SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken
Immer froh und gut gelaunt …
Stellen Sie sich vor, Sie gehen spazieren. Da kommt ein Mann auf Sie zu; mit Bart. Allerdings nur in der Hälfte des Gesichts! Ich müsste da wahrscheinlich lachen. Und genau das haben die Leute damals in Rom getan, als sie Philipp Neri begegnet sind und der nur halb rasiert war.
Philipp Neri hat im 16. Jahrhundert gelebt. Er war so eine Art Lebenskünstler, ein Heiliger und Spaßvogel. Heute ist sein Gedenktag.
Philipp soll immer froh und gut gelaunt gewesen sein. Und er wollte andere mit seiner Freude anstecken. Mal hat er sich dazu nur halb rasiert, mal ist er im Sommer mit einem dicken Mantel rumgelaufen. Der Effekt war immer derselbe: Die Menschen haben gelacht und für einen Moment vergessen, was sie gerade beschäftigt hat. Sie konnten kurz abschalten. Philipp hat sie aufgeheitert und ihnen vermittelt, dass es sich mit einer Prise Humor leichter leben lässt. So ist er zum Patron der Clowns und Gaukler geworden.
Allerdings war Philipp mehr als ein Scherzkeks: Er wollte durch seine Aktionen vor allem mit Leuten ins Gespräch kommen – und das richtig, mit Tiefgang. Er hat ganz gewöhnliche Dinge getan; aber auf ungewöhnliche Weise. Das hat Menschen irritiert. Sie haben ihn angesprochen und Philipp konnte so den Bogen zu dem schlagen, was ihm wichtig war und ihn selbst so mit Freude erfüllt hat: Gott.
Eines Tages ist Philipp zum Beispiel mit einer Schachtel in Rom unterwegs. Er sucht Perlen. Die Leute sehen ihn und fragen: „Du kannst doch in Rom keine Perlen finden. Philipp lässt sich nicht beirren: „Doch, es gibt welche. Ich habe schon einige gefunden.“ Er öffnet die Schachtel und jeder, der hineinschaut, lächelt. In der Box ist ein Spiegel. Für Philipp ein echter Grund zur Freude: „Du bist eine Perle, ein Schatz. Von Gott geliebt und unheimlich wertvoll.“
Durch solche Aktionen war Philipp bekannt und beliebt. Seine Freude hat ausgestrahlt. Er hat es verstanden, Menschen von Gott zu begeistern. Das haben die Leute in der Kirche damals nicht immer so erlebt und das ist ja auch heute leider oft noch so. Legendär ist auch sein großes Herz. Philipp hat nicht nur von Gott erzählt. Er hat etwas dafür getan, dass Menschen spüren, wie Gott sich ihnen zuwendet: er hat nach den Kranken geschaut, die Armen versorgt und sich um Pilger gekümmert, die nach Rom kamen. Für jede und jeden hatte er ein gutes Wort übrig.
Und trotzdem war Philipp kein Friede-Freude-Eierkuchen-Heiliger!
Aber davon gleich mehr …
… mit dem Finger in der Wunde
Der heilige Philipp Neri war eine Frohnatur. Er hat vor rund 400 Jahren gelebt. In meinen Sonntagsgedanken habe ich erzählt, wie er Menschen aufheitert, ihnen von Gott erzählt und vor allem Freude am Glauben vermittelt. Er konnte aber auch den Finger in die Wunde legen.
Eines Tages empfängt Philipp Kardinäle, also hohen kirchlichen Besuch. Als sie eintreffen, wirft er sich ein rotes Tuch über. Damit sieht er ähnlich aus wie sie in ihrer Pracht; und veralbert sie zugleich: er hält ihnen einen Spiegel vor und kritisiert ihr Auftreten. Sie sollten lieber bescheiden sein – so wie es Christus war. Ein anderes Mal kritisiert Philipp sogar den Papst; zwar auch höflich und charmant, aber unmissverständlich. Auch ihn erinnert er daran, demütig zu bleiben und sich an Christus auszurichten.
Dass sich Philipp das getraut hat! Er hat Dinge angesprochen, die in Schieflage geraten sind; bis auf die oberste Ebene. Da gehört schon was dazu. Aber offenbar hat es ihm keiner übelgenommen. Woran das wohl liegt?
Zum einen hat Philipp für eine gute Atmosphäre gesorgt. Die Leute haben gespürt, dass er es gut mit ihnen meint. Er hat Kritik geäußert, ohne zu verletzen. Ich glaube, darauf kommt es an! Wenn mir jemand Dinge wertschätzend sagt, wohlwollend, auf Augenhöhe und gerne mit etwas Humor, kann ich Kritik annehmen und damit umgehen. Leider scheinen das heute viele zu vergessen: Politikern zum Beispiel werden kaum noch Fehler verziehen. Statt sie konstruktiv zu kritisieren und ihnen eine zweite Chance zu geben, werden sie angegangen und mit Hass überzogen.
Philipp Neri war sich außerdem nicht zu schade, den Clown zu spielen. Die Leute konnten über ihn lachen. Mit dem roten Überwurf hat er sich und die Kardinäle zum Affen gemacht. Das war lustig und hat doch gesessen. Wer kleine Kinder oder Enkel hat, kann den Effekt mal ausprobieren: Wenn das Kind im Supermarkt rumschreit und sich auf dem Boden wälzt, weil es nichts Süßes kriegt, machen Sie es genauso: Werfen Sie sich auf den Boden, strampeln Sie und halten Sie dem Kind den Spiegel vor. Es wird peinlich. Aber vermutlich bewirkt es was!
So etwas braucht allerdings Mut! Man muss schon sehr selbstsicher sein, um das zu tun; von sich selber absehen und wissen, was einem wichtig ist. Das ist der dritte Punkt, warum Philipp wahrscheinlich so ungeniert den Finger in die Wunde legen konnte: er war innerlich frei. Er hat oft gebetet und sich mit anderen über Gott ausgetauscht. Er hat genau hingeschaut auf das, was er geglaubt hat: Von Jesus hat er Demut gelernt, den Nächsten zu lieben und auf Gott zu vertrauen. Das hat ihn gestärkt, ihm Orientierung und Halt gegeben. Und deshalb konnte er Menschen auf das aufmerksam machen, was für ihn nicht zu einem Leben im Sinne Gottes gepasst hat.
Philipp Neri wird oft als Spaßvogel bezeichnet. Für mich ist er aber mehr als das. Er zeigt mir, dass es sich lohnt, immer wieder mal in mich zu gehen und zu schauen, was mich froh macht, woraus ich Kraft schöpfe und was in meinen Augen gut ist – für mich, für andere und vor allem für das Miteinander.