SWR4 Abendgedanken BW

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„Lasst uns einen Turm bauen, dessen Spitze bis zum Himmel reicht, damit wir uns einen Namen machen."  So beginnt eine alte Geschichte, die Geschichte vom Turmbau zu Babel, die die Bibel erzählt. Wie ging die Sache aus? Die Menschen haben sich nicht mehr verstanden, ihre Sprachen wurden verwirrt, sie wurden in alle Winde zerstreut, und der Turm blieb eine Bauruine. Eine böse Geschichte ohne happy end.

Ist das eine wirklich alte Geschichte? Heute heißt es: „Wohlauf, lasst uns nach Öl bohren bis in Tausende von Metern im Meer, damit unsere Ölgesellschaft mächtiger wird als alle Regierungen! Wohlauf, lasst uns gegen die europäischen Länder und ihre Währungen zocken, damit sich unser Gewinn noch einmal vervielfacht! Wohlauf, lasst uns künstliches Leben machen, damit wir endlich einen Menschen schaffen können, der ohne Fehler ist! Turmbauer gibt es also auch heute genug, die sich einen Namen machen wollen. Der Größenwahn und die Überheblichkeit boomen, und mancher wird auch an Stuttgart 21 denken.

Eine echte Alternative dazu ist die Demut. Denn Demut bedeutet, sich selbst zurückzunehmen, sich zur eigenen Schwäche zu bekennen und damit immer wieder anderen den Vortritt und den Erfolg zu überlassen. Demut beschreibt in der Bibel das Verhalten von  Menschen, die mit Gott rechnen. Sie sind es nicht allein, die die Welt beherrschen und umgestalten. Sie rechnen damit, Gott und anderen Menschen gegenüber Verantwortung zu tragen. Dabei ist Demut ein  Verhalten, das für unsere Zukunft lebenswichtig ist. Demut bedeutet: wir brauchen keinen Turm zu bauen, wie immer er aussehen mag, um uns einen Namen zu machen.  Denn wir haben bereits einen Namen und ein Gesicht. „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein."  Es gibt keine  größere Wertschätzung als diese, mit der Gott uns anredet. Als seine Kinder, als seine Partner, als seine Freunde.

Dies genügt uns zum Leben, dies ist der Grund für unsere Demut, mit der wir Gott anerkennen. Denn dies ist der Ausdruck der Wertschätzung, mit der Gott uns begegnet. Mit dieser Haltung können wir uns auch anderen Menschen zuwenden, den Kindern , den Armen, den Fremden. Für die Verantwortlichen der gigantischen Bauvorhaben könnte Demut bedeuten, einzuräumen : ich bin mir nicht mehr so sicher, ich kann den Widerstand verstehen, möglicherweise habe ich nicht genug getan, die Zweifelnden und Andersdenkenden zu gewinnen. Und für die Gegner könnte es bedeuten, auch den Befürwortern zuzugestehen, dass sie das Beste für unsere Zukunft wollen. Unsere geplagte Welt braucht keine Türme, sondern Menschen, die alles tun, in unserer Gemeinschaft ein friedliches Zusammenleben möglich zu machen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9188
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