Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich muss es zugeben, ich bin kein sehr geduldiger Mensch. Es macht mich kirre, wenn ich im Supermarkt in der Schlange warten muss und just bei der Dame vor mir die Kassiererin die Kassenbonrolle wechseln muss. Oder wenn ich mich mit dem Auto an der Ampel anstelle und die Schlafmütze vor mir es gerade noch schafft bei Gelb durchzuwitschen und ich darf noch anderthalb Minuten bis zur nächsten Grünphase warten. Und das, wenn ich unter Zeitdruck stehe.
Dabei ist Geduld eine Eigenschaft, die uns in unserer schnelllebigen Zeit mehr Gelassenheit verschaffen kann.
Ein Internet-Wörterbuch sagt: „Als geduldig erweist sich, wer bereit ist, mit ungestillten Sehnsüchten und unerfüllten Wünschen zu leben oder diese zeitweilig bewusst zurückzustellen. Diese Fähigkeit ist eng mit der Fähigkeit zur Hoffnung verbunden. Geduldig ist auch, wer Schwierigkeiten und Leiden mit Gelassenheit und Standhaftigkeit erträgt.“
Mir gefällt anstelle von Geduld das alte Wort Langmut. Das ist der Mut, etwas ein bisschen länger währen lassen zu können. Langmut bezeichnet die Fähigkeit, warten zu können.
Ich glaube, Geduld kann man lernen. Z.B. indem ich mir angewöhne, eben rechtzeitiger von zu Hause loszufahren. Dann muss es mich nicht mehr nerven, wenn ich ein bisschen länger an der Ampel stehe.
Aber manchmal muss man Geduld auch lernen, z.T. sehr schmerzlich, z.B. wenn eine Krankheit nur langsam ausheilen will. Oder bis Kinder mal endlich selbständig und ordentlich ihre Hausaufgaben machen.
Ich kann Geduld auch deshalb lernen weil Gott mit mir geduldig ist. Mehrfach wird in den Psalmen gesungen: „Gnädig und barmherzig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.“ (z.B. Psalm 145,8)
Gott ist geduldig mit mir, wenn ich nicht kapiere, dass er mit mir verbunden sein will. Er meldet sich immer wieder bei mir und sagt mir: „Hallo, hier bin ich. Du kannst auf mich setzen. Warum tust du es nicht?“ Und - er ist geduldig mit mir, wenn ich immer wieder dieselben Fehler mache. Er vergibt mir und ermutigt mich zu einem neuen Anlauf um es besser zu machen. Diese Geduld möchte ich auch mit anderen haben, die mich nerven. Und ich bitte Gott darum, dass er mir diese Geduld schenkt. Hin und wieder spüre ich dann an der Supermarktkasse oder an der Ampel, dass mich die Warterei längst nicht mehr so verrückt macht. Und dass die Schlafmütze vor mir eben auch nur ein Mensch ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=4228
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