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SWR3 Gedanken

20DEZ2023
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Manchmal passiert was und dir bleiben die Worte weg. Ich meine so was Krasses, Großes. Auf jeden Fall Sachen, die ich mir nicht erklären kann.

Zum Beispiel hatte ich mal fünf Jahre lang keinen Kontakt zu meiner alten Sandkastenfreundin, dann denke ich seit Ewigkeiten mal wieder an sie und noch am selben Tag schreibt sie mich an.

Klar, könnte schon sein, dass sich ganz zufällig zwei unwahrscheinliche Dinge gleichzeitig ereignen. Aber ich bin ja nicht der Einzige. Ein Freund sieht punktgenau nach einer einschneidenden persönlichen Entscheidung einen herrlichen Regenbogen. Oder in meinem Beruf, wenn ich mit Trauernden rede: da berichten mir Angehörige immer wieder von solchen unglaublichen Erlebnissen.

Ich glaube immer weniger an Zufall. Eher daran, dass sich viel mehr zwischen Unsichtbar und Sichtbar abspielt, als ich mir in meinen kühnsten Fantasien ausmalen kann. Manche nennen es Fügung. Noch so eine Geschichte, sie ist wirklich passiert: Ein Holländer namens Stoop gerät beim Angeln auf der Nordsee in einen Sturm. Sein Schiff schaukelt so stark, dass er seekrank wird. Stoop muss sich übergeben und mit dem Inhalt seines Magens spuckt er unglücklicherweise auch noch sein Gebiss mit über die Reling. Einige Monate später liest der Mann folgendes in der Zeitung: ein Angler hat einen ungewöhnlichen Fang gemacht. Im Bauch eines zehn Kilo schweren Kabeljaus hat er ein Gebiss gefunden. Stoop fährt sofort hin und stellt vor Zeugen fest: Es ist sein Gebiss und es passt.

Unglaubliche Geschichte. Und für mich ein weiteres Zeichen dafür, wie abenteuerlich das Leben sein kann. Auch mit Gott. Denn ich glaube, dass er immer wieder anklopft, mir scheinbar zufällig was zufallen lässt und so wieder was Neues mit mir vorhat. Vermutlich auch dann noch, wenn auch ich vielleicht irgendwann mal meine dritten Zähne in die Weiten des Meeres spucke.

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SWR3 Gedanken

19DEZ2023
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Im Advent schaue ich mir gern Familienbilder an. Besonders krass finde ich den Unterschied zwischen unserem lustigen Weihnachts-Familienfoto vom letzten Jahr und einem uralten Familienfoto meiner Uroma. Alle stehen stocksteif da und die Gesichter meiner Ahnen sehen so aus, als hätten Sie noch nie zuvor einen einzigen Witz gehört. Richtig gruselig - fast wie Zombies sehen die aus.

Doch warum Leute so geschaut haben, hatte drei Gründe. Erstens: Schlechte Zähne. Zweitens: Ernst schauen galt damals als fein. Und drittens – darauf wäre ich nie gekommen: Eine einzige Fotoaufnahme konnte über zwanzig Minuten dauern. Hätte man da von meinen Vorfahren ein Dauerlächeln verlangt, hätten sie wahrscheinlich eine Woche lang Gesichtsmuskelkater gehabt. Außerdem war ein Foto unfassbar teuer und Leute hatten praktisch nur einen einzigen Versuch ein ordentliches Bild hinzubekommen. Von daher galt es so entspannt wie möglich auszuharren, bis das Bild im Kasten war.

Das mit den Familienfotos hat mir etwas klar gemacht. Ob auf einem Foto oder in echt: Oft kriege ich von Leuten nur eine Momentaufnahme mit, erlebe sie in einer kurzen Situation. Ich weiß nicht, ob ihr Leben oft richtig lustig ist, oder ob sie zum Lachen in den Keller gehen.

Ich kann mir was zusammenreimen, warum unser Postbote mal wieder geflucht hat oder warum meine Kollegin plötzlich so ernst schaut. Es ist bestimmt oft anders als ich denke und sicher immer mehr als ich sehen kann. Ich glaube was mich davor rettet meine Meinung in Beton zu gießen: Wenn ich mit einer offenen Haltung an die Situation rangehe. Wenn ich neugierig frage: Erzähl doch mal, wie ist das eigentlich für dich so!? Oder wenn ich denke: Hier bin ich und will wieder was lernen.

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SWR3 Gedanken

18DEZ2023
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Was wäre der Advent ohne Zimtsterne, Spekulatius und Lebkuchenherzen? Beglückt schaue ich auf den großherzig gefüllten Teller mit Schoko-Lebkuchen, der vor mir auf dem Küchentisch steht. Sofort muss ich einen Bissen nehmen und auf meiner Zunge passiert diese typisch-weihnachtliche Geschmacksexplosion. Einfach super gemütlich hier am Küchentisch zu sitzen und in stiller Freude zu genießen.

Aber während ich mich so durch den Advent schlemme, weiß ich, dass das für viele früher absolut nicht so war. Im Gegenteil: Vor ein paar hundert Jahren haben Katholiken noch vor Weihnachten gefastet. Da hat man vor dem großen Fest oft nur einmal am Tag gegessen und Süßigkeiten waren natürlich auch tabu.

Mann bin ich froh, dass ich jetzt lebe. Natürlich ist Fasten auch sinnvoll, aber nicht jetzt. Denn nur jetzt gibt es diese ganzen leckeren Weihnachtssachen, vor allem Lebkuchenherzen. Und die passen auch noch perfekt zu einem Tipp von Jesus, den ich wichtig finde.

Jesus hat mal gemeint: Jeder kann wie Gewürz für die Welt werden, und jede kann ihr einen ganz besonderen Geschmack verleihen. Mein Nachbar kann mit seiner Gitarre im Pflegeheim ein paar Weihnachtslieder anstimmen. Und auch ich kann den Unterschied machen, wenn es drauf ankommt: wenn beim Meeting ein Kollege runtergeputzt wird, ich meinen Mund aufmache und respektvollere Feedbackregeln einfordere. Oder wenn ich andere weniger bewerte, wenn sie anders ticken als ich.

Ich kann mehr sein als nur lieblich und süß. Auch ich kann zur Geschmacksexplosion werden und dadurch Charakter zeigen. Ich kann meine Portion Liebe in die Welt bringen und mein Herz nicht hart machen für andere, sondern lebkuchenweich.

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SWR3 Gedanken

17DEZ2023
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Blinkende Lichterketten, leuchtende Weihnachtsmänner und lustige Rentier-Deko. Damit scheinen sich die Leute in meiner Stadt auch in diesem Jahr wieder gegenseitig übertreffen zu wollen. Trotzdem hab ich meine Probleme in Weihnachtsstimmung zu kommen: Ich habe einfach noch zu viele Termine und bei ein paar Geschenken zermartre ich mir noch das Gehirn. Bin ich etwa auf dem besten Weg ein Weihnachtsmuffel zu werden?

Das will ich auf keinen Fall. Aber Weihnachten bedeutet für mich eigentlich Leichtigkeit. Kein Druck, kein Stress. Ich habe das schon so oft genossen: wie ich langsam aber sicher in diese ruhige Feierlaune eintauche und dann dieses ganz besondere Gefühl aufkommt, dass die Zeit stehen bleibt.

Aber jetzt spüre ich von dieser Leichtigkeit noch herzlich wenig. Aber Weihnachten ist doch mehr als das herrlich-dekorierte Haus oder der leergefegte Terminkalender. Für mich geht es um das, was in mir drin passiert.

Dass ich die Botschaft von Weihnachten mehr an mich ranlasse: Dass Gott die Liebe ist. Dafür steht das kleine unschuldige Kind im Stroh. Und ich glaube, wenn bei mir der Blick auf die Liebe an Weihnachten zur Hauptsache wird, dann ist es völlig egal ob die Plätzchen selbstgebacken oder gekauft sind; oder selbst wenn der Workload bis Heiligabend andauert und für die Weihnachtsdeko keine Zeit mehr war – dann ist trotzdem Weihnachten. Und vielleicht kommt dann dieses Gefühl von Leichtigkeit und Feierlaune ganz von alleine.

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SWR3 Gedanken

19AUG2023
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Das Leben ist wie ein Eisberg. Gerade mal zehn Prozent kann ich sehen, und der allergrößte Rest liegt verborgen unter der Oberfläche. Das weiß ich, aber trotzdem sitze ich manchmal auf einem ganz schön hohen Ross und denke ich durchschaue alles. Es gibt aber eine Geschichte, die holt mich von diesem Ross runter und lässt mich die Sache vom Eisberg besser verstehen.

Herr Schmitt steigt nach einem langen Arbeitstag erschöpft in den Zug, um nach Hause zu fahren. Beim nächsten Halt steigt ein Vater mit seinen drei Kindern dazu. Der Vater setzt sich still auf einen Platz, während seine Kinder lautstark durch das Abteil krakeelen. Bei Herrn Schmitt beginnt es zu brodeln, bis plötzlich sein Ärger hochkocht und er den Vater ungehobelt zur Rede stellt: „Wie können Sie nur so seelenruhig dasitzen und aus dem Fenster schauen. Halten Sie gefälligst mal Ihre Kinder in Schach!“. Der Vater reagiert überraschend. Er schimpft nicht zurück. Er dreht sich um und antwortet ruhig: „Entschuldigen Sie, dass meine Kinder Sie gestört haben. Wir kommen gerade aus dem Krankenhaus. Meine Frau, die Mutter meiner Kinder, ist gerade nach ihrer langen Krankheit gestorben.“

Wie sich Herr Schmitt gefühlt haben muss, brauche ich nicht zu sagen. Aber das habe ich daraus gelernt: Nichts ist einfach so, wie es scheint. Und vielleicht hat das auch Jesus gemeint, als er gesagt hat: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.“

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SWR3 Gedanken

18AUG2023
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Ich finde Indianergeschichten großartig - in ihnen steckt so viel Weisheit. Eine meiner Lieblingsgeschichten geht so:

Ein kleiner Indianerjunge sitzt am Lagerfeuer zusammen mit dem betagten Stammeshäuptling. Dann stellt der Junge dem gelehrten Mann eine Frage, auf die er schon lange eine Antwort sucht. Er fragt: „Häuptling, warum gibt es Gutes und Böses in der Welt?“ Zuerst schaut ihn der Häuptling lange schweigend an. Dann antwortet er: „Weißt du, in der Brust jedes Menschen gibt es zwei Wölfe. Einen schwarzen und einen weißen; die beiden kämpfen miteinander.“ Darauf der Junge: „Und? Wer von beiden gewinnt?“ Wieder schaut ihn der weise Mann eine Weile an und antwortet dann: „Es gewinnt der Wolf, den du fütterst!“

Klar weiß ich, dass die Welt nicht einfach in Gut und Böse eingeteilt werden kann, und es geht auch nicht drum schwarz-weiß zu denken. Das Leben ist komplizierter. Trotzdem passieren Sachen, die sind eindeutig böse oder eindeutig gut. Und jeder hat eine Wahl.

Zum Beispiel auch der Mensch, der ständig um seine Geldsorgen kreist. Wenn er irgendwann dazu bereit ist einen anderen auszurauben, dann ist das auch eine Entscheidung. Oder ein anderer Mann. Er hat mit Hilfe einer psychologischen Beratung immer wieder den Streit mit seinem alten Freund reflektiert, und nach Monaten ist er endlich bereit sich mit ihm auszusprechen. Oder auch ich: Füttere ich zum Beispiel meinen Kopf nur mit Nachrichten, die von Tyrannen und Gewalt berichten oder höre ich auch dann ganz bewusst zu, wenn von Fortschritten in puncto Menschlichkeit und Gerechtigkeit berichtet wird.

In unserer Welt passiert ganz viel zwischen schwarz und weiß. Die Indianergeschichte hat mich gelehrt: Es ist an mir zu entscheiden, welche Schattierung in mir gewinnt. Denn ich hab es in der Hand welchen Wolf ich füttere.

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SWR3 Gedanken

17AUG2023
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Maria ist gerade mal 16 und hat eine Riesenschlägerei verhindert. Nach einem Fußballspiel ist sie mit ihren Freunden in der U-Bahn. Im Abteil sind zu viele Fans und eine hoch-emotionale Mischung von Euphorie bis Trauer liegt in der Luft.

Plötzlich bricht eine Rangelei aus: Es wird geschubst, geschrien und schon fliegt die erste Flasche. Maria holt tief Luft, schaut ihre Freunde an und steckt sie gleich mit ihrem Mut an. Die Jugendlichen stellen sich dazwischen. Obwohl es gefährlich ist, bringen Maria und ihre Freunde wieder Ruhe ins Abteil. Unglaublich wie ein einziger Mensch, der den Anfang macht, das Blatt wenden kann.

Mutige Leute machen aber nicht nur in dramatischen Situationen den Unterschied, sondern auch dann, wenn es viel subtiler ungerecht zugeht. Wenn auf einer Party einer über jemanden ab-lästert, und alle es lustig finden. Oder wenn auf der Arbeit niemand den Mut findet dem Vorgesetzten die Stirn zu bieten, wenn er eine Mitarbeiterin zum x-ten Mal runterputzt.

Wenn ich mutig bin, kann einiges schief gehen: Ich kann meinen Job gefährden, ausgegrenzt werden, oder in ernste Gefahr geraten. Deswegen fehlt mir oft der Mut. In schwachen Momenten hilft mir, was Jesus mal zu einer Frau gesagt hat, die auch so einiges nicht hingekriegt hat: Er hat zu ihr gemeint: „Ich verurteile dich nicht. Mach‘ es das nächste Mal besser!“

Der Satz von Jesus ist für mich wie ein Mantra, wenn es darum geht Ungerechtes konstruktiv und mutig anzugehen. Wenn mich jemand fertig macht, wird es nur noch schwerer. Wenn mich aber jemand hochzieht, mich immer wieder motiviert und mitreißt, dann wird auch mein Mut größer. Und dann kann ich damit wirklich was bewegen.

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SWR3 Gedanken

16AUG2023
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Ein Profi in Sachen Psychologie sagt: „Es ist viel leichter um nervige Dinge zu kreisen, als um schöne.“ Ich hänge an den Lippen dieses Experten, denn ich fühle mich ertappt. Endlich erklärt mir einer wie meine Psyche tickt und dass das typisch menschlich ist. Denn unsere vorgeschichtlichen Urahnen haben uns da so einiges mitgegeben. Der Professor erklärt weiter: „Es ist in unserem Unterbewusstsein so drin, schlechte Erfahrungen fünfmal schwerer zu nehmen als gute. Das liegt daran, dass sich unsere keulenschwingenden Vorfahren, keinen Fehler erlauben durften. Ihr Leben hing davon ab.“ Dann führt der Professor Beispiele an: Dass ein Höhlenmensch auf gar keinen Fall die hart erkämpfte Beute fallen lassen durfte oder wie er jedes noch so kleine Knacken immer als mögliche Bedrohung werten musste.

Es ist also normal, wenn mir meine schlechten Erfahrungen viel zu viel zu schaffen machen: Wie nach einem Teamgespräch auf der Arbeit; wenn es vor allem Lob gab, aber diese eine Sache kritisiert wurde und mir das ewig nachgeht.

Mich ärgert das, dass ich dem Schlechten viel mehr Gewicht gebe, als dem, was super gelaufen ist. Und jetzt kommt wieder der Urmensch ins Spiel. Dass er damals echt um sein Leben bangen musste, weil hinter jedem Busch ein Säbelzahntiger hätte lauern können, das ist klar. Aber ich brauche diese Furcht heute nicht mehr. Es braucht Übung, dass ich eine erboste Email nicht so wichtig nehme und besonders an die vielen netten Begegnungen denke.

Ich kann das trainieren und nach getaner Arbeit, wenn ich heimkomme, bewusst erst von den schönen Dingen erzählen. Oder ich kann mit Gott erst über mein Problem sprechen und dann noch ‚danke‘ sagen für alles was rund läuft.

Und wenn das Denkkarussell wieder fröhlich losrollen will, dann sag ich mir: Alles halb so wild! Hey, chill‘ Höhlenmensch.

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SWR3 Gedanken

15AUG2023
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Ich wünschte ich könnte fliegen. So wie dieser majestätische Bussard, der da oben, am Himmel, über meiner Lieblingswiese seine Kreise zieht. Meine Wiese ist keine fünf Rad-Minuten von meinem Haus entfernt. Hierhin komme ich ab und zu, wenn ich in Ruhe nachdenken will. Darüber, was mich gerade beschäftigt und wie ich das, was mich runterzieht, leichter nehmen kann.

Wenn es ums Sorgen machen geht, war Jesus Experte. Er hatte auch seine Sorgen und hat gewusst, dass sie immer wieder und ganz automatisch kommen. So verrückt es auch klingt: Jesus hat Leuten geraten, dass sie Vögel beobachten sollen. Er sagt: „Macht euch keine Sorgen um euer Leben. Seht euch die Vögel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte; weil Gott sie ernährt“.

Wie Jesus geraten hat, sitze ich auf meiner Wiese und schaue mir diesen Bussard an. So wie er über mir rumkreist, kreise ich gerade in meinem Kopf um meine Probleme. Sie zu ignorieren geht nicht. Aber ich kann mir klar machen: meine Sorgen klauen mir Lebenskraft. Der Tipp von Jesus ist, dass ich einen gesunden Weg mit meinen Sorgen finde. Dass ich mir nicht hundertmal dieselben Gedanken mache, bis ich mir den Kopf wund denke. Gesünder ist, mehr zu vertrauen und mehr loszulassen. In Lösungen zu denken oder mir Hilfe zu holen, wenn ich nicht weiterkomme.

Ich schaue nach oben zum Bussard und sage mir: „Hab Vertrauen, dass Gott dir  gibt, was du brauchst – so wie dem Bussard, der jetzt frei und unbeschwert weiterfliegt.“

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SWR3 Gedanken

14AUG2023
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Von heute auf morgen hat Renate ihre Beine verloren. Es war der Worst-Case überhaupt. Sie hat ein spezielles Medikament nicht vertragen und dann eine Blutvergiftung gekriegt. Die Ärzte hatten keine Wahl: Die Beine mussten amputiert werden, um Renate zu retten. Nach der OP hat sich Renate so gefühlt, als ob sie vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens steht.

Dass Renate sich an zwei Beinprothesen gewöhnen musste, war nicht die größte Schwierigkeit. Am schlimmsten war, dass sie erst einmal alleine dastand. Renate hat bisher niemanden gekannt, dem so was passiert ist. Und es war für sie schmerzhaft, wie viele sich auf einmal nicht mehr gemeldet haben – oder wie die, zu denen sie noch Kontakt hatte, ihrer Leidensgeschichte krampfhaft ausgewichen sind.

Aber irgendwann hat Renate den Spieß rumgedreht - um 180 Grad. Sie wollte nicht mehr die sein, der etwas passiert ist, sie wollte wieder die sein, die etwas tut. Ganz speziell wollte Renate, dass sich andere nicht mehr so fühlen müssen, wie sie sich gefühlt hat. Allein und irgendwie wie ein Fremdkörper.

Also ist Renate losgezogen und hat andere gesucht, die auch durch den Horror einer Amputation mussten. Heute trifft sich Renate zum Beispiel mit Veronika, die einen Arm verloren hat. Sie gehen Kaffeetrinken, reden über ihren Alltag und geben sich gegenseitig das Gefühl dazuzugehören.

Es gibt eine Kraft, die wird freigesetzt, wenn alles brennt. Wenn du durch das Schlimmste musst. Und ich glaube, diese Kraft kommt von Gott. Für alle, die hart kämpfen. Und alle, die einen Menschen mit dieser Kraft treffen, kriegen etwas davon ab. In meinen Augen Hoffnung, Mut und vor allem etwas von diesem Kampfgeist: „Gib nicht auf. Du bist so wertvoll. Und du gehörst dazu!“

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