpfen. Der Kaiser wird wütend: Aus Angst …, nicht um der Religion willen verweigerst du den Kriegsdienst, hält er ihm vor. Doch Martin bleibt dabei: Wenn du glaubst, dass es mir nicht um meinen Glauben geht und ich nur feige bin, erklärte er dem Kaiser, werde ich mich morgen unbewaffnet vor die Schlachtreihe stellen. Der Kaiser lässt ihn daraufhin gefangen nehmen und befiehlt, ihn ohne Waffen in die Schlacht zu schicken.
Die Geschichte, die uns überliefert ist, geht für Martin auf wundersame Weise gut aus. Die Germanen bitten um Friedensverhandlungen. Die Schlacht fällt aus, Martin kommt frei.
Ende gut, alles gut? Für andere Kriegsdienstverweigerer vor und nach Martin ging es weit weniger glimpflich aus. Deshalb finde ich es gut, sich auch an diese Martinsgeschichte zu erinnern. Wie Christinnen und Christen zu Krieg und Militärdienst stehen – das ist ja leider auch heute eine sehr aktuelle Frage. Wann und wofür ist es aus christlicher Sicht erlaubt, mit der Waffe in der Hand zu kämpfen? Und wann muss ein Befehl verweigert werden? Einfache Antworten auf diese Fragen gibt es nicht. Aber es wichtig, sie zu stellen. Gerade heute. Die unbekannte Geschichte von Sankt Martin ruft mir das ins Gedächtnis.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38748„Unfug denkt man sich nicht aus, Unfug wird’s von ganz allein. Aber dass es Unfug war, weiß man erst hinterher.“ Das sagt Michel aus Lönneberga. Der Titelheld aus dem Kinderbuch von Astrid Lindgren muss es wissen. Mit Unfug kennt er sich aus. So sehr, dass die Leute in seinem Dorf irgendwann Geld sammeln, in der Hoffnung, dass seine Familie ihn nach Amerika schickt – und sie Michel und seine Streiche ein für alle Mal los sind.
Dabei, da hat Michel ganz recht, denkt er sich eigentlich gar keinen Unfug aus. Im Gegenteil: Meistens hat er mit seinen Aktionen nur Gutes im Sinn. Seine kleine Schwester Ida will eben so gerne mal richtig weit sehen – deshalb tut Michel ihr den Gefallen, sie am Fahnenmast hochzuziehen. Die Kirschen, die er im Dunghaufen vergraben soll, sind dafür doch zu schade. Viel besser kann er das Schweinchen und die Hühner damit füttern. Wie kann er wissen, dass die Kirschen vergoren sind und zu Wein werden sollen. Nun ja, am Ende sind nicht nur die Tiere, sondern auch Michel besoffen. Und sein Vater mal wieder der Verzweiflung nahe.
„Unfug denkt man sich nicht aus, Unfug wird’s von ganz allein. Aber dass es Unfug war, weiß man erst hinterher.“ Michels Weisheit, finde ich, trifft nicht nur auf einen kleinen Lausejungen zu. Ich kenne das auch. Auch ich meine es oft gut – aber nachher kommt manchmal doch Mist heraus. Das ist frustrierend.
In einem Michel-Film kann man sehen, wie er mal wieder zur Strafe für seine Streiche im Tischlerschuppen sitzen muss. Er zündet eine Kerze an und betet: „Lieber Gott, mach doch, dass ich mit meinem Unfug aufhöre. Bittet freundlich Michel Svensson – Katthult – Lönneberga.“
Es klappt nicht. Aber Michel lässt sich nicht entmutigen. Er versucht weiter, es richtig zu machen – auch, wenn manchmal Unfug dabei herauskommt. Eigentlich lebt er so, wie Martin Luther es mal vorgeschlagen hat: Hab keine Angst, Fehler zu machen, sagt Luther. Fehler wirst du immer machen. Schlimmer wäre es, nichts zu wagen vor lauter Furcht, schuldig zu werden. Lebe mutig und hab Vertrauen, dass dir vergeben wird, wenn es dir leidtut. Von anderen Menschen und von Gott.
Michel hat dieses Vertrauen – und geht seinen Weg. Davon ist am Ende sogar seine Familie überzeugt: „Dass Michel Präsident im Gemeinderat wird, das bezweifle ich“, sagt sein Vater. „Aber sicher kann noch ein einigermaßen guter Mensch aus ihm werden. Wenn er am Leben und gesund bleibt und wenn Gott will.“ Die Mutter nickt zustimmend: „Ja, ja, wenn Gott will“. „Und wenn Michel will“, sagt die kleine Ida.
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