Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Irgendwann setzt die Wahrheit sich durch. Auch wenn es unerträglich lange dauert und viele auf dem Weg dahin verzweifeln. Ich weiß nicht, ob das eine tröstliche Erfahrung ist oder eher eine Einsicht, die einen traurig machen kann. Aber heute scheint sie mir einleuchtend. In meinem Kalender wird heute an Jan Hus erinnert. Vor fast 600 Jahren, am 6. Juli 1415 wurde er in Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er an der Wahrheit festgehalten hat.
Jan Hus war Priester und Professor an der Karls-Universität in Prag, zeitweise sogar ihr Rektor. Er wollte die Missstände in der damaligen Kirche nicht hinnehmen. Er wandte sich deutlich gegen Korruption, Prunk und Ämtermissbrauch in der damaligen Kirche. Dagegen forderte Jan Hus, wieder ernst zu machen mit dem einfachen Leben und dem Glauben der ersten Christen.
Nur Christus sei als Oberhaupt der Kirche anzuerkennen, lehrte er. Und nur die Bibel, forderte er deshalb, nur die Bibel soll gelten als Grundlage für das, was ein Christ glaubt. Wie später Martin Luther übersetzte er sie in die Sprache seines Volkes, das Tschechische, und er wirkte ähnlich sprachbildend wie Luther für das Deutsche. Wie Luther wollte auch Hus, dass die Leute die Bibel selber lesen konnten und so eigenen Glauben entwickeln. Deshalb feierte er als Priester die Messe in der Nationalsprache statt auf Latein und er schrieb geistliche Lieder. So konnten sich die Menschen am Gottesdienst beteiligen und in Liedern und Gebeten lernen und dann auch mit eigenen Worten ausdrücken, was sie glaubten.
Die Menschen, die Jan Hus damals hörten, forderten Veränderungen. Deshalb wurde Hus zum Konzil nach Konstanz vorgeladen. Obwohl man ihm freies Geleit zugesichert hatte, wurde er dort verhaftet. Man wollte ihn zum Widerruf zwingen. Aber Hus blieb standhaft. „“Ich will nicht lügen angesichts Gottes noch gegen mein Gewissen und die Wahrheit handeln. … Ich kann auch die vielen Menschen nicht enttäuschen, denen ich gepredigt habe. Ich will nicht widerrufen!“ soll er gesagt haben. Deshalb wurde er auf dem Scheiterhaufen verbrannt. In Konstanz, heute vor 594 Jahren.
Inzwischen erinnert in Konstanz ein großer schwarzer Stein mit der Aufschrift „Jan Hus“ an sein Schicksal. In Prag auf dem Altstädter Ring gibt es ein Denkmal für den Mann, der auch das tschechische Nationalbewusstsein geprägt hat. Und 1999 hat Papst Johannes Paul II sein „Bedauern” für Fehlentwicklungen in der Geschichte ausgedrückt.
Die meisten Forderungen von Hus sind heute umgesetzt. Irgendwann setzt die Wahrheit sich durch. Wenn ich heute zum Beispiel an den Iran denke: soll ich das dann traurig finden – oder tröstlich?. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6300
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