SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Das sind die Feiertagsgedanken, ausgestrahlt in Ba-Wü, Feiertagsgedanken, in Rh-Pf  sprach Anne, Madeleine Plum siehe unten!

Heilige - was sind das für Leute?

Ein junger Mann ist auf der Suche nach Gott.  Er glaubt ihn bei einem heiligen Hindu zu findenund reist deshalb   nach Indien. Der Guru empfängt ihn freundlich, lacht ihn aber auch ein bisschen aus:  "Um Gott zu finden, ... brauchst  du überhaupt nicht in Indien herumzufahren ... Kehre lieber heim in die Religion, in der du aufgewachsen bist. Es gibt im Westen echte Heilige genug." Dieser Rat hatte Erfolg. Der Gottsucher - er heißt Hans Conrad Zander - sah sich um unter den vielen christlichen Heiligen Europas und wurde fündig. Neun von ihnen beschrieb er  in einem kleinen Buch, das von Humor und  Sympathie für diese heiligen Personen nur so sprüht.  
Heilige - ja, was sind das für Leute? Warum wird ihnen heute, am 1. November, von der katholischen Kirche ein eigenes Fest gewidmet: der Tag "Allerheiligen"?
Was Heiligkeit ausmacht, bringt das genannte Buch gleich zu Beginn auf den Punkt: "'Liebe Gott und tue, was du willst.' An dieses Wort des heiligen Augustinus haben sich alle Heiligen gehalten." Man kann es nicht treffender sagen. Heilige waren und sind nicht  in erster inie Menschen  ohne Fehl   und Tadel, manchmal ganz im Gegenteil! 
Das Wesentliche ist, dass sie ihr ganzes Leben ohne Wenn und Aber auf die Karte "Gott" gesetzt haben.  Dass sie von diesem Gott geliebt werden, ist eine Erfahrung, die manchmal wie ein Wirbelsturm über sie kommt -  und damit ändert sich ihr ganzes Leben. Teresa von Avila z.B., ein Fräulein aus gutem Hause, lebte jahrelang  in einem Kloster, wo die geistlichen Damen sich  reichlich  mit Klatsch und Tratsch unterhielten und eine ziemlich laue Frömmigkeit praktizierten, Teresa wurde schwer krank - heute würde man sagen: : psychosomatisch -  und das brachte die Wende. In einem aufwühlenden inneren  Erlebnis wurde sie  von der Wirklichkeit und Nähe Gottes  erfasst.  Und nun, erfüllt vom Feuer des "wirklichen" Gottes - bricht sie mutig alle Dämme. Sie entweicht heimlich aus dem bisherigen Kloster, gründet mit wenigen anderen Frauen ein neues und gerät von da an in Dauerkonflikte mit der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit. Trotz gewaltiger Widerstände aus vielen Richtungen lebt sie aus einer inneren Gelassenheit, die ihre Verankerung in Gott hat. "Obschon er der Herr ist", schreibt sie, "kann ich mit ihm umgehen wie mit einem Freund"  Und: "Ganz in seinem Inneren gewahrt der Mensch, wie in einem tiefen Abgrund, die Anwesenheit Gottes." Solche Aussagen mögen in uns Trauer und Sehnsucht erwecken, vielleicht auch Abwehr und Skepsis. Kann es solche Gottesnähe heute noch geben? Heilige sind in diesem Sinn wie Kirchtürme, die nach oben zeigen:  Sie sind in diese Erde eingelassen und haben dort ihren angewiesenen Ort. Doch zugleich weisen sie nach "oben", in eine Region, die  schon nahe   und doch nicht zu greifen ist.    

(Musik)

Die   Hafenstadt Cartagena in Kolumbien vor knapp 400 Jahren:  Ein Schiff läuft ein, beladen mit Hunderten von Schwarzen:  Männern, Frauen und Kindern. Sie wurden in Afrika von  Sklavenjägern gefangen und sollen auf dem Markt an Plantagen- und Bergwerksbesitzer verkauft werden. Ein weißhäutiger Pater bahnt sich den Weg an Bord. Ungeachtet des entsetzlichen Gestanks, der aus den Schiffsluken dringt, steigt er hinab unter Deck, trägt die Kranken und Sterbenden ans Licht, wäscht die Wunden, so gut er kann, versucht die Verzweifelten zu beruhigen und zu trösten.  Pedro Claver - so heißt der spanische Jesuit - versucht alles , um das Schicksal dieser Unglücklichen zu lindern. Im Spital und Lager hilft er mit Lebensmitteln und Medizin, er kämpft gegen  die sittliche Verwahrlosung vieler Gefangener, er predigt den barmherzigen Vatergott Jesu Christi und lebt diese Barmherzigkeit selbst vor.  Rund 40 Jahre lang hält Pedro Claver dieses Leben aus, geliebt von den Schwarzen, aber ständig gefährdet durch Anfeindungen und Todesdrohungen. Erst als dieser Menschenrechtler des 17. Jahrhunderts zu Grabe getragen wird, zeigt sich, dass seine Predigt von der Gotteskindschaft aller Menschen Früchte getragen hat: Weiße und Schwarze folgen einmütig seinem Sarg und sind vereint in Trauer und Verehrung. Mit Recht sprach ihn die Kirche später heilig. Pedro Claver verwirklichte ein  Wort  aus dem Neuen Testament in besonders   eindrucksvoller W eise: "Wer Gott liebt, soll auch seine Schwester und seinen Bruder lieben" (1. Johannesbrief 4,21).  Was  Heilige im Lauf der Jahrhunderte hier ins Werk gesetzt haben, ist gewaltig: Hilfen für Kranke, Arme und Behinderte, Schulen  und Heime für junge Menschen,  Seelsorge für Einsame, Entwurzelte und Verzweifelte. Es wäre aber ein Missverständnis, Heiligkeit mit spektakulären Taten gleich zu setzen. Teresa von Avila sagt es so: "Herr, du verlangst von einem Menschen, der entschlossen ist, dich zu lieben und sich dir zu überlassen, weiter nichts, als dass er sich gut in das hineinfindet, was du ihm aufträgst!  Denkt also daran, dass der Herr auch in der Küche zwischen denTöpfen umhergeht und dass er innen und außen bei euch ist." Ich bin überzeugt, dass es in diesem Sinn viele unerkannte Heilige unter uns gibt, die für ihre Mitmenschen und für Gott da sind - und das alles ,ohne es an die die berühmte "große Glocke"  zu hängen: die Frau, die ihren bettlägerigen Mann oder das behinderte Kind jahrelang pflegt; der so genannte "kleine" Angestellte, der  ein offenes Ohr hat für die Freuden und Nöte der Kollegen und sich für sie einsetzt; die alte Frau, die, ohne zu klagen,  Ja sagt zu ihrem mühselig gewordenen Leben.
"Heilige sind wie  Stimmgabeln in einer verstimmten Welt" (Kyrilla Spieker) - deshalb, meine ich, lohnt es sich aus heute noch, das Fest Allerheiligen zu feiern. 

Sendung für Rh-Pf !

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von Anne-Madeleine Plum, Mainz, Katholische Kirche

 Teil 1. Allerheiligen

Ich mag das Fest Allerheiligen. Weil ich die Heiligen mag. Und noch mehr, weil Allerheiligen das Fest zu Ehren all der Menschen ist, die heilig waren und lebten, ohne dass irgendjemand sie offiziell heilig gesprochen hat. Sie sind so etwas wie die anonymen Heiligen, ohne Gedenktag im Kalender. Aber weil es sie gab und gibt - deshalb gibt's Allerheiligen. Dabei ist das Fest heute ein bisschen verwirrend. Es ist eine Art Quer-durchs-Gemüsebeet-Fest. Die einen gehen zum Friedhof und zünden Kerzen für ihre Verstorbenen an oder schmücken die Gräber. Die andern müssen an Allerheiligen erst mal ausschlafen, weil die Halloween-Feier doch etwas länger gedauert hat. Überall stehen schon seit Wochen Kürbisse in unseren Schaufenstern - und was man sonst noch an Gespensterzubehör für Halloween braucht. So mancher ärgert sich, schimpft auf den heidnischen Kommerz. Viele junge Leute zucken die Schultern und feiern trotzdem.
Dabei heißt Halloween eigentlich „All-Hallows-Eve" - also der Abend vor Allerheiligen. Und die ausgehöhlten Kürbisse waren mal nichts anderes als Rüben-Windlichter, in denen man Kerzen zu Ehren der Verstorbenen aufstellte. Aus den Rüben wurden dann in Nordamerika Kürbisse, die sind größer und lassen sich so noch besser für diesen Zweck verwenden. Auch der Brauch, an diesem Abend von Tür zu Tür zu ziehen und „trick-or-treat" - „Süßes oder Saures" zu verlangen, hing mit den Verstorbenen zusammen. Arme Leute gingen einst in Irland und Britannien von Haus zu Haus, erbettelten sich Essbares - um als Gegenleistung am darauffolgenden Tag für die Verstorbenen der Spender zu beten. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, dass unter unseren eigenen Verstorbenen auch ein Heiliger war. Jedenfalls hätte das Paulus behauptet: Für ihn waren die Heiligen nichts anderes als Menschen, die an Jesus Christus glauben, die durch Taufe und ein Leben in seinem Sinn mit ihm verbunden sind. Also - eigentlich alle Christen, die ihr Christsein auch leben. Manchmal bekommt man, mal scherzhaft, mal verärgert, in geselliger Runde zu hören: „Sei doch nicht so heilig!" Gemeint ist: „Sei doch kein Spielverderber" oder: „Das eine Glas kannst Du auch noch trinken", oder ähnliches. Paulus würde uns zu Allerheiligen das Gegenteil raten: „Sei doch ein bisschen heiliger. Du gehörst doch zu Jesus Christus." Ich bin mir ziemlich sicher: Zu einem Heiligen in seinem Sinn gehören auch Gastfreundschaft und Humor. Ich mache deshalb auf, wenn Kinder an Halloween an der Tür klingeln. Und wenn sie mir eine Minute Zeit lassen, frage ich sie einfach, ob sie denn wüssten, was es mit dem Fest Allerheiligen auf sich hat. Denn das ist schließlich die andere Hälfte von Halloween. 

Teil 2. Das Fest unserer Zukunft

Es gibt heute nicht wenige Leute, die mit den Heiligen gar nichts anfangen können. Sie verbinden mit „heilig" alles Mögliche - bloß nichts, was anziehend, sympathisch oder interessant wäre. Sondern den Staub der Jahrhunderte, blasse und ernste Gesichter - kurz gesagt, ihnen fallen zum Stichwort „Heilige" nur Menschen ein, die weder Spaß am eigenen Leben haben, noch Spaß verstehen. Wer so denkt, den würde ich gern mal an einen Ort schicken, an dem man sich vom Gegenteil überzeugen kann: ins Kloster Heiligenkreuz bei Wien. So mancher kennt es durch den berühmt gewordenen gregorianischen Gesang dieser Zisterzienser-Mönche. Sie haben es damit sogar in die Charts geschafft. Über achtzig Mönche sind es und jede Menge junge Männer aus allen möglichen Ländern sind darunter. Hört man ihren Gesang - dann klingt es tatsächlich nach Himmel. Ergreifend schön. Ernst und feierlich. Er lässt uns die Zeit vergessen. Kein Wunder, dass die Besucherströme immer mehr werden.Wer eine solche Gruppe von Mönchen aber einmal außerhalb der Gottesdienste erlebt, der sieht nicht nur kluge, ernste und ausdrucksstarke Gesichter. Sondern auch lachende und frohe. Ob sie im Sturmschritt mit flatterndem schwarz-weißen Ordensgewand durch das Klostergelände eilen, - die „lebendigen Zebrastreifen", wie man sie scherzhaft nennt. Ob sie ausgelassen und vergnügt aus einem Auto steigen - oder am Festtag zusammen mit ihrem Abt auch einmal ein Bierchen trinken: Keine Spur von Langeweile und Lustlosigkeit. Im Gegenteil. Lebensfroh und lebendig wirken sie. Sie arbeiten viel, erklärt Abt Gregor glaubhaft. Und scheinen neben allem Bemühen um Heiligkeit doch ganz von dieser Welt. So entwaffnend, wie dieser väterlich lebenskluge Abt über seine eigenen Schwächen schreibt, so humorvoll erklärt er auch, dass er gerade deshalb im Kloster gelandet ist, weil er nie ein guter Beter gewesen sei. 
Und genau das macht mir diesen Abt und diese Mönche so sympathisch. Sie stehen zu ihren menschlichen Schwächen. Aber sie lassen es nicht dabei bewenden. Sondern versuchen, Gottes Ruf zu folgen. Und der ruft uns alle - zu einem Leben, das mehr möchte als laue Halbherzigkeit. Ob Mönch oder Familienmensch spielt dabei überhaupt keine Rolle. Wir sind berufen, heilig zu sein, weil Jesus Christus, der uns ruft, uns als seine Mitstreiter und Freunde gewinnen möchte. Allerheiligen ist ein Fest, das die unbekannten Heiligen vergangener Zeiten feiert. Aber noch viel mehr ist es ein Fest, das unseren Blick auf das lenkt, was vor uns liegt: unsere eigene Zukunft. Trau Dich, ein bisschen heiliger sein zu wollen, sagt uns das Fest Allerheiligen. Denn auf diesem Weg gehst Du Gott entgegen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9325
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