Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

14MAI2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ganz hinten in meinem Geldbeutel liegt ein kleines Kärtchen, das hab ich mal irgendwo gesehen und eingesteckt. Weil da ein Spruch drauf stand; er heißt: „Mut ist Angst, die gebetet hat.“ Ich war sofort angetriggert, weil ich mich auch zu den Menschen zähle, die mehr Angst haben als Mut. Das Kärtchen ging seither einfach mit, meist ohne weiter beachtet zu werden. So hat es Jahre gedauert, bis ich mir mal die Mühe gemacht habe zu recherchieren, woher dieses markante Wort denn eigentlich kommt. Dabei bin ich auf eine Frau gestoßen. Eine Frau, deren Leben ebenso ungewöhnlich ist wie das Wort, das ihr zugeschrieben wird: „Mut ist Angst, die gebetet hat.“ 

Die Frau heißt: Corrie ten Boom. Sie war Niederländerin und arbeitete im Uhrmacherbetrieb ihres Vaters. 1940 muss sie erleben, wie ihre Heimat von deutschen Truppen besetzt wird. Nun werden Juden auch hier verfolgt und verschleppt. In ihrem Haus in Haarlem lässt Corrie ten Boom eine doppelte Wand einziehen, dahinter können Menschen sich verstecken, wenn die Häuser wieder einmal durchsucht werden. Vier Jahre geht das gut, erstaunlicherweise. Dann wird sie in eine Falle gelockt und fliegt auf. Die gesamte Familie wird verhaftet. Zusammen mit ihrer Schwester Betsie kommt sie nach Ravensbrück. Betsie stirbt im Konzentrationslager, Corrie überlebt.

Warum Corrie ten Boom so beherzt gehandelt hat? Für sie war völlig klar: Ihr christlicher Glaube war der Kompass in ihrem Leben. Wie die ganze Familie war auch sie engagiertes Mitglied der Niederländisch-reformierten Kirche.

„Mut ist Angst, die gebetet hat.“ Der Spruch im hintersten Fach meines Geldbeutels bekommt eine ganz neue Geschichte, eine ganz neue Tiefe. Wie viel Mut diese Frau gebraucht hat, um sich jeden Tag einer solchen Gefahr auszusetzen! Und wie viel Gebet dafür wohl nötig war, sich immer wieder der Angst zu stellen, sie immer wieder Gott hinzuhalten und von ihm umwandeln zu lassen in Mut!  

Ich muss gestehen, ich werde ganz klein, wenn ich das vergleiche mit den Situationen, in denen ich Angst habe. Aber auch meine Ängste empfinde ich oft als bedrängend. Und Angst hindert mich oft genug daran, mutig zu sein. Zu dem zu stehen, was mir wichtig ist.

„Mut ist Angst, die gebetet hat.“ Ich will‘s mir merken. Das Spruchkärtchen hab ich jetzt ins vordere Fach meines Geldbeutels gesteckt. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39898
weiterlesen...