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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19AUG2022
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Es ist ein herrlicher Frühsommerabend. Mein Freund Fouad und ich laufen gemütlich zum Treffpunkt unserer Laufgruppe. Ich bin kurz abgelenkt, plötzlich sackt mein rechtes Bein weg. Millisekunden später finde ich mich auf dem Boden wieder. Umgeknickt, gestolpert, hingefallen. So liege ich dort, ziemlich perplex. Das Gefühl hatte ich länger nicht erlebt – brauche es ehrlich gesagt auch nicht so schnell wieder.

Ein Sturz schmerzt und der Aufprall ist hart. Ob ganz in echt beim Joggen oder in einem anderen Lebensbereich. Fallen und Scheitern will niemand. Und manchmal ist es gar nicht so leicht wieder aufzustehen und weiterzumachen.

Kann ich überhaupt aufstehen? Will ich wieder aufstehen? Lohnt es sich wieder aufzustehen? Falle ich bei nächster Gelegenheit wieder auf die Nase?

Während ich noch in Joggingklamotten am Boden meine Wunden lecke, habe ich auf einmal eine Hand vor der Nase. Fouad hilft mir auf und gibt mir ein Tuch, um die Wunden fürs Erste zu versorgen. Noch ein bisschen wackelig stehe ich auf den Füßen. Aber ich stehe wieder.

Auch Petrus erlebt im neuen Testament, wie ihm eine rettende Hand ausgestreckt wird als er fällt. Genauer gesagt: Er versinkt in den Fluten eines wunderhübschen Sees mitten in Israel. Die Jünger von Jesus sind in Seenot geraten. Mitten auf dem See Genezareth, mitten in der Nacht. Als sei das alles nicht schon schlimm genug, entdecken sie auf einmal eine Gestalt auf dem See. Das muss ein Gespenst sein. Jetzt ist alles aus.

Doch dann gibt Jesus sich zu erkennen. Petrus ist begeistert und versucht sich selber als Wasserläufer. Tatsächlich gelingen ihm ein paar Schritte. Plötzlich spürt er den Wind und sieht die Wellen und sinkt. Immer tiefer. Ein „Herr, hilf mir.“ bringt er gerade noch heraus. Und sofort – so steht es ausdrücklich im Bibeltext – sofort streckt Jesus Petrus die Hand entgegen und hält ihn fest. Petrus sinkt, aber Jesus ist da. Im Boot angekommen, beruhigt Jesus dann auch noch den Sturm. Die Jünger staunen.

Jesus streckt Petrus sofort die Hand entgegen. Mich ermutigt das. Offensichtlich geht es nicht darum, dass ich immer erfolgreich bin, keine Fehler mache, nicht falle. Ich darf mutig gehen und ich darf mutig scheitern. Weil es nicht darum geht, dass ich immer alles unter Kontrolle habe.

Entscheidend ist, dass Jesus die Situation überblickt. Und dass auch ich „Herr, hilf mir.“ beten darf, wenn ich falle oder schon am Boden liege. Jesus wird mich dort nicht liegen lassen. Ob er mir einen Freund vorbeischickt. Ob ich einfach neuen Mut in meinem Herzen spüre. Oder ob Jesus mich wahrnimmt und Anteil nimmt, auch wenn ich das in dem Moment selber noch gar nicht realisieren kann.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18AUG2022
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Sie haben mich einbestellt – zum Mitarbeitergespräch. Wir sitzen uns gegenüber. Und dann geht sie los, meine Demontage. Sie haben eine lange Liste vorbereitet. Zusammengesammelt, was mir aus ihrer Sicht mangelt. Hier nicht genug investiert, da nicht den Erwartungen entsprochen, dort fehlte die Begeisterung. Es hört nicht auf. Minuten, die sich anfühlen wie Stunden. Schließlich das Resümee: Wir stellen uns ein Beschäftigungsende zum 31.12. vor.

So fühlt er sich also an: mein heftigster Sturz bisher. Obwohl ich soviel investiert hatte. Es hat nicht gereicht. Ich bin am Boden zerstört. Innerlich falle ich. Immer tiefer. Ich falle und falle. Ich bin gescheitert.

Scheitern, so ein unschönes Wort. Darf man das überhaupt!? Die auf Hochglanz polierten Profile bei Social Media vermitteln mir etwas anderes. Für Scheitern ist da kein Platz.

Ich bin, was ich vorzeigen kann. Ich bin, was ich auf der Haben-Seite präsentieren kann. Ich bin, was ich mir aufgebaut habe und leisten kann.

Scheitern ist was für Verlierer. So einer bin ich jetzt. Ich falle. Ins Bodenlose. Ins Nichts.
Zum Glück sitze ich bald anderen Menschen gegenüber - meiner Familie, meinen Freunden. Sie fangen mich auf. Menschen, die zu mir stehen. Die mich nicht fallen lassen, auch wenn ich es nicht gepackt habe.

Sie erinnern mich ein bisschen an Jesus, der seinen Freund Petrus nicht aufgegeben hat. Auch dieser Petrus war krachend gescheitert. Er hatte Jesus hoch und heilig versprochen immer bei ihm zu bleiben. Nur Stunden später hat Petrus es vergeigt. Er streitet ab, Jesus zu kennen. Ganze dreimal - und läuft davon.

Ein paar Tage später begegnen sich Petrus und Jesus wieder. Ein schwieriges Mitarbeitergespräch steht an. Blüht Petrus das gleiche Schicksal wie mir?
Doch es kommt anders – als ich es erlebt habe und ich vermute auch anders, als Petrus es erwartet hat. Es fasziniert mich, wie Jesus nicht über das Scheitern hinweg geht, aber Petrus auch nicht darauf festlegt.

Dreimal fragt Jesus Petrus, ob Petrus ihn lieb hat. Petrus bejaht, die Beziehungsebene ist geklärt. So wird es was mit einem Neuanfang. Und zwar nicht nur ein bisschen Neuanfang, sondern ein echter Neuanfang. Petrus soll weiterführen, was Jesus begonnen hat. Was für ein Vertrauen für einen, der gescheitert war.

Und auf einmal wird mir bewusst: auch für mich ist ja viel wichtiger, was dieser Jesus über mich denkt als die Meinung von Menschen. Bei Jesus ist Scheitern erlaubt. Er lässt mich nicht fallen. Mit Jesus geht es weiter, auch wenn ich denke, es ist das Ende. Wenn ich Jesus und Petrus sehe, fasse ich Mut, bekomme Kraft zum Aufstehen und Weitergehen.

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