SWR2 Wort zum Tag

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03MAI2024
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Seit Anfang des Jahres steht in meinem Büro in der Mainzer Hochschulgemeinde ein nagelneues knallrotes Sofa. Ein echter Hingucker. Schnell ist es zum neuen Lieblingsort für viele Menschen geworden. Planungstreffen für kleine Gruppen, Seelsorge und Beratungen… alles findet plötzlich auf dem roten Sofa statt. Und das beste: Die Polsterung ist so gut, dass niemand in dem Sofa versinkt. Kaffee, Tee, Obst und Kekse können in aufrechter Haltung genossen werden. Ich könnte es mir gar nicht besser wünschen.

Dabei war das gute Stück gar keine geplante Anschaffung gewesen. Wir haben es geschenkt bekommen. Von der Oma einer Studentin. Die hatte sich beim Einrichten ihres Wohnzimmers mit den Maßen vertan und erst bei der Anlieferung festgestellt, dass ein neuer Schrank und ein neues Sofa zusammen leider nicht ins Wohnzimmer passen.
Was also tun? Zurückgeben? Umtauschen?

Die Enkelin – eine unserer aktiven Studentinnen - hatte eine bessere Idee. „Wie wäre es, wenn du das Sofa der Hochschulgemeinde schenkst?“, hat sie die Oma gefragt. Nach Rücksprache mit mir und einer diesmal sorgfältigen Ausmessaktion haben schließlich alle Seiten eingewilligt. 
Zwei Studierende haben das Sofa angeliefert und gemeinsam in mein Büro geschleppt.
Und es hat sich gelohnt. Auch die Oma ist zufrieden. Als sie gehört hat, dass das rote Sofa bei den Studierenden beliebt ist für Besprechungen aller Art, hat sie wohlwollend genickt und der Enkelin erklärt: „So sollte es wohl sein. Erst bin ich genervt gewesen, weil ich falsch gemessen habe. Aber manchmal muss man wohl einen Fehler machen, damit sich die eigentliche Bestimmung einer Sache zeigt.“
Recht hat sie! Und das ist nicht nur bei einem roten Sofa so. Manchmal braucht es Umwege, falsche Lieferungen, scheinbare Missverständnisse oder Unverhofftes, damit eine Sache gut wird. Das rote Sofa wird mich jedenfalls auch in Zukunft daran erinnern, dass gerade das, was gar nicht im Blick war und nicht geplant gewesen ist, sich am Ende genau als das erweist, was es gebraucht hat.

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