SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Manche Leute sagen: Kirche und Politik vertragen sich nicht. Am besten ist, die Kirche kümmert sich um ihre inneren Angelegenheiten, um den Glauben, die Mission und die Auferbauung. Sie finden, Pfarrer können in keiner Partei sein. Da wären sie parteiisch. Kirche soll die Politik den Profis überlassen.
Andere wiederum behaupten das Gegenteil. Kirche muss sich einmischen in Politik. Sie muss sich zu Wort melden, wenn es um so strittige Fragen wie die Gentechnik geht oder um die Erhaltung des Friedens. Pfarrer sollen sich wie in Ostdeutschland vor 20 Jahren an die Spitze des gesellschaftlichen Wandels stellen. Christen haben sich damals mutig eingemischt und klar gemacht, wofür die Kirche steht. Nämlich für Frieden und Freiheit, für Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.
Beide Auffassungen zum Verhältnis von Kirche und Politik sind nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen.
Es stimmt ja, dass mancher Kirchenvertreter mit seiner politischen Meinung kräftigen Ärger verursacht hat. Und dem Land und seiner Kirche mehr schadete als nützte. Und es ist auch richtig, dass eine Kirche, die sich verschüchtert in ihr Schneckenhaus zurückzieht, von niemand mehr wahrgenommen wird.
„Suchet der Stadt Bestes“ rät der Prophet Jeremia seinen Landsleuten.
Und ermuntert damit zum politischen Engagement. Gegen alle Einwände. In einer Zeit, in der den meisten Israeliten die Lust am politischen Gestalten vergangen war.
Warum denn Hand anlegen, eine Schaufel anpacken und zur Stärkung der Wirtschaftskraft beitragen? Ausgerechnet im Exil bei den Babyloniern, die sie Jahre zuvor aus ihrer Heimat vertrieben hatten. Da lägen doch bekümmertes Selbstmitleid und fromme Gottesklage viel näher.
Jeremia macht Mut, die Flügel nicht hängen zu lassen und die Ärmel hochzukrempeln. Jeder kann seinen Teil dazu beitragen, dass das Leben in der fremden Stadt angenehmer und gerechter wird. Keiner fühle sich zu wertlos oder zu fein, zu alt oder zu gebildet.
Gebraucht werden alle. „Suchet der Stadt Bestes“. Was als Durchhalteparole oder Überlebensstrategie durchgehen könnte, ist für Jeremia Gottes Willen. Gott möchte, dass Menschen sich einbringen, sich engagieren und für andere einsetzen. Und das über die Mauern ihrer Bethäuser und Gemeinden hinweg. Dort können sie auftanken und Kraft schöpfen. Sich aufrichten lassen bei Rückschlägen und neu orientieren, wenn nicht klar ist, wie es weitergehen soll. Aber dann geht es wieder hinaus in die Stadt, in die Geschäfte und Betriebe und auf die Felder, um das bestmögliche Leben zu gestalten. Für die Alten und die Kinder, die Schwangeren und die Fremden. So wie es Gottes Idee ist.

Teil 2
Politik ist ein umstrittenes Geschäft. Der Wahlkampf der letzten Wochen hat das gezeigt. Da könnte man schnell geneigt sein, sich aus der Distanz das Ganze kritisch anzuschauen und sich über so manches zu ärgern, was da zum Besten gegeben wurde. Oder gleich ganz zu resignieren, weil das, was Politiker versprechen, sowieso schon morgen wieder vergessen ist.
Ich lese in der Bibel anderes. Da gibt es ganz konkrete Aufforderungen, sich einzumischen und dafür zu sorgen, dass es gerechter und ehrlicher zugeht im Leben. Die Fesseln des Unrechts lösen, die Versklavten befreien, den Hungernden Brot zum satt essen geben und für die Obdachlosen ein Dach über dem Kopf finden. So konkret wird Gott in seinen Vorstellungen für seine Welt.
Schon wenn ein Mensch in seiner Zeit diese Ideen Gottes für eine bessere Welt beherzigt, verändert sich etwas. Bei einem Mittagstisch für alle zum Beispiel, den immer mehr Kirchengemeinden anbieten. In meinem Kirchenbezirk laden wir jeden Mittwoch und Donnerstag zu Mittagstischen ein.
Meistens sind es ältere Ehrenamtliche, die hier eine neue und sie erfüllende Aufgabe gefunden haben. Und so kann es sein, dass engagierte Seniorinnen bei der Essensausgabe auf die Nöte allein erziehender Mütter aufmerksam werden. Und allein schon durchs Zeithaben, durchs Zuhören und kleine praktische Hilfestellungen wieder Vertrauen ins Leben schenken können. Migrantenkinder bei ihren Schulaufgaben zu betreuen ist ein anderes Beispiel. Mit Unterstützung gehen eben komplizierte Grammatikaufgaben viel leichter.
Das geschieht ganz unspektakulär und ohne große Öffentlichkeit und ist doch ein Stein im großen Mosaik einer gerechten Welt. Gottes Ideen für ein gutes und gerechtes Zusammenleben auf der Welt funktionieren nicht ohne Leute, die dieselbe Sehnsucht haben. Die sich einmischen und für die Rechte anderer kämpfen.
Es kann passieren, dass man sich dabei nicht nur Freunde macht. Die Gefahr, nicht verstanden zu werden und in eine Schublade gepackt zu werden, besteht.
Doch das Lob Gottes gilt dem, der gerecht handelt und sich an seinem Bild von der Welt orientiert. „Des Gerechten Pfad glänzt wie das Licht am Morgen, das immer heller leuchtet bis zum vollen Tag.“ Das ist ein tolles Versprechen, das Lust macht, sich diese Sehnsucht Gottes zu eigen zu machen. Vielleicht bekommt das Leben dann jenen Glanz, den wir uns so sehr wünschen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6819
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