SWR2 Wort zum Sonntag

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Heute, am 1. Februar, wird in Mainz ein Jubiläumsjahr eröffnet, das dem Bau des Mainzer Domes durch Erzbischof Willigis vor 1000 Jahren gewidmet ist. Dies mag ein Anlass sein, um über solche Jubiläen in der Geschichte der Kultur und der Kirche etwas nachzuden-ken.
Eigentlich haben es historische Rückblicke nicht so leicht. Wir sind sehr bestimmt von den Herausforderungen unserer Gegenwart und von den Visionen der Zukunft. Aber es hat sich in dieser Hinsicht in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch einiges geändert. Be-stimmte Gedenktage, die einmalig sind, wie z.B. die Wiederkehr eines Geburts- oder To-desdatums (z.B. Darwins in diesem Jahr), aber auch wiederkehrende Erinnerungen, wie z.B. die Bombardierung unserer Städte vor allem gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, haben eine neue Chance bekommen. Besonders die Medien sehen darin eine gute Gele-genheit, um auf Personen und Ereignisse aufmerksam zu machen, die unser Leben mehr bestimmen, als wir oft wissen. Wir werden dadurch auch notwendigerweise über uns selbst, besonders auch unsere Herkunft, aufgeklärt. Wir verstehen uns besser.
Man ist also gut beraten, wenn man diese Gelegenheiten nützt. Auch wenn sie oft schnelllebig sind und rasch wieder der Vergessenheit anheimfallen, so bieten sie doch die Möglichkeit einer Begegnung mit dem, was uns auch heute noch im tiefsten bestimmt, und zwar unabhängig davon, ob es uns gefördert oder geschadet hat. Freilich mischt sich in den letzten Jahren dieses Gedenken auch mit etwas fragwürdigen Zügen. Es ist die Eventkultur. Sie soll hier nicht einfach negativ beurteilt werden. Sie macht uns immerhin aufmerksam auf Ereignisse, die unsere Geschichte und Gegenwart bestimmen und be-stimmt haben. Wir haben sie oft vergessen. Man muss manchmal auch die Erinnerung an vergangene Ereignisse erst wecken. Man muss die Menschen neugierig auf diese „Events“ machen. Dazu können heute viele Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit, der Werbung und der medialen Dokumentation sowie Interpretation helfen. Aber es gibt auch Grenzen, gewesene Ereignisse vorwiegend durch diese Brille allein zu sehen. Leicht überfremden wir das, was gewesen ist, mit unseren eigenen Wünschen und Vorstellungen. Oder wir mühen uns zu wenig um den eigenen Gehalt, um den unverwechselbaren Wert geschichtlicher Zeugnisse, sondern nippen nur daran herum, sofern sie uns zusagen. Be-sonders schwierig wird es, wenn die Auswahl dessen, was vermittelt wird, letztlich der billigen Unterhaltung geopfert wird. Dann können wir trotz vieler Feiern manchmal ziem-lich blind an unserer eigenen Geschichte vorbeilaufen.
Es ist nicht leicht, vergangene Geschichte in die Gegenwart zu bringen. Die Museumspä-dagogik der letzten Jahrzehnte hat hier, gerade auch für Kinder und Jugendliche, Großar-tiges geleistet. Gerade kirchliche Jubiläen haben hier eine besondere Chance, stellen aber auch eine große Aufgabe dar. Der Kirche geht es ja nicht um zweckfreie Objekte der Kunst und Kultur, sondern die Gegenstände und Bilder begegnen uns auch heute von ihrer Geburt aus dem Glauben her. Sie sind immer auch ein Spiegelbild der Auseinander-setzung zwischen Glaube und Welt. Sie haben aber nach unserer Überzeugung auch ihre inhaltliche Gültigkeit bewahrt. Sie brauchen freilich, um in unserer Welt wirklich anzu-kommen und verstanden zu werden, die Übersetzung. Dann spricht vieles wieder ganz neu und leuchtet, wie wir es im Alltag oft gar nicht mehr bemerken. Dies ist lebendige Erinnerung. https://www.kirche-im-swr.de/?m=5344
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