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SWR4 Abendgedanken

19OKT2023
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„Herr Müller ist zu Tisch“ bekomme ich am Telefon zu hören. Ich wollte Herrn Müller um die Mittagszeit anrufen und muss über die etwas altertümliche Forulierung schmunzeln:  „Jemand ist zu Tisch“ Für seine Mitarbeiterin ist damit offenbar aber alles gesagt. Jemand, der zu Tisch ist, den kann man nun mal nicht anrufen. Solange Herr Müller „zu Tisch“ ist, will er nicht gestört werden. Das gehört sich nicht.

Das genaue Gegenteil erzählt die Bibel von Jesus. Wenn der „zu Tisch ist“, lässt er sich auch mal stören, ob sich das nun gehört, oder nicht – jedenfalls, wenn es wichtig ist.  Einmal war Jesus zum Essen eingeladen bei einem vornehmen Gastgeber: Simon der Pharisäer. Es waren noch andere Männer eingeladen, und man war interessiert daran, was Jesus erzählen würde.

Aber die Herren bei Tisch wurden gestört, gleich auf mehrfache Weise. Von einer, die ganz und gar nichts in dieser Runde verloren hatte, wie man fand. Eine Frau, noch dazu eine mit einem schlechten Ruf. „Die Sünderin“ hat man sie genannt. Ihren Namen haben die Herren nicht gewusst, Aber was sie gewusst haben: Dass es sich nicht gehört, dass sie die Herren bei Tisch stört. Und nicht nur das: Sie fasst den Gast an. Sie hat ein kleines Glasfläschchen dabei und salbt Jesus die Füße.

Simon der Gastgeber reagiert verärgert. Die Störung passt ihm nicht, die Frau passt ihm nicht, und auch nicht, was sie da macht. Das gehört sich einfach nicht. Aber sein Gast Jesus sieht nicht die Störung, er sieht die Not der Frau. Er lässt seine Gastgeber Gastgeber sein und spricht sie freundlich an.  Er hat ihr ihre Sünden vergeben. Alles, was sie vorher von Gott getrennt hat, soll jetzt nichts mehr bedeuten. Er hat ihre traurige Seele frei gemacht.

Die Tischgenossen von Jesus haben nicht schlecht gestaunt.
Wer mit Jesus „zu Tisch“ gewesen ist, der hat oft eine ganz neue Sicht auf die Dinge serviert bekommen.

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SWR4 Abendgedanken

18OKT2023
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Sollte man einer Frau wünschen, dass sie männlich sein soll? Soll man das einer Pfarrerin wünschen – männlich zu sein in ihrem Amt?

Vor fast 40 Jahren hat ein alter Amtskollege von mir darin offenbar gar kein Problem gesehen und hat genau das gemacht. Das war bei meiner Amtseinführung, und damals war es noch etwas Besonderes, dass eine Frau Pfarrerin wird.

Für meinen Start in den Beruf hat mir der Kollege im Gottesdienst einen Segen mit auf den Weg gegeben. Und er wollte mir das Bibelzitat zusprechen, das ihm selbst bei seiner Arbeit als Pfarrer immer geholfen hatte, wie er sagte.

Der Kollege hat mir feierlich die Hand über den Kopf gehalten und gesagt:
„Wacht, steht im Glauben, seid männlich und seid stark.“

Ich weiß nicht, ob hinter mir in der Gemeinde jemand gekichert hat. Gewiss haben einige, auch ich, die Stirn gerunzelt. „Seid männlich…“ War das sein Ernst? Bis heute weiß ich nicht, ob er sich darüber im Klaren gewesen ist, dass das irritierend wirken könnte.

Frauen meiner Generation haben immer wieder damit zu kämpfen gehabt, dass das klassische Pfarrerbild männlich gewesen ist. Um in dem Beruf zu bestehen, musste man also „männlich sein und stark“. Deshalb hat mir mein Kollege das gewünscht. Und obwohl es unfreiwillig komisch rübergekommen ist, hat er mir das aber auch zugetraut. Mir, der Kollegin, ganz egal, ob ich eine Frau bin oder nicht. Heute denke ich, für ihn war das nicht mehr wichtig.  Heute habe ich im Kirchenvorstand zwei Mitglieder, die sind so alt wie meine Amtszeit in meiner Gemeinde; und die kennen es gar nicht anders, als dass eine Frau in Oppenheim im Pfarramt ist. Vielleicht ist es für diese Generation tatsächlich kein Thema mehr und vollkommen egal, ob ein Mann oder eine Frau den Pfarr-Dienst versieht?

Inzwischen steht in der aktuellen Bibelübersetzung an der Stelle nicht mehr das Wort „männlich“ sondern „mutig“. So kann man das nämlich auch übersetzen. Männlich oder mutig zu sein, war in früheren Zeiten eben den Männern vorbehalten. Zum Glück hat sich das mittlerweile geändert – auch schon beim Segen, den mir mein Kollege vor fast 40 Jahren zum Start in den Beruf mitgegeben hat. Und ich finde, das passt zu jedem Berufsanfang: Mutig an den Start zu gehen. Nicht nur im Pfarrdienst. Und egal ob Mann oder Frau.

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SWR4 Abendgedanken

17OKT2023
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Manchmal, wenn ich ein Brot kaufe und im Bäckerladen den Duft des frischen Brotes rieche, denke ich daran, wie das war bei uns im Dorf, als ich ein Kind war. Die Bäckerei war nur drei Häuser von meinem Elternhaus entfernt. So durfte ich schon als kleines Kind alleine Brot holen gehen. Und jedesmal habe ich gehofft, dass das Brot noch warm sei. Dann konnte ich der Versuchung einfach nicht widerstehen, an der knusprigen Kruste ein kleines bisschen herum zu picken; nur ein ganz klitzekleinwenig. Und von dem warmen Brot zu naschen. Fast wie von selbst wurde auf dem kurzen Weg bis nach Hause die kleine Lücke im Brotlaib schnell eine ziemlich große Grube. Aber es hatte wenig Erfolg zu behaupten, das Brot wäre schon so aus dem Laden gekommen.

Meine Mutter hat es mit einem Lächeln hingenommen; sie hat gewusst, dass man dem wunderbaren Duft einfach gar nicht widerstehen konnte. Bis heute hat Brot für mich diesen Duft von Güte und Geborgenheit.

Und heute, wo ich erwachsen bin und das Leben so anstrengend sein kann, kann ich den Duft von Güte und Geborgenheit gut brauchen – vom Brot, das mich ernährt. Und wenn ich ihn in der Bäckerei einatme, denke ich manchmal an den Propheten Elia aus der Bibel. Elia hatte im Auftrag Gottes gepredigt, er hatte schreckliche Dinge gesehen und sich völlig verausgabt. Er musste in die Wüste fliehen und war am Ende so erschöpft, dass er am liebsten gestorben wäre. Unter einem Baum ist er eingeschlafen. Als er aufgewacht ist, hat er einen Krug mit frischem Wasser neben sich gefunden und geröstetes Brot. Frisches, duftendes Brot, mit dem ihn Gott versorgt hat, damit er wieder zu Kräften kommt. So hat er seinen Weg gestärkt weitergehen können. Ich stelle mir vor: Elia hat, genau wie ich, den Duft von Brot ganz besonders geliebt, weil er dadurch Gottes Güte erlebt hat.

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SWR4 Abendgedanken

16OKT2023
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Es ist immer eine riesige Freude für mich, wenn ich Post von Markus Lemke bekomme, einem früheren Konfirmanden von mir. Diesmal hat er geschrieben: „Ich werde in Malawi als Landwirtschaftsberater arbeiten.“ Markus Lemke ist heute ein erwachsener Mann und arbeitet für Brot für die Welt, das Hilfswerk der evangelischen Kirche. Ich musste erst einmal nachsehen, wo Malawi eigentlich liegt. Es ist ein kleines Land im Südosten von Afrika mit gerade mal 20 Millionen Einwohnern. Es gehört zu den ärmsten Ländern der Welt.

Mittlerweile bekomme ich auch Post aus Malawi. Markus hat mir Bilder geschickt von einer wunderschönen Landschaft mit Teefeldern, Nationalparks und Wildreservaten. Er ist mit seiner Familie ganz herzlich aufgenommen worden von der Dorfgemeinschaft in Thyolo und bemüht sich nun eifrig, Chichewa zu lernen, die Landessprache. Worin er sich auch geübt hat: Damit auszukommen, dass es in seinem Dorf höchstens ein paar Stunden am Tag Strom gibt und dass man besser zu Fuß geht, weil es selten Benzin gibt. Er schreibt: „Die Menschen in Malawi sind herzlich, fröhlich und gastfreundlich. Sie haben das Potenzial, sich gut selbst zu versorgen, wenn man ihnen die Chance dazu gibt.“ Mit seinem Wissen über landwirtschaftliche Abläufe und internationale Vernetzung kann er die Menschen in seinem Dorf gut unterstützen.

Vor ein paar Wochen hat Markus dann ganz erschreckende Bilder geschickt: Häuser, die in Hochwasser versunken sind, ganze Dörfer, die durch Erdrutsche zerstört worden sind. Das alles ist die Folge eines schrecklichen Wirbelsturms, der im Frühjahr 2023 über das Land gefegt ist. Der Zyklon Freddy hat alles auf seinem Weg zerstört. Menschen-Leben, Häuser, Ernten, Tiere. Fünf Tage ununterbrochen Regen. In den Nachrichten konnte man hören, dass in diesen wenigen Tagen im ganzen Land so viel Wasser vom Himmel kam wie in Deutschland in einem Jahr.

Schulen sind zu Flüchtlingslagern geworden, was wiederum den Unterrichtsausfall für viele Kinder und Jugendliche zur Folge hat.

Heute ist Welthungertag, der auf die Menschen aufmerksam macht, die weltweit hungern und auf Hilfe angewiesen sind. „Malawi, wir vergessen dich nicht!“ heißt die Aktion, mit der Markus Lemke sich nun in Malawi darum kümmert, dass Hilfe dort ankommt, wo sie dringend gebraucht wird.

www.nunanmar.com

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SWR4 Abendgedanken

14JUL2023
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„Mit siebzehn hat man noch Träume“, das ist ein Schlagertext aus meiner Jugend. Jetzt, wo ich auf den Ruhestand zugehe, fragen mich Menschen oft, was ich mir vornehme, wenn ich demnächst nicht mehr beruflich eingespannt bin. Manche schauen dann ziemlich besorgt aus und haben Bedenken, ob ich mit dem Zustand als Rentnerin vielleicht nicht klarkomme.

Und ich denke schmunzelnd daran, dass es in der Bibel eher heißt: „Mit siebzig hat man noch Träume.“

Genaugenommen steht da gar keine Jahreszahl. Der Prophet Joel beschreibt (Joel 3), wie sich der Geist Gottes auswirkt: Alte und Junge und die ganze Schöpfung sind davon bewegt. Die Alten – und eben nicht nur die Jungen, – haben Träume, Visionen, Zukunftshoffnung, Ideen.

Mit gefällt die Beschreibung, dass es mit Gottes Geist gerade die Alten sind, die Träume haben, denn manchmal habe ich das Gefühl, dass man heutzutage gerade das der älteren Generation abspricht. Gebrechlichkeit, Unbeweglichkeit, Skepsis gegenüber Veränderung, das sind die Themen, die viele vor allem mit dem Thema Älterwerden verbinden. Ja, das kann man so machen. Aber es ist doch nur die halbe Wahrheit. Und ist es nicht die Generation der Älteren, die mitreden sollte, wenn es darum geht, neues zu konstruieren, zu entwickeln und zu entdecken? Und das alte hinter sich zu lassen?

„Hab ich gehabt, brauche ich nicht mehr.“ Das ist ein Satz, den mir ein 80jähriger mal als sein Lebensmotto verraten hat. Nach seiner Erfahrung sind manche Dinge und Träume im Leben sehr schnelllebig, und hatten sich für ihn schon bald wieder erledigt. Er hatte Lust und vor allem auch die Freiheit, viel Neues auszuprobieren und alte Zöpfe buchstäblich abzuschneiden. Hab ich gehabt, brauche ich nicht mehr. Manches, von dem ich mir als junger Mensch vorgestellt habe, wie unbedingt nötig sie für mich wäre – die sortiert sich da schnell aus und macht Platz für wirklich Neues.

Hab ich gehabt, brauche ich nicht mehr.
Wenn ich an diese Formel denke, dann freue ich mich auf den Ruhestand als eine Zeit, mit der ich ganz neu träumen möchte, was ich in Zukunft suche. 

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SWR4 Abendgedanken

13JUL2023
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„Ich stehe an der Kasse im Supermarkt und kann nicht bezahlen.“ Ein Alptraum, von dem mir ein Mann erzählt hat. Ich habe ihn besucht, als er krank gewesen ist. Zuerst haben wir über alles Mögliche gesprochen, eher belanglose Dinge. Aber dann hat er mir von diesem Traum erzählt. Und ich habe gemerkt, wie ihn der umgetrieben hat. Also habe ich gefragt: Ob er ahnt, was dieser Traum in seinem Leben bedeuten könnte.  Und dann haben wir im Gespräch miteinander entdeckt, dass der Satz aus dem Traum vom Supermarkt: „Ich kann nicht bezahlen.“ ganz ähnlich klingt wie der Satz: „Ich kann meine Schuld nicht bezahlen.“ Und der Mann sagte: „Ja, so eine Schuld gibt es in meinem Leben.“

Was genau ihn da bis in die Träume verfolgt hat, war dann weniger unser Thema als vielmehr die Frage, ob es möglich ist, eine Schuld loszuwerden und sei es, dass man für die Schuld bezahlen muss. Aber womit? Und manche Schuld ist einfach zu groß – nichts kann sie aufwiegen. Da ist es dann tatsächlich wie im Traum: Man steht an der Kasse und hat einfach nichts, womit man bezahlen könnte.

Den Mann hat sein Traum jedenfalls auf die Idee gebracht, sich an das Thema heranzutrauen. Schon das war ein großer Schritt.

Wenn ich an Dinge denke, die in meinem Leben nicht gut gelaufen sind, oder daran, dass ich jemanden verletzt haben könnte oder ungerecht gewesen bin, dann hilft mir manchmal die Vorstellung, ich könnte das alles zu Gott bringen. Damit ich mir selbst und Gott eingestehe, dass da noch etwas offen und nicht bezahlt ist. Und Gott zeigt mir, wie ich damit umgehen soll.

In der Bibel beschreibt der Apostel Paulus das ganz ähnlich. (Kol 2,14). Er sagt: Die Schuld eines Menschen ist wie ein Schuldbrief. Und der wird getilgt, wenn wir ihn zum Kreuz von Jesus Christus bringen und ihn da anheften können.

Hier bei Christus bin ich am richtigen Ort, um die unerledigten Dinge in meinem Leben anzugehen.  Ich kann es mir selbst und Gott eingestehen, wenn da noch eine Rechnung offen ist. Indem ich mir mit Gottes Hilfe anschauen kann, was anders sein soll, wird manche Schuld bezahlbar.

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SWR4 Abendgedanken

12JUL2023
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„Die Gemeinschaft beim Aufräumen war für mich das Schönste am ganzen Gemeindefest!“

Das hat mir eine junge Frau gesagt, als wir nach dem Gemeindefest Rückschau gehalten und Bilanz gezogen haben. Kann das sein, dass das Aufräumen hinterher nicht nur ein notwendiges Übel ist, sondern dass das jemand sogar besonders gut findet? Sogar das Beste von allem?

So ein Gemeindefest startet ja schon Monate vor dem eigentlichen Termin mit der Planung: Das Programm, das Essen, die Abläufe usw. Wir brauchen immer viele Ehrenamtliche: nicht nur um auf- und abzubauen, sondern auch ihre Ideen und ihre Kreativität. Die einen denken sich die tollsten Spiele für die Kinder aus, andere rufen einen Buchbasar ins Leben und verbringen dann viele Stunden damit, um ihn aufzubauen. Es macht Spaß, ist aber auch viel Arbeit. Jedes Jahr versuchen wir, auch neue Leute dazuzugewinnen. Und dann macht einer von den Neuen ausgerechnet das Aufräumen am Schluss am meisten Spaß – wenn eigentlich alles rum ist. Sogar beim Aufräumen hat das Team noch zusammengehalten. Und die junge Frau fand es schön, ein Teil der Gemeinschaft zu sein.

Ich glaube, es tut gut, zu sehen, dass man gebraucht wird. Und zusammen mit anderen etwas auf die Beine zu stellen. Die Gemeinschaft tut gut – besonders, wenn man einfach dazu kommen kann, so wie man ist. Alt und Jung, stark, weniger stark und ob man nun Konfirmand ist oder Seniorin: alle sind willkommen beim Feiern und genauso beim Aufräumen. Naja, nicht immer geht es nur paradiesisch zu. Es gibt schon auch mal Reibereien oder unterschiedliche Vorstellungen, wie groß man die Stücke beim Kuchenverkauf schneiden darf. Und doch will ich mir davon nicht die Idee kaputtmachen lassen, dass das Miteinander der Helferinnen und Helfer beim Gemeindefest ein Vorbild sein kann für das Miteinander der Menschen überhaupt.

Christlicher Glaube ist jedenfalls nie ein Soloauftritt -- das ist immer: Gemeinschaft. Wo ich diese Gemeinschaft erlebe, gibt mir das Kraft und Ermutigung. Manchmal macht es mich vergnügt.

Und dann wird selbst das Aufräumen nach einem anstrengenden Tag zu einem spirituellen Erlebnis.

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SWR4 Abendgedanken

11JUL2023
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Manchmal ist ein überraschendes Dankeschön ganz besonders berührend. Meine Konfirmanden haben sich am Ende des Konfirmandenjahres ganz liebenswürdig bei mir bedankt mit einem Blumenstrauß, einer Danksagung im Gemeindebrief und einem Foto, das sie heimlich von der ganzen Gruppe aufgenommen haben. Das war schon etwas ganz Besonderes für mich, vor allem auch deshalb, weil es das letzte Mal war.  Bald gehe ich in den Ruhestand, und es war das 40. Mal, dass ich eine Gruppe von Vierzehnjährigen bei den ersten Schritten in der Kirche begleitet habe bis zum Segen am Schluss des Jahres.

Auch diesmal haben die Jugendlichen - zusammen mit der Familie und Freunden - zum Abschluss ihres Konfirmandenjahres einen festlichen Gottesdienst erlebt. Anschließend stehen immer einen Moment lang noch einige hundert Leute auf dem Kirchenvorplatz. Es wird gratuliert und fotografiert. Wunderbar, und alles, wie immer. Aber dann steht plötzlich einer von den frisch Konfirmierten vor mir und sagt: „Frau Rimbach, ich wollte mich noch ganz persönlich bedanken für dieses Jahr.“

Wow, das hat mir echt weiche Knie gemacht!

Eigentlich hätte er sich – genau wie die anderen – vom allgemeinen Trubel mitreißen lassen können und sich feiern lassen. Aber dieser Vierzehnjährige geht einen Moment hin und bedankt sich noch mal persönlich bei der Pfarrerin. Gerade das hat mich so berührt. Dass er das aus eigenen Stücken gemacht hat. Weder hatten ihn seine Eltern geschickt, noch gab es sonst einen äußeren Druck dafür, und die offizielle Danksagung war ja schon gelaufen. Wahrscheinlich hat er es ganz spontan entschieden. Vielleicht hat er auch gespürt, dass Konfirmationen auch für uns Pfarrerinnen und Pfarrer immer etwas ganz Wertvolles sind. Ich komme mir immer vor wie eine Mischung aus Pilotin, Hebamme und Großmutter, wenn ich diese zwanzig Jugendlichen durchs Konfirmandenjahr führe. Mindestens dieser eine hat das wohl mitbekommen und hat sich dafür bedankt.

Wir hatten ein gutes gemeinsames Jahr, meine Konfis und ich. Und ich weiß, dass sie mich alle auch zu schätzen gewusst haben. Und es genügt, wenn es einer sagt. Für mich als Pfarrerin war dieses Dankeschön ein großer Moment.

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SWR4 Abendgedanken

10JUL2023
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Manche Erlebnisse wirken ein Leben lang nach. Und geben einem das Gefühl, im Leben auch gut aufgehoben zu sein. Von so einem Erlebnis hat mir ein Mann erzählt, der mir bei seiner Goldenen Konfirmation begegnet ist. Vor fünfzig Jahren wurde er in meiner Kirchengemeinde konfirmiert. Und alle aus seiner alten „Konfi-Gruppe“ hatten wir zu einem Gedenkgottesdienst eingeladen. Mit diesen Jubilaren hatte ich Gelegenheit, über die Dinge zu sprechen, die in ihrer Jugend üblich gewesen sind. Über ihren Prüfungsgottesdienst zum Beispiel – das hat es damals noch gegeben. Vor der versammelten Gemeinde wurden am Sonntag vor der eigentlichen Konfirmation Fragen zum Glauben gestellt. Auch wenn alles vorher gut geübt war, waren die Jugendlichen doch sehr aufgeregt und haben gefürchtet, steckenzubleiben, sich zu verhaspeln und sich vor der ganzen Gemeinde ganz fürchterlich zu blamieren. Diese Aufregung ist ihnen auch fünfzig Jahre später noch gut in Erinnerung.

Einem Jugendlichen war kurz vor dem Tag beim Fußballspiel seine Brille kaputtgegangen. Er war sehr kurzsichtig – da hat auch seine Ersatzbrille nicht viel geholfen.

Ausgerechnet ihn hat der Pfarrer nun gefragt, was man denn auf dem Kirchenfenster sieht, vorne über dem Altar. Hundertmal hatte der Junge das Fenster schon vor Augen gehabt. Hunderte Male hat er die Figuren angeschaut, die eine Geschichte aus der Bibel darstellen. Aber jetzt in der Aufregung war alle Erinnerung wie weggeblasen, und seine Augen konnten nichts erkennen. Er hat gespürt, wie ihm die Hitze ins Gesicht gestiegen ist. Gleich würden alle anfangen zu flüstern und zu lachen. Aber dann hat er ganz leise neben sich gehört: „Jesus - am Kreuz, und seine Mutter und ein Jünger stehen davor.“

So oder so ähnlich muss es sein Freund dem aufgeregten Konfirmanden damals vorgesagt haben. So genau erinnert sich der Goldene Konfirmand fünfzig Jahre später nicht mehr an die Worte. Woran er sich aber erinnert: Dass ihm sein Freund vorgesagt hat und ihm so aus der peinlichen Situation geholfen hat.

„Sehen Sie, Frau Pfarrerin,“ hat er zu mir gesagt, „ich habe noch oft im Leben erlebt, dass Menschen mir beigestanden haben, so wie damals mein Freund in der Prüfung vor der Konfirmation. Und dann habe ich immer gewusst, dass ich in einer Gemeinschaft von Freunden geborgen bin. Das hat mir geholfen, auch schwere Zeiten zu überstehen.“

Allein dieses Erlebnis war für diesen Jubilar Grund genug, die Erinnerung an seine Konfirmation nach fünfzig Jahren mit großer Freude zu feiern, und seine Geschichte hat auch mich berührt.

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SWR4 Abendgedanken

02JUN2023
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„Liebe Geschwister,“ so spreche ich manchmal Menschen an, von denen ich weiß, dass sie an Gott glauben. Und die finden das auch gar nicht merkwürdig, denn sie wissen wie ich: Gott ist zu uns Menschen wie ein Vater oder wie eine Mutter; und so sind wir füreinander wie Geschwister. Dass wir uns deswegen besonders gut verstehen und vertragen, ist damit allerdings noch lange nicht ausgemacht. Auch in Glaubensfamilien gibt es leider manchmal Streit. Und wenn aus Streit Feindschaft wird – oder sogar Krieg, dann ist das ganz besonders tragisch.

In der Bibel gibt es viele Geschichten von Geschwistern, die sich schwertun miteinander: Offenbar ist das eine alte Menschheitserfahrung.

Zum Beispiel die der Zwillingsbrüder Jakob und Esau. Schon bevor sie auf die Welt kommen, scheinen die beiden miteinander zu kämpfen – noch im Mutterleib! Esau ist ein paar Minuten älter als sein Bruder Jakob; – und sogar äußerlich kann jeder sehen, wie grundverschieden die beiden sind.

Auch als junge Erwachsene gehen sich die beiden lieber aus dem Weg.
Als Esau aber einmal todmüde von der Feldarbeit nach Hause kommt, bittet er seinen Zwillingsbruder, ihm von seinem Essen etwas abzugeben – ein Linsengericht, das Jakob gerade frisch gekocht hatte. Jakob stellt eine Bedingung. Er verlangt, dass Esau ihm das Erstgeburtsrecht dafür abtritt.

Was für eine Forderung! Der erstgeborene Sohn bekommt das Eigentum des Vaters. Eigentlich ist Esau dazu bestimmt, einmal das Oberhaupt der Familie zu werden. Er ist nun mal der ältere – wenn auch nur um ein paar Minuten.  Esau geht aber tatsächlich darauf ein. Und Jakob macht den Tausch seines Lebens: Ein paar Linsen gegen ein kleines Familien-Imperium.

Und so geht es weiter zwischen den beiden. Es geht um Macht, um Anerkennung und um die Vorherrschaft – und aus den Brüdern werden Feinde.

Trotzdem bleiben sie Brüder. Ihre Wege sind und bleiben miteinander verwoben. Und ganz am Ende der Geschichte versöhnen sich die beiden Brüder. Eine Geschichte über Streit unter Geschwistern, aber auch darüber,  wie Gott eingreift und am Ende Versöhnung möglich wird.

Das ist meine Hoffnung für alle Geschwisterkämpfe in den Familien, in der Gemeinde und unter den Völkern. Dass sie am Ende zur Versöhnung finden. Deswegen sage ich gerne „liebe Geschwister“ zu den Menschen in meiner Umgebung, auch dann, wenn ich weiß, dass sich nicht alle nur mögen. Es ist wie ein Versprechen, dass für Geschwister durch Gottes Eingreifen Versöhnung möglich wird.

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