Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Du sollst Vater und Mutter ehren, so lautet das vierte der 10 Gebote. Es ist gerichtet an die erwachsenen Männer und bedeutet zunächst überwiegend eine soziale Verpflichtung. Die Söhne mußten den Lebensunterhalt der alten Eltern sichern. Ehren hieß aber auch: die Eltern wichtig nehmen, weil sie Wissen von früher mitbringen. Dieses Gebot ist als einziges der 10 Gebote mit einem Versprechen verknüpft: „Du sollst Vater und Mutter ehren, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.“ Lange leben, Heimat haben, in Frieden leben – das heißt doch: wenn ich die Eltern ehre, habe ich Zukunft. Wenn ich die eigenen Wurzeln aber ablehne oder sogar gekappt habe, ist das Leben sehr schwer.
Und wenn, wie bei uns heute immer häufiger, die Eltern sehr alt werden? Wenn die Söhne und Töchter mit 60 oder älter, selbst schon aus dem Beruf ausgeschieden und endlich freier von Pflichten, immer noch „Kinder“ sind? Sie beschäftigen sich selbst schon mit dem Altwerden und dem Gedanken ans eigene Sterben und haben dabei den Tod der Eltern noch vor sich. Erleben über lange Jahre auch, wie die Eltern hinfällig werden.
In vielen Familien überwiegt die Freude, lange zusammen sein zu können, und irgendwie schafft man so auch die schwierigen Seiten. Es gibt aber auch das andere: Mütter und Väter, die es belastet, so lange auf die Kinder angewiesen zu sein, und Söhne und Töchter, denen bei aller Zuneigung die Last zunehmend schwer wird.
Und dann stellt sich natürlich die Frage, wie wir auf Dauer die alten Menschen materiell versorgen. Das Elterngebot der Bibel sagt leider nicht, wie das gehen kann. Aber es sagt, daß wir Wege finden müssen, daß wir in diesem Bereich unsern Sachverstand und unsere Phantasie anstrengen müssen, auch zwischen den Generationen noch mehr miteinander reden und dabei unangenehme Fragen zulassen wie: Was kann ich beitragen, über das hinaus, wozu ich von Rechts wegen verpflichtet ist? Auf was kann ich verzichten, auch wenn es mir von Rechts wegen zusteht? Es ist auch schon viel geschafft, wenn wir uns von unsern Wünschen und Ängsten erzählen. Ideal wäre, wenn Eltern es ihren Kindern leicht machen, sie zu ehren. Die Kindern schaffens nicht ohne die Hilfe der Eltern, und die Eltern schaffens meist auch nicht ohne die Kinder.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4075
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