SWR1 3vor8

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Da langt er aber wieder mal hin, dieser Jesus von Nazareth! Er, der Unruhe stiftende Zimmermannssohn provoziert die religiösen Autoritäten in Jerusalem mit diesem Gleichnis: Ein Mann hatte zwei Söhne. Er ging zum ersten und sagte: „Mein Sohn, geh’ und arbeite heute im Weinberg.“ Der antwortete: „Ja, Herr“, ging aber nicht. Da wandte er sich an den zweiten Sohn und sagte zu ihm dasselbe. Dieser antwortete: „Ich will nicht“. Später aber reute es ihn und er ging doch. Wer von beiden hat den Willen des Vaters erfüllt?“ Sie antworteten: „Der zweite.“ Da sagte Jesus zu ihnen: „Amen, das sage ich euch, Zöllner und Dirnen gelangen eher ins Reich Gottes als ihr.“
Mann, o Mann, warum reitet Jesus eigentlich solche Attacken gegen die religiöse Führungsschicht seines Volkes? Was macht ihn so wütend, dass er sie dermaßen vor den Kopf stößt, wo sie ihm doch die einzig richtige Antwort auf seine Frage gegeben haben? Vielleicht genau das: dass sie immer zu richtig, zu logisch sind in religiösen Fragen. So brav, so richtig und so logisch, dass sie nicht einmal merken, dass sie mit dem Sohn gemeint sind, der sagt, er werde arbeiten gehen, es aber doch nicht tut.
Jesus will ihnen mit diesem Gleichnis klarmachen, dass sie über Religion nur reden, sie aber nicht leben. Dass sie so starr sind, dass sie nicht wahrnehmen, welch’ andere, alle engen Regeln und Grenzen sprengende religiöse Kraft ihnen gegenüber steht. Ganz im Gegensatz zu den Dirnen und Zöllnern. Sie waren die größten Außenseiter und galten als sehr schwer bekehrbar. Und gerade sie stellt er den religiösen Autoritäten als Menschen gegenüber, die offener sind für seine Botschaft. Was einer der Gründe sein wird, die ihn ans Kreuz bringen.
Was nehme ich mit von diesem Text, der heute in den katholischen Kirchen gelesen wird? Dass Jesus ein radikaler Provokateur sein konnte? Dass religiöse Repräsentanten immer auch mit Vorsicht zu genießen sind, weil sie in ihrem System erstarren können? Dass einfache, arme, gescheiterte und ausgestoßene Menschen oft viel feinere religiöse Antennen haben als die Gescheiten, Überzeugten und Erfolgreichen?
Ja, das alles. Vor allem aber, dass die Art von Religion, die dieser Jesus von Nazareth in die Welt gebracht hat, radikal menschlich und radikal ehrlich ist. Und damit auch immer wieder sehr gefährlich für die, die so menschlich und so ehrlich sind.
Einen schönen Sonntag wünsch ich Ihnen! https://www.kirche-im-swr.de/?m=4488
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