SWR4 Abendgedanken BW

SWR4 Abendgedanken BW

Der Weg in die Tage und Monate des neuen Jahres gleicht für mich der Einfahrt in einen Tunnel. Dabei erinnere ich mich an das besondere Ereignis im Oktober des letzten Jahres, als die  beiden Bautrupps aus Italien und der Schweiz in der Mitte des Gotthard - Basis - Tunnels zusammengetroffen sind. Ein solcher Tunnel ist nicht nur ein Wunderwerk der Technik, er ist ein besonderes Symbol.
Hier werden wirklich Grenzen abgebaut, sodass die Verbindungen zwischen Fremden enger werden können.   Menschen, die bisher erst hohe Berge überwinden mussten, können nun leichter zusammen kommen. Zugleich werden auch die Anstrengungen und Mühen deutlich, die es kostet, sich zu treffen. Dabei ist es ganz wichtig,  von beiden Seiten, nicht nur von der einen Seite aus, sich auf den Weg zu machen. Ein solcher Tunnel ist auch ein Symbol dafür, dass die Wege zueinander nicht einfach sind. Da muss man in die Tiefe. Es ist ein langer Weg ins Dunkel, nur künstlich und spärlich beleuchtet, bis endlich wieder Licht auftaucht.
Ich kenne dieses Gefühl aus eigener Erfahrung, das man auf der langen Fahrt durch einen Tunnel hat: es ist eine leichte Beklemmung und der Wunsch, möglichst bald aus dem Dunkel wieder ans Licht zu kommen, begleitet von der Frage: wie mag es drüben aussehen? Wie gut ist es dann, wenn ich nicht allein bin , wenn ich Menschen treffe, die mich verstehen und mit denen ich reden kann. Oder wenn ich mit Menschen unterwegs sind, die mehr Erfahrung haben und die wissen, dass die Dunkelheit bald zu Ende ist. Wie ein Tunnel ist für manchen die Situation des täglichen Lebens: Kummer und Heimweh, der Wunsch nach Gesundheit und friedlichen Tagen im neuen Jahr begleiten ihn. Wie komme ich aus diesem Dunkel, aus diesem Tunnel heraus?, so fragt sich mancher.
Der Dichter Jochen Klepper hat zusammen mit seiner jüdischen Frau während der Nazizeit die bedrohliche Situation des Dunkels erlebt und bis zu ihrem gemeinsamen Tod erlitten. Er hat ein Adventslied gedichtet, das von der Nacht erzählt und von dem Licht, das im Dunkel leise aufleuchtet und auf das Kind in der Krippe hinweist. Das Licht, das in die Nacht leuchtet, ist Gott selber, der in einem Kind erschienen ist. Das Lied ermutigt alle, die im Dunkel wohnen und im Dunkel wandern: Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und Schuld, doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld, beglänzt von  seinem Lichte hält uns kein Dunkel mehr, von Gottes Angesichte kam uns die Rettung her.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9795
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