Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Das ist heute ein trauriger Tag im kleinen Städtchen Littleton im amerikanischen Colorado. Vor zehn Jahren massakrierten zwei Schüler der „Columbine Highscool“ zwölf ihrer Mitschüler und einen Lehrer, ehe sie sich selbst erschossen. Daran zu erinnern, tut weh. Umso mehr, als sich nun diese schreckliche Blutspur über Erfurt und Emsdetten bis nach Winnenden verlängert hat.
Auch diese Amokschützen damals trugen verhängnisvolle Bilder in ihren verwirrten Köpfen. Auch sie hatten zuvor in ihrer Freizeit an ihren Computer-Konsolen massenhaft Menschen zur Strecke gebracht. Nicht auszuschließen, dass dieser Kick aus Spielern echte Killer machte. Inzwischen weiß man, dass die US-Armee mit solchen Gewalt-Videos ihre GI´s für den Ernstfall trimmt, um die Hemmschwellen für gezieltes Töten abzusenken. Auf jeden Fall stürmten die beiden Jugendlichen zielgerichtet aus ihrer virtuellen Welt hinein in die reale Welt ihrer Schule, um dort ein verheerendes Blutbad anzurichten.
Soviel steht fest: Eine Gesellschaft, die die Schwächsten nicht vor solchem Schwachsinn und sich selbst nicht vor diesen Schwächsten schützt, hat versagt. Allein schon der Verdacht, dass Killerspiele labile Gemüter zur Tat animieren könnten, gebietet eindringlich politisches Handeln. Killer-Monster haben nichts im Netz und auf Festplatten zu suchen. Und das haben auch die vermeintlich Stärkeren, die das angeblich so lässig wegstecken, gefälligst zu akzeptieren. Sie werden diesen Verlust wohl verschmerzen. Wann aber wird sich die Politik endlich beschämt eingestehen, dass sie unter dem Vorwand der „Meinungsfreiheit“ die „Medienvielfalt“ einfach in die Zügel schießen ließ, statt sie an die Kandare zu nehmen?
Gewiss – man darf nicht allein Teile der Medien für die steigende Gewaltbereitschaft verantwortlich machen. Vielleicht hat unsere Gesellschaft generell das falsche Programm geladen. Im „Raubtier-Kapitalismus“ unserer Tage wird jungen Menschen doch ständig vor Augen geführt, dass nur die Abgebrühten und Gerissenen überleben. Hyänen sind nun mal keine Kuscheltiere.
Es wird Zeit, uns neu auf Menschlichkeit zu besinnen. An einem so gewöhnlichen Tag wie heute entscheidet es sich, wie wir in der Schule und am Arbeitsplatz, in Nachbarschaft und Familie miteinander umgehen. Ob wir die offen oder heimlich geballten Fäuste auftun und uns – wie bei der beeindruckenden Trauerfeier in Winnenden – die Hände reichen. Ob wir Fronten bilden oder Kreise schließen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=5846
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