SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

05MAI2024
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„Ich bin klein, mein Herz mach rein. Soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“ So klingt eines der wohl bekanntesten Kindergebete. Vielleicht haben Sie es auch mit Generationen von Kindern abends vor dem Einschlafen gesprochen. Und vielleicht haben Sie mit Generationen von Erwachsenen nicht nur dieses Kindergebet, sondern das Beten überhaupt irgendwann aufgegeben. Es ist ja auch eine berechtigte Frage: Wie kann ich beten, wenn das Gebet mit den Worten anfängt: „Ich bin groß!“?

In der biblischen Geschichte, die heute in vielen evangelischen Gottesdiensten im Mittelpunkt steht, geht es ums Beten. Und es geht um einen großen Beter. Mose ist ein erwachsener Mann, mit allen Wassern gewaschen. Lebenserfahren, gefahrerprobt. Und ein Leben lang im Zwiegespräch mit seinem Gott geblieben. Zu Beginn der Erzählung ist er auf einen Berg gestiegen, um zu beten. Doch er kommt gar nicht dazu. Denn – man höre und staune – Gott selbst hat großen Redebedarf. Er will Mose sein Herz ausschütten. Er ist so richtig fertig mit der Welt. Und klagt ihm sein Leid: Denn seine wunderbaren Pläne mit den Menschen sind nicht aufgegangen. Große Mühen hat er darauf verwendet, einen Haufen Sklaven aus katastrophalen Lebensumständen zu befreien. Auch an großen Wundern hat er es nicht fehlen lassen, um sie aus der Gewalt eines despotischen Herrschers loszueisen. Aber im weiteren Verlauf der Geschichte zeigen die Befreiten sich undankbar. Sie wissen es nicht zu schätzen, was Gott für sie getan hat. Und statt ihm bis in alle Ewigkeit dankbar ergeben zu sein, finden sie an ihrer neuen Lebenslage wieder etwas auszusetzen. Weil die Freiheit, nach der sie sich gesehnt haben, ganz schnell zur Selbstverständlichkeit geworden ist, fangen sie an, an vielen Kleinigkeiten herumzunörgeln. Und Gott ist erschöpft. Ja mehr noch: Er hat es satt. Eine sehr menschliche Reaktion. Und mehr noch: Er redet sich in Rage. Er gerät in Wut und will Schluss machen. Schluss mit den Menschen, die nichts kapieren, die einfach nichts dazu gelernt haben.

Mose bekommt es mit der Angst. Und bevor die Lage eskaliert und Gott womöglich Ernst macht mit seinen Androhungen, versucht er, diesen aufgebrachten Gott zu besänftigen. Er spricht mit ihm. Er betet. Und traut sich was. Er redet Gott gut zu, er redet ihm ins Gewissen. Er erinnert Gott an seine guten Eigenschaften. An seine großen Pläne mit der Welt, an alles, was er den Menschen je an Zukunft versprochen hat. Und am Ende dieses außergewöhnlichen Gesprächs hört Gott auf Mose und bereut seinen Zornesausbruch.

Mose hat sich nicht klein gefühlt und nicht klein gemacht, sondern er spricht sehr selbstbewusst mit Gott. Dass er zum Beten auf einen Berg gestiegen ist, mag ein äußeres Zeichen dafür sein. So stellt er Augenhöhe her. Und auch im Gespräch bietet er Gott, dem scheinbar Unausweichlichen die Stirn. Und er tut es geschickt. Taktisch klug, würde ich sagen. Er packt Gott bei seiner eigenen Ehre: Bei allem, was ich von dir weiß, bei allem, was ich von dir glaube: Du kannst nicht im Ernst die Welt und die Menschen, die du geschaffen hast, zerstören wollen. Bei allem Respekt! Erinnere dich, wofür Du als Gott angetreten bist!

So wie Mose möchte ich auch beten können. Mit einer Haltung, die von Gott etwas erwartet. Und es ihm auch sagt. Nicht als demütige Bittstellerin, sondern als erwachsener Mensch, der von einem großen Gott zurecht Großes erwartet. In der biblischen Erzählung hat es Gott gutgetan, dass ein Mensch so mit ihm gesprochen hat. Er hat sich bewegen, ja umstimmen lassen. Vielleicht kann das ja ein Anreiz sein, es mit dem Beten wieder einmal aufzunehmen. Vielleicht so: „Gott, ich bin groß. Ich lass dich nicht los. Du segnest mich denn.“

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