Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wer die Geburtskirche in Bethlehem betreten will, muss sich tief bücken. Das einst imposante Kirchenportal wurde in der Kreuzfahrerzeit bis auf einen kleinen Durchschlupf zugemauert, um räuberischen Reiterhorden den Zugang zu versperren, so erzählt die Geschichte.
Warum aber hat man diese Schikane nicht wieder zurückgebaut? - Das hat mit dem Weihnachtsgeheimnis zu tun. Ihm kann sich nur nähern, wer sich klein macht wie ein Kind. Denn Gott selbst hat sich klein gemacht, hat sich erniedrigt, so steht es in der Bibel. Gott hat sich herab gebeugt zu uns Menschenkindern und ist selbst ein Kind geworden. Wer ihm begegnen will, muss also herunter vom „hohen Ross“.
Kinder haben mit diesem mickrigen Pförtchen in Bethlehem kein Problem. Wenn wir nicht „werden wie die Kinder“, sagt Jesus (Markus 10), finden wir den Durchlass nicht in das „Reich Gottes“. „Werden wie die Kinder“ - damit meint Jesus wohl jenes abgrundtiefe Vertrauen, zu dem Kinder fähig sind. Ihre Bedürftigkeit, die unsere Fürsorglichkeit wach ruft. Ihre Liebe zu denen, die ein Herz für sie haben und ihre Liebe erwidern. Nur in so kindlichem Vertrauen erschließt sich uns das Geheimnis um die Menschwerdung Gottes in Jesus.
Aber wie gehen wir mit den Kindern um? Neun Millionen sterben jährlich an Unterernährung, an Krankheiten und mangelnder Hygiene. Kaum ein Tag, an dem nicht bei uns ein Kind misshandelt, missbraucht oder gar umgebracht wird. Viele Eltern nehmen sich zu wenig Zeit für die Kinder. Sie vermitteln ihnen keine Werte, setzen ihnen keine Grenzen und zeigen keine Perspektiven auf. Nur noch wenige Kinder bekommen am Abend eine „Gutenacht-Geschichte“ vorgelesen. Jugendliche versumpfen ohne elterlichen Beistand in den Abgründen des Internet. Immer noch wird in unserem Land viel zu wenig in Bildung investiert. Für 25 % unserer Jugendlichen ist ohne eine qualifizierte Ausbildung der Weg in die Arbeitslosigkeit vorprogrammiert.
Weihnachten – das „Fest der Kinder“ liegt wieder hinter uns. Vielleicht sind wir in diesen Tagen dem göttlichen Kind, dem menschgewordenen Gott näher gekommen – nicht zuletzt, weil wir uns den Kindern mehr als sonst zugewandt haben. Würden sie das ganze Jahr über Aufmerksamkeit, Achtung und Liebe erfahren, würden wir uns vor allem mehr Zeit für Kinder nehmen – das gäbe uns zwölf Monate lang ein „Gefühl wie an Weihnachten“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=5166
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