SWR2 Wort zum Tag

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Heute ist Welternährungstag. Die Vereinten Nationen wollen mit diesem Tag darauf aufmerksam machen, dass weltweit 1 Milliarde Menschen hungern. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat man verstärkt angefangen, sich über den Hunger in der Welt und die ungleiche Verteilung der Lebensmittel Gedanken zu machen. In der Mennonitischen Kirche in den USA wurde in diesem Zusammenhang ein Kochbuch veröffentlicht. Die Autorin hatte vorher in kirchlichen Kreisen dazu aufgerufen, Vorschläge für einen sparsameren Lebensstil einzusenden. Wider Erwarten sprechen die Antworten jedoch gar nicht zuallererst davon, dass man sich einschränken und seine Ansprüche zurückschrauben müsse. Im Experiment, die Mahlzeiten zu vereinfachen, scheinen die Einsender vielmehr den Wert der Nahrung neu entdeckt zu haben.
Unter dem deutschen Titel „Weniger ist mehr" lädt die Autorin dazu ein, wieder ein wenig wie die Großmütter zu kochen, nur eben kleinere Portionen, da die Arbeit nicht mehr so viel Kraft fordert. Sie lädt aber auch dazu ein, sich für das Kochen und vor allem das Essen mehr Zeit zu nehmen. In den neunziger Jahren ist von der gleichen Organisation ein zweites Kochbuch erschienen. Es wirft einen Blick auf die Esskulturen und Rezepte in aller Welt. Im Original hieß es deshalb: „Macht den Tisch weit". Da wird beispielsweise aus Uganda berichtet, wo man im Gehen oder Stehen nicht essen, nicht mal trinken darf.  Zum Essen muss man sich hinsetzen und sich Zeit nehmen, man darf nicht schlingen und muss das Essen immer mit anderen teilen.
Eine andere Geschichte in dem Kochbuch schildert die Erinnerung einer Frau, die mit ihren Kindern in einer Familie in Botswana zu Gast war. Sie hatte geglaubt, dass sie und ihre Kinder keine Lebensmittel verschwenden. Am letzten Abend wurde ihnen Huhn serviert, die Gastgeberin hatte eine ihrer kostbaren Legehennen geopfert. Die amerikanische Familie hat die Knochen gut abgenagt und damit nach eigenem Verständnis bewiesen, dass sie das Essen genossen hatten. Beim Spülen jedoch entdeckte die Frau auf dem Küchenboden die Knochen wieder, nun waren sie ganz weiß und es war keine einzige Fleischfaser, weder Haut noch Knorpel noch Saft daran. Und zwei der Kinder der Gastgeberin saßen noch vor der Tür und saugten glücklich an einem der Knochen. Für sie waren selbst diese Knochen noch ein Festschmaus.
Ehrlich gesagt, ich habe schon Schwierigkeiten mit dem normalen Abnagen von Knochen, und Innereien mag ich auch nicht besonders gerne. Aber das Kochbuch lässt mich noch mal darüber nachdenken, wie ich eigentlich mit Essen umgehe. Wie viel Wert messe ich den Lebensmitteln zu? Wie viel Kaffee schütte ich weg? Bestehen meine Schlachttiere nur aus Filetstücken? Esse ich jeden Tag Fleisch? Ich glaube, es würde uns gut tun, unseren Tisch weit zu machen. Einerseits könnten wir dann unseren Reichtum teilen, andererseits würden wir für unsere Ernährung einen anderen, vielleicht auch gesünderen Blick bekommen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9233
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