SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Das Wochenende steht vor der Tür und Familie Becker diskutiert. "Müssen wir nicht die Müllers endlich mal einladen?“, fragt Frau Becker, "ich glaube, wir sind jetzt dran.“„Ihr wolltet doch morgen mit uns in den Zoo gehen“, maulen die Kinder. "Morgen geht nicht," sagt der Vater, "da ist Fußballspiel im Stadion." „Und wer lernt mit mir Englisch?“, ruft die Tochter, "wir schreiben doch eine Klassenarbeit!“ „ „Alles zu viel!“, seufzt die Mutter, „wer soll denn das alles schaffen?"

„Alles zu viel!“ - das gilt nicht nur hier. Das Warenangebot in unserem Land ist riesig. Die Freizeitindustrie versorgt uns rund um die Uhr und die Medien überschütten uns pausenlos mit Informationen und Unterhaltung.
So entsteht Erwartungs- und Leistungsdruck: Dieses Sonderangebot darf ich mir nicht entgehen lassen. Diese Veranstaltung müsste ich besuchen. Frühkindliche Bildung ist wichtig, haben wir da für unseren Sohn genug getan?

Diese Appelle "Ich sollte..., Ich müsste..." führen leicht dazu, dass wir ständig den Eindruck haben, etwas zu verpassen oder zu versäumen. Wir bemühen uns möglichst vielen Anforderungen nachzukommen und bleiben doch unzufrieden.

Manche Zwänge - vor allem im Arbeitsleben - sind nicht zu umgehen, andere existieren nur scheinbar und wir könnten uns ihnen durchaus verweigern. Ein viel beschäftigter Professor berichtet, dass ihm nichts Schöneres passieren kann, als wenn in seinem Wohnort im Hochschwarzwald mal der Strom ausfällt. Welche Befreiung: Der Fernseher funktioniert nicht, er kann nicht an den Computer - auf einmal ist Zeit zum Lesen da - und siehe da, das geht!

Stromausfall ist schlimm, aber vielleicht muss manchmal so etwas passieren, damit wir merken:So vieles brauche ich gar nicht. Vieles ist überflüssig und raubt mir Zeit und Kraft: manche Konsumartikel, Unternehmungen, Termine. Es wäre gut, immer wieder inne zu halten: Habe ich mein Leben noch selbst in der Hand oder werde ich gelebt? Der Apostel Paulus gab einmal den Rat: "Prüfet alles und das Gute behaltet!" - das scheint mir hier durchaus aktuell zu sein!


( M u s i k )

In den "Sonntagsgedanken" geht es um die vielen Anforderungen in unserem Leben, die uns ständig nach außen ziehen und uns daran hindern, zu uns selbst zu kommen. Für Christen hat seit einigen Tagen die Fastenzeit begonnen, das sind 6 Wochen der Vorbereitung auf Ostern. "Fastenzeit" klingt düster und negativ, doch das Gegenteil ist gemeint.
Eine Freundin erzählte mir: "Heute habe ich es geschafft, die große Schublade aufzuräumen, um die ich jahrelang einen Bogen gemacht habe. Du weißt, da drin war der ganze Papierkram über unsere Ehekrise. Ich habe jedes Stück in die Hand genommen und genau geprüft. Das meiste ist im Papierkorb gelandet. Du glaubst nicht, wie wohl ich mich jetzt fühle: Ich hab das Gefühl: Jetzt kann ich neu anfangen zu leben!"

Um ein solches Entrümpeln geht es auch in der Fastenzeit: Überprüfen, was ich an Ballast mit mir schleppe, und mich dann entschieden davon trennen. Vielleicht habe ich mein Leben voll gestopft mit Terminen und Aktivitäten und übersehe den Menschen neben mir , der mich braucht. Vielleicht entdecke ich schlechte Gewohnheiten, die mir selbst schaden und anderen schon längst auf die Nerven gehen. die ich aber aus Bequemlichkeit immer so weiter laufen lasse. Vielleicht schleppe ich eine Kränkung mit mir herum, die längst vergangen ist, die ich aber immer wieder aufwärme.
Weg lassen, los lassen - so entstehen Freiräume und es wird klarer, was uns wirklich wichtig ist im Leben.

Auch Jesus , an dem sich Christen orientieren sollten, geriet in die Versuchung, das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Er hätte den Weg zum Volkshelden einschlagen können: den Leuten Brot und Arbeit verschaffen, möglichst alle Kranken heilen, sich gegen die römische Besatzung stellen. Jesus aber hatte, bevor diese Versuchung an ihn
herantrat, allein gewesen mit Gott, er hatte gebetet und gerungen und nun war ihm sein Weg gewiss. "Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt", antwortet er seinem Versucher - und: "Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich allein nieder werfen und ihm allein dienen" (Matthäus 4, 4.7). Damit werden Werte wie materielles Wohlergehen, Erfolg und Ansehen nicht schlecht geredet, aber von Jesus auf die richtigen Plätze verwiesen. Wo sie absolut gesetzt werden, werden sie leicht zu Götzen, die uns versklaven, oft ohne dass wir es merken.
Die Fastenzeit lädt dazu ein, unser Leben daraufhin zu überprüfen: Vielleicht gibt es allerlei zu entrümpeln, damit wir Zugang zu dem finden, was nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft Sinn und Glück gibt. Vielleicht wird es uns geschenkt, in dem bunten Vielerlei unseres Daseins einen Schatz zu finden, von dem wir endgültig leben können. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7686
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